54 》Brautkleider
Eine Woche nach dem Treffen mit Rhodey lief ich die Promenade vom Malibu Beach entlang und genoss die warmen Sonnenstrahlen, die auf meiner Haut kitzelten. Es war Mitte Mai und mit 25 Grad schon erstaunlich warm. Die kirchliche Hochzeit von Rhodey und Cynthia würde in anderthalb Monaten stattfinden und bis dahin gab es noch viel zu erledigen.
Tony und Rhodes kümmerten sich um eine Kirche, während Cynthia und ich eine Location für die anschließende Feier aussuchten. Ich war gerade auf dem Weg zu ihr. Bisher hatten wir nur geschrieben und ein paar Mal telefoniert. Ihre Stimme war warm und schoss schnell in die Höhe, weil ihr Mund nicht mit ihren Gedanken hinterher kam. Dazu kam, dass sie mindestens genauso aufgeregt wie Rhodey war. Tony rollte immer genervt mit den Augen, wenn ich bis tief in die Nacht mit ihr telefonierte und mir jede ihrer Ideen anhörte, aber mich störte es nicht. Im Gegenteil: Cynthia war mir ungemein sympathisch. Sie war witzig und einfallsreich und wenn Tony im Hintergrund einen Spruch klopfte, hatte sie immer eine schlagfertige Antwort parat. Aber trotz allem war ich sehr aufgeregt, sie heute zum ersten Mal zu treffen.
Tatsächlich war es Cynthias Idee gewesen, dass wir uns in der Palmtree Bar trafen. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass ich die beliebteste Bar in Malibu damals zusammen mit Marceline gegründet hatte. Aber das tat ja auch nichts zur Sache. Es ging um sie und ihre Hochzeit, nicht um mich.
Mit mulmigem Gefühl trat ich in die Bar und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es war alles beim Alten. Ein paar Pflanzen und Bilder waren dazugekommen, aber sonst sah es genauso aus wie vor damals. Als wäre ich nie gegangen. Es fühlte sich merkwürdig an, wieder hier zu sein, aber gleichzeitig war es auch eine große Erleichterung. Natürlich wurde ich ein bisschen nostalgisch und in mir stiegen sofort hunderte Erinnerungen von meinem alten Leben hoch. Wie Jon und ich damals in der Besenkammer knutschten, wie Gordon gegen Marci beim Armdrücken verlor und wie Tommy auf dem Tresen strippte, um die Nummer einer hübschen Blondine zu gewinnen.
Das waren verrückte Zeiten. Ich war froh, sie erlebt zu haben, aber ich bereute es nicht, sie hinter mir gelassen zu haben. Mein Leben war jetzt anders. Aber ich liebte dieses Anders.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf und setzte mich an einen der Tische. Obwohl es erst Mittag war, war die Bar schon gut besucht. Gelächter vermischte sich mit der Musik, die aus den Boxen an der Decke dröhnte, und Cocktailgläser klirrten aneinander.
Ich schaute auf, als das Glöckchen über der Türe ein Klingeln von sich gab. Als ich die dunkelhäutige Frau mit der atemberaubenden Lockenpracht sah, wusste ich sofort, dass es Cynthia war. Ihr weißes Lächeln strahlte fast so hell wie die Mittagssonne. Ihr langer, dünner Körper steckte in einem bunt gemusterten Strandkleid und sie lief wie ein Model über einen Laufsteg durch die Bar. Tommy, der hinter der Theke stand, klappte kurz die Kinnlade runter, was mich grinsen ließ.
"Hey Elli!", begrüßte mich Rhodeys Zukünftige mit breitem Lächeln und ich stand auf, um sie kurz zu umarmen.
"Hey, Mrs. Rhodes", zwinkerte ich und sie fasste sich mit zufriedenem Seufzer an die Brust.
"Das klingt mit jedem Tag besser", schmachtete sie und wir mussten beide lachen.
Wir bestellten jeder einen Long Island Ice Tea (Cynthia einen alkoholfreien, weil sie noch fahren musste) und dann breitete Cynthia auf dem Holztisch einen dicken Ordner aus. Sie liebte es, alles zu organisieren. Und sie plante ihre Traumhochzeit schon seit sie elf war.
Sie hatte Bilder von weißen Tüllkleidern, Cinderella-Schuhen, Tischdeko und allem, was zu einer Hochzeit dazugehörte. Es war verdammt schön. Als ich das alles sah, fühlte ich mich plötzlich so geschmeichelt, ihr helfen zu dürfen - obwohl wir uns eigentlich nicht kannten.
"Wir haben nicht mehr viel Zeit bis zur Hochzeit", sie seufzte, "Aber im Spätsommer stimmt einfach alles - das Wetter, die Temperatur und die Sommerferien, damit meine tausend Cousins und Cousinen kommen können...hätte Rhodey mir mal früher einen Antrag gemacht."
Sie lachte nervös auf, aber ich schenkte ihr einen aufmunternden Blick.
"Das schaffen wir locker", entgegnete ich lässig, "Mach' dir keine Gedanken. Genieße lieber, dass du bald den Mann deiner Träume heiratest."
Cynthia nickte lächelnd und verkündete selbstsicher, als erstes ein Brautkleid zu kaufen. Sie gestand mir, dass sie es hasste, shoppen zu gehen, aber die Kleider, die sie übers Internet bestellt hatte, waren alle furchtbar gewesen und jetzt müsste sie sich wohl aufraffen, in die Stadt zu gehen.
"Ich hab' extra meine Laufschuhe angezogen", stolz streckte sie mir ihren Fuß entgegen und ich machte es ihr nach.
"Hey, ich auch!"
Wir tranken unsere Cocktails aus und als Cynthia nach der Rechnung verlangte, kam Tommy an unseren Tisch. Er fuhr sich durch seine kurzen, schwarzen Haare und schenkte mir ein schiefes Grinsen.
"Das geht aufs Haus", zwinkerte er, "Ich freu' mich, wenn die Chefin vorbeischaut."
Cynthias verwirrter Blick wechselte zwischen ihm und mir.
"Chefin?", wiederholte sie irritiert und ich schlürfte verlegen das letzte bisschen Getränk aus meinem Glas.
"Ex-Chefin. Elli hat uns ja leider verlassen", sagte Tommy und schmollte ein wenig, "Aber ohne sie gäbe es diese Bar nicht."
"Wirklich?", Cynthias Augen wurden groß und sie haute mir spielerisch gegen den Arm, "Sag das doch!"
Ich zuckte nur mit den Schultern. "Wir sind wegen dir hier, nicht wegen mir", rechtfertigte ich mich und Cynthia verdrehte die Augen.
"Keine falsche Bescheidenheit, Elli", ermahnte sie mich, "Diese Bar ist eine der besten in ganz Kalifornien und darauf kannst du verdammt nochmal stolz sein. Obwohl ich zugeben muss, dass ich den Namen ein bisschen beknackt finde..."
Jetzt musste ich lachen.
"Ich auch", gluckste ich, "Nach drei Cocktails und stundenlangem Überlegen kam leider nicht besseres raus als Palmtree Bar."
"Aber dafür stimmt der Rest", meldete sich Tommy zu Wort, "Die Leute kommen ja trotzdem."
"Aber wir werden jetzt trotzdem gehen", ich erhob mich von der knarzenden Sitzbank, "Wir müssen dieser Braut ein Kleid besorgen."
Sie klatschte fröhlich in die Hände. "Unbedingt! Und danke für den Gratis-Cocktail!"
Wir fuhren in Cynthias weißem Fiat nach Los Angeles. Es war heiß geworden und ich streckte meinen Arm aus dem offenen Fenster und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut und den milden Wind, der durch meine Haare strich. Diese Hochzeit würde perfekt werden, das spürte ich. Es würde die Sommerhochzeit werden, die Cynthia sich schon seit Jahren wünschte.
Wir fuhren eine knappe Stunde und die Zeit verging rasend schnell, weil wir uns Geschichten aus unseren Leben erzählten. Cynthia hatte schon früh mit dem Tanzen angefangen und war international aufgetreten. Aber vor ein paar Jahren gab sie ihre Karriere auf, um sich ihren Traum von einer eigenen Tanzschule zu erfüllen. Sie erzählte mir, wie gut ihr Geschäft lief und wie glücklich sie mit ihrer Entscheidung war. Denn wäre sie nicht nach Kalifornien zurückgekehrt, hätte sie Rhodey nie kennegelernt. Die beiden saßen zufällig im Kino nebeneinander, regten sich beide über den schlechten Adam-Sandler-Film auf und kamen ins Gespräch. Es dauerte nicht lange, bis sie merkten, dass ihre Herzen zueinander gehörten.
Je besser wir uns kennenlernten, desto mehr schloss ich sie in mein Herz. Und desto mehr freute ich mich darauf, dass sie und Rhodey heiraten würden. Sie passten perfekt zueinander, das war mir sofort klar. Cynthia war nicht überheblich, nicht eingebildet und nicht dumm. Sie war lebhaft, lustig und einer dieser Menschen, mit denen man sich stundenlang unterhalten konnte, ohne sich auch nur eine Sekunde zu langweilen. Ich mochte sie sehr.
"Okay, wo wollen wir als erstes hin?", fragte Cynthia und tippte eifrig auf ihrem Handy, um nach Brautmodengeschäften zu suchen. Den dicke Ordner, der unter ihren Arm geklemmt war und in dem sie jede Kleinigkeit geplant hatte, schien sie wohl vergessen zu haben. Ich spürte, wie aufgeregt sie war, und musste schmunzeln.
"Zur Virginia Road?", schlug ich vor, weil es dort das einzige Brautmodengeschäft gab, das ich kannte. Cynthia antwortete mit einem Nicken und setzte sich ihre gespiegelte Sonnenbrille auf die Nase.
Von außen machte Britney's Brautmode nicht viel her: es verschwand zwischen den Supermärkten und Imbissbuden, die die Seitengasse dominierten. Die rote Fassade bröckelte allmählich ab und die Puppen, die wie Bräute gekleidet waren, kamen in dem schmalen Schaufenster nicht wirklich zur Geltung. Ich versuchte, einen Blick ins Innere zu erhaschen, aber die aufgeplusterten Kleider versperrten mir die Sicht.
"Da sollen wir rein?", Cynthia lupfte ihre lange Augenbraue.
"Ja", ich nickte entschlossen, "Meine Freundin Marceline hat mir gesagt, das wäre der beste Laden in LA. Ihre Schwester hat ihr Kleid hier gekauft."
"Hm", sie war nicht wirklich überzeugt, drückte aber schließlich doch die Türe auf.
Und als wir eintraten, haute es mich um. Warmweiße Lichterketten schlängelten sich durch das verwinkelte Geschäft und es roch angenehm nach Zimt und Rosen. Die ausgestellten Kleider wurden mit Lichtstrahlern in Szene gesetzt und aus den Boxen an der Decke klangen romantische Lieder. Es war fast schon etwas kitschig. Aber Cynthia war begeistert. Sie stürzte sich sofort auf die Kleiderstangen und pfiff zu den Songs mit.
"Das wird mein Kleid!", verkündete sie euphorisch, entschied sich fünf Sekunden später aber wieder um, "Nein, das!"
Eine Verkäuferin trat zu uns und bot uns ihre Hilfe und ein Glas Sekt an. Cynthia bombardierte sie mit ihren Wünschen, während ich an meinem süßen Sekt nippte und mir die Kleider anschaute. Die Verkäuferin, die Britney höchstpersönlich war, hängte Cynthias engere Auswahl an eine rollbare Kleiderstange. Ich sah mich weiter um und dann entdeckte ich dieses eine Kleid. Es war schneeweiß, hatte kurze Flügelärmchen und einen V-Ausschnitt. Die romantische Spitze des Oberteils zerfloss in dem Tüllrock. Der weiche Stoff rann durch meine Finger und ich seufzte leise auf.
"Probier' es an", erklang Cynthias Stimme plötzlich neben mir und ich zuckte zusammen.
"Nein, nein", ich winkte ab, "Ich brauche kein Kleid."
"Probier' es an", wiederholte sie eindringlich und bevor ich es verhindern könnte, nahm sie das Kleid an sich und reichte es Britney.
Mit ungefähr zwanzig Kleidern und sieben Schuhkartons gingen wir zur Umkleide. Cynthia verschwand hinter dem Vorhang. Ich genehmigte mir ein zweites Glas Sekt und schrieb Tony an.
Na Pupsi, wie läuft es bei euch?
Ich hatte angefangen, ihm furchtbare Kosenamen zu geben, weil ich wusste, wie sehr er das hasste. Aber wie sagte man so schön? Was sich liebt, das neckt sich. Und wie konnte ich Tony meine Liebe besser zeigen, als ihm gehörig auf die Nerven zu gehen?
Erste Kirche: Rhodey hat sich mit dem Priester angelegt. Zweite Kirche: ich hab mich mit dem Priester angelegt. Läuft's bei euch wenigstens besser?
Ich musste schmunzeln. Das hätte ich mir denken können. Tony war nicht gerade ein Freund von Kirchen oder Religion im Allgemeinen, aber das konnte ich ihm nicht verübeln - mir ging es da genau wie ihm. Cynthia war diejenige, die aus einer christlichen Familie stammte und in der Kirche heiraten wollte.
Meine Finger flogen über das Display.
Cynthia ist mit hundert Kleidern in die Umkleide verschwunden. Ich weiß nicht, ob wir vor morgen fertig werden...aber immerhin hab' ich eine Flasche Sekt.
Tony antwortete mir sofort.
Trink nicht zu viel und komm heil nach Hause. Du weißt doch, dass ich ohne dich nicht einschlafen kann. Ich liebe dich, mein Honigbärchen.
"Ich dich auch, du Vollidiot", murmelte ich und schüttelte grinsend den Kopf. Obwohl Tony manchmal schnarchte, heftige Albträume hatte und mir die Decke wegriss, konnte ich es mir nicht mehr vorstellen, ohne ihn einzuschlafen. Nach all den Monaten gab es nichts schöneres, als in seinen Armen zu liegen und seinen Herzschlag an meiner Brust zu spüren.
Ich seufzte und durchblätterte Cynthias Ordner, weil sie immer noch mit einem Kleid kämpfte (ich hörte sie aus der Umkleide fluchen). Sie hatte sogar schon Musik für die Party! Ein paar Seiten fotografierte ich mir ab, um vielleicht heimlich etwas zu planen, womit ich sie überraschen konnte. Planung hin oder her - sie verdiente einen Knaller auf ihrer Hochzeit.
Die ersten fünf Kleider, die Cynthia anprobierte, waren scheußlich. Eines war viel zu kurz für ihre langen Beine, beim anderen war der weiße Stoff zu durchsichtig. Cynthia verlor allmählich die Lust und brummte, wie sehr sie shoppen hasste, zwängte sich aber noch in die restlichen Kleider. Und beim vorletzten Kleid schlug ihre Laune plötzlich um.
"Das ist es!", rief sie aufgeregt und riss den Vorhang beiseite. Mein Blick huschte über den weißen Traum aus Spitze und Tüll und ich nickte entschlossen.
"Das ist es tatsächlich!", bestätigte ich sie. Mit breitem Lächeln drehte sich Cynthia um ihre eigene Achse, wobei weiße Rock mitschwang. Dieses Kleid war wie für sie gemacht.
Sie betrachtete sich im Spiegel und ihr fröhliches Lachen ging in einen Schluchzer über. "Ich werde heiraten!", sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und nahm einen tiefen Atemzug, "Ich war noch nie so glücklich."
Ich lächelte sie nur an und knipste heimlich ein Foto von ihr, um Rhodey nach der Hochzeit zu zeigen, wie glücklich die werdende Braut war.
"Elli?", begann Cynthia irgendwann mit verlegener Stimme und drehte sich zu mir um. Ich sah auf. "Ja?"
"Danke, dass du das mit mir machst. Ich hab' nicht viele Freundinnen, weißt du? Eigentlich habe ich keine einzige Freundin mehr. Die, die ich hatte, waren immer eifersüchtig auf mich und haben hinter meinem Rücken über mich gelästert. Sie haben gedacht, ich will ihnen ihre Männer ausspannen. Das hat mich wirklich verletzt. Sowas würde ich niemals machen. Ich habe meinen Mann gefunden und ich will nie wieder einen anderen. Das klingt jetzt kitschig, aber Rhodey ist meine Luft zum Atmen. Ohne ihn könnte ich nicht mehr leben. Ich glaube, du bist die erste, die das wirklich verstehen kann. Tony und du...ihr habt dasselbe."
Tränen stiegen in meinen Augen auf. Ich war gerührt von ihrer Ehrlichkeit und irgendwie auch erschrocken darüber, wie ihre Freundinnen sie behandelt hatten. Cynthia war eine dieser Frauen, die man einfach nur beneiden konnte, aber das war kein Grund, sie so zu behandeln. Das tat mir sehr leid.
Ich erhob mich von der rosanen Couch und schloss sie in meine Arme - darauf bedacht, mich nicht im zarten Stoff des Kleides zu verheddern.
"Ich mache das gerne, Cynthia", versicherte ich ihr lächelnd, "Ich mag dich. Rhodey hat wirklich Glück."
Ein Lachen mischte sich unter ihre Schluchzer. "Ich habe Glück", erklärte sie, "Rhodey ist das beste, was mir je passiert ist."
Ich wusste genau, wovon sie redete. "Und bei mir ist es Tony", sagte ich und in diesem Moment hatte ich das Gefühl, in Cynthia eine Freundin gefunden zu haben. Sie konnte mich verstehen - immerhin war sie auch mit einem Superhelden zusammen. Aber das hielt sie nicht davon ab, ein normales Leben zu führen. Zu heiraten, vielleicht irgendwann Kinder zu bekommen und mit Rhodey alt zu werden. Superhelden waren schließlich auch nur Menschen.
"Ich weiß, das kommt jetzt aus heiterem Himmel...", begann Cynthia und strich sich verlegen eine ihrer Locken hinters Ohr, "...aber möchtest du meine Trauzeugin sein?"
Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen - immerhin wurde ich das vorher noch nie gefragt. Cynthia deutete mein Schweigen falsch.
"Du musst nicht!", beteuerte sie sofort, "Wenn du nicht willst-"
"Natürlich will ich!", unterbrach ich sie schnell und lächelte sie zur Bestätigung an, "Ich habe zwar keine Ahnung davon, aber ich gebe mir Mühe."
"Jetzt habe ich eine perfekte Trauzeugin und ein perfektes Kleid...dann bist du dran!", Cynthia deutete mit einem Kopfnicken auf das letzte Kleid an der Stange und klatschte erfreut in die Hände, aber ich schüttelte vehement den Kopf. "Ich heirate doch gar nicht!", widersprach ich, aber sie verdrehte nur die Augen.
"Du sollst es doch nur anprobieren. Komm schon, das macht Spaß."
Weil ich wusste, dass sie nicht locker lassen würde, schnappte ich mir das Kleid und verschwand seufzend in der Umkleide.
Es fühlte sich seltsam an, in dieses Brautkleid zu schlüpfen - als würde ich mich in einen ganz anderen Menschen verwandeln. Ich zog den Vorhang zur Seite und Cynthia stieß einen Pfiff aus. "Ich platze vor Neid, Elli", sagte sie, "Dein erstes Kleid und es passt dir wie angegossen."
"Wirklich?", ich musterte mich im Spiegel und strich über den weißen, mit Spitze besetzten Tüllrock. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal in einem Brautkleid stecken würde (davon abgesehen, dass ich gar nicht heiratete). Aber ich fühlte mich komischerweise pudelwohl. Fast so wie eine Disney-Prinzessin. Ein Lächeln huschte über meine Lippen.
"Du siehst wunderschön aus", murmelte Cynthia und zückte ihr Handy.
"Hey, keine Fotos!", mahnte ich.
"Keine Sorge, ist ein Video", zwinkerte sie, "Einmal drehen, bitte."
Ich verdrehte die Augen, streckte ihr die Zunge raus und wirbelte im Kreis herum. Es fühlte sich großartig an. Ich wollte dieses Kleid gar nicht mehr ausziehen.
Wir stolzierten beide mit hohen Schuhen und unseren pompösen Hochzeitskleidern durch das Geschäft, hakten uns ein und tanzten zur kitschigen Musik. Wir lachten und machten uns wahrscheinlich komplett zum Affen, aber es tat gut. Am Ende probierte ich noch ein Brautjungfernkleid in Fliederfarbe an und wir entschieden uns spontan für Blumen und Tischdeko in demselben Farbton.
Als Cynthia ihr Brautkleid bezahlte, hielt ich das weiße Kleid in meinen Händen und rang mit mir selbst. Du brauchst kein Kleid, du heiratest nicht, rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis.
Und wenn doch?, erwiderte meine andere, innere Stimme.
Meine Mutter sagte ständig, ich solle nicht zu viel nachdenken. Meine Pro-Contra-Listen belächelte sie nur mit den Worten: "Tu das, was dein Herz dir sagt. Und tu es jetzt, weil es morgen vielleicht schon zu spät ist."
"Scheiß' drauf", murmelte ich schließlich, schnappte mir das Brautkleid und folgte Cynthia zur Kasse. Sie grinste mich breit an. "So so", sie wackelte mit den Augenbrauen, "Jetzt blüht Tony aber etwas."
Ich schluckte schwer. "Wir sind doch erst seit ein paar Monaten zusammen", flüsterte ich und verdrängte den Gedanken, mit Tony Ringe zu tauschen, schnell aus meinem Kopf, um mich nicht daran zu gewöhnen.
Ich kaufte trotzdem beide Kleider und fühlte mich, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Cynthia fand noch zwei Paar Schuhe, einen Schleier und dezenten Silberschmuck und gab knapp 600 Dollar aus, war aber überglücklich. Wir aßen Pizza bei einem kleinen Italiener und als sich die Sonne am Horizont senkte, beschlossen wir, für heute Schluss zu machen. Langsam bemerkte ich, wie schwer meine Augenlider wurden und wie sehr mich der Tag geschafft hatte.
Auf der Fahrt nach Hause lehnte ich meinen Kopf an die Fensterscheibe und sah dabei zu, wie die Lichter der Stadt an mir vorbeizogen. Ich schloss die Augen, döste weg und fragte mich, ob ich denn je heiraten würde. Und ob Tony Stark vielleicht derjenige wäre, der beim Altar auf mich wartete.
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Es war längst dunkel, als Cynthia mich vor Tonys Villa absetzte. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung voneinander und als ich die Haustüre aufschloss, spürte ich erst, wie sehr mir alles wehtat. Mit schmerzenden Füßen tappte ich durch den Flur und hielt Ausschau nach Tony.
"Hey Jarvis, wo ist Tony?", fragte ich leise, weil ich das Brautkleid vor ihm verstecken musste. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er reagieren würde. Würde er lachen? Oder es einfach gekonnt ignorieren? Meine Fantasie erfand die merkwürdigsten Szenarien und keines von ihnen gefiel mir. Ich bereute es früher als gedacht, dieses blöde, wunderschöne Kleid gekauft zu haben.
"Mister Stark befindet sich in der Werkstatt", antwortete mir Jarvis und ich stolperte eilig die Treppe hoch. Im Schlafzimmer angekommen verstaute ich das Kleid in einer Schublade zwischen Bettwäsche und Laken - wenn jemand das Bett frisch bezog, war das nämlich immer ich. Ich atmete tief durch, kickte mir die Schuhe von den Füßen, schälte mich aus meinen verschwitzten Klamotten und zog mir eines von Tonys T-Shirts an, das bis zur Hälfte meiner Oberschenkel reichte.
Gähnend lief ich hinunter in die Werkstatt und musste grinsen, als ich Tony schlafend vorfand. Sein Oberkörper lag auf dem Arbeitstisch und er hatte die Arme unter seinem Gesicht eingeklemmt. Einige braune Haarsträhnen waren ihm ins Gesicht gefallen. Sein Bart war zerzaust und irgendwie wirkte er noch erschöpfter als in den vergangenen Wochen.
Ich legte meine Arme von hinten um seine Brust und schmiegte mich an ihn.
"Hey Tony", murmelte ich leise, um ihn nicht zu erschrecken, "Komm, wir gehen schlafen."
Er gab ein Grummeln von sich und nahm meine Hände in seine.
"Trägst du mich nach oben?", nuschelte er verschlafen und ich strich ihm lächelnd durchs Haar.
"Ich bin Elli und nicht Hulk", erwiderte ich lachend und er richtete sich langsam auf. Seine braunen Augen blickten direkt in meine und er umfasste meine Hüfte, um mich behutsam an sich zu ziehen. Ich setzte mich auf seinen Schoß und verschränkte meine Finger hinter seinem Nacken ineinander.
"Ich liebe dich", flüsterte er mit liebevoller Stimme, "Das sage ich dir viel zu selten. Und ich will es nicht irgendwann bereuen, es nicht oft genug gesagt zu haben."
Wir waren uns so nah, dass unsere Nasenspitzen aneinander stupsten, und ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu lächeln. Ein elektrisierendes Kribbeln durchströmte jede meiner Venen, jede einzelne Ader, und es hinterließ eine wohlige Wärme.
"Das musst du mir nicht sagen, Tony", hauchte ich gegen seine Lippen, "Es reicht, wenn du es mir zeigst."
Auf seinem zerknautschten Gesicht breitete sich ein liebevolles Lächeln aus, in das ich mich von der ersten Sekunde an verliebt hatte. Es fühlte sich wie zuhause an. Sanft drückte Tony seine Lippen auf meine und ich verlor mich in seinem zurückhaltenden Kuss. Sein ruppiger Bart kitzelte auf meiner Haut und er strich mit seinem Finger über meine Wange.
"Wir sollten schlafen gehen", murmelte Tony, als wir uns voneinander lösten. Er hob mich hoch, als er langsam von seinem Drehstuhl aufstand.
"Und morgen mach' ich uns ein riesiges Frühstück. Du bist viel zu dünn geworden. Wiegst kaum mehr als eine Feder", sagte er mit fürsorglicher Strenge, für die ich ihn liebte und manchmal auch hasste.
"Da muss ich dir ausnahmsweise recht geben", kicherte ich und ließ es zu, dass er mich nach oben trug. Auf dem Weg ins Schlafzimmer gab er mir immer wieder zärtliche Küsse und umschlang mich so fest, dass sich unsere Körper aneinander abzeichneten. Ich umrahmte sein Gesicht mit meinen Händen, wollte nie wieder vom ihm und seinen Lippen ablassen. Es fühlte sich zu gut, zu richtig an. Tony ließ mein Herz schneller schlagen - mit jeden Wort, jeder Berührung und jedem Kuss.
Wir sanken gemeinsam auf die weiche Matratze und krochen unter die Bettdecke. Tony zog mich so nah an sich, dass wir dieselbe Luft atmeten, und ich schmiegte mich an ihn. Unsere Beine verfingen sich ineinander und wir küssten uns zärtlich und behutsam.
"Ich liebe dich so sehr, Elli", Tonys warmer Atem strich über meine Haut. Ich seufzte wohlig auf und lehnte meine Stirn an seine.
"Ich liebe dich noch mehr", erwiderte ich.
"Ich lieb' dich hoch 2", nuschelte Tony in unseren Kuss, "Gewonnen."
Ich grinste und ein weiteres Mal verschmolzen unsere Lippen miteinander. Und wir küssten uns so lange, bis wir beide einschliefen - eng verschlungen, Arm in Arm.
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Nach langer Zeit mal wieder ein Kapitel...ist ein bisschen länger geworden, ups :D
Mir geht es im Moment seelisch nicht so toll, aber Tony und Elli haben mich super abgelenkt und ich hab wieder gemerkt, wie viel Spaß mir die Geschichte macht :)
(verzeiht mir bitte den ganzen Kitsch aber ich liebe es haha)
Seid ihr eher wie Elli und macht euch gar keinen Kopf darüber, ob ihr mal heiraten werdet, oder doch eher wie Cynthia und ihr habt schon eure Traumhochzeit vor Augen?
Würde mich mal interessieren :D ich bin da nämlich eher wie Elli haha
Sagt mir doch gerne, wie ihr das Kapitel fandet, das würde mir viel bedeuten❤
btw hab ich ein neues Cover erstellt...ich weiß nicht wie ihr es findet, aber ich mag's echt gerne :D
Eine schöne Woche noch und bleibt gesund ❤
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