Jisung PoV

Nach dem Unterricht saß ich an dem Ort hinter dem Schulgebäude, wo Minho mich normalerweise verprügelte, und wartete auf ihn. Ich war mir nicht sicher, ob er heute kommen würde und was als nächstes kommen würde, doch ein kleiner Teil von mir hoffte, dass er mich nicht wieder schlagen würde. Schließlich hatte ich mich gestern nicht gerade schlecht angestellt.

Ein wenig in meinen Gedanken verloren, bemerkte ich Minho fast gar nicht, der den Weg hinunter auf mich zu kam. Sein Blick war kalt und ließ mich schlucken, ehe ich mich wieder zusammen riss. Schließlich hatte ich mir das hier ja irgendwie ausgesucht.

"Du hast gewartet.", stellte er fest. "Wie immer."

Ich sagte nichts, sondern stand auf und sah ihm direkt in die Augen. Er holte mit seiner Hand aus und für einen kurzen Moment flackerte Unsicherheit in meinen Augen auf. Auch in seinen Augen schien sich etwas zu verändern. Ich konnte Besorgnis erkennen, als er seine Hand langsam zu meiner Wange führte und fast schon liebevoll über diese fuhr.

"Ich... Ich kann das nicht, Jisung. Nicht nach gestern..."

"Es war nur bedeutungsloser Sex, Minho. Wir sind kein Paar."

"Das meine ich nicht. Ich meine deine Panikattacke oder was das war. Ja, vielleicht bin ich erbärmlich, aber ich bin kein Monster und ich kann dich nicht verprügeln, wenn ich weiß, dass du Probleme mit sowas hast."

"Weißt du, das schließt sich nicht aus... Du kannst auch ein erbärmliches Monster sein."

"Shhht...", machte er und legte einen Finger auf meine Lippen.

"Ich hätte da viel lieber deine Lippen als deinen Finger.", hauchte ich, was ihn leicht grinsen ließ. Er legte seine Hände an meine Hüften und zog mich zu sich, um mich zu küssen. Ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen und schlang meine Arme um seinen Nacken, um ihn näher zu mir zu ziehen.

"Wollen wir zu dir?", fragte er, als wir uns aus dem Kuss lösten. "Ich denke, wir könnten beide ein wenig Gesellschaft gebrauchen."

"Du klaust meine Sätze? Magst du mich echt so sehr?"

"Glaubst du, ich küsse jeden?"

"Man weiß ja nie. Aber ja, wir können zu mir. Nur... Können wir nicht miteinander schlafen? Um ehrlich zu sein, hab ich noch Schmerzen von gestern und will nicht wirklich... Aber ich will nicht, dass du das jetzt erwartest und gleich sauer wirst, wenn ich sage, dass ich nicht will, und du es dann vielleicht trotzdem machst..."

"Jisung, das ist okay. Du hast deinen eigenen Willen und da hat dir niemand etwas vorzuschreiben. Ich werde dich doch nicht vergewaltigen!"

"Vielleicht hättest du ja einen guten Grund dafür..."

"Für sowas gibt es keinen guten Grund. Na komm, ich hole uns was zu essen und dann gehen wir zu dir."

"Können wir nicht einfach bestellen?", fragte ich. Restaurants waren laut und voll, weshalb ich sie grundsätzlich mied, um Stress und Panikattacken aus dem Weg zu gehen.

"Aber es geht doch viel schneller, wenn wir da hingehen...?"

"Wir können bestellen und es abholen... Geht noch schneller. Nur bitte... Nicht da essen."

Er sah mich ein wenig genervt an, doch gab dann nach, als er sah, dass mir das wirklich Sorgen bereitete.

"Na schön, wir bestellen. Dann mal auf zu dir nach Hause."

Wir gingen zu mir und Minho bestellte das Essen für uns, doch es würde noch mindestens eine halbe Stunde dauern, bis es da war.

"Woaah... Du kannst Gitarre spielen?", fragte er überrascht, als er eines der wenigen Bilder auf meinem Schreibtisch ansah, auf dem man mich mit der Gitarre sah.

"Hm...", antwortete ich nur knapp.

"Kannst du mir was vorspielen?"

"Ich kann es versuchen, aber es wird nicht funktionieren."

"Ach, du schaffst das schon. Ich bin sicher, du kannst das richtig gut."

Mit einem Seufzen nahm ich meine Gitarre, packte sie aus und setzte mich damit hin. Dann begann ich die ersten Töne von 'Hey there Delilah' anzustimmen, doch natürlich versaute mir mein Finger das Ganze und ich bekam die Töne nicht vernünftig hin. Sie klangen einfach falsch.

"Blödes Ding...", fluchte ich leise und packte die Gitarre wieder beiseite.

"Hey, was ist denn los? Es klang doch ganz gut, bis auf die paar Töne eben."

"Es geht einfach nicht mehr, Minho. Ich bin nicht mehr in der Lage zu spielen und das frustriert mich."

"Aber warum denn nicht...?"

"Sieht das hier für dich so aus, als könnte ich es tatsächlich noch dafür verwenden?", fragte ich und hielt ihm meine Hand vor die Nase. Sein Blick fiel recht schnell auf meinen kaputten Finger.

"Was ist damit passiert?", fragte er und verschränkte vorsichtig unsere Finger miteinander.

"Du warst das."

"Was?! Aber ich wollte dir nie so sehr weh tun, dass es dich beeinträchtigt..."

"Hast du aber... Das war vor ungefähr einem Dreiviertel Jahr. Du warst wirklich aufgebracht an dem Tag und hast mich zu Boden geprügelt... Als ich am Boden war, bist du auf meine Hand getreten und das ist dabei passiert. Ich weiß nicht mehr, ob es deine Absicht war oder nicht, aber an den Rest erinnere ich mich noch."

"Warst du damit nie beim Arzt...?"

"Nein. Ich hab ein Kühlpack von meiner Mutter in die Hand gedrückt bekommen und das war's."

"Jisungie... Es tut mir so leid... Ich... Ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gerade biegen soll... Das war dir wichtig und ich hab es kaputt gemacht, ohne es auch nur einmal zu merken."

"Lass gut sein, Minho. Man kann es nicht mehr ändern. Ich weiß nicht mal ob es Operationen für sowas gibt..."

"Aber... Man muss doch irgendwas machen können..."

"Ich hätte damit direkt zum Arzt gemusst, damit er das operiert oder schient."

"Oh, Sungie..."

Er ließ meine Hand los und umarmte mich stattdessen.

"Es tut mir leid. So sehr..."

"Ist okay. Ich nehme deine Entschuldigung an."

"Nein, das ist nicht okay! Das war dein Hobby und ich habe es dir kaputt gemacht! Ich bin ein grauenhafter Mensch!"

Er wurde lauter und ich spannte mich automatisch in seinen Armen an.

"Ich wollte dir keine Angst machen... Tut mir leid...", entschuldigte er sich und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

"Ist gut. Halt mich einfach noch ein bisschen so...", murmelte ich und kuschelte mich an ihn, wonach er mir noch einen Kuss aufs Haar gab.

"Das Essen kommt gleich, aber wenn du willst, kannst du dich danach wieder an mich kuscheln..."

"Gerne..."

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