(5) - Schreckens Fluchtplan.

Wie das Schicksal es dann wohl wollte, geschah noch ein weiterer Wimpernschlag und ich war in einem Wagen.

Vor mir Herr Park, daneben der Assistent, Sekretär und nicht Erbe von Kim. Ich selbst sitzt, logischerweise, auf der rechten Seite hinten.
Der mittlere Sitz ist mir groß erhofften Dank meinerseits frei, während mein neu gewonnener Partner ausschließlich zum Fenster hinausstarrt und auch keine unnötigen Interaktionen unserer Körper vollzieht.

Tatsächlich beruhigt dies mein Herz in seinen Schlägen so sehr, dass mein Körper an Spanne verliert und mein Blick sachte schweifend auch anfängt, die Umgebung zu analysieren.

Interessant. Interessant.
Gebäude.
Hochhaus.
Gebäude.
Gebäude.
Uh. Ein Wolkenkratzer.
Hochhaus.
Gebäude.
-

„Du?"
Sofort stoppen meine Augen und hören auf, das Vorbeiziehen der Gebäude zu studieren. Damit meint er aber nicht mich? Oder?

Das war die Stimme von Kim. Klar und deutlich. Aber er darf oder eher soll, meinem inneren Gefühl horchend, meiner Existenz keine Achtung schenken.

Schon schlimm genug, dass mein Sekretär meinen Tee umgefüllt hat und ich jetzt mit so einer, halbwegs, beschissenen Thermoskanne in einem schwarzen Mercedes sitze.
Wobei dieser Benz nicht in der Sonne glänzt, weil eine dicke Wolkenschicht eine trübe Stimmung beherbergt.

Worauf mein Monolog aller Gedanken eigentlich hinaus wollte: die Thermoskanne nimmt ihren Job ernst und die zwei Versuche des Trinkens, sind jämmerlich gescheitert. Den Schmerz an meinen Lippen einbildend noch immer verspürend, hab ich jetzt wohl Angst vorm Trinken. Allerseits. Einfach nur schlimm.

„Partner?"

Echt jetzt? Also meinte er doch mich. Meine Position ist noch immer abgeneigt. Mein Blick aus dem Fenster gerichtet und meine Haltung, entspannt.

Krieg ich hin. Ich hab ihn nicht gehört. Falls er fragen sollte: innerer Monolog? Bleib, wo du bist!

Wir sind Träumer, des Tages und Schläfer der Nacht. Mein Körper fühlt sich entspannt an. Die ganzen Gebäude, Hochhäuser und vereinzelte Wolkenkratzer, hab den Kreislauf herunterfahren lassen. Der Geist ist abwesend, in einer befreienden Yogastunde gefangen, kann nicht früher befreit werden. Das Leben zieht weiter, die Zeit vergeht ungehindert und das Tippen auf meiner Schulter, scheint in seinem Druck stetig ansteigend.

Genau so ist es-
„Aua!", empört schnellt mein Kopf zur Seite und mit einer angehobener Hand, hab ich die des anderen weggeschlagen. Monoton sieht der Ältere mich an. Also dafür, dass er so unbedingt etwas wollte, schweigt er mir jetzt zu sehr.

Seine Augen scheinen wie auf meinem Gesicht festgewachsen. Wo sind seine Gedanken? Mustert er mich? Überlegt er? Oder hat er sein Leben aufgegeben?

Mir egal, was es ist, er soll es aber schnellstmöglich preisgeben und verdammt nochmal sprechen!
„Wir sind schon länger da, unsere Angestellten sind in einem Gespräch vertieft vor der Motorhaube."

Wie jetzt?!
Ich hab doch aus dem Fenster gestarrt und die ganze Zeit, hat sich die Umgebung bewegt. Das Auto ist gefahren! Da bin ich mir sicher. Bis zu dem Moment, indem ich in mich gekehrt alles ignoriert und die Pläne der Ignoranz weiter ausgebaut hatte.

Na super. Nichtmal das Bremsen hab ich wahrgenommen. Und meinen Partner für die gedankliche Störung sogar vorwurfsvoll angestarrt. Dabei wollte er mir ausschließlich den Bescheid des Ankommens geben.
„Du gehst ans Steuer, fährst sie um und ich lache?"

Zack. Schon bin ich wieder auf der richtigen Höhe meines Niveaus. Auf der kompletten Gleichgültigkeit angekommen.
Angestellte totfahren. Wäre bestimmt lustig.
Etwas Abwechslung, ob mir seine Reaktion wieder etwas über seinen Charakter preisgibt?

„Gerne, aber Jung hat den Schlüssel. Möglicherweise, müssten wir ihn schon vorher umlegen und könnten dann nur Park beim Fahren erledigen."
Kein Funken an Ironie in der Stimme, auch seine Augen sind noch immer trüb. Während der Blick bohrend meinen seelischen Besitz ergreifen will.
Vergiss es. Ich dachte hier wäre Humor, aber das geht in vage, dennoch falsche, Richtungen.

Somit ein Schulterzucken überbringend, reiße ich meine Tür auf und will aufstehen. Das vergessene Abschnallen des Sicherheitsgurtes wird dabei jedoch zu einem Verhängnis. Super. Na toll. Kaum will ich den roten Knopf herunterdrücken, fangen meine eigenen Finger an zu verknoten und der Arm sich zu verdrehen. Von plötzlich echt starker Verzweiflung eingenommen, nehme ich ungewollt erneut diese Stimme wahr.

Sofort stoppe in meinen Bewegungen. Ihre anfangs ausschließlich lachend fröhlichen Klänge, werden plötzlich wieder zu normalen Worten.
„Dabei ist da gar keine Kindersicherung."

Meinen Blick hebend, will ich ihm wie immer spöttisch antworten. Mit Ironie spielen, ihn testen, seinen Charakter erforschen und dann will ich ihm die kalte Schulter zeigend einen zielsicher leeren Blick überreichen. Jedoch stockt mir mein Atem. Sein Gesicht. Genau vor meinem. Sein Atem. Prallt gegen meine Haut.

Ich spüre diesen zarten Zug. Kann als Folge jedoch nur in seine Augen starren. Keine dummen Worte. Keine genervte Art. Ausschließlich Anspannung des Krampfes in meinem Körper. Als er dann auch noch meine Hände von der Sicherung entfernt, zucken meinen Augen leicht zusammen. Meine Hände. Die wurden schon länger von keiner fremden Wärme berührt. Es fühlt sich so komisch an. Ungewohnt. Ich möchte es nicht verspüren.
Somit ziehe mein Eigentum, welches festgewachsen ist, selbst nochmal weiter in die Ferne.

Gerade will ich zu noch mehr Abstand tendieren und auf dem Sitz fast schon aus dem Auto rutschen, da klackt es auf. Springend bin ich somit tatsächlich aus dem Auto geflüchtet. Wie die vom Scheu erzogenen Instinkt-Steuerungen eines vom Menschen bemerkten Rehs.

„Steht der Plan jetzt eigentlich?" Noch immer über die Sitze gelehnt, fast liegend, sieht Herr Kim mich an. Mit diesem amüsanten Grinsen, scheint seine Stimme fast schon fesselnder. Also sonst.
Welcher Plan?

Sofort trag ich ihm meine Verwirrung mit der Schieflage meines Kopfes entgegen. Als Gegenspiel, zucken seine Augen nur nach vorne. Mich also leicht nach unten beugend, blicke ich nach vorne. Durch die Windschutzscheibe.
„Was? Nein! Das war ein Spaß."

Mich wieder aufrichtend, greife ich nach der Tür und schlage diese Seite des Autos somit zu. Stelle kurzzeitig etwas zwischen mich und diesem fast schon zu humorlosen Psychopathen. Ich dachte, meine Einstellung zum Leben wäre speziell. Aber seine... einfach nur wow.

Kleines Update, also. Ich wollte ihn kennenlernen. Die neuesten Erkenntnisse:
Ich verabscheue das Leben, spiele auf Distanz mit einem Kick des Leides anderer und will einen selbstbestimmten Tod sterben.
Er hingegen: Scheint sozial sehr offen. Muss den Überlegenen spielen, weil ich meinen Gurt nicht entriegeln konnte. Noch dazu nimmt er Aussagen sehr ernst und während ich nur mich selbst töten will, will er anderen zu einem früheren Ende verhelfen.
Und das wichtigste aller Fazite: anscheinend macht ihm körperliche Nähe nichts aus und er fordert diese sogar heraus.

Es ist ein Alptraum!

„Herr Jung, könnten Sie bitte das Auto abschließen?"

„Aber Herr Kim ist noch in diesem-"

„Ich weiß. Park?"

Nickend tritt mein Sekretär in Bewegung und folgt mir. Während Jung komplett verwirrt ist, steigt mein Partner gerade erst aus.

Mein Blick ist nach vorne gerichtet. Auf das Lokal des heutigen Lunches gerichtet, komplett vom Geschehen hinter mir abgewandt.

Da war ich selbst noch vor einigen Sekunden, das ist Geschichte. Jetzt herrscht Hunger! Nein. Eigentlich nicht.
„Park?"
„Ja?"

„Ich werde in den ersten Minuten aufs Klo flüchten, ruf doch bitte schonmal ein Taxi. Wenn's dir nach Essen ist, kannst du bleiben. Mich plagt keinerlei Hunger."
Im Augenwinkel erkenne ich ein Nicken, während der Ältere sogleich nach seinem Handy greift.

Kaum war das geklärt, erhascht mich ein Arm aus der Vergangenheit und ist bei mir eingehakt.
„Siehe da! Mein Lieblingsrestaurant. Lass uns gehen, damit du dich bald selbst von diesem Gaumenschmaus überzeugen kannst."

Erneut bin ich verkrampft. Aber mal so komplett. So viel Körperkontakt, wie mein neuer Geschäftspartner mir an einem Abend überreicht, habe ich gewollt und genießend die letzten Jahre nicht verspürt.

Stumm nicke ich. Mehr kann ich tatsächlich nicht hervorbringen. Somit angehend, zieht der Ältere mich mit. Wie ein Anhängsel eines des Laufens mächtigen Roboters.

Kaum haben wir das Gebäude betreten, kommt mir ein genüsslicher Geruch entgegen, eine harmonische Atmosphäre und der Anblick von Toiletten, als auch dem Ausgang nahen Tischen, zerstört diese Idylle. Wie soll ich entkommen, wenn das Klo keinen extra Flur hat? Oder die Tische erst nach fünf weiteren Türen erkennbar sind?

Was ist denn das für ein Schrott? Das gibt eine schlechte Google-Bewertung!

Erneut lass ich mich ziehen. Möglicherweise hab ich ja Glück und der Ältere wählt einen der Tische, welche weit hinten sind oder keinen Freiblick auf die Kammer der Entleerung haben.

Leider muss mein waches Dasein schnell realisierend aufnehmen, dass mein Partner genau alles, außer dies vermag. Genau neben dem Klo und ganz vorne ist unser Tisch. Wer setzt sich bitte an solche Stellen?! Das ist doch wohl der schlimmste Platz. Noch dazu könnten wir frei entscheiden, denn nur wenige bis fast schon keine Plätze sind besetzt.

Mein Blick fällt zu Herrn Kim. Hat er irgendwie gehört, was ich zu Park gesagt habe oder wittert er meine Nervosität?
Hoffentlich ist das keine Anspielung auf das Blasentraining, immerhin will ich zuerst auf Klo und er mit der schwachen Blase kann sitzen bleiben.

Jedoch ist sein Blick normal. Fast schon freudig, aber nicht mal annähernd herausfordernd oder wie im Auto vor kurzem überlegen.

Als mein Sekretär plötzlich auf sein Handy starrt und abwegig nickt, erkenn ich mein zur Flucht verhelfendes Zeichen sofort.
Er ist der perfekte Erbe! Einfach nur ein Retter in solch einer Not, den ich vor lauter Körperkontakt brauche.

Sachte greife ich nach dem Arm des Älteren, welcher noch immer mit meinem verhakt ist.
„Bevor ich mich setze, würde ich nochmal auf Klo gehen. Zu viel Tee."
Sofort lösen wir uns und mich abwendend, lächel ich meinen Angestellten zum Abschied an.

Auf dem Klo angekommen, atme ich sogleich erleichtert auf. Fenster. Sogar echt große, mit perfekter Sicht in die Freiheit und auf mein Taxi.

Ohne eine Zögerung aufzuweisen, steuer ich sofort mein Ziel an. Den Hebel in eine waagerechte Position drehend, reiß ich das Fenster dann auch schon in eine Öffnung.

Sofort kommt mir erneut frische Luft entgegen und der stickig bekanntliche Geruch von Reinigungsmitteln, mit einem Hauch an Urin und Pups schwinden aus meiner Nase.

Gerade bin ich dabei die Höhe abzuchecken, lehne mich leicht hinaus und sehe den Boden in einer niedlichen Ferne, genau dann springt die Tür auf.
„Was machen Sie denn da?"

- - -

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