(21) - Dumm und Dümmer.
Mit Waffe am Kopf und klarer Überforderung im Puls aller anderen Teile meines Körpers gelegen, sehe ich das Ding vor mir an.
Kann sprechen, ist also wahrscheinlich doch menschlich. Wobei ich das nochmal abwägen sollte, wenn ich nicht mehr in Lebensgefahr bin.
Naja. Auf jeden Fall trägt er eine Maske, welche ihn bis zum unkenntlichen gestaltet hat. Möglicherweise nicht mal verunstaltet, der Mensch dahinter könnte ohne Maske hässlicher sein, als jetzt gerade mit. Jegliche Option muss durchdacht sein, nur vielleicht nicht gerade dann, wenn mein Leben von der Anspannung eines Fingers abhängt.
Das wäre auch mal schlau. Antworten.
Bin weiterhin im Film und wenn er gut ist, sollte dies auch meine Wortwahl sein.
„Na sag schon, wo ist die Ware?"
„Was passiert, wenn man Cola und Bier trinkt?"
„Ich sorge gleich mal dafür, dass du kollabierst. Du sollst sprechen!"
„Was?! Den kanntest du? Echt jetzt.."
Gerade am überlegen, wie ich den Film denn noch so in eine gute Richtung drehen könnte, hab ich wohl die Nerven von jemandem überspannt. Bei dem ich diesbezüglich echt vorsichtiger hätte sein sollen.
Denn plötzlich angetrieben, werde ich weiter zurück in das Haus gedrängt. Das Teil an meiner Stirn ist dabei der Führer. Drückt meinen Kopf zurück. Sorgt dafür, dass ich einen Schritt zurücksetzen muss und somit nicht mein Gleichgewicht verliere. Bin überfordert. Wollte doch nur Flachwitze teilen, welche mir noch aus Zeiten der lustigen Abende mit der Familie bekannt sind. Vermisse es. Darf doch jetzt nicht an die Vergangenheit und meinen tief sitzend schmerzenden Verlust denken!
So unpassend Jungkook! Es gibt bei weitem bessere Zeiten. Zum Beispiel, wenn du allein gelegen mal wieder in deinem Apartment vor dich hin vegetierst. Dann kannst du gut auf die depressive Schiene springen.
Aber vor seinem Gegner zeigt man keine Schwäche. Genau.
Selbst dann nicht, wenn man zu 99 % demnächst tot und mehr als nur unterlegen ist. Wäre doch dumm, wenn man so handeln würde - wenn ich schon von dumm spreche. Da scheint jemand im passenden Moment aufgewacht zu sein und lenkt fein von mir ab.
„Du Jungkook??"
Angerannt kommt plötzlich Taehyung aus dem Flur geschossen. Zittert. Wie verrückt. Zappelt. Unaufhörlich. Scheint in Panik. Hält den Pappkarton, welchen ich vorhin gedanklich mobben wollte, letztendlich doch für dieses wunderbare Tape beneidet hatte, in seinen Händen.
Sogleich fängt der Ältere das Szenario auf. Ich hebe meine Hand an, lächel ihn übertrieben überfordert an und winke sogleich auch noch dazu. Was den Maskierten zusammenzucken und die Waffe abermals festigen lässt. Sollte ich jetzt quietschend und weinend im Boden versinken oder in dieser inneren Panik verfallen, doch lieber, nach außen hin, Ruhe bewahren?
Immerhin scheine ich von Dummheit angetrieben, mittlerweile nur Handlungen vollzogen zu haben, die mich noch tiefer in diese verdammt schmierige Scheiße geritten haben.
Wer antwortet bescheuert, wenn man eine Waffe am Kopf hat?
Wer versucht einen Flachwitz zu reißen, wenn man eine Waffe am Kopf hat?
Und wer verdammt führt die Hektik einer Bewegung des Winkens aus, wenn man verdammt nochmal eine Waffe am Kopf hat?
Meines Erachtens kein Mensch, dessen Verstand auch nur annähernd und so halbwegs sauber, als auch klar ist.
Danke Taehyung, du hast mich gestern Nacht wohl in den Dreck gezogen.
Meine einzige und vor allem wirkliche Bezugsperson in diesem Szenario, als Ablenkung, anstarrend, nehme ich wahr, wie der Ältere die Pappe hinter seinen Rücken verschwinden lässt. Was verdammt ist da drinnen, dass er erst panisch ängstlich ist und jetzt Verstecken spielen muss?!
Bin wohl nicht der Einzige, der sich dies fragt und es bemerkt hat, denn neben mir ertönt die Klangfarbe einer Stimme, welche mir nach so kurzer Zeit dauerhaft Gänsehaut beschafft und fragend Bezug zu jener Beobachtung aufnimmt.
„Was ist das hinter deinem Rücken?"
Sich umsehend, guckt Taehyung zur noch offenen Tür hinaus. Dann auf den Boden. Letztendlich jedoch auf den Fremden löst dabei linke Hand von der Pappe und deutet mit dieser auf sich selbst.
„Meinst du mich und meinen Rücken?"
„Ja. Wen denn sonst?"
„Ich weiß ja nicht-"
„Was hast du da!?"
„Gar nichts."
Zart lächelnd schielt Taehyung abermals zur Tür hinaus. Hat wohl vergessen oder noch nicht so ganz realisiert, dass ich eine Waffe am Kopf habe. Andererseits besteht jedoch auch noch die Möglichkeit, dass es ja nur mein Leben ist und mit diesem spielerisch umgegangen werden kann. Fies und unberechenbar, dies wird Taehyung wohl auf ewig bleiben.
„Verkaufe mich nicht für dumm! Ich hab doch gesehen, wie du was hinter deinen Rücken versteckt hast!"
„Ich hab dich doch schon längst für dumm verkauft.", leicht wippend schwingt Taehyung vom rechten zum linken Bein über. Gibt mir somit Hoffnung, dass er noch immer ängstlich ist. Somit mein Leben doch nicht komplett außer Acht lässt.
Aber von den Worten stets spielend, an der Klippe der Herausforderung stehend, ein recht hohes und eher fragwürdiges, als auch nur annähernd nachvollziehbares Risiko eingeht.
Also ich an seiner Stelle, hätte einer Person mit Waffe nicht gesagt, dass ich nichts hinter meinem Rücken habe, wenn man das Gegenteil klar erkennt. Denn so breit ist das Kreuz des Älteren nun echt nicht.
Ich hätte der Person die Kiste gegen den Kopf geschmissen und gleich mal noch einen weiteren Flachwitz losgelassen, eh ich gerannt wäre. Gerannt um mein Leben.
Würde ich jetzt gerade auch echt gerne machen. Jedoch fühle ich mich dem möglichen Tod durch einen Schuss dafür etwas zu nah.
„Boar, nervst du!"
Tatsächlich recht dumm, zieht die Gestalt plötzlich die Waffe von mir weg und deutet mit ihr auf Taehyung. Setzt zum Gehen an. Zum Älteren, wohl selbstständig überprüfen, was es mit der Box auf sich hat.
Jedoch kommt er nicht weit, ohne abermals panisch zusammenzuzucken. Ist sich dem Tanz auf glattem Eis, des nur zart gefrorenen Teiches, anscheinend stets bewusst.
„Herrn Kim, weswegen ist die Tür offen? Oh. Verdammt."
Plötzlich steht Herrn Jung in der Tür. Stellt wohl den Grund dar, weswegen Taehyung so oft zur Tür gesehen hatte und aus dieser hinausspähte.
Befreit, will ich einen Schritt zur Seite setzen. Werde jedoch gestoppt, als ein Schuss ertönt.
„Keiner bewegt sich. Oder ich knalle euch alle nacheinander ab!"
Somit nicht mehr ganz so erleichtert, ist der Boden durchlöchert und ich weiterhin nicht mehr im Visier, jedoch in dieser Drohung einbezogen. Eine Aussage, welche von der Tatsache unterstützt; 'das ist kein Spiel', sondern es wird wirklich geschossen, gleich nochmal unterstrichen wurde.
Somit alle unter Schock setzend, vergeht keine weitere wirklich schlagende Sekunde und die Gestalt steht vor Taehyung. Hebt die Hand mit Waffe an, setzt den Hals diesmal an der Stirn meines Partners an und schiebt dann grob dessen Kopf zur Seite. Lässt anbei die andere Hand nach hinten gleiten. Zum Karton, nimmt Taehyung diesen letztendlich ab. Nimmt ihn dadurch selbst an sich.
Wird erfahren, was der Inhalt ist. Vorhin noch, was es mir egal. Aber jetzt interessiert es mich tatsächlich doch sehr.
Nun mit Box in der Hand, sieht der Dude sich kurzzeitig um, eh er zu mir sieht.
„Komm her oder ich knalle ihn jetzt sofort ab."
Stark schluckend, spüre ich, wie mein Kehlkopf aus meinem Hals herausspringen möchte. Setze jedoch wie aufgefordert sofort Schritt an. Gehe hinüber. Spüre mit jedem Schritt, wie mein Zittern präsenter und ausführlicher wird. Wie konnte ich vorhin noch an Witze denken? Etwa, weil die Tatsache des Todes nur in meinen Kopf existierte und inzwischen ausgesprochen wurde?
Ich bin mein eigener Herr, will selbst über das Ende meiner Zeit entscheiden. Bin jetzt jedoch der ohne Waffe und somit der Unterlegene, verpflichtet nach der Pfeife des anderen zu tanzen, um diese Macht beizubehalten.
Angekommen, sehe ich zu dem Fremden.
Meine Augen strahlen wohl jeglichen Funken an existenter Angst aus. Sind gleichzeitig jedoch fragend, auf die weitere Forderung gespannt.
„Öffne sie!"
Ich? Ich werde es also doch erfahren? Die Situation erfassend und realisierend, muss ich mich plötzlich zusammenreißen, nicht zu lachen. Er hat ja nur zwei Hände. Die eine braucht er für den Halt der Waffe, um weiterhin der Überlegene zu sein und in der anderen hält er jene Sache, von der ich uns beiden jetzt gleich den Inhalt präsentieren darf.
Somit von Neugier und der Forderung angetrieben, hebe ich meine Hände an. Strecke meine gespritzten Finger zum Deckel aus.
„Bleib ruhig, Jungkook."
Das war Taehyungs Stimme. Was meint er damit?
Sogleich ergriffen ziehe ich, im gleichen Atemzug, in dem diese Frage auftaucht, auch schon den Deckel weg.
Bin erstarrt. Unter Schock. Muss mir sofort das Kotzen verkneifen.
Meine Hand wird locker. Der Deckel fällt hinab. Ich verkrampfe mich leicht, spüre wie die Säure meine Speiseröhre besteigen möchte.
Ein Herz. In dieser Box ist ein Herz. Und von der Größe, entstammt es auf jeden Fall keinem Tier, wie ein Huhn, dessen Herz man mal schnell im Laden von nebenan kaufen kann. Es ist zu groß. Und im Augenblick heißbegehrt. Also vielleicht vom Schwein oder Rind?
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