(11) - UNO..

Wir waren verstummt. Saßen mittlerweile schon mehrere Minuten auf einem der Sofas, keine Ahnung was mich getrieben hat, aber ich hab mich in unglaublicher Nähe auf den gleichen Untersatz gesetzt. Dabei sind da noch Sessel und ein weiteres langgezogenes Teil. Dumm. Dumm. Das könnte es gewesen sein. Genau. Vielleicht.

Halte eine noch warme Tasse Tee in meiner Hand. Starr auf die andere Seite. Der so strahlend weiße Teppich hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Lässt diese nicht schwinden. Es bleibt bestehen. Ob er wohl mal in einer Reinigung war oder waren bisher nur so wenige Schuhe in den Genuss gekommen, auf ihn einzutreten? Anders als der Untersatz eines Lokals, dessen Genusses wir verbannt wurden. Jede Faser ist aufrecht. Nicht platt getreten. Ob er so weich ist, wie sein Anblick es mich erahnen lässt?
Ich würde es so gerne – knirsch.

Ein Mahlen. Ein weiterer Biss. Die Ruhe einer Zweisamkeit und der Bruch, des wahrscheinlichen Fallens tausender Teilchen. Erschreckend. Mein Blick zuckt zur Seite. Fokussiert Taehyungs Mund. Dieser ist geschlossen, verhindert das Schmatzen des momentan wohl ausgetrockneten Mundes und fordert den nächsten Schluck der wärmenden Flüssigkeit geschwind ein.
Krümel. Bestücken sie den Boden?

Meine Augen lösen sich. Zucken hinunter, erkennen nichts. Sind in einer zu weitreichenden Ferne. Keine Erkennung. Woher soll ich denn jetzt wissen, ob mein Herz vor Schmerzen der Verschmutzung gesprengt werden soll?

Die Kekse. Der Snack ist so ansprechend süß, dennoch hab ich mich entgegen der Wünsche meiner Innereien noch nicht nach vorne gelehnt. Die von Taehyung, mit einem Krachen, geöffnete Tüte ergriffen. Mir selbst eines der zart maschinell geformten Stücke ergattert. Mein Hunger spricht dafür, aber der Hauch an Unwohlsein in der Luft hält mich an den Schultern packend zurück.
Ich kann den Genuss eines Aromas an meiner Zunge nicht komplett ausführen, wenn diese Augen auf mir liegen.

Und dies ist mein einziger Willen bei diesen süßen Gebäcken!
Klar könnte ich mich zur Seite drehen und so tun, als wäre Wand, Tür und weitere Kunst interessanter als Gastgeber und Teppich, aber – es gibt kein Problem.
Weswegen hab ich bis jetzt noch nicht so gehandelt und den mittlerweile leicht krampfenden Punkt der Leere meines Bauches in vollster Existenz geduldet?

Hastig hechtet mein Arm fast schon zu schnell in eine Streckung und ergreift die Tüte mit Unmengen an zusammengesetzte Teilchen des verhärteten Teiges. Der sinnliche Geruch ihres Gemisches steigt in meine Nase. Führt fast schon und alleinig so eine Sättigung meinerseits durch.

Eines der wohlgeformt gleichmäßigen Teile ergreifend, entferne ich es nicht nur aus seiner Position, sondern stopfe es sogleich zwischen meine Lippen, während die Tüte zurück auf das Tablet und aus meinem Blickfeld heraus zur Seite fliegt. Wie ich es hasse, beim Essen beobachtet zu werden, obwohl ich dies bis eben beim Älteren auch getan hab.
Dennoch, es überreicht einem das Gefühl, die Fähigkeit des Kauens verlernt zu haben.

„Wie wärs, wenn wir uns ein bisschen beschäftigen?"
Ein Schulterzucken. Meine Antwort. Ich will keine Beachtung von ihm, daher schenk auch ich ihm keine. Taehyung scheint jedoch anderer Interessen gewillt. Was versteht er unter Beschäftigung? Wir sind Unternehmer. Stärke, Konkurrenzkämpfe, Schmeicheleien, Treffen und zu guter Letzt das Erlangen von Geld. Das sollte einzig unsere Begierde und Ziele widerspiegeln.
Pokern werde ich nicht. Glücksspiel ist nicht so meins – immerhin wäre dies ein Funken an Freude im Leben, wenn man gewinnt. Will ich nicht verspüren. Nicht wahrhaben oder verstehen.
„Uno!"

Mich an den Krümeln der Zerkleinerung meines Kiefers verschluckend, hat Taehyung nicht nur ein Spiel vorgeschlagen, welches kindlicher und familiärer nicht aus unserem Business tanzen könnte, nein, er ist auch aufgestanden und nun in meinem Blickfeld. Hat zwei Fliegen mit einer Klatsche erwischt.

Des Öfteren schlage ich auf meinen Brustkorb ein, bis ich es dann tatsächlich schaffe meine Atmung wieder zu beruhigen und das Körperchen der Fremde aus meiner Luftröhre zu katapultieren.
„Das ist ein Scherz?"
„Nein. Ich hab Lust auf ein Spielchen."
Am vorhin erwähnten Regal ankommend, bückt der Ältere sich etwas herunter. Murmelt das ein oder andere Mal Worte wie »wo ist es hin« oder »hier müsste es doch sein« vor sich her, eh er dann auch schon seinen Arm in die Höhe schlägt. Eine rote, kleine und feine Schachtel in seiner Hand hält.

„Wo ist eigentlich dein Haustier?"

„Nachvollziehbare Frage. Aber er lebt nicht hier, sondern in Sibirien. Bei meinem Onkel."
Stumm nicke ich zur Antwort, dies hat der Ältere wohl kaum wahrgenommen. Denn mit seinem gefundenen Schatz steuert er die Mitte des Raumes an. Lässt sich bei dieser angekommen dann sachte fallen und platziert seinen Hintern auf den hölzernen Boden.

Verarsche. Der Dude verarscht mich doch wohl erneut? Vorhin hab ich mich noch verflucht, dass ich die Möglichkeiten des Sitzens ausschöpfend keine Ferne zu ihm gewählt habe. Und er? Weiß er mittlerweile überhaupt noch, wofür Sofa und Sessel gut sind? Dass diese Möbelstücke tatsächlich einen Zweck ihres gebauten Sinnes beinhalten?

„Bringst du bitte unsere Tassen mit?"

Mit geweiteten Augen sehe ich zu dem Mann nieder, welcher die Karten aus ihrer Verpackung gezogen und mischend durch seine Hände gleiten lässt. Eigentlich will ich erneut meine Stimme erheben, zum Aufstand ansetzen. Verneinen. Jedoch schweig ich, schüttel nur meinen Kopf, während ein leichtes Schmunzeln über meine Lippen huscht. Der Typ ist echt alles außer normal. Möglicherweise hat er keine Beweggründe, die ihn zu dem machen, was er ist. Aber das werde ich schon noch herausfinden.

Bei ihm angekommen lass ich mich sachte gegenüber von ihm auf den Boden nieder. Nur um dann auch schon unsere Tassen, in richtiger Reihung zu meiner Linken, abzustellen.

Kurz darauf fängt der Ältere dann auch schon an, die Karten gleichmäßig zu verteilen. Dies geschickt über den Boden gleitend und ohne der Möglichkeit des Spähens wie der Leger eines Casinos.
„Gut. Dann fang an."
Die oberste Karte, welche Taehyung vor dem Aussprechen seiner Worte aufgedeckt hat, ist eine rote Vier. Ein Blick auf meine Hand und mit der Maske meiner desinteressierten Einstellung, gebe ich meine rote Eins ab.

Weswegen mach ich das überhaupt? Ohne weitere Widerworte hab ich mich eingelassen und sogar auf den Boden gesetzt! Okay. Dieser ist sauber. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sogar den Bestand von Staub auf dieser blanken Sauberkeit abstreiten. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich es nicht verstehe. Was trieb mich an? Ich hasse Gesellschaftsspiele. Ich hasse Gesellschaft.

Auch seine.

Er bringt mich zwar öfter, als andere zum Lachen oder tut dies gar überhaupt, als einziger seit Ewigkeiten, mit einer kompletten Ehrlichkeit meiner Emotionen. Dennoch ändert dies nichts. Ich bin hier, um seinen Charakter zu erkunden. Und dies gelingt mir nicht, indem ich freudig klingend Uno spiele!

Verrückt. Ich bin verrückt. Es ist so weit.

Das Spiel verläuft seit mehreren Trennungen und Ziehungen an Karten komplett frei von jeglichen Wortwechsel oder Kontakt zwischen uns. Jeder ist komplett konzentriert. Wohl auf den Sieg einer Partie Uno aus. Absurd. Also ist es doch noch zu einem Machtspiel der Giganten geworden.

+4 sieh deine Niederlage ein Kim!

„Das geht nicht! Es darf keine weitere +4 auf die andere gelegt werden."

„Ich hab das bis jetzt immer so gespielt."

„Es steht in den Regeln aber als verboten."

„Ist mir doch egal! Zieh deine 8 Karten."

Empört schmeiß ich meine letzten zwei Karten, welche nach aktuellem Stand sogar einen Sieg eingebracht hätten, auf den Boden.
„Vergiss es! Ich spiele doch nicht bei deinem Regelverstoß mit."

Sofort weiten sich seine Augen zart. Er mustert die Karten und schmunzelt dann auch schon leicht.
„Nur weil du dann verloren hättest."

„Das hat damit nicht zu tun! Es gibt Regeln, an die man sich halten muss."

„Ich kenn das so."

„Das tut nicht zur Sache."

„Doch schon."

„Nein so gar nicht!"

Plötzlich streckt der Ältere mir seine Zunge entgegen und ergreift alle am Boden liegenden Karten. Nimmt diese in seine Hände auf und eine zackige Bewegung ausführend, vermischt er sie erneut.

Nicht nur dieses Spiel oder allein schon sein Vorschlag es zu spielen, nein, sein ganzer Charakter ist im Körper eines 8-Jährigem steckengeblieben.

Sieht Fehler nicht ein.
Beharrt auf Dummheit und will die Feststellung der Realität nicht einsehen. Kindlich.

Wo ist der mir überlegende Typ hin? Stimmt. Er war im unrecht. Konnte seine provokante Art nicht vortragen. Interessante Erkenntnis.
Sowas kann man im Geschäft bestimmt noch zu seinen Gunsten umringen – plötzlich schnipst eine der Karten gegen meine Stirn. Perplex zwinkernd sehe ich zu Taehyung.

Unser beider Schmollen ist niedergefallen. Ein Grinsen umschlingt seine Lippen, während meine Augen geweitet und von Verwunderung eingenommen sind.
„War eben nur ein Vorschlag, dann spielen wir halt nicht."

Auch das Ausnutzen seiner Art scheint nicht so einfach, die Schwankungen seiner Stimmungen sind unberechenbar. Haben kein festes Schema, nicht die Gefühle steuern überrennend ihn. Nein. Er steuert sie und dreht sie zur Situation passend in die perfekte Lage, um andere zu manipulieren.

Bis jetzt, trotz Erkenntnis, hat dies bei mir auch perfekt geklappt. Erneut nickend, lass ich mich auch darauf ein. Wenigstens endet auch dieser Horror. Wie vorhin auch schon der Regen durchbrochen wurde und meine Klamotten mittlerweile schon länger wieder komplett getrocknet sind.

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