Kapitel 7 ~ Ginnys kleines Geheimnis

Ellie

Zum hundertsten Mal sehe ich prüfend über die Schulter, ob mir auch wirklich niemand gefolgt ist. Eine Hand bereits auf die Türklinke gelegt stehe ich da und ringe mit mir selbst. Was ich vorhabe, fühlt sich nicht richtig an. Ein kleiner Teil von mir würde am liebsten umkehren und einfach zurück in die Bibliothek oder den Gemeinschaftsraum gehen. Doch das hier ist wichtiger als das schlechte Gewissen. Wenn Draco jemals davon erfährt... Doch meine Entscheidung steht. Leicht habe ich sie mir nun wirklich nicht gemacht, aber nur so kann ich ihn beschützen.
Ein letztes Mal atme ich tief durch, dann drücke ich entschlossen die Klinke herunter und betrete das Mädchenklo.
Ertappt fahren drei Gesichter zu mir herum, deren Ausdruck unterschiedlicher nicht sein könnte, als sie mich erkennen. Während Hermine vergeblich versucht ihre Freude zu vertuschen, zeichnet Überraschung Harrys und Misstrauen Rons Miene. Vorsichtig schließe ich die Tür hinter mir. Leise frage ich, ob ich ihnen noch helfen könne.
„Bist du etwa gleich zu Malfoy gerannt und hast ihm alles erzählt?", fährt Ron mich an. „Sollst du jetzt für ihn spionieren und uns behindern so gut du nur kannst?"
„Ron!", zischt Hermine, doch ich gebe ihr stumm zu verstehen, dass ich das selbst regeln muss. Langsam nehme ich meinen Platz zischen Harry und Hermine ein. Dann wende ich meine ganze Aufmerksamkeit nur Ron zu.
„Nein, ich habe ihm nichts erzählt. Wenn er wüsste, was ich vorhabe, würde er vermutlich dafür sorgen, dass ich mit der nächsten Eulenpost nach Hause geschickt werde", beginne ich ruhig. Ron zieht nur wartend eine Augenbraue hoch, doch er bleibt still. „Ich bin nicht die Erbin Slytherins, ich kann es gar nicht sein. Mein Dad und meine Mom kommen beide aus stolzen Reinblutfamilien und haben sich gegen sie entschieden. Die Blacks hätten eine Verwandtschaft mit dem großen Salazar Slytherin niemals geheim gehalten und die Familie meiner Mom stammt aus Deutschland. Ich verstehe, was alle Tiere um mich herum sagen – nicht nur Schlangen. Diese Fähigkeit habe ich von Mom geerbt. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so. Und nein, ich habe die Kammer nicht geöffnet und ich glaube auch nicht, dass mein Onkel oder gar Draco es getan haben. Aber in meiner Familie gibt es viel zu viele Geheimnisse und wenn ihr euch so sicher seid, dass er es ist. Nun dann werde ich alles in meiner Macht stehende unternehmen, damit die Wahrheit ans Licht kommt. Egal wie diese auch aussieht"
Schweigen breitet sich aus. Dann bricht Ron plötzlich in Lachen aus.
„Und du glaubst ernsthaft", japst er. „Dass ich dir das abkaufe?"
Hermine und Harry wechseln über seinen Kopf hinweg einen Blick. Dann bleibt Harrys Blick an mir hängen.
„Ich würde dir gern glauben", murmelt er, wendet sich seinem besten Freund zu und fragt diesen, was er für ein Problem mit mir habe. Mit einem Schlag wird Ron wieder ernst und seine Ohrenspitzen machen seinen Haaren Konkurrenz. Bitter sieht er mich an und mit einem Schlag kommen die Erinnerungen zurück.
„Ron", murmle ich betreten. „Es tut mir leid, was damals passiert ist. Wir wollten dich weder ausschließen, noch verletzen. Ich..."
„Ich weiß", unterbricht er mich rasch und fährt sich durch die Haare. „Es ist dumm und albern, doch immer, wenn ich dich ansehe, bin ich wieder der Junge von damals und es kommt einfach alles hoch. Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so behandeln dürfen. Es ist nur so, Elizabeth, Beth, Betty, Ellie, Elena, Liz oder wie auch immer du dich gerade nennen magst, du hast dich einfach so verändert. Ich glaube, du warst sogar schlimmer als Fred und George zusammen, aber du warst lebendig. Doch heute wirkst du nur wie ein Schatten. Du bist so ruhig und brav und... nun ja eine Slytherin"
Plötzlich beißt er sich auf die Lippen und verstummt.
„Also wenn das jetzt geklärt wäre, können wir ja mal damit anfangen ihr unseren Plan zu erklären", sagt Harry eine Spur zu fröhlich und zwinkert mir zu. Gern würde ich Ron fragen, was ihn noch belastet, doch dann sehe ich die Erleichterung in seinem Gesicht und konzentriere mich lieber auf Hermines Erläuterungen. Je länger ich zuhört, desto mehr wird mir bewusst, wie sehr sie mich zur Umsetzung ihres Plans brauchen. Denn sie hatten einige Kleinigkeiten nicht wirklich bedacht. Noch lange sitzen wir beisammen und überarbeiten den ursprünglichen Plan.

Widerwillig schlage ich die Augen auf und stöhne, als mir einfällt, warum ich mich am liebsten den ganzen Tag im Bett verkriechen möchte. Heute ist Weihnachten und ausgerechnet heute ist dieser blöde Trank fertig. Aber heute werde ich ihnen hoffentlich beweisen können, dass Draco unschuldig ist. Oder etwas in diesem fürchterlichen Plan geht schief und ich werde als Verräterin enttarnt. Ob Draco es verstehen würde?
Missmutig schlage ich die Bettdecke zurück und der kleinen Haufen an Geschenken fällt mit einem Plumps zu Boden. Stöhnend schwinge ich mich aus dem Bett und hebe die drei Päckchen auf. Langsam setze ich mich zurück aufs Bett und öffne das erste Geschenk. Eine kleine Karte fliegt mir entgegen. Für unser Mädchen. In Liebe Tante Cissy und Onkel Lucius steht da in Onkels sauberen Handschrift. Stirnrunzelnd drehe ich sie um und entdecke eine kleine Notiz in Tantes Schrift: Unser richtiges Geschenk hast du ja bereits bekommen. Schmunzelnd lege ich die Karte beiseite und schlage das restliche Papier zurück. Darin befindet sich ein Bild von uns Vier von unserem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest, aufgenommen von unserem guten Dobby. Draco und ich hocken vor Onkel Lucius, der in seinem hohen Sessel am Feuer sitzt und lauschen wie gebannt der Geschichte, die er uns vorliest, während Tante Cissy uns liebevoll aus ihrem Sessel beobachtet. Wir sehen so glücklich aus, wie eine richtige Familie. Plötzlich hebt Onkel Lucius den Blick von den Seiten und zwinkert mir kurz zu. Sofort protestieren der kleine Draco und die kleine Ellie und Onkel widmet sich wieder ganz dem Vorlesen.
Vorsichtig stelle ich das Bild auf meinen Nachttisch neben dem Foto meiner anderen Familie ab. Dann widme ich mich auch gleich dem zweiten, kleinerem, unordentlich verpacktem Geschenk zu: Das kann nur von Draco sein. Grinsend entferne ich das Papier und zum Vorschein kommt eine Halskette. Sie ist wirklich sehr schön, schlicht, silbern, als Anhänger windet sich eine kleine Schlange mit zwei kleinen, dunkelgrünen Steinchen als Augen. Vorsichtig fahre ich mit dem Finger über ihre kleinen Schuppen und das Lächeln auf meinem Gesicht wird breiter. Behutsam lege ich sie an und erhasche einen kurzen Blick in den Spiegel. Ihre Länge ist perfekt. So muss ich mich nicht zwischen ihr oder Moms Medaillon entscheiden, sondern kann sie beide einfach zeitgleich tragen.
Mein Lächeln verschwindet, als mein Blick auf das letzte Geschenk fällt. Mit bebenden Händen greife ich danach und brauche drei Ansätze, bis ich endlich das Papier entfernt habe. Betroffen schließe ich die Augen. Wann hört sie wohl endlich damit auf mir diese Pullis und Plätzchen zu schicken? Grandma hat jedes einzelne Päckchen ungeöffnet zurückgeschickt. Tante Cissy hat sie mir immer heimlich in mein Zimmer gelegt, aber mich bedanken oder die Pullover gar tragen durfte ich nie. Jeden einzelnen habe ich unter einem losen Brett in meinem Schrank versteckt und mir den neuesten nur an den Todestagen von Mom und Cas hervorgeholt, weil es sich fast so anfühlte, als wäre ich dann weniger allein. Zittrig entfalte ich den diesjährigen Pullover und schlucke. Wie jedes Jahr ist er in meiner Lieblingsfarbe dunkelblau, doch dieses Jahr ist er überseht von lauter kleinen, silbernen Sternen. Wenn ich ihn anziehen würde, würden sie funkeln, als ob ich einen Teil des Nachthimmels tragen würde. Gequält schließe ich die Augen, atme einmal tief durch. Dann lege ich den Pullover wieder ordentlich zusammen und lege ihn in meinen Schrank.
Seufzend ziehe ich mir schnell eine blaue Bluse und einen schwarzen Rock an. Dann verlasse ich bedrückt mein Zimmer, zwinge mich im Gemeinschaftsraum angekommen zu einem unbekümmerten, fröhlichen Lächeln und folge den anderen in die große Halle. An den Gesprächen beteilige ich mich nur spärlich.
Schweigend versuche ich endlich mein Frühstück runter zu kriegen, aber irgendwie können mich die Tasse Kakao und das Brötchen einfach nicht begeistern. Die meisten Schüler sind über die Ferien nach Hause gefahren. Mit einem Mal wünsche ich mir ein ganz normales Mädchen zu sein, das jetzt gerade bei seiner Familie Zuhause mit seinem Bruder herumalbert, während ihre Eltern sich tief in die Augen sehen, als gäbe es keinen Ort auf der Welt an denen sie lieber wären als genau hier.
Frustriert lasse ich mein halb aufgegessenes Brötchen auf den Teller fallen, murmle eine Entschuldigung und verlasse eilig die Halle.
Kaum fällt die schwere Eichentür hinter mir ins Schloss, beginne ich zu rennen. Kurz darauf erreiche ich den Ausgang zum Innenhof und halte für einen Moment inne. Letzte Nacht hat es geschneit und mein Mantel hängt irgendwo zwischen meinen ganzen anderen warmen Sachen in meinem Schrank.
Aber ich muss hier raus. Also zücke ich meinen Zauberstab, flüstere „Accio Mantel", stoße die Tür auf und trete lächelnd hinaus in die Kälte. Augenblicklich wird mein Kopf klarer. Langsam stapfe ich durch die dünne Schneeschicht, froh, allein und fern der neugierigen Blicke der anderen zu sein.
Plötzlich legt sich etwas Warmes um meine Schultern, grinsend schlüpfe ich in meinen Mantel und stecke meine Hände in die Taschen. So oft habe ich gesehen, wie meine Mom diesen Zauber benutzt hatte, doch bis jetzt ist er mir noch nie geglückt.
An einem Baum bleibe ich stehen, lehne mich matt an seinen knorrigen Stamm und lasse mich langsam an ihm zu Boden gleiten. Mit einem Mal überkommt mich eine neue Welle tiefer Traurigkeit. Ergeben hebe ich den Kopf zum Himmel und lasse die Tränen meine Wangen herunterlaufen. Was Dad nur sagen würde, wenn er mich so sehen würde. Wäre er stolz auf mich, auch wenn ich eine Slytherin bin? Wäre ich eine Slytherin, wenn alles anders passiert wäre?
Bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken kann, schließen sich zwei Arme um mich und ziehen mich fest an sich. Sein blondes Haar streift sanft meine Wange und ich klammere mich schluchzend an ihn, aus Angst ihn auch noch zu verlieren. Er redet nicht auf mich ein, versucht erst gar nicht mich zu beruhigen. Er ist einfach nur da, hält mich fest und ich lasse mich einfach fallen, verstecke mich nicht vor ihm. Bei ihm muss ich mich nicht verstellen. Er akzeptiert mich so wie ich bin.
Nach einer Weile beruhige ich mich langsam und löse mich langsam von ihm. In seinen Haaren und auf seinem Umhang glitzern kleine Eiskristalle, vermutlich von meinen vielen Tränen. Ich öffne den Mund, um irgendetwas zu sagen, vielleicht etwas Lustiges, damit er sich nur keine Sorgen um mich macht. Doch er kommt mir zuvor und sagt hastig: „Weihnachten fehlen sie dir am meisten. Ich weiß. Aber du bist nicht allein, Ellie. Du hast mich und ich werde nicht fortgehen. Das verspreche ich dir"
Dann umarmt er mich noch einmal kurz, bevor er sich vorsichtig von mir löst, sich schwerfällig erhebt und mir fordernd die Hand entgegenstreckt. „Und jetzt komm! Es ist wirklich saukalt!"
Lachend ergreife ich seine Hand, spiele kurz mit dem Gedanken ihn einfach neben mich in den Schnee zu ziehen. Aber da fällt mir das heftige Zittern seines Körpers auf und lasse mich stattdessen von ihm auf meine Füße ziehen. Hand in Hand laufen wir zurück zum Schloss.
An der Schwelle angekommen bleibe ich stehen und zwinge ihn sich zu mir zu drehen, sodass er mir in die Augen sehen muss.
„Danke, Draco", sage ich mit leicht bebender Stimme. „Was auch geschieht, wir stehen das gemeinsam durch. Versprochen"
Dann falle ich ihm um den Hals und schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne, bin ich voller neuer Energie. Ich werde Ron, Harry und Hermine beweisen, dass sie mit ihm falsch liegen. Manchmal macht und sagt er schreckliche Dinge, aber im Grunde seines Herzens ist er weich und warm. Diesen Jungen, den die Dunkelheit genauso fasziniert wie diesen kleinen, tief in mir verborgenen Teil, muss ich vor sich selbst beschützen, denn nur so kann ich mich vor meiner Dunkelheit beschützen. Und ich werde für ihn kämpfen und ihn nicht aufgeben. Niemals. Und wenn ich dafür in die Hölle hinabsteigen muss, um ihn an seinen hellen Haaren heraus zuschleifen.

Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis ich mich Dracos besorgtem Blick entziehen konnte. Aber nun sitze ich hier und präge mir noch mal Hermines letzten Hinweise zur Ausführung des Plans an. Dann fügt jeder von ihnen seinem Glas das Haar der jeweiligen Person zu, in die sie sich verwandeln wollen. Ron Vincents, Harry Gregorys und Hermine Millicents. Doch bevor sie den Trank herunterwürgen – er sieht wirklich widerlich aus und ich bin froh, dass ich mich nicht verwandeln muss, fällt Harry plötzlich ein, dass wir vier unmöglich noch in die kleine Kabine passen, wenn sie sich in die viel größeren Slytherins verwandelt haben.
„Ich warte draußen", sage ich rasch und stolpere aus der Kabine, die anderen verteilen sich jeweils auf eine. Wartend lehne ich mich ans Waschbecken und schaue prüfend auf meine Uhr. Eine Stunde ist nicht viel, um Dracos Unschuld zu beweisen, aber ich kriege das schon hin.
Mit einem Mal tönt Gregorys Stimme durch das Bad und erschrocken fahre ich zusammen. Doch da fällt mir wieder ein, dass ich den beiden ja eine Ladung Schlaftrunk verabreicht habe, der noch mindestens zwei Stunden wirkt. Erleichtert beobachte ich wie Vincent und Gregory die beiden Kabinen verlassen und sich ungläubig im Spiegel betrachten.
„Jungs", mahne ich. „Wir haben nicht viel Zeit. Ihr könnt euch später noch bewundern"
Erst jetzt bemerken sie, dass Hermine noch nicht bei uns ist. Sofort bitten sie sie herauszukommen, aber sie fordert uns auf, ohne sie zu gehen. Wir sehen uns an und zucken nur die Achseln. Es wäre sowieso sehr schwer gewesen Millicents Anwesenheit zu erklären.
Mit klopfendem Herzen führe ich die beiden Jungs die Treppe hinunter in den Kerker. Doch bevor wir meinen Gemeinschaftsraum erreichen können, laufen wir ausgerechnet Rons Bruder Percy über den Weg. Sichtlich überrascht vergisst Ron für einen Moment seine Tarnung und fragt Percy, was er hier unten denn zu suchen habe. Percy läuft rot an und beginn etwas von wegen Vertrauensschüler zu faseln.
„Genau", fahre ich dazwischen und funkle ihn an. „Slytherins Monster wird sicherlich immer zuerst fragen, ob sein Opfer auch ja kein Vertrauensschüler ist und wenn doch wird es vor lauter Autorität so erschüttert, dass es sofort winselnd in seine Kammer zurückkriecht"
„Dein Ton gefällt mir ganz und gar nicht, Black", blafft der hochwohlgeborene Herr Vertrauensschüler mich an, doch in seinen Augen blitzen Zweifel und Furcht auf. Gerade als er den Mund aufmacht, um mir vermutlich eine Strafe aufzubrummen, ertönt hinter uns eine Stimme: „Da seid ihr ja! Ich habe schon ewig nach euch gesucht. Ellie, wo..."
In diesem Moment bemerkt Draco Percy und rümpft die Nase.
„Ihr solltet jetzt wirklich in euren Schlafsaal zurückkehren. Kinder haben hier um diese Zeit nichts zu suchen", faucht Percy und stolziert davon, nicht ohne mir noch einen finsteren Blick zuzuwerfen. Kaum ist er außer Hörweite fragt Draco mich besorgt, was Percy von mir gewollt hatte. Ich verdrehe nur vielsagend die Augen und setze mich in Bewegung. Hinter mir höre ich wie Draco schnell auf Harry und Ron einredet. Erleichtert atme ich aus. Immerhin lässt er sich täuschen. Am Eingang zum Gemeinschaftsraum bleibe ich stehen und warte auf die Jungs.
„Draco?", frage ich unschuldig. „Wurde das Passwort geändert?"
Überrascht blickt Draco auf und murmelt: „Nein, es ist immer noch Reinblüter"
Sofort schieben sich die Steine auseinander und geben den Weg frei ins Reich der Slytherins. Harry, Ron und ich machen es uns auf einen der Sofas fernab von den anderen, die sich auf die hohen Sessel am Feuer niedergelassen haben, während Draco etwas aus seinem Zimmer holt.
Nach ein paar Minuten kommt er grinsend zurück, lässt sich zwischen die Jungs und mich aufs Sofa fallen und hält Ron einen Zeitungsartikel unter die Nase. Mit jedem Wort wird Crabbes Gesicht blasser, auch Harry beugt sich herüber und wirkt besorgt. Hinter Dracos Rücken gebe ich den anderen ein Zeichen, dass sie lachen sollen. Himmel, sie spielen gerade Vincent Crabbe und Gregory Goyle. Egal was Draco ihnen auch zeigt, wenn er denkt, es wäre lustig, würden sich die beiden vor Lachen auf dem Boden krümmen.
Schnell zwingen sie sich zu dem schlechtesten, falschen Lachen, das ich je gehört habe. Genervt vergrabe ich die Hände in meinen Haaren und schüttle leicht den Kopf.
Draco wettert gerade über Dumbledores Art die Schule zu leiten und kommt von selbst auf den Erben Slytherins zu sprechen. Zum Glück ist er viel zu sehr damit beschäftigt diesen kleinen Gryffindor nachzuahmen, der Harry so vergöttert hat und nun im Krankenflügel liegt, um zu bemerken wie anders sich seine Freunde heute Abend verhalten.
„Was ist denn los mit euch beiden?", fragt Draco verwundert, als sie ihn nicht wie üblich in seinen Reden über Harry Potter unterstützen. Schnell grummelt Ron irgendwas von wegen Magenschmerzen und Draco verzieht entnervt das Gesicht. Kein Wunder. In letzter Zeit hatten die beiden jeden Abend „Magenschmerzen".
Doch er belässt es dabei und regt sich weiter darüber auf, dass alle denken Potter sei der Erbe Slytherins. Sofort sind Ron und Harry vollkommen gebannt und wollen wissen, wen Draco denn für den Erben halte.
Entnervt stößt er die Luft aus und er platzt tatsächlich mit der Wahrheit heraus: dass er es nicht weiß. Auf meinem Gesicht breitet sich ein kleines Lächeln aus. Egal wie sehr sie ihn auch hassen mögen, niemand kann Draco nicht glauben, wenn er die Wahrheit erzählt. Auch wenn er selbst anders denkt, er ist kein guter Lügner.
Bei dem Namen „Granger" werde ich aus meinen Gedanken gerissen und hebe besorgt den Kopf. Auch dieses mal hat sich Ronald nicht im Griff, Vincents Gesicht wird flammend rot. Sogar seine Haare wirken auf einmal im schummrigen Licht rötlich. Verdammt, die Stunde ist um! Sie verwandeln sich zurück. Schnell zupfe ich Draco am Arm. Verwirrt wendet er sich mir zu.
„Könntest du mir kurz helfen?", frage ich, ohne auf seine Antwort abzuwarten, schlüpfe schnell mit meiner Hand in seine und ziehe ihn auch schon hinter mir her zu den Schlafräumen. Unterdessen fliehen Harry und Ron aus dem Gemeinschaftsraum, bevor die Wirkung des Trankes vollkommen verfliegt und mein Verrat von allen durchschaut wird.

„Ich schwöre, Dray", protestiere ich lachend. „Ich habe das Armband wie immer auf meinen Nachttisch gelegt"
Vincent, Gregory, Blaise und Pansy, die beiden letztere sind überraschenderweise heute morgen in die Große Halle spaziert und seitdem versuchen wir uns mit einer Geschichte nach der anderen zu übertrumpfen, denn jeder will die besten Ferien aller Zeiten erlebt haben.
Draco hatte eben erzählt, wie er mir drei Stunden helfen musste mein Armband zu suchen – welches sich dann letztendlich auf meinem Schreibtisch befunden hatte. Ich hatte einfach nicht gewusst, wie ich ihn sonst von davon ablenken sollte, dass die beiden, die er am meisten hasst, sich als seine Handlanger verkleidet in unseren Gemeinschaftsraum geschlichen und ihn ausgequetscht hatten.
„Ja, ja", prustet Blaise und ich funkle ihn über meinen Kürbissaft an. Herausfordernd lehne ich mich zu ihm über den Tisch.
„Möchtest du dazu etwas sagen, Zabini?", frage ich zuckersüß und setze mein 1000 Watt Lächeln auf. Selbstbewusst lehnt er sich zu mir herüber, schenkt mir ein ebenso strahlendes Lächeln und raunt: „Du kannst es doch einfach zugeben, Black, du wirst eben langsam alt und senil"
Entrüstet werfe ich mit dem erstbesten, das mir in die Hände gerät. Leider ist es nicht mein Exemplar von Eine Geschichte von Hogwarts, sondern ein Stück Toast, aber immerhin treffe ich Blaise und nicht Severus, der gerade an uns vorbeiläuft. Als sich der Blick unseres Hauslehrers auf uns richtet, werden wir augenblicklich ganz still und ernst, doch er bedenkt mich mit einem gönnerhaften Lächeln und geht vorbei. Erleichtert atmen wir auf.
„Hast du gerade ernsthaft ein Stück Toast nach mir geworfen, Black?", fragt Blaise entrüstet. Unschuldig erwidere ich seinen intensiven Blick.
„Wäre dir ein Buch denn lieber gewesen, Zabini?", zwitschere ich vergnügt und Draco beginnt heftig neben mir zu husten. Besorgt dreht sich Pansy zu ihm und fragt, ob bei ihm alles in Ordnung sei. Nickend stellt er sein Glas ab, doch sobald sich unsere Blicke kreuzen, zucken seine Mundwinkel. Die entstandene Pause nutzt Pansy sofort, um von einem Ausflug mit ihrer Familie zu erzählen.
Verschwörerisch grinsend beugt sich Draco zu mir herüber und flüstert so leise, dass nur ich es hören kann: „Nächstes Mal werfen wir das Buch zusammen. Du und ich gegen den Rest"
Kichernd beuge ich mich zu ihm herüber und flüstere zurück: „Du und ich gegen den Rest!"

„Nein! Nein! Nein!", fahre ich sie an und beschleunige meine Schritte. „Ernsthaft Hermine, erst soll ich euch dabei helfen Draco auszutricksen und jetzt soll ich mich nach jemanden umhören, der vor 50 Jahren hier gewesen sein soll?"
Plötzlich packt sie mich am Arm und bringt mich mit einem Ruck zum Stehen. Flehend sieht sie mich an.
„Elizabeth, bitte", sprudelt es aus ihr heraus. „Es tut mir leid, dass wir Draco verdächtigt haben, aber es werden immer mehr Muggelstämmige in Stein verwandelt. Du hast ihn doch selbst gehört, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand stirbt. Also bitte, du kommst an so ziemlich jedes Buch der Bibliothek. Bitte hilf uns"
Genervt verdrehe ich die Augen, dann reiße ich mich los, mache ich auf dem Absatz kehrt und marschiere in Richtung Bibliothek. Stundenlang quäle ich mich in der Abteilung von Geschichte der Zauberei durch alte Zeitungsartikel, werde aber einfach nicht fündig. Da ist einfach nichts. Keine kurze Meldung der Geburt, was mich allerdings auch nicht wirklich überraschte. Riddle war kein Zauberername. Entweder kam dieser Tom also aus einer Muggelfamilie oder seine Mutter musste wohl eine von ihrer Familie verstoßene Hexe gewesen sein. Aber auch sonst gab es nichts über ihn. Keine Hochzeitsverkündung, kein Todesdatum. Einfach nichts. Zwar habe ich auf einem Foto von so einem Laden aus der Nokturngasse, in den Onkel mal mit Draco hingegangen ist, einen jungen Mann entdecken können und auf der Bildunterschrift stand: Bourgins und Mitarbeiter Tom beraten sie gern, aber den Namen Tom trugen in Tom Riddles Jahrgang fast fünfzig Prozent der Jungen.
Tom Riddle ist mir ein echtes Rätsel. Nach fast einem Tag der Suche habe ich nichts anderes herausgefunden, als dass er Slytherin, Vertrauensschüler, Schulsprecher gewesen war und als Jahrgangsbester (in allen sieben Jahren) abgeschnitten hatte. So jemand arbeitet doch nicht in so einem runtergekommenen Laden in der Nokturngasse. So jemand geht ins Ministerium und arbeitet sich ganz nach oben. Was ist nur mit diesem Tom Riddle geschehen, dass er so vollkommen von der Bildfläche verschwinden konnte? Vielleicht ist er ja ins Ausland gegangen. Das würde jedenfalls erklären, warum ihn die britische Zauberpresse nicht mehr erwähnt.
Frustriert schaffe ich die Zeitungen zurück und verlasse mit höllischen Kopfschmerzen die Bibliothek. Müde wische ich mir über die Augen und registriere am Rande etwas Schwarzes. Entnervt blicke ich auf meine geschwärzten Hände. Ausgelaugt mache ich mich auf das nächstgelegene Bad – Myrtes.
Wahllos drehe ich einen der Wasserhähne auf, aber er ist defekt. Genervt nutze ich einen anderen, aus dem, zu seinem Glück, sofort Wasser fließt und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mit einem Seufzen verlasse ich das Bad und renne auf das Quidditchfeld. Beinahe hätte ich das Training vor lauter Recherche verpasst.
Ausgerechnet von Pansy erfahre ich, dass Slytherins Monster Hermine versteinert hat – sie interpretiert meine entsetzte Miene falsch und glaubt, sie beziehe sich auf ihre nächste Aussage, dass von nun ab alle Quidditchspiele gestrichen waren. Dabei ist mir dieser blöde Pokal gerade vollkommen egal. Genervt lasse ich sie stehen und renne aus dem Gemeinschaftsraum. Blind renne ich zum Krankenflügel und komme schlitternd vor Severus und Dumbledor zum Stehen.
„Ist es wahr?", frage ich und meine Stimme überschlägt sich. Nach Atem ringend halte ich dem Blick des Schulleiters stand. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Severus nickt. Fluchend mache ich auf dem Absatz kehrt und renne aus dem Schloss.
„Accio Besen", schreie ich und kaum berührt das Holz meine Hand, schwinge ich mich auf meinen Besen und stoße mich ab. Ich muss fort von hier. Fort von meinen Gedanken.
Harry und Ronald gehen mir aus dem Weg. Draco weicht nicht mehr von meiner Seite und zu allem Überfluss habe ich auch noch Nachsitzen bei Severus, weil ich durch meine kleine Flugeinheit das halbe Schloss in Alarmbereitschaft versetzt habe.
Als das Monster Ginny entführt, kann ich nichts anderes tun als im Gemeinschaftsraum der Slytherins beten, dass Harry und Ronald Erfolg haben mögen.
Natürlich haben sie Erfolg. Draco und ich verlassen Hogwarts mit der Gewissheit im nächsten Jahr zurückkehren zu können.

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