Ⅷ
Die Maske des Drachen
San packte die fremde Person fest am Arm und zog sie den düsteren Korridor hinunter. Der Mann sträubte sich, doch San ließ nicht nach. Seine Schritte waren schwer, das Echo hallte von den steinernen Wänden wider. Der Verhörraum des Ordens lag tief unter dem Schloss, abgeschirmt und uneinsehbar – ein Ort, den viele fürchteten, doch wenige je wieder verließen.
Er schob die Tür auf und warf die Person grob auf den harten Holzstuhl in der Mitte des Raums. Mit geschickten Bewegungen band er die Handgelenke und Knöchel des Mannes fest, sodass er sich kaum noch rühren konnte. Der Fremde keuchte, ein leises Zittern ging durch seinen Körper, doch San schenkte ihm keine Beachtung.
Stumm begann er mit einer gründlichen Durchsuchung. Seine Hände fuhren methodisch über die Kleidung des Mannes, tasteten jede Naht, jeden Stoffrest ab. Unter der Jacke fand er ein kleines Messer, das er kommentarlos an sich nahm. Aus den Stiefeln zog er zwei weitere Klingen hervor, die der Mann offenbar geschickt versteckt hatte. Schließlich entdeckte er einen dünnen Draht, versteckt in der Innenseite des Gürtels – ein improvisiertes Werkzeug, vermutlich zum Knacken von Schlössern. San legte alles beiseite, sein Gesicht hinter der Maske ausdruckslos, während er die Suche abschloss.
Ohne ein Wort verließ er den Raum. Die schwere Eisentür fiel mit einem dumpfen Knall hinter ihm ins Schloss. Auf dem Weg nach oben zog San seine Maske tiefer ins Gesicht, sodass kein Fleck seiner Haut sichtbar blieb. Die schwarze Maske des Ordens mit der eingravierten Rose und dem Drachen darauf war nicht nur ein Symbol, sondern auch eine Barriere zwischen ihm und der Welt – eine, die ihn anonym hielt.
Im Versammlungsraum angekommen, fand er Seonghwa, Yunho, Jongho, Kai und Hyunjin bereits wartend vor. Alle fünf trugen ebenfalls die Masken des Ordens, und die eingebauten Stimmverzerrer ließen sie unkenntlich erscheinen. San nickte knapp, sein Blick wanderte zu Seonghwa, der in dieser Rolle als "Zephyros" bekannt war.
„Zephyros," begann San mit leiser, aber fester Stimme, „in Zimmer drei sitzt eine Person. Sie wollte in das Gemach des Königs eindringen, wurde aber aufgehalten."
Seonghwa nickte knapp. „Danke, Auren."
San trat zur Seite, wartete, bis die anderen aufstanden. Gemeinsam verließen sie den Raum und machten sich auf den Weg zum Verhörraum. Der Gang war erfüllt von der stummen Präsenz der Männer, jede Bewegung präzise und kontrolliert.
Auf halbem Weg flüsterte San leise zu Seonghwa: „Es war Wooyoung, der die Person bemerkt und überwältigt hat. Er hat sich bewiesen – loyal und entschlossen. Ich denke, er ist bereit, in The Black Dragon aufgenommen zu werden."
Seonghwa warf ihm einen kurzen Blick zu, seine Haltung blieb wie immer beherrscht. „Wir werden sehen."
Als sie den Verhörraum erreichten, öffnete Seonghwa die Tür und betrat ihn als Erster. Der Mann im Stuhl blickte auf, seine Augen weiteten sich vor Angst, als er die maskierten Männer erblickte. Die Luft war plötzlich schwer, der beißende Geruch von Schweiß und Angst erfüllte den Raum.
San blieb an der Tür stehen, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand und beobachtete, wie Seonghwa sich langsam auf den Stuhl setzte, der direkt dem Gefangenen gegenüberstand. Die Bewegung war ruhig, fast bedrohlich in ihrer Gelassenheit.
Seonghwa sagte nichts, sondern ließ den Mann zappeln. Der Blick hinter der Maske war unergründlich, doch die Präsenz allein genügte, um die Nerven des Gefangenen zum Zerreißen zu bringen. Die geweiteten Pupillen, das Zucken in den Schultern – San erkannte die Zeichen. Angst. Reine, unverfälschte Angst.
Ein leises Lächeln zog sich unter Sans Maske hervor. Er genoss diesen Moment der Macht, der Kontrolle. Doch sein Gesichtsausdruck blieb verborgen, ebenso wie die Pläne, die sich in seinem Kopf formten.
Heute Nacht würde diese Person sprechen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Raven
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