The Past

Ich arbeitete bereits seit einigen Monaten bei Mrs Hatherley, die ich laut ihren Worten einfach Maria nennen sollte. Ihre drei Kinder liefen wie wild in der Gegend herum, während ich grinsend die Wäsche zusammenfaltete und die Schreie von Mrs Hatherley ausblendete. Sie hatte gerade erst Mittagessen gekocht und trommelte nun ihre Bande von Kindern zusammen.

Loreen, das jüngste Kind von Mrs Hatherley, hatte sich mit ihrer Puppe irgendwo im Wäschekorb versteckt und kaum wollte ich ein Kleidungsstück hinein werfen, ertönte ihr lautes Lachen.

,,Ich verstecke mich hier", flüsterte sie mit einem großen Lächeln und ich nickte ihr zu, bevor ich mich nach einem anderen Wäschekorb umsah. Natürlich sah man sie schon von weitem im Wäschekorb, aber ich wollte ihr den Spaß nicht verderben. Ich liebte Loreen, da ich für sie wie eine beste Freundin und Mutter war. Ich war manchmal die Nanny der kleinen Rabauken, wenn Mr und Mrs Hatherley mal wieder aus waren. Einmal im Monat nahm Mr Hatherlay sich Zeit für seine Frau und führte sie in ein schickes Restaurant.

Mr Hatherley, den man nur selten im Waschsalon und auch Zuhause sah, führte eine kleine Firma, die Waschmittel verkaufte. Er leitete ebenfalls den Waschsalon und kümmerte sich um die geschäftlichen Angelegenheiten, während Mrs Hatherley im Waschsalon aushalf. Leider hatte der Waschsalon nur zwei Mitarbeiter, mich und Charlotte.

Charlotte, die zwar nicht nähen wollte und konnte, aber dafür genau wusste, wie Weinflecken aus Hemden entfernt werden konnten. Viele Frauen arbeiteten in Textilfabriken um ihre Familien zu ernähren. Meine Mutter hatte mir immer eingetrichtert, dass es wichtig war, einen Mann mit guter Arbeit zu heiraten, denn in ihrer Kindheit sah sie einige Frauen beim Verlieren derer Existenz. Ihre Männer waren verstorben und sie standen mit Kindern und ohne Geld alleine dar. Einzig und allein die Männer hatten das Geld verdient und nun lebten sie auf der Straße.

Ich schätzte meine Arbeit bei Mrs Hatherley deswegen sehr. Ich musste zwar mindestens acht Stunden am Tag arbeiten und meistens noch am Samstag, aber dafür hatte ich den Sonntag frei und konnte mir mit dem Geld, dass ich verdiente, eine eigene kleine Wohnung nicht weit vom Salon entfernt leisten. Mein Vermieter war zwar ein alter, griesgrämiger Mann, der sich ständig darüber beschwerte, dass ich am frühen Morgen so laut wäre, ließ mich aber dennoch bei sich wohnen.

Mrs Hatherley, die plötzlich im Salon auftauchte, sah mich grinsend an und kam dann zu dem Wäschekorb, wo sich Loreen versteckt hatte. Kichernd ließ Loreen sich hochheben.

,,Wenn du mit der Ladung fertig bist, kannst du Schluss machen, Annabell", beschloss Mrs Hatherley lächelnd und ich bedankte mich freundlich bei ihr. Sie vertraute mir schon seit längerer Zeit den Salon an und ließ mich und Charlotte manchmal alleine. An diesen Tagen musste ich meistens auch den Salon schließen, aber schaute immer noch mal bei den Hatherleys vorbei um Mrs Hatherley mitzuteilen, dass ich den Salon geschlossen hatte und nach Hause ging. Sie schätzte diese Eigenschaft sehr an mir, wie sie mir bereits einige Male mitgeteilt hatte.

Kurz bevor sie aus dem Salon tritt, drehte sie sich nochmal zu mir um und lud mich zum Mittagessen ein. Ich bedankte mich herzlich und nahm die Einladung an. Niemand konnte Mrs Hatherleys Essen ablehnen, wie ihr Gatte zu sagen pflegte. Selbst wenn der älteste ihrer Kinder, Michael, sich weigerte, Gemüse zu sich zu nehmen, beharrte Mrs Hatherley darauf, dass er es aß, wie auch heute.

Der Waschsalon lag direkt neben dem Haus der Hatherleys und ihre Küche hatte einen riesigen Esstisch vorzuzeigen, an den ich mich setzte. Es gab Schweinebraten mit Karotten und ich wusste, dass Michael wieder Streit mit seiner Mutter anfangen würde. Mr Hatherlay war immer noch bei der Arbeit und würde erst drei Stunden später nach Hause kommen.

,,Mutter, muss ich die Karotten essen?", fragte Michael verzweifelt. Er saß mir gegenüber und am Tischende saßen immer die Oberhäupter der Familie Hatherley. Der Blick seiner Mutter sprach Bände und brachte Michael zum Schweigen.

,,Sei still und iss dein Gemüse", sagte sie schließlich und servierte mir und ihren Kindern schließlich jeweils ein Stück Fleisch und gekochte Karotten. Kaum hatte jeder von uns einen gefüllten Teller vor der Nase, begann das Telefon zu klingeln und mit einem Seufzen nahm Mrs Hatherley ab.

Ich hörte nur einige Wörter mit, war aber dennoch beunruhigt, denn Mrs Hatherley klang nicht sonderlich erfreut, sondern eher traurig und leise. Kaum hatte sie den Anruf beendet, kam sie zurück ins Esszimmer und lächelte ihre Kinder gezwungen an.

,,Fangt schon mal an zu essen, ja? Ich muss nur kurz etwas mit Annabell besorgen. Solange passt du, Michael, auf deine Geschwister auf."

Ich stand vom Tisch auf und verschwand mit einer besorgten Mrs Hatherley im Flur.

,,Was ist passiert?", fragte ich sie nervös.

,,Mein Gatte liegt im Krankenhaus aufgrund eines gebrochenen Fußes. Sie haben mich dorthin gebeten."

,,Du willst die Kinder jetzt alleine lassen?"

Ich war besorgt, nicht nur um ihre Kinder, sondern auch um ihren Ehemann.

,,Michael ist bereits sechszehn. Er muss Verantwortung lernen. Annabell, ich kann mich jetzt nicht auch noch um die Kinder kümmern. Kannst du mich ins Krankenhaus fahren?"

Ich wusste, dass Mrs Hatherley keinen Führerschein besaß, weil sie ihn auch nie brauchte. Ich dagegen besaß einen und auch ein kleines Auto, welches vor dem Salon stand. Nur wenig später fuhr ich schneller als erlaubt zum Krankenhaus, welches mindestens eine halbe Stunde entfernt lag. Mrs Hatherley wurde fast krank vor Sorge um ihren Gatten und ich verstand ihre Sorge. Es war ziemlich still im Auto und ich warf immer wieder einen kurzen Blick auf Mrs Hatherley, bis ich einen Polizeiwagen hinter mir sah. Ich wusste, dass ich zu schnell gefahren war und deswegen angehalten wurde. Kaum fuhr ich rechts ran, stand wenig später ein Polizist neben meinem Auto und bat um meine Fahrzeugpapiere.

,,Ihr Name lautet Kathrina Hegen, ist das korrekt?"

Ich hatte nicht bemerkt, dass mein Führerschein noch über meinen echten Namen lief und bemerkte, wie Mrs Hatherley mich verwirrt ansah.

,,Das ist korrekt", bestätigte ich dem Polizisten und erhielt einen Strafzettel aufgrund des schnellen Fahrens. Mrs Hatherley, die, nachdem ich losfahren durfte, ziemlich schweigsam war, machte mir Sorgen. All die Monate hatte ich in Ruhe als Annabell Hegen gelebt und nun war ich aufgeflogen.

,,Ich kann das erklären", stotterte ich beschämt, aber Mrs Hatherley wollte nichts davon wissen. Sie winkte ab.

,,Konzentrieren wir uns darauf, zum Krankenhaus zu fahren und meinen Ehegatten zu sehen. Ich möchte nicht wissen, warum oder wieso. Ich bin mir sicher, dass du deine Gründe hattest."

Sie zwinkerte mir noch zu und drehte dann das Radio lauter. Ich konnte endlich ausatmen und schwach lächeln, weil ich noch vor wenigen Sekunden um meine Existenz als Annabell Hegen fürchtete. Mrs Hatherley und ich sprachen nie mehr über meinen echten Namen und sie nannte mich weiterhin Annabell. Dies passierte im Frühling 1965.

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