Betriebsfeier (Special)

Hinter der weißen Tür ertönte Gezeter und Gepolter, kaum hatte ich die Klingel betätigt. Die Tür war verschmutzt und zeichnete sich durch den Abdruck einer Faust aus, den jemand hinterlassen hatte. Ich wusste nicht, vor was ich größeren Respekt hatte: Der Person, die diesen Abdruck hinterlassen hatte oder der Standfestigkeit der Tür. Mit großem Schwung wurde die Tür von einer kurzhaarigen Blondine aufgerissen. Ihr Gesicht sah aus wie ein Tuschkasten auf zwei Beinen; ein starker Kontrast zu dem No-Name Jogginganzug, der wie ein Sack an ihr hing:
„Ah, da seit ihr ja! Kommt rein, bevor Jen den Alk alleine leert"
„Das hab ich gehört!",
ertönte es von weiter hinten. Uns wurde Platz gemacht, so dass wir in den kleinen Flur eintreten konnten. Es war wie bei Hempels unterm Sofa. Die Blondine schnatterte weiter:
„Jen hat mir bereits alles von deinem neuen Zuhälter erzählt!"
Monas Miene verdüsterte sich. Im Gegensatz zu allen anderen lief sie in ihrer Arbeitsmontur (Der Begriff Kleidung hätte mehr Stoff vorausgesetzt) rum. Die grauen Augen der Blondine trafen mich; eigentlich hätte nur noch gefehlt, dass sie ne Schnute zieht:
„Du musst es nicht sehr leicht haben, Mona ist ziemlich taff."
Ich nickte.
Oh ja, darauf kannst du Gift nehmen.
Nun tauchte auch Chris auf und innerlich seufzte ich auf.
Endlich jemand mit etwas Hirn
„Nun lass sie doch zum Wohnzimmer durchkommen, Susan."
„Sag mir nicht, was ich in meiner Bude zu tun habe, wir sind nicht im Dienst!"
„Unserer Bude!",
meldete sich Jenny wieder zu Wort. Chris hob daraufhin nur abwehrend die Hände und ging ins Wohnzimmer, wohin wir dann auch folgten. Sofort kam einem die Rauchwolke mit der Note von Bier entgegen. Ich hasste Raucher. Mona schien das gewohnt zu sein; sie fletzte sich einfach neben Jenny auf die abgewrackte Ledercouch. Ich nahm auf einem Hocker Platz. Neben mir, auf einem Küchenstuhl, saß ein ebenso breit gebauter Mann wie Chris, mit Glatze...und war das Lidschatten? Er grinste mir zu.
„Das ist Richard, Chris Partner,"
erklärte Mona.
„Hi",
sagte dieser und der britische Akzent war kaum zu überhören. Chris kam mit einem Sixpack Bier und bot jedem was an; Jenny und Susan lehnten ab indem sie eine Flasche Wodka hochhoben, die sie sich teilten. Mona wurde gar nicht erst gefragt. Mit einem Nicken nahm ich die kühle Flasche an und öffnete sie mit einem Drehen, wofür ich erstaunte Blicke erntete:
„Fuck, bist du aus Terminator oder was?",
fragte Susan kopfschüttelnd. Ich zuckte nur mit den Schultern und nahm einen Schluck. Das Brennen in der Kehle tat mir gut.
Die Gespräche waren recht banal; ab der Hälfte schaltete ich mental ab. Anscheinend war ich nicht der Einzige: Auch Richard und Mona schienen nicht ganz so begeistert zu sein.
Wenn die blöde Zicke eigentlich nicht so viel mit denen zu tun haben will, dann hätte sie mir auch ein Zeichen geben können!
Noch ein Schluck Bier und schon waren meine Nerven wieder etwas ruhiger. Eigentlich wusste ich noch nicht mal, weshalb ich das alles tat. Eigentlich wollte ich keinen Kontakt mehr mit dieser hochnäsigen Schlampe haben. Doch sobald ich mich zu weit entfernte, nervte sie mich in meinem Kopf. Sobald ich den Mund aufmachte um ihr die Meinung zu geigen kamen ganz andere Worte raus. Sobald ich mich dazu entschied ihrem wertlosen Leben ein Ende zu setzen zitterte meine Hand und ich konnte es einfach nicht tun. Wenn ich eines sagen konnte, dann dass diese Frau mich in den Wahnsinn trieb. Also noch weiter als eh schon. Und es machte mich krank.
Durch ein Klopfen auf meine Schulter wurde ich aus meinen Gedanken gerissen: Richard stand neben mir, mit dem Oberkörper Richtung Tür:
„Ich gehe neues Bier besorgen, willst du mit?"
Ohne es zu wollen warf ich einen Seitenblick auf Mona. Sie schien gut ohne mich klarzukommen:
„In Ordnung."

Wir schwiegen bis wir das Ende der Straße erreichten, weshalb es etwas unerwartet kam, als Richard das Wort ergriff:
„Du magst das Leben im Rotlicht auch nicht so, was?"
Ein Nicken und er fuhr fort:
„Ich eigentlich auch nicht. Und als ich erfahren hatte, dass Chris Zuhälter ist hatte ich auch erst den Kontakt abgebrochen. Die Betrachtung von Körpern als Ware..",
er rümpfte die Nase:
„Aber nach ein einiger Zeit habe ich eines erkannt: Es sind auch nur Menschen. Und keiner ist freiwillig in dieser Branche tätig. Sie alle haben ihre Gründe. Und wo viele Ausbeutung und Gewalt erfahren...Chris und die Mädels versuchen einfach nur das Beste aus dem ganzen Mist zu machen."
Ich schaute ihn einfach nur kurz an.
„Was ich sagen will: Auch wenn die Leute ziemlich hart wirken mögen, so brauchen sie das um nicht kaputt zu gehen. Das gilt auch für Mona. Versuch das im Hinterkopf zu behalten."
Auf der anderen Seite der Straße lag eine Tankstelle. Schweigend gingen wir rein.

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