Kapitel 23:
Die Sonne, heiß auf meinem nackten Rücken, weckt mich am nächten Morgen auf. Oder auch am späten Vormittag, vielleicht schon Nachmittag, ich weiß es nicht. Doch abgesehen von der Tageszeit ist alles ganz klar; ich weiß genau, wo ich bin – das helle Zimmer mit dem großen weißem Bett, blendendes Sonnenlicht, das durch die Fenster strömt und er.
Ich schlage die Augen nicht auf. Nur die Wellen draußen am entfernten Strand sind im Hintergrund zu hören, unser Atem, unser Herzschlag. Ich fühle mich wohl, trotz der glüh heißen Sonne und seinem Körper, der völlig verschwitzt neben mir liegt. Es fühlt sich so angenehm und natürlich an, auf seiner heißen Brust zu liegen, seinen Arme um meinen Körper. Der Metallarm ist ebenfalls glühend heiß. Er sieht so normal aus, wenn er schläft, als hätte er keiner Menschenseele je etwas getan.
Ich versuche mich langsam von ihm zu befreien, hebe seinen Metallarm und lege ihn sanft neben seinen Körper nieder. Ich schnappe mir meine Unterwäsche, ziehe sie an und starre verwirrt auf das Bett. An der Kante des Bettes, wo unsere Köpfe liegen, ist alles komplett zerstört. Das Holz wurde von irgendetwas zersplittert, als hätte hier jemand einen Wutausbruch gehabt. An der Wand, genau über Buckys Kopf ist eine Delle oder besser gesagt ein Loch, wo jemand mit der Faust hinein geschlagen hat.
Ich schleiche schnell und leise ins Badezimmer, wo ich meine Gedanken sammeln muss und verstehen will, wieso das Bett so zertrümmert ist und ein Loch in der Wand ist. Aber plötzlich verspüre ich Schmerz über meinen gesamten Oberkörper. Ich sehe mich in den langen Spiegel an, wo ich mich von Kopf bis Fuß betrachte. Vom Aussehen her erblicke ich nichts unnormales. Meine Haare sind auf eine ganze Seite gelegt und vor allem waren sie zerzaust. Ich runzele die Stirn und habe eine kleine Ahnung, was sein könnte, aber das wäre ja totaler Quatsch. Bucky würde mir nicht wehtun.
Als ich mein Tank-Top hochziehe, nehme ich alles zurück. Unter meinem Shirt breiten sich große lilafarbende Blutergüsse über meinem Bauch und an der Seite aus. Als ich die Verfärbung betaste, sehe ich, wie sie verschwinden, und dann wieder auftauchen. Darunter pocht es ein wenig.
Ich versuche mich daran zu erinnern, mich an den Schmerz zu erinnern, aber da ist nichts. Plötzlich erblicke ich eine Gestalt hinter mir.
„Bucky!", sage ich, drücke das Tank-Top nach unten und schaue ihn an.
Er hingegen schaut mich ausdruckslos an, schlendert zu mich hinüber und will, dass ich mich wieder im Spiegel betrachte. Er mustert mein Spiegelbild kurz, dann nimmt er meine langen Haare von der Schulter weg und legt sie nach hinten. Am Hals sieht es tausend Mal schlimmer aus, als am Oberkörper; ein großer blauer Fleck, mit Lila, Gelb und etwas Rot vermischt, ist an meinem Hals zu sehen.
„Es... tut mir so leid, Skye.", flüstert er, während ich auf den blauen Fleck starre.
„Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte nicht..." Er stößt einen leisen, angewiderten Laut aus.
Einen langen Augenblick stehe ich völlig verwundert da und versuche mit seiner Qual zurecht zu kommen. Ich weiß rein gar nichts mehr. Mir fällt nichts ein, was ich hätte sagen könnte. Wie sollte ich es ihm erklären? Wie kann ich ihn so glücklich machen, wie ich es bin – oder gewesen war, eben gerade noch? Ich berühre ihn an seinem Metallarm und mir wird klar, wieso ich diese Flecken habe. Bucky ist dazu gemacht worden, harte Schläge auszuüben und Attentate zu verrichten... und... nicht das. Ich selbst kann kaum glauben, was ich getan habe.
Als er sieht, wie ich seinen Metallarm anstarre, wird es ihm auch klar und er fängt an mit den Zähnen zu knirschen und ballt die Metallhand zur Faust.
„Bucky." Er rührt sich nicht. „Bucky?" Nichts. Dann muss es also ein Monolog werden.
„Mir tut es nicht leid, Bucky. Es ist alles in Ordnung. Mir geht es g..."
„Sag bitte nicht gut." Seine Stimme ist eiskalt. „Wenn du mich nicht in den Wahnsinn treiben willst, dann sage bitte nicht, es gehe dir gut."
„Aber es geht mir gut.", flüstere ich.
„Skye." Das ist fast ein Stöhnen. „Hör auf damit."
„Nein. Hör du damit auf, Bucky!"
Er bewegt seinen Arm, seine braune Augen schauen mich misstrauisch an. Ich höre, wie er weiterhin mit den Zähnen knirscht, was mich immer wütender macht. Dann schreitet er langsam aus dem Badezimmer. Ich ihm wütend hinterher.
„Du hättest sehen sollen, wie es mir in diesem Moment ging! Oder jedenfalls vor fünf Minuten. Ich war überglücklich. Im siebten Himmel. Jetzt – tja, jetzt bin ich ziemlich sauer, ehrlich gesagt."
„Du hast allen Grund dazu.", wirft er mir nur zurück.
„Ja. Geht's dir jetzt besser?"
Er seufzt. „Nein. Nein, ich glaube nicht, dass mich im Augenblick irgendetwas aufheitern kann."
„Genau das.", sage ich wütend. „Das ist es, was mich so sauer macht. Du machst meine ganze Freude zunichte, Bucky."
Er verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. Ich hole tief Luft. Jetzt spüre ich den Schmerz schon deutlicher, aber es war nicht so schlimm. Ich schlucke meinen Ärger hinunter und versuche einen besänftigen Ton anzuschlagen.
„Bucky, es ist niemanden Schuld. Mir geht es gut. Wirklich. Ich hab' schon schlimmer ausgesehen, und das weißt du."
Meine Stimme wird zu einem flüstern, mein Blick gleitet von seinem Gesicht hinab zu seinen Händen.
„Ich meine, ich weiß ja nicht, wie es für dich war, aber für mich war es so..."
Wieder stocke ich und ich kann es einfach nicht ausreden. Es ist, als würde meine Stimme versagen.
„Machst du dir deswegen Sorgen?", fragt er grimmig und dreht sich zu mir um.
Er bleibt so lange still, dass ich schließlich aufschauen muss. Sein Gesicht ist jetzt weicher und vor allem nachdenklicher. Er kommt auf mich zu, umfasst meine Schultern, bei dem Gedanken, er würde mir wieder wehtun.
Doch er küsst mich auf die Stirn, als wäre es ein Abschied. Dann verschwindet er durch die Tür und macht (wie immer) seine morgendliche Tour durch den Wald.
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