Chapter 60
"Folgt mir", wies uns Ramon an und breitete seine prächtigen Schwingen aus, kurz bevor er in die dichten Wolken abtauchte.
Mit einem schnellen Zwinkern schnappte sich Aiden meinen Körper und flog ihm hinterher.
Lächelnd betrachtete ich den wunderschönen Himmel, der sich in rötlichen und orangenen Farben schmückte.
Die warmen Sonnenstrahlen schienen mir lächelnd entgegen und riefen einen sanften Abschied aus, bevor sie hinter der weichen Wolkendecke verschwanden und den Himmel in bunten Farben hinterließen.
Aiden und Ramon flogen durch ein Tor, das zwei verwurzelte, von Blättern umrankte Baumstämme bildeten und ich hielt staunend den Atem an, als ich die Masse von Engeln sah, die sich dahinter befanden. Unzählige von ihnen schwirrten herum, lachten, redeten. Doch als sie Ramon und uns hinter ihm erblickten, legte sich eine ehrfürchtige Ruhe über die grüne Lichtung, desses Bäume federleicht auf schneeweißen Wolken schwebten.
"Hört Engel", rief Ramon laut, als wir auf einer kleinen Empore gelandet hatten und die Engel sich auf weiche Wolken nieder ließen.
"Darf ich euch Skyla vorstellen? Skyla Rose. Das Mädchen, das uns alle vor unermesslichen Gefahren bewahrt hat. Das mutigste und selbstloseste Halbblut, das mir je begegnet ist. Durch den Spiegel beobachte ich sie und Aiden. Sah wie sie sich trennten und wiederfanden. Verletzten aus Schutz und verziehen aus Liebe. Diese beiden Engel haben so viel durchgemacht, nur um uns zu retten. Durch den Spiegel sah ich, wie Skyla eine Feder an Mrs. Niviria gab. Einen kurzen Augenblick später zog sie eine Identische aus ihrer Jacke. Sie ist ein goldener Engel. So kraftvoll und mächtig, dass sie den goldenen Staub aus ihren Federn schütteln und eine unechte Feder erstellen konnte, die die böse Frau getauscht hat. So selbstlos, dass sie selbst ihre eigenen Flügel für das Wohl ihres Freundes aufopferte", rief Ramon laut über die Lichtung, bevor er sich zu uns umdrehte und gutmütig lächelte. "Ihr habt uns unermessliche Treue und Tapferkeit erwiesen. Als Dank des Himmels und seinen Bewohnern ernenne ich euch zu Prinz und Prinzessin des Himmels."
Ohren betäubender Applaus ertönte und ich sah ungläubig zu Aiden, der mir stolz entgegen lächelte.
"Es ist eine unfassbare Ehre. Prinzen und Prinzessinnen des Himmels gibt es nicht andauernd, sondern nur, wenn man etwas sehr besonders geleistet hat. Wie du zum Beispiel", flüsterte mir Aiden über den Applaus hinweg leise ins Ohr.
"Und du", entgegte ich schmunzelnd und spürte das Glück überschwänglich durch meine Adern rauschen.
Mein Herz schien bis zu meinem Hals zu pochen und ich fragte ich ernsthaft ob das hier einfach nur ein viel zu schöner Traum war oder die greifbare Realität.
"Aber das wäre nicht Dank genug", fing Ramon auf einmal wieder an zu sprechen und brachte die Menge zum Schweigen.
Verwirrt blickte ich auf. Wenn das nicht genug war, was sollte denn dann noch kommen?
"Skyla kommst du bitte zu mir?", fragte mich Ramon höflich und ich sah nervös zu Aiden hoch, der mir lächelnd Mut zusprach.
Zögerlich ging ich bis ganz vorne an die Empore, an der Ramon stand.
"Skyla ohne dich wäre das alles nicht möglich gewesen. Du hast so viel geopfert und auf dich genommen. Für Aiden. Aber auch für uns. Eine deiner Familien, die du zuvor nicht kanntest. Auch das ist noch nicht genug, für das, was du durchmachen musstest, doch ich denke, es ist ein guter Anfang. Trägst du dir goldene Feder bei dir?", fragte er mich plötzlich und ich Griff perplex in meine Jackentasche.
"Ja, hier", entgegnte ich ungewiss und übergab sie ihm in seine geöffneten Hände.
Die goldene Aura um sie herum schien hier noch prächtiger zu strahlen, als auf der Erde und ein ehrfürchtiges Raunen glitt durch die Engel.
"Sehr sie euch an", sprach er in die staunende Menge und hielt die Feder hoch, sodass sie außnahmslos jeder sehen konnte.
"So viel Glück und Unglücklich zugleich steckt in ihr. Der goldenen Feder. Geschaffen um einen Menschen unsere Welt und unser Leben zu zeigen. Missbraucht durch Gier und Rache. Lange war sie verschollen. Lange war unsere Angst und Sorge groß. Doch jetzt ist sie hier. Man könnte nun denken, sie wäre hier in Sicherheit, doch das wäre eine Irreführung. Sie ist hier schoneinmal gestohlen worden. Sie ist weder hier, noch woanders sicher. Die einzige sichere Lösung ist sie zu vernichten. Zerstören lässt sie sich nicht. Davor schützt sie ein jahrelanger Zauber. Doch wir sollten den Zauber nicht vergessen, der in ihr steckt. Zu was diese wunderschöne Feder fähig ist. Und ich finde es nur gerecht diesen Zauber dem Menschen zu schenken, der so viel dafür durchmachte. Skyla."
Sobald Ramon meinen Namen ausgesprochen hatte, riefen und schrien die Engel ihn, sodass er tausendfach nachzuschallen schien.
Das Blut begann in meinen Ohren zu rauschen und mein Herz hämmerte im Sekundentakt wild in meiner Brust.
Hektisch wirbelte ich herum und suchte die einzigen Augen, die jetzt noch zählten. Die, die ich liebte. Und als ich sie erblickte, zwischen all den anderen, schlug mir eine so kräftige Welle aus Stolz und Liebe entgegen, dass ich das Gefühl hatte mich hinsetzen so müssen.
Lachend fing er an zu applaudieren und stimmte in das Geschrei der Engel mit ein.
Sie alle riefen meinen Namen. Riefen mich.
"Nimm sie an dich", wies mich Ramon unter den lauten Rufen an und legte mir die Feder zurück in die Hände.
Behutsam strich ich über ihren goldenen Schimmer, der sich warm und weich anfühlte, während sich eine glückliche Träne heimlich aus meinem Augenwinkel stahl.
Über die Lichtung legte sich erneut eine gespannte Stille. Nur mein rasselnder Atem war zu hören, als zwischen Ramon und der Feder in meinen Händen hin und her sah.
"Midus ahiisi ragula. Idanta reganto", murmelte er leise und während in meinen Gedanken ein Bild von Rhagal's grünen, geheimnissvollen Augen aufblitzen, löste sich die Feder in unzählige goldene Schmetterlinge auf, die wild um mich herum zu flattern begannen.
Ein erstauntes Raunen drang aus der Menge zu mir und ich drehte mich mit einem schnellen Blick zu Aiden um, der mir einen liebevollen Blick zuwarf, bevor der Sturm aus Schmetterlingen die Sicht auf ihn versperrten.
Ich war komplett in sie eingehüllt.
Spürte die Luft, die sie mit ihren feinen Flügelschlägen aufwirbelten.
Hörte das Flattern.
Sah die goldene Farbe.
Und dann brachen sie plötzlich ihre kreisende Bewegung ab und flogen auf mich zu.
Erschrocken riss ich meine Hände hoch, um mein Gesicht zu schützen und wartete auf den Schmerz, sobald die unzähligen Schmetterlinge auf mich einstürzten.
Doch anstatt mich zu verletzten, legten sie sich wie eine warme Umarmung um meinen Körper und schenkten mir so viel Kraft und Energie, wie ich es noch nie gespürt hatte.
Ich konnte die Energie durch meinen Körper rauschen fühlen. Sie kribbelte. Kitzelte. Schwebte lachend durch meinen Körper, um sich an meinem Rücken zu sammeln.
An meinen Schulterblättern, die dieses Gefühl so sehnlichst vermisst hatten.
Dieses ganz bestimmte Kribbeln. Ganze bestimmte Gefühl. Freiheit.
Wie von alleine schlossen sich meine Augen. Genossen diesen Moment, als wäre es der Letzte, den ich davon kosten durfte.
Ich konzentrierte mich auf das Kribbeln und stellte mir vor es in meiner Brust zusammenzuziehen. Diese Masse an wunderschönen Schmetterlingen zu umfassen.
Nur um sie mit doppelter Kraft wieder loszulassen. Und genau das tat ich.
Ließ los. Alles, das mir so lange auf dem Herzen gelegen hatte. Jede Sorge und jede Angst. Ich ließ einfach alles gehen.
Und die Energie jagte mit solch einer Wucht durch meinen Körper, dass mir Tränen in die Augen schossen.
Und dann war sie plötzlich weg. Als wäre sie nicht da gewesen. Wie auf einen Donnerschlag. Nur die Träne, die über meine Wange lief, erinnerte daran, dass sie wirklich da war.
Meine Augen waren immernoch geschlossen. Doch meine Ohren öffneten sich langsam. Das Rauschen rückte wieder in den Hintergrund und erlaubte mir meine Umgebung wahrzunehmen. Das Klatschen, Rufen, Staunen. Ich konnte es alles hören.
Für einen kurzen Augenblick genoss ich noch das kostbare Gefühl in meiner Brust, bevor ich meine Augen öffnete und einen Blick über meiner Schulter warf.
Und das was ich sah, verschlug mir nicht nur die Sprache. Es verschlug mir alles. Meine Sinne, meinen Atem, einfach alles.
Ehrfürchtig stolperte ich zur Seite, als ich mich versuchte noch weiter zu drehen, um sie besser zu sehen, und wäre beinahe dabei hingefallen, hätten mich die strahlenden goldenen Federn nicht mit einem seichten Flügelschlag aufgefangen.
Sie waren mindestens doppelt so groß, wie die silbernen, die bis vor einigen Tagen noch meinen Rücken geziert hatten und ihre Farbe strahlte so golden und hell, dass ich meine Augen zusammen kneifen musste.
Atemlos ließ ich meine Hand durch sie gleiten und zuckte bei dem seidenweichen Kitzeln kurz zusammen, bevor sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen legte.
Schon bald wurde das Lächeln zu einem Grinsen und das Grinsen zu einem Lachen.
Ich lachte. Wusste weder genau worüber, noch weswegen. Ich lachte einfach. Fühlte mich frei und so schwerelos, wie noch nie zuvor.
Wie zwei prächtige Adlersschwingen breitete ich meine Flügel hinter meinem Rücken aus und winkte den jubelnden Engeln strahlend entgegen, bevor ich mich umdrehte und auf den Menschen zuging, der mich mit so viel Liebe ansah, dass es mir einen Stich versetzte.
"Mein Engel", raunte er leise und verhakte unsere Finger ineinander.
"Ich liebe dich", murmelte ich heiser und blendete die ganzen Engel um uns herum aus. Das Einzige, das jetzt noch zählte, war er.
Nur er.
"Und ich liebe dich", entgegnte er leise, während der meine Stirn an meine legte. "Und ich werde sich immer lieben. Mein ganzes Leben lang. Bis in alle Ewigkeit."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top