Chapter 50
Jemand war hier.
Ich war nicht alleine.
Panisch wirbelte ich herum. Die Stille wirkte so bedrückend und schwer, dass es mir schwer fiel aufrecht zu stehen.
Mit meinen Augen suchte ich jede Ecke meines Zimmers ab.
Die Angst schnürte mir meine Kehle zu.
Das kühle Silber der Kette fühlte sich wie ein Stück Eis auf meiner überhitzen Haut an. Adrenalin schoss durch meine Blutbahnen und aktivierte meine Wachsamkeit.
Die Müdigkeit von vorhin war komplett verflogen, als wäre sie gar nicht da gewesen. Jetzt herrschte die Angst über mich, wie ein dunkler Schatten.
"I-Ist hier jemand?", hauchte ich leise und lauschte auf ein Geräusch. Nichts.
"Ist hier jemand?", fragte ich dieses Mal lauter und bemühte mich dabei meine Stimme fest klingen zu lassen.
Erleichterung überkam mich, als ich schon wieder keine Antwort bekam und mir sicher war, dass ich alleine in diesem kleinen Raum war.
Doch ich hätte mich nicht zu früh freuen sollen.
Sekunden, nachdem ich meine Frage gestellt hatte, leuchtete plötzlich der Blidschrim des Laptops hell auf und riss meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
Erschrocken zuckte ich zusammen und stolperte ein paar Schritte nach hinten, als der Begrüßungston die beißende Stille zerriss.
Schwer atmend beobachtete ich die Maus, die sich über den Bildschirm bewegte, ohne dass ich sie in den Händen hielt.
Was passierte hier?
Gerade, als ich nach vorne gehen und den Laptop einfach zuklappen wollte, öffnete sich ein Lifestream Programm und blaue, kalte Augen starrten mir zufrieden durch die kleine Kamera entgegen.
"Hallo Liebling", erklang eine allzubekannte Stimme und das Blut gefror in meinem Adern.
Panisch drückte ich mich an die Wand hinter mir. Ich wollte wegrennen. Sie nie wieder sehen. Das alles hinter mir lassen. Doch irgendetwas in ihrem Blick sagte mir, dass ich das besser nicht tun sollte.
"Wie geht es dir Schätzchen? Sicher nicht so gut oder? Jetzt wo dein ach so geliebter Freund nicht bei dir ist?"
Wut keimte in meinem Inneren auf und mischte sich unter die pure Angst.
"Wo ist er? Was haben Sie getan?" Meine Stimme zitterte. Ich wollte schreien. Ihr alles ins Gesicht brüllen. Doch meine Stimme war nicht mehr als ein leises, erbärmliches Flüstern.
"Ach das verletzt mich schon ein bisschen, dass du mich direkt beschuldigst etwas damit zu tun haben. Aber-", fing sie gespielt gekränkt an zu sagen, doch ihr Satz wurde von einem Schrei unterbrochen.
Ein Schrei voller Schmerzen und Wut.
Er ging mir durch Mark und Knochen und ich zuckte erschrocken zusammen.
Mein Atem ging schneller.
Der Schmerz breitete sich wie ein Gift in meinem Körper aus, als ich die Stimme hinter dieser herzlosen und gehässigen Frau erkannte.
"AIDEN", schrie ich entsetzt, während die Tränen unkontrolliert über meine Wangen rollten. "Was haben Sie ihm angetan?"
Ein raues Lachen entwich ihrer Kehle, als ich fassungslos mit ansehen musste, wie sie beiseite trat und den Blick auf Aiden freigab.
Ein spitzer Schrei verließ meine Kehle und Entsetzten machte sich mir breit.
Ich hörte das Blut in meinem Ohren rauschen und meine Finger begannen unkontrolliert zu zittern. Hilflos krallte ich sie in mein Shirt.
Was ich in dem kleinen Bildschirm des Laptops sah, war Schlimmer als alles, was ich mir hätte vorstellen können.
Aiden saß auf einem Stuhl. Seine Flügel hingen schlaff neben ihm herunter und waren mit einem massiven Strick an den Stuhl gebunden, genau so wie der Rest seines Körpers.
Sein Kopf hing erschöpft nach unten und seine Haare fielen ihm wirr in die Stirn.
Wage nahm ich war, wie sich seine Brust flach hob und senkte.
"Aiden", wimmerte ich leise und umfasste den Bildschirm mit beiden Händen, als könnte ich ihn so berühren.
Schwach glitt sein Blick durch den dunklen Raum, als hätte er Schwierigkeiten sich zu orientieren. Es schien so, als würde er etwas suchen.
Als sein Blick auf meinen traf, blitzen seine Augen plötzlich hell auf und er begann sich ruckartig unter dem Strick zu winden.
"Skyla." Seine Stimme klang rau und brüchig, als hätte er tagelang nichts getrunken.
"Hey Skyla", rief plötzlich eine euphorische, laute Stimme und Liam trat winkend in mein Blickfeld.
Meine Schläfen begannen zu pochen und in meinem Kopf schien sich alles im Kreis zu drehen.
"Sie haben das alles von Anfang an geplant", hauchte ich fassungslos und blickte in Mrs. Niviria's siegessicheres Lächeln.
"Natürlich habe ich das. Ich wusste schon längst, dass du dich schon verwandelt hast und ihr beiden mir nur was vorspielt. Es war beinahe zu leicht dich dazu zu bringen, dass du dich verwandelst, als ich Jamie in das Boot gesetzt habe. Ich habe euch beobachtet. Sehr süßer Anblick übrigens, als unser lieber Aiden hier dich gerettet hat." Ein falsches, hässliches Lachen drang aus ihrer Kehle. "Und falls du dich fragst, und warum ich eure Flügel sehen kann, ohne zu verunglücken, wie man es heutzutage nennt, dann solltest du wissen, dass ich unter deren Schutz stehe. Die da oben vertrauen mir. Komisch oder nicht?"
"Sie haben Jamie etwas untergemischt!"
"Es kam gerade zu gelegen, dass er fast jeden Tag einen Kakao bei mir getrunken hat. So weit ist Aiden auch gekommen. Und genau deswegen ist er jetzt hier bei mir."
Ein weiterer Schrei drang zu mir und die Verzweiflung breitete sich in jeder Zelle meines Körpers aus.
"Was auch immer sie da mit ihm machen. Lassen Sie es. Was bringt es Ihnen, wenn sie ihn verletzten?", knurrte ich wütend, aber die Verzweiflung in meiner Stimme war unüberhörbar.
"Ach wie süß ihr beiden doch seid. Mach dir keine Sorgen um ihn Liebes. Er ist bei mir in guten Händen", sagte sie mit ruhiger Stimme und blickte mir so intensiv in die Augen, dass mir einen Moment schwindelig wurde und meine Arme von einer eisigen Gänsehaut bedeckt wurden.
"Wie perfekt mein Plan doch aufgegangen ist", sagte sie mit amüsierter Stimme und klatschte einmal glücklich in ihre Hände. "Willst du ihn hören? Wahrscheinlich nicht. Noch ein weiterer Grund dir davon zu erzählen. Ich habe Aiden den Auftrag gegeben dich hier im Blick zu behalten, als du hier aufgekreuzt bist. Es war glasklar, dass er sich in dich verlieben würde. Er war ja schon hin und weg von dir, als er dich im Spiegel des Palastes zum ersten Mal gesehen hat. Er hat wochenlang von dir geschwärmt. Ich wusste, zu was du fähig bist und musste es irgendwie schaffen euch beide unter meine Kontrolle zu bekommen. Und tada. Hier sind wir. Einen Schritt von meinem Ziel entfernt. Der letzte Schritt besteht darin, dass du mir die goldene Feder besorgst. Wenn du irgendjemandem von diesem Gespräch erzählst-", warnte sie mich mit einem drohenden Unterton und deutete mit einer Handgeste hinter sich.
"-dann ist dein Freund nicht mehr lange am Leben. Und bis du wieder hier bist, haben wir uns etwas überlegt, um deine Motivation zu steigern."
Ein kaltes, herzhaftes Lachen drang von ihr aus, als sie einen Schritt zur Seite ging und ich mit Entsetzten mit ansehen musste, wie Liam eine von Aiden's Federn packte und sie voller Wucht aus dem wunderschönen Gefieder ausriss. Aiden's gequälter Schrei ließ mich zusammenzucken und ich schien selbst einen unangenehmen, stechenden Schmerz in meinem Rücken wahrzunehmen.
"Aufhören", schrie ich verzweifelt und hielt die Tränen in meinen Augen zurück.
Ich durfte ihr nicht zeigen, wie schwach ich war!
Mein Herz krampfte sich schreiend zusammen, als ich den Schmerz in Aiden's Gesicht sah, während er seinen Kopf erschöpft in den Nacken fallen ließ.
"Bitte hören Sie auf", flüsterte ich jetzt nur noch flehend.
"Das liegt ganz an dir, wann wir damit aufhören können. Bring mir die Feder und er ist frei. Achja und Skyla, bevor ich es vergessen. Das Haus deiner Eltern ist wirklich schön", sagte sie noch mit einem provokanten Grinsen und neue Wut keimte in mir auf.
"Was haben Sie ihnen angetan?"
"Du wirst es herausfinden, wenn ich dir Feder habe. Und jetzt beeil dich, sonst wird Aiden nur noch mehr Qualen durchleben müssen. Du musst in dir Bibliothek gehen. Das Buch 'Sterne des Morgens' ist der Schlüssel zu der goldenen Feder."
"Warum tun Sie das?" Meine Stimme war brüchig, trocken, lechzte nach dem Leben, das man mir gerade aus der Brust gerissen hatte.
"Warum? Du willst wirklich wissen warum?" Ihre Miene verhärtete sich und ich nahm aus dem Augenwinkel war, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten. "Jahrelang habe ich deren Befehle ausgeführt und nach ihrer Pfeife getanzt. Ganz egal, was sie von mir verlangt haben. Ich habe alles für die getan. Alles aufgegeben. Und was bekomme ich als Dank dafür? Nichts! Rein gar nichts! Ich habe wenigstens auf ein Dankeschön gehofft, jedes Mal, wenn ich neue Botschaften von Taylor erhielt, doch außer stumme Befehle und Anweisungen richteten sie nichts aus. Ich hab mich damit getröstet, dass ich vielleicht ein bisschen länger in ihren Diensten stehen muss, um dafür belohnt zu werden. Und hier bin ich, Jahre später, und warte immernoch." Verbitterung trat in ihre Stimme und mit jedem Wort wurde sie lauter. "Jetzt hab ich meinen eigenen Weg gewählt und als ich gehört habe, wie wertvoll du bist, kamst du mir gerade zu gelegen. Ich werde die goldene Feder anwenden und mich an ihnen rächen. Für meine verlorene Zeit, die ich an sie verschwendet habe. Sie werden auf Knien flehen und ich werde ihnen keine Beachtung mehr schenken. Sie werden spüren, was ich spürte, bevor ich meinen eigenen Weg eingeschlagen habe." Ihr Blick löste sich von dem Boden und fixiert mich, bevor das rachdurstige Lächeln auf ihren Lippen verschwand und sich ein bedrohlicher Ausdruck in ihnen ausbreitete. "Genug Zeit geschindet, meine Liebe. Beeil dich oder er stirbt.", sagte sie kalt und ich sah, wie ihre Hand zu dem Laptop griff.
"Ließ das Buch. Die Sonne-", hörte ich Aiden noch mit schwacher Stimme rufen, bevor der Bildschirm schwarz wurde und die Stille sich wie ein dunkler Mantel um mich legte.
Zitternd schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper, als mich ein kalter Windzug erfasste. In meinem Kopf schien sich alles zu drehen und meine Sicht war verschwommen, als würden unzählige Bilder an mir vorbei rauschen.
Mit rasselndem Atem stützte ich mich an der Wand ab und versuchte das Brennen in meiner Brust zu ignorieren.
Konzentrier dich Skyla! Konzentrier dich!
"Ließ das Buch. Ließ das Buch. Ließ das Buch", murmelte ich seine Wörter wie ein Mantra vor mir her, als könnte ich dadurch herausbekommen, was er mir damit sagen wollte. "Welches Buch Aiden?", flüsterte ich tonlos und krallte meine eiskalten Finger hilflos in den Stoff meines Shirts.
Aus dem Augenwinkel nahm ich war, wie sich die dunkle Wolkendecke aufbrach und zurück zog.
Das Gewitter hatte also endlich aufgehört!
Wie als eine Bestätigung für meine Gedanken kämpften sich einzelne, goldene Sonnenstrahlen ihren Weg auf die Erde. Einer ruhte direkt auf meinen Augen, doch er war noch so schwach, dass es mir nicht weh tat. Für einen kurzen Moment blendete ich die ganzen Gedanken und das Chaos in meinen Inneren aus und schloss die Augen, um ihre sanfte Wärme zu genießen.
Und dann packte es mich plötzlich.
Mit schnellen, stolpernden Schritten raffte ich mich auf und sprintete in Windeseile im Treppenhaus die Stufen bis ganz nach oben.
wie geht es euch allen? ☀
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