Chapter 32

"In sechs Tagen geht es los. Mitternacht.", bestimmte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und stolzierte mit großen, sicheren Schritten aus ihrem Büro heraus und ließ Aiden und mich alleine.

Der Raum lag in völliger Stille.

Mein Herz schlug mit jeder Sekunde schneller und prallte mit jedem Schlag so hart gegen meine Brust, als würde es im nächsten Moment rausspringen.

Voller Entsetzen starrte ich fassungslos auf den veralterten Boden und sah aus dem Augenwinkel, dass auch Aiden aus seiner Rolle geworfen wurde.

In meinem Kopf schien sich alles zu drehen und eine unangenehme Übelkeit breitete sich in meinem Magen aus.

Mein Blick glitt zu Aiden.

Geschockt sah er mich an.
Seine Maske hatte er in der Sekunde fallen lassen, in der Mrs. Niviria den Raum verlassen hatte.
Ich sah die Besorgnis in seinen Augen. Besorgnis, Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit.

Sein Körper, genau so wie meiner, hatte sich in eine Starre versetzt. Ausschließlich seine Hände formten sich zu Fäusten und lockerten sich wieder in einem gleichmäßigen Rhythmus.

Warscheinlich versuchte er gerade eine Lösung zu finden, so wie er es immer tat, wenn es ein Problem gab. Mit einem kleinen Unterschied.

Dieses Mal gab es keine Lösung.

Und diese Erkenntnis schlich sich wie ein ätzendes Gift in meinem Kopf.

Tränen sammelten sich in meinen brennenden Augen und rollten über meine Wangen, während ein bebender Schluchzer meinen Körper durchzuckte.

Kraftlos sackte ich zusammen und ließ mich mit dem Rücken an dem Regal hinter mir auf den Boden gleiten.

Jede Faser meines Körpers erzitterte, als ein eikalte Schauer durch mich hindruchfuhr und sich wie ein schweres Gewicht auf mein Herz legte.

Ich würde auf die Suche nach der goldenen Feder gehen müssen.
Und ich würde wohlmöglich auf meiner Suche sterben.

Und ich konnte absolut gar nichts daran ändern.

Wage nahm ich war, wie sich Aiden neben mich sinken ließ.
Seine Arme schlungen sich um meine Schultern und er drückte mich fest an seine starke Brust.

Sein Herzschlag drang leise zu mir.
Kräftig, schnell, panisch.

"Was ist wenn wir abhauen?", brachte ich zwischen meinen Schluchzern hervor und sah aus tränenverschleierter Sicht zu ihm hoch.

"Wir müssten uns auf ewig verstecken. Irgendwann würden sie uns finden. Und es gelten harte Strafen für jene, die die Befehle des Palastes verweigern."

Seine Stimme klang leer. Ganz so, als hätte er aufgegeben und unser Schicksal akzeptiert.

Aber was sollten wir auch machen?

"I-ich brauche jetzt Zeit für mich.", flüsterte ich mit zitternder Stimme und richtete mich auf wackeligen Beinen auf.

Hilfesuchend stütze ich mich an einem Regal ab, als meine Knie plötzlich nachgaben und ich meinen Halt verlor.

Mit einem schnellen Satz war auch Aiden wieder auf seinen Beinen und hatte seine Hände auf meine Hüfte gelegt, um mich vor einem weiteren Sturz zu bewahren.

"Soll ich-"

"Nein. Nein ich muss jetzt etwas tun, was ich schon längst hätte tun sollen."

Mit einem entschuldigenden Blick strich ich seine Hände von meinem Körper und kämpfte mit allem Mitteln meinen Beinen Befehle zu erteilen.

Alles was sonst so selbstverständlich schien, lastete wie ein schweres Gewicht auf meinen Schultern.

Einatmen.
Fuß anheben.
Fuß absetzen.
Ausatmen.

Ich hatte das Gefühl nicht mehr zu leben, sondern nur noch zu funktionieren.

Alles zog wie ein vorgespulter Film an mir vorbei und gleichzeitig kam es mir so vor, als würde jede einzelne Sekunde in Zeitlupe verlaufen.

Mein Leben schien mich Stück für Stück zu verlassen und nur ein einziger Wunsch machte sich in meinem Inneren breit.

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Mit zitternden Fingern nahm ich den Höherer des Kabeltelefons von der Wand ab und tippte die Nummer meiner Eltern ein.

Zum Glück war das Sekretariat wie verlassen und ich konnte alleine und ungestört mit meinen Eltern sprechen.

Mein Herz klopfte wie wild gegen meine Brust, während die Leitung mit Stille gefüllt war und nur hin und wieder das monotone Klingeln erklang.

Gerade als ich enttäuscht den Hörer wieder weg legen wollte, erklang auf der anderen Seite ein Rascheln, woraufhin sich eine allzubekannte Stimme zu Wort meldete.

"Marcus Rose?", drang die tiefe Stimme meines Vaters zu mir und mein Herz hörte für einen kurzen Augenblick auf zu schlagen.

Wie sehr ich seine Stimme vermisst hatte.

"Dad.", schluchzte ich kaum hörbar.

"Skyla? Skyla! Katherine, komm schnell. Skyla ist am Telefon. Sie hat nicht viel Zeit.", rief mein Vater aufgebracht und man hörte ein lautes Poltern.

"Skyla!", rief meine Mutter aufgeregt und ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während mir eine stumme Träne über die Wange rollte.

"Ich vermisse euch so sehr.", flüsterte ich fast tonlos und umklammerte den Hörer des Telefons so fest, als wäre er das Einzige, das mich jetzt noch mit meiner Familie verband.

"Wir dich auch mein Liebling. So sehr. Wie geht es dir? Hast du Freunde gefunden?", erklang die sanfte und beruhigende Stimme meiner Mum und ich schluckte tapfer die aufkommenden Tränen herunter.

"Freunde habe ich gefunden, ja. Jasmin ist mittlerweile eine meiner besten Freunde geworden. Ohne sie wäre ich hier bestimmt schon durchgedreht. Taylor ist auch ein ziemlich guter Freund von mir. Und dann ist da noch Aiden."

"Aiden Mallory?", fragte Dad vorsichtig.

"Ja, Aiden Mallory.", murmelte ich leise und schloss für einen kurzen Moment meine Augen.

"Er hat sie gefunden.", hörte ich ihn ungläubig hauchen.

"Mom, Dad, es tut mir so leid, dass ich euch an meinem letzten Tag so angeschrien und euch das alles an den Kopf geworfen habe. Ich wusste einfach nicht, was das alles sollte und jetzt ergibt das alles plötzlich Sinn und ich- ich-", schluchzte ich hysterisch und merkte, wie ich die Kontrolle über mich verlor.

Sei stark Skyla! Du hast nur noch ein paar Minuten. Konzentriere dich.

"Ganz ruhig, ganz ruhig mein Schatz. Wir verstehen dich, mach dir keine Sorgen.", beruhigte mich Mum und ihre sanfte Stimme fühlte sich wie eine geliebte Umarmung an.

"Bist du- also- Hast du dich schon verwandelt?", fragte Marcus vorsichtig mit gedämpfter Stimme.

"Ja. Und ich stecke ziemlich tief in der Scheiße. Mrs. Niviria verlangt von mir, dass ich mich, ohne vorher in den Himmel zu fliegen, auf die Suche nach der goldenen Feder mache. Sie ist im Glauben, dass ich mich noch nicht verwandelt habe. Aiden und ich haben sie angelogen, um Zeit zu schinden, aber das ist ihr völlig egal. In sechs Tagen soll es losgehen.", berichtete ich meinen Eltern und spürte erneut, wie sich schwere Tränen in meinen Augen ansammelten und die Last auf meinem Herzen zunahm.

"Sechs Tage?", hörte ich meine Mum entsetzt rufen.

"Hör mir jetzt ganz genau zu Skyla. Du bist stark. Und mutig. Du schaffst das. Viele sind schon auf die Suche gegangen und nicht zurückgekehrt, aber sie waren alle nicht so wie du. Du bist etwas besonderes. Entscheide aus deinem Herzen und alles wird gut werden. Vertraue niemandem. Wenn du jetzt aus diesem Zimmer gehst, fragst du Aiden und Taylor, eine einzige Frage. Du wirst sie fragen, was das schönste an einem Menschen sein kann. Und wenn sie antworten "die unsichtbaren Flügel, die ihr reines Herz entfalten lässt", kannst du ihnen trauen. Es ist eine Lehre des Palastes innerhalb eines kleinen Kreises, in den ich ebenfalls verwickelt war. Skyla uns bleiben nur noch wenige Sekunden. Die zehn Minuten sind gleich um. Denk immer daran. Sei stark, sei mutig und hör auf dein Herz. Wir lieben dich Skyla, wir-", rief er noch hektisch in den Hörer, bevor ein lautes Piepen ihm das Wort abschnitt und die Leitung wieder mit einer leeren Stille gefüllt war.

Schweres Herzens hing ich das Telefon wieder ein und glitt kraftlos an der kalten Wand herunter.

Schluchzend zog ich meine Arme um mein angewinkelten Beine und machte ich so klein es nur ging. In der Hoffnung von diesem Universum einfach übersehen zu werden.

"Ich liebe euch auch.", hauchte ich tonlos, bevor alle meine Dämme brachen und unzählige Tränen über meine Wangen rollten.






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