8. Wolkig mit Aussicht auf Drama
Emma und ich hatten es tatsächlich noch rechtzeitig zu unserer Vorlesung geschafft. Gemeinsam hatten wir in der letzten Reihe Platz genommen, die erstaunlicherweise fast immer frei blieb. Irgendwie waren in dieser Vorlesung reihenweise Streber, die immer eine halbe Stunde zu früh vor dem Raum warteten, um ja einen Platz ganz vorne zu kriegen. Einfach nur affig. So saß neben uns nur noch eine weitere Personen in der Reihe.
Das Mädchen hatte braune, glatte Haare, die ihr bis zur Brust gingen und ihr leicht in die Stirn fielen. Es wirkte fast, als würde sie sich hinter diesem Haarvorhang verstecken wollen. Kein Wunder, dass sie mir noch nie aufgefallen war, schließlich war sie mit ihrem weißen T-Shirt und der schwarzen Jeans recht schlicht und unauffällig gekleidet.
Ich unterbrach meine Musterung, als unsere Professorin erneut das Wort ergriff.
"Im Rahmen unseres Themas "Mediale Aufklärungsarbeit" habe ich beschlossen, dass wir ein Projekt durchführen werden", verkündete sie. "Ich wünsche mir, dass Sie soziale Missstände in Ihrem direkten Umfeld aufgreifen und in der Form von Reportagen, Fotostorys oder Kurzvideos zeigen und kritisieren. Ihrer Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sie finden sich dazu am besten in Kleingruppen ein. Ach ja, das beste Projekt wird außerdem auf der Online Seite des Philadelphia Inquirer veröffentlicht, was für Sie eine riesige Chance darstellen könnte."
Ein Raunen ging durch die Menge. Der Philadelphia Inquirer war eins der größten Magazine in Philadelphia und eine öffentliche Erwähnung auf der Onlineseite könnte für jeden hier anwesenden Studenten den Durchbruch bedeuten, schließlich waren die Plätze in der Journalismus-Branche hart umkämpft.
Emma und ich nahmen sofort Augenkontakt auf, für uns stand sofort fest, dass wir dieses Projekt zusammen machen würden. Dann deutete Emma mit einem fragenden Blick auf das Mädchen, dass drei Plätze von uns entfernt saß und ich nickte stumm. Wir brauchten noch mindestens eine Person in unserer Gruppe und es sah nicht so aus, als ob das braunhaarige Mädchen sonst bei irgendeiner anderen Gruppe Anschluss finden würde.
"Hey. Hast du Lust bei uns mitzumachen?", fragte Emma sie stellvertretend für uns beide.
Das Mädchen hob den Kopf und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Jetzt erst nahm ich ihre funkelnd blauen Augen war, die gar nicht so schüchtern sondern fast schon unternehmungslustig blitzten.
"Sehr gerne. Ich hätte sogar schon eine Projekt-Idee. Vielleicht können wir uns ja heute Mittag in der Mensa treffen und schon mal ein bisschen mit der Planung anfangen", schlug sie vor. "Ich bin übrigens Leyla."
"Das klingt super. Ich bin Valerie, aber du kannst mich gerne Vale nennen und das ist Emma", stellte ich uns ebenfalls vor. "Willst du nicht vielleicht aufrutschen, du sitzt da so alleine?"
Leyla nickte grinsend und raffte ihre Sachen zusammen, um sich kurz darauf auf dem Platz neben mir niederzulassen. Vielleicht war sie ja doch gar nicht so schüchtern, sondern ihr fiel es einfach nur schwer von sich aus auf Leute zuzugehen. Auf jeden Fall war sie mir echt sympathisch und ich freute mich auf unser Projekt.
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"Also was schwebt dir bei unserem Projekt so vor, du meintest ja, dass du schon eine Idee hast", fragte Emma und steckte sich daraufhin ein Stück Pizza in den Mund.
Wir saßen zu dritt an einem der langen Mensatische, um die ersten Schritte unseres Projekts zu besprechen. Ich behielt dabei die ganze Zeit über die Uhr im Blick, Dylan müsste jeden Moment aus seiner Klausur kommen.
"Ich hatte daran gedacht, dass wir so etwas wie einen Dokumentarfilm über Straßenkinder hier unserer Stadt drehen", schlug Leyla vor. Sie hatte einen Block vor sich liegen und war ganz Feuer und Flamme.
"Finde ich gut, das ist voll die außergewöhnliche Idee. Wie kommst du darauf?", fragte ich interessiert nach. Natürlich hatte ich mir auch schon Gedanken über unser Projekt gemacht, aber die gingen eher in Richtung Verschmutzung der Stadt. Leylas Idee gefiel mir aber deutlich besser. Das Thema war kontrovers, aktuell und unglaublich wichtig.
"Naja, also es gibt ja schon viel Kinder, die ihre Eltern verloren haben und alleine aufwachsen, auch hier. Keine Ahnung.. ich dachte halt, dass da viel zu wenig drüber berichtet wird und so… wir können natürlich auch was anderes machen", druckste Leyla rum und ich bekam augenblicklich das Gefühl, dass sie sich unwohl fühlte. Das Thema schien ihr ganz schön nahezugehen. Hatte sie etwa persönliche Erfahrungen damit gemacht?
"Nein, nein, du hast vollkommen recht", versuchte ich sie zu beruhigen. "Das ist voll die gute Idee. Vielleicht sollten wir Nummern austauschen, damit wir darüber sprechen können, wann und wo wir mit dem Filmen anfangen", schlug ich dann vor.
Die beiden anderen stimmten mir zu und ich hatte gerade Leylas Handynummer fertig eingegeben, als ich sah, wie Dylan die Mensa betrat. Er blickte sich suchend um und sein Gesicht erhellte sich augenblicklich, als er mich erblickte. Mit großen Schritten lief er zu uns rüber uns begrüßte mich mit einem Kuss auf den Scheitel.
"Hey, Prinzessin", flüsterte er mir dabei ins Ohr.
Dann wendete er sich an die anderen. "Guten Tag, die Damen", begrüßte er sie und zog seinen nicht vorhandenen Hut.
Dylan hatte definitiv gute Laune, was hieß, dass seine Klausur gut gelaufen sein musste. Ein freudiges Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit, dann hatte sich das ganze Lernen für ihn ja gelohnt.
"Und wie war deine Klausur?", fragte ich ihn neugierig. Dylan machte es sich in der Zeit neben mir gemütlich und platzierte seine Hand auf meinem Oberschenkel. Selbst durch die Hose spürte ich, wie sich ein warmes Prickeln auf meiner Haut ausbreitete.
"Richtig gut. Ich bin durch alle Aufgaben durchgekommen und dabei waren die teilweise echt nicht einfach", freute sich mein Freund und ich freute mich mit ihm. Ich bewunderte ihn für den Einsatz, den er bei seinem Studium zeigte und hoffte deshalb natürlich auch, dass alles klappte, wie er es sich wünschte.
"Ich hoffe, es ist für euch in Ordnung, wenn ich Valerie jetzt entführe", wendete sich Dylan dann an Emma und Leyla, die beide nur grinsend nickten.
"Wir waren eh gerade fertig", meinte Emma und zwinkerte mir unauffällig zu.
Ich ließ mich daraufhin von Dylan hochziehen und schnappte meine Tasche. Dylan hatte in der Zeit schon mein Tablett genommen und trug es für mich zu dem Abstellwagen, wie ein wahrer Gentleman. Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.
"Und was hast du vor?", fragte ich Dylan, als er zu mir zurückkehrte.
"Was hältst du davon, wenn wir erst auf den Weihnachtsmarkt gehen und dann Essen gehen?", schlug er vor. "Wir haben in letzter Zeit viel zu wenig Sachen zu zweit unternommen und das tut mir so unglaublich leid. Ich bin zur Zeit immer so im Stress und das lasse ich leider viel zu sehr an dir aus."
Dylan klang plötzlich ganz niedergeschlagen, weshalb ich nach seiner Hand griff und sie leicht drückte.
"Alles gut, ich kann dich ja voll verstehen. Ich will nur, dass du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, wenn dich etwas belastet", erwiderte ich und blickte ihn sanft an. Ich hoffte ja immer noch, dass Dylan mir von selbst anvertraute, was ihn zur Zeit neben der Uni noch so sehr beschäftigte und auch die Schlaftabletten in seinem Nachtisch hatte ich noch nicht vergessen. Er sollte einfach wissen, dass ich immer für ihn da war, egal was passierte.
"Ich weiß, Prinzessin und dafür liebe ich dich", antwortete Dylan und wirbelte mich an meiner Hand zu sich herum, sodass ich fast gegen seine trainierte Brust prallte.
Im nächsten Moment spürte ich schon, wie er seine Hand in meinen Nacken legte und mich langsam, aber bestimmt zu sich heranzog. Dann trafen seine Lippen auch schon auf meine und in mein Körper wurde augenblicklich von einer Welle an wohliger Wärme durchflutet. Für mich war jeder Kuss mit Dylan aufs Neue besonders und einzigartig und ich konnte kaum genug von ihm kriegen. So wie jetzt auch, denn wir standen eng aneinander gepresst, während unsere Zungen einen wilden Tanz vollführten und unsere Lippen sich rhythmisch bewegten. Der Moment war einfach perfekt.
Viel zu früh lösten wir uns wieder von einander und grinsten uns an. Dylan richtete sich mit einer Hand seine Haare, die ich etwas durcheinander gebracht hatte, wobei seine Augen funkelten, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatten. Und in diesem Moment wurde mir nochmal bewusst, wie sehr ich Dylans Nähe in der letzten Zeit vermisst hatte. Diese einfach Momente der Unbeschwertheit waren leider viel zu selten geworden.
Am liebsten würde ich Dylan deshalb auch gar nicht von meinem morgendlichen Gespräch berichten, da ich wusste, dass das seine gute Laune augenblicklich zerstören würde. Ich hoffte deshalb einfach, dass ich dieses Thema noch etwas hinauszuzögern konnte.
Dylan und ich liefen händchenhaltend geradewegs zu der nächsten U-Bahn-Station, um in die Innenstadt zu fahren, in der seit heute der Weihnachtsmarkt aufgebaut war. Unfassbar, dass es einfach schon der erste Dezember war. Es war auch schon richtig kalt geworden, im den letzten Tagen und der Himmel war wolkig. Wolkig, mit Aussicht auf Drama. Ich hoffte einfach nur, dass das noch etwas auf sich warten ließ.
Auf dem dem Weihnachtsmarkt angekommen, fuhren Dylan und ich zusammen Kinderkarussell, tranken Glühwein und aßen geröstete Mandeln. Auch wenn ich mittlerweile halb erfroren war, war ich ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Es war einfach nur toll, meinen Freund mal wieder so fröhlich und ausgelassen zu sehen.
Als wir den Rückweg antraten, war es bereits dunkel und die Straßen wurden nur noch von den Laternen und weihnachtlichen Lichterketten erhellt. Zum ersten Mal bekam ich ein richtiges Weihnachtsfeeling und spürte eine gewisse Vorfreude aufkommen. Über Weihnachten würden Dylan und ich zu Kate und George fahren und ich freute mich auch schon darauf, sie wiederzusehen. Allgemein fand ich die Weihnachtszeit schon als Kind toll, bis auf das stressige Geschenke besorgen.
"Wie war eigentlich das Gespräch mit den Studienkoordinatoren heute Morgen?", riss Dylan mich aus meinen weihnachtlichen Gedanken und schnitt somit das Thema an, dass ich so sehr gehofft hatte zu vermeiden. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.
"Können wir darüber später in Ruhe sprechen?", wich ich Dylans Frage vorsichtig aus, was er natürlich sofort merkte. Er blieb abrupt stehen und sah mich ernst an. Das Grinsen von eben war völlig aus seinem Gesicht verschwunden.
"Wieso? Was ist passiert?", hakte er nach und legte seine Stirn besorgt in Falten.
Ich schlug mir hingehen in Gedanken die Hand gegen die Stirn. Es war mir ja mal wieder toll gelungen, meinen Freund nicht misstrauisch zu machen.
"Nichts schlimmes, keine Panik", spielte ich die Nachrichten, die mir in dem Gespräch übermittelt wurden maßlos runter. Die Nachricht, dass der Undercover-Creep nun höchstwahrscheinlich auf Rache an mir aus wahr, war definitiv schlimm. Ich wollte nur nicht diesen schönen Abend verderben und das war mein verzweifelter Versuch, zu retten, was noch zu retten war.
"Und wieso wirkst du dann plötzlich so nervös? Ich sehe doch, dass etwas nicht mir dir stimmt, Valerie, also sag mir die Wahrheit", forderte Dylan mit Nachdruck. Alleine schon durch die Tatsache, dass er meinen richtigen Namen verwendete, merkte ich, wie ernst die Lage war.
Dylan suchte mit seinen Augen den Blickkontakt mit meinen, doch ich wich ihm aus und sah zu Boden. Ich hatte ihn noch nie gut anlügen können. Im nächsten Moment spürte ich auch schon Dylans warme Hand an meinem Kinn, die mich mit sanften Druck dazu zwang, ihn anzusehen.
"Ich würde an deiner Stelle jetzt lieber sagen, was los ist." Seiner Stimme nach zu urteilen, war Dylan definitiv nicht zu Scherzen aufgelegt und würde auch keine weiteren Ausreden dulden.
Ich stieß einen leisen Seufzer aus, dann atmete ich noch ein Mal tief ein und aus, um meinem Freund abschließend zu antworten, obwohl es mir sehr vor seiner Reaktion bangte...
Holà und willkommen zur ersten Lesenacht bei The American Dream! Ich freue mich, dass ihr dabei seid!💗
Es werden um 22 Uhr und 23 Uhr noch zwei weitere Kapitel folgen. In der Zwischenzeit werde ich alle eure Kommentare beantworten oder auch gerne mit euch per direkt schreiben🙈
Was wolltet ihr schon immer mal über mich wissen? Schreibt es doch gerne mal in die Kommentare und ich werde es beantworten😊 (Ihr dürft wirklich alles fragen🌚)
Ich möchte mich auch nochmal ganz herzlich für die Teilnahme bei dem Gewinnspiel bedanken! Es hat mich wirklich riesig gefreut eure ganzen kreativen Charaktervorschläge zu lesen. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, im Laufe des Buches noch mehrere einzubauen 🙈 Einige kann ich leider aufgrund meiner eignen Vorstellungen nicht nehmen, aber einige werden vielleicht auch in meinen Figuren ihre eigene Idee etwas wiedererkennen können.
In diesem Kapitel kommt Leyla von GalaktischeLimette vor, vielen Dank für den Vorschlag!
Ansonsten lesen wir uns gleich schon (hoffentlich) wieder!😊💕
Eure Amy
PS: Es ist einfach so komisch, die ganze Zeit über die Vorweihnachtszeit zu schreiben, während es Sommer ist haha😂😂🌞
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