28. Ein Tornado an Gefühlen
Im ersten Moment dachte ich, dass ich mich verhört hätte, doch Jackys niedergeschlagener Blick bestätigte mir, dass ich genau richtig gehört hatte. Dylan war nicht der Vater von Theo, Jacky hatte alles nur inszeniert! Eine Welle von Adrenalin durchflutete meinen Körper und ich verspürte ein so euphorisches Hochgefühl, wie ich es noch nie verspürt hatte.
Dylan war nicht der Vater von Theo und wenn Jacky bereits zugab, dass sie alles nur inszeniert hatte, hatte Dylan mich auch nie betrogen! Auch wenn ich eigentlich furchtbar wütend auf Jacky sein sollte, war das Einzige, was ich in diesem Moment verspürte, pure Erleichterung und Freude.
Eine Blick zu Dylan bestätigte mir, dass es ihm auch so ging. Ich nahm sogar wahr, dass seine Augen feucht glitzerten. Für ihn bedeutete dieses Geständnis noch so viel mehr als für mich, denn auch wenn ich ihm einen Seitensprung vergeben hätte, hätte er es sich selber nicht vergeben. Nun konnte er endlich wieder mit sich selbst ins Reine kommen.
"Wieso?", war das Einzige, was Dylan zwischen den Zähnen herausgepresst bekam.
Jacky antwortete nicht, sondern richtete ihren Blick starr auf den Boden. Keine Ahnung, ob sie es aus Scharm tat oder einfach, weil sie nicht mehr sagen wollte als nötig, aber ich merkte jetzt doch, wie es in mir zu brodeln begann. Ich wollte endlich die verdammte Wahrheit wissen!
Als ich gerade dazu ansetzten wollte, etwas zu sagen, kam mir zum Glück die Richterin zuvor.
"Sie wissen, dass Sie sich vor Gericht befinden und Falschaussagen geahnt werden. Nach dem bisherigen Stand haben Sie sich der Verleumdung strafbar gemacht und weitere Falschaussagen würden diesen Straftatbestand erhärten. Ein umfassendes Geständnis wäre das Einzige, was Ihnen in dieser Situation helfen würde."
Die Richterin sah Jacky ernst an und notierte anschließend etwas auf einem Zettel, während Jackys Mafia-Anwalt sich zu ihr rüberbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Jacky schüttelte daraufhin zuerst den Kopf, doch dann nickte sie und blickte wieder nach oben.
Aus ihren Augen rannen mittlerweile Tränen, aber offensichtlich hatte sie beschlossen, reinen Tisch zu machen, deshalb antwortete sie: "Dylan, erinnerst du dich noch an den Abend von Maurices Party? Du warst mit Ace da und hast dich an dem Abend komplett besoffen - also wirklich komplett. Nachdem du dir die Seele aus dem Leib gekotzt hast, bist du nach oben in eines der Schlafzimmer verschwunden.
Ich bin dir gefolgt und wollte eigentlich nur mit dir zu reden. Als ich oben angekommen war, lagst du aber schon nackt in dem Bett und warst tief und fest am Schlafen. Erst hatte ich überlegt, dich zu wecken, aber dann kam mir eine bessere Idee: eine Racheaktion für all das, was du mir angetan hattest. Ich habe mich ebenfalls ausgezogen und die Bilder, die ich dir auch geschickt habe, gemacht.
Falls du dich gewundert hast, warum man dein Gesicht nicht sieht - das liegt daran, dass du fast komaartig geschlafen hast und das sollte man auf den Fotos natürlich nicht erkennen. Meinen Tanga habe ich dann extra noch auf dem Boden hinterlassen, um dich auf eine falsche Fährte zu führen. Ich habe dich aber nicht vergewaltigt, wir hatten nichts mit einander. Wirklich nicht!
Eigentlich hatte ich gedacht, dass du deinen vermeintlichen Seitensprung direkt Valerie beichten würdest, aber offensichtlich hatte ich mich getäuscht, denn du hast geschwiegen wie ein Grab.
Ich hatte erst überlegt, Valerie die Bilder direkt zu schicken, aber dann habe ich doch beschlossen, abzuwarten, bis sich die perfekte Gelegenheit ergab. Dass diese sich erst knapp drei Jahre später eröffnen würde, hatte ich nicht erwartet. Unsere Wege haben sich in dieser Zeit massiv getrennt, aber die Bilder auf meiner Speicherkarte waren geblieben.
Während du und Valerie das perfekte Studentenleben begonnen haben, war mein Leben alles andere als ein Ponyhof. Eine schlechte Beziehung nach der nächsten, Schulden ohne Ende - dazu kamen dann später auch noch erste Probleme mit Drogen. Ich brauchte Geld und zwar dringend.
Erst hatte ich überlegt, dich einfach mit den Bildern zu erpressen und für mein Schweigen Geld zu verlangen, aber das hätte nichtmal für die nächsten Mieten gereicht. Ich brauchte etwas besseres, etwas langfristiges. Und da kam Theo ins Spiel.
Als ich vor einiger Zeit meine Schwester besucht habe, ist mir eine unglaubliche Ähnlichkeit zwischen dir und ihm aufgefallen und daraus ergab sich mein Plan: Ich wollte dir weismachen, dass Theo dein Kind sei, denn dann hättest du mir monatlich Unterhalt für ihn zahlen müssen.
Nachdem du Valerie drei Jahre nichts von deinem vermeintlichen Seitensprung erzählt hattest, hatte ich erwartet, dass du auch jetzt nicht mit der Sprache rausrücken würdest, sondern einfach das Geld zahlen würdest - davon hast du doch schließlich mehr als genug!
Ein Vaterschaftstest hätte natürlich sofort bewiesen, dass Theo weder dein, noch mein Kind ist, deshalb habe ich ihn dir verweigert. Dass du mich direkt vor Gericht zerrst, hatte ich nicht erwartet.
Und jetzt stehe ich hier. Als Lügnerin. Als Erpresserin. Als Beziehungszerstörerin. Als der vermutlich schrecklichste Mensch auf der Welt. Und ich kann noch nichtmal sagen, dass es mir Leid tut, ich würde es wahrscheinlich wieder tun."
Jacky redete wie ein Wasserfall, ohne eine einzige Unterbrechung, als müsste sie all die Geheimnisse, die sie über die Jahre angestaut hatte, endlich herauslassen. Dabei rannen ihr ununterbrochen Tränen aus den Augen.
Doch trotzdem verspürte ich kein Mitleid mit ihr, nichtmal das kleinste bisschen. Sie hatte Dylans und mein Leben zerstören wollen, nur weil sie ihr eigenes nicht auf die Reihe bekam. Skupellos hätte sie Dylan ausgenutzt, um sich ihre ranzige Wohnung und ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Dabei war sie noch nichtmal davor zurückgeschreckt, ihren Neffen für ihr Pläne auszunutzen - einfach nur abstoßend!
Ich war aufs Äußerste angewidert von der schmalen Gestalt, die mir gegenüber saß und bitterliche Tränen vergoss. Aber nicht, weil sie irgendetwas bereute, sondern weil ihr Plan nicht aufgegangen war und sie nun strafrechtlich für ihre belangt Taten belangt werden würde.
"Du bist das allerletzte, Jacky!", stieß ich aus.
Ich hatte erwartet, dass Dylan nach so einem umfassenden Geständnis wie diesem vollkommen ausrasten würde, schließlich wäre das mehr als nur berechtigt, bei dem, was Jacky ihn angetan hatte. Aber er blieb so ruhig auf seinem Stuhl sitzen, als er wäre er dort festgefroren. Noch nichtmal seiner Mimik konnte ich entnehmen, was er gerade dachte und fühlte.
Vorsichtig tastete ich nach seiner Hand und drückte sie leicht - sie war eiskalt. Und da begriff ich, dass es in Dylans Innerem ganz anders aussehen musste, als er es nach außen zur Schau trug. Jacky hatte ihm beinahe alles genommen, was ihm lieb war - sein Geld, sein Selbstwertgefühl und seine Beziehung. Es musste ein riesiger Schock für ihn sein, nun endlich die Wahrheit zu erfahren, nachdem er sich über so lange Zeit selber für etwas gehasst hatte, was er niemals getan hatte.
Die Richterin erklärte nun den weiteren Ablauf des Gerichtsprozesses: Jacky würde wegen Verleumdung, Erpressung und Falschaussagen vor Gericht nochmal vor Gericht kommen. Dazu würde sie in wenigen Tagen Post erhalten.
Dylan und ich waren hingegen erstmal entlassen, bis wir als Zeugen ins Jackys Gerichtsprozess auftreten müssten. Im Foyer verabschiedeten wir uns von Dylans Anwalt, dann traten wir nach draußen in die kühle Winterluft.
"Wollen wir vielleicht einen Spaziergang machen? Einfach um den Kopf etwas freizubekommen?", fragte ich Dylan vorsichtig und blickte zu ihm hoch. Seitdem wir uns von Mister Clarke verabschiedet hatten, hatte er keine Silbe mehr gesprochen.
Auch jetzt war seine Antwort nur ein Brummen, doch ich griff einfach nach seiner Hand und zog ihn mit mir. Mit diesem Wirbelsturm, der gerade in seinem Kopf tobte, würde ich Dylan ganz sicher nicht Auto fahren lassen.
Wir sprachen nicht. Schweigend liefen wir durch die Straßen, jeder dabei, seine eigenen Gedanken zu sortieren. Trotzdem waren unsere Hände eng miteinander umschlungen, als würde uns das einen Halt in diesem Tornado an Gefühlen geben - wir waren gemeinsam alleine.
Plötzlich spürte etwas kaltes auf meiner Nasenspitze und richtete überrascht den Blick gen Himmel. Tatsächlich rieselten die ersten Schneeflocken aus der großen grauen Wolkendecke nach unten, erst nur vereinzelt, dann folgten immer mehr und immer dickere weiße Flocken.
"Es schneit!", rief ich freudig aus und blieb stehen, um das weiße Treiben besser beobachten zu können.
"Echt? Ich dachte das wäre Sternenstaub", entgegnete Dylan ironisch, doch ein kleines Lächeln hatte sich auf seinen Lippen geschlichen.
"Du kannst ruhig zugeben, dass du dich auch über den Schnee freust", warf ich ihm vor. "Jetzt wird endlich richtig Weihnachten! Wir müssen unbedingt eine Schneeballschlacht mit Jase machen, wenn der Schnee liegen bleibt."
Auch wenn die Luft um uns herum eisig kalt war, hatte sich in meinem Inneren eine wohlige Wärme ausgebreitet. Ich liebte die Weihnachtszeit und der erste Schnee war für mich jedes Jahr aufs Neue besonders, wenn er denn kam.
"Das machen wir", versprach mir Dylan und blickte mich sanft an. Dann legte er seine erstaunlich warme Hand in meinen Nacken und zog meinen Kopf näher zu sich heran.
"Ich bin einfach nur froh, dass jetzt alles vorbei ist. Ich verspreche dir, dass ich nie wieder Geheimnisse vor dir haben werde und der Freund sein werde, den du verdienst", hauchte Dylan und sein warmer Atem prallte gegen meine Stirn.
"Das bist du doch schon längst", erwiderte ich noch, bevor ich die Lücke zwischen unseren Lippen schloss.
Zu Anfang bewegten sich unsere Lippen ganz vorsichtig und zaghaft, doch mit jedem Augenblick, der verstrich, wurde der Kuss fordernder und leidenschaftlicher. Es fühlte sich so vertraut, aber gleichzeitig auch so neu an, Dylan zu küssen. Viel zu lange war es hergewesen, dass wir uns das letzte Mal geküsst hatten und jetzt erst merkte ich, wie sehr ich dieses Gefühl vermisst hatte. Das Gefühl, wie mein ganzer Körper durch Dylans Berührungen elektrisiert und zum Glühen gebracht wurde und sich jede Faser nach ihm zehrte.
Am liebsten hätte ich nie wieder von ihm abgelassen, doch als wir uns schließlich wieder von einander lösten, glizerten unsere Augen mit den Eiskristallen, die vom Himmel fielen, um die Wette. Das Leuchten, dass wir in den letzten Wochen verloren hatten, war zurückgekehrt. Wir waren zurückgekehrt!
Nachdem wir einen Moment innegehalten hatten, griff Dylan nach meiner Hand und wir liefen weiter durch den Schnee. Es war, als würde die weiße Schicht nicht nur den Boden, sondern auch all unsere Probleme und Qualen bedecken. Jede Flocke deckte sie weiter zu und bald wären sie nicht mehr zu sehen. Dann würde alles wieder gut werden, das spürte ich.
Endlich ist die Wahrheit ans Licht gekommen! Vielen Dank für all eure Theorien, ich liebe es, sie zu lesen😍🙏 Und einige lagen ja echt sehr nah an der Auflösung!
Könnt ihr Jackys Motive verstehen oder seid ihr einfach nur angewidert von ihr? Ich habe irgendwo Mitleid mit ihr, auch wenn ihr Verhalten natürlich unter aller Sau ist...
Jetzt kann doch alles nur wieder gut werden zwischen Valerie und Dylan, oder?
Naja, ihr werdet es in den nächsten Kapiteln sehen🙈
Bis nächsten Dienstag und ein verfrühtes Happy Halloween 🎃
eure Amy
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