14. Die Wahrheit kommt ans Licht


Ich blickte Dylan direkt ins Gesicht und sah, wie ihm sämtliche Farbe entwich.

"Wie kommst du darauf, dass ich dir etwas verschweige?" Dylans Stimme klang nervös und er steckte seine Hände in die Hosentaschen, als wüsste er nicht wohin mit ihnen.

Was auch immer Dylan vor mir verbarg, es war keine Kleinigkeit. Dylan war schon immer ein guter Schauspieler gewesen, der seine Gefühle nur zeigte, wenn er es wirklich wollte. Wahrscheinlich würde ein Außenstehender seine Nervösität auch jetzt nicht erkennen, aber dafür kannte ich meinen Freund zu gut.

"Ich bin doch nicht blöd, Dylan. Seit Wochen bist du komisch drauf. Du schläfst kaum noch und nimmst wieder Schlaftabletten. Du verschwindest andauernd zu irgendwelchen dubiosen Lerngruppen und lässt mich einfach sitzen. Und jedes Mal wenn dein Handy klingelt, schaust du es an, als würde dich der Teufel höchstpersönlich anrufen. Ich merke doch, dass du leidest, also bitte sage mir, was mit dir los ist", entgegnete ich, wobei meine Stimme gegen Ende immer sanfter wurde.

Ich wollte doch einfach nur, dass es Dylan wieder besser ging und unsere Beziehung nicht mehr durch seinem Stress leiden musste. Es tat mir im Herzen weh, meinen Freund so zu sehen, wie in den letzten Wochen.

"Du weißt doch, dass ich zur Zeit echt viel mit der Uni zu tun ha-...", setzte Dylan an, doch ich unterbrach ihn scharf.

"Lass diese blöde Ausrede, die hast du in letzter Zeit viel zu oft gebracht! Sag mir endlich die Wahrheit!"

Ich sah Dylan ernst an, doch er wich meinem Blick aus und sah zu Boden. Man konnte förmlich sehen, wie er mit sich rang, ob er endlich mit der Sprache rausrücken sollte oder nicht.

"Ich meine es ernst, Dylan, so kann es mit uns nicht weitergehen. Wenn du mir nicht endlich sagst, was Sache ist, weiß ich nicht, wie ich weitermachen soll", setzte ich ihn unter Druck. Ich wollte endlich die verdammte Wahrheit wissen, auch wenn ich bereits ahnte, dass sie nicht ganz einfach zu verkraften werden würde. Anders konnte ich mir Dylans Verhalten sonst nicht erklären.

"Vorher musst du mir etwas versprechen." Dylan nahm Blickkontakt mit mir auf. Während seine grünen Augen sonst immer lebhaft funkelten, wirkten sie jetzt kraftlos und ein trauriges Glitzern lag in ihnen. "Versprich mir, dass du mich nicht hassen wirst, egal was ich dir jetzt erzähle."

Ich sah Dylan fassungslos an. Wie schlimm musste die Wahrheit bitte sein, dass er mir dieses Versprechen abnehmen musste?!

"Was hast du gemacht?", stieß ich unter schwerem Atem hervor, während sich eine Gänsehaut über meinen Körper zog. Ich hatte Angst, verdammt große Angst vor dem, was jetzt kommen würde.

"Versprich es mir!"

"Dylan, ich liebe dich über alles. Wieso sollte ich dich bitte hassen?", fragte ich leise. Ich versuchte meine Stimme dabei stark klingen zu lassen, aber das Zittern war doch deutlich herauszuhören. Was konnte so schlimm sein, dass Dylan dachte, ich wäre nach seinem Geständnis in der Lage, ihn zu hassen?

Wir hatten schon so viel zusammen durchgemacht und egal wie sehr Dylan mich verletzt hatte, wäre ich niemals ansatzweise auf den Gedanken zu gekommen, ihn zu hassen. Dazu war ich gar nicht in der Lage und das wusste Dylan. Warum hatte er nur jetzt so große Angst, dass ich ihn hassen könnte?

Plötzlich war ich mir doch nicht mehr sicher, ob ich die Wahrheit wirklich wissen wollte. Aber jetzt war es zu spät, ich durfte keinen Rückzieher mehr machen.

"Bitte, Dylan, ich will nicht noch länger betteln. Sag mir einfach die Wahrheit."

Dylan stieß einen tiefen Seufzer aus und straffte seine Schultern etwas. Er atmete noch einmal tief ein und aus, dann begann er zu erzählen.

"Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Ich kann dir nur sagen, dass ich es nie gewollt habe, dass es so kommt", setzte er an. Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich setzte mich sicherheitshalber auf einen der Stühle.

"Erinnerst du dich noch an das erste Jahr nach deinem Austausch, indem wir eine Fernbeziehung führen musste?"

Ich nickte, wie konnte ich das bitte vergessen? Diese zwölf Monate waren die härteste Zeit meines Lebens gewesen. Ich hatte Dylan so sehr vermisst, die täglich Skype-Anrufe oder der eine Besuch in den Weihnachtsferien waren nur ein geringer Trost gewesen.

"In dieser Zeit ging es mir verdammt scheiße. Nachdem du weg warst, hatte es sich angefühlt, als wäre mein Leben so leer und sinnlos. Der einzige Hoffnungsschimmer waren unsere Telefonate, aber was ist das schon im Vergleich dazu, einen Menschen persönlich zu sehen? Dazu kam, dass ich angefangen habe, zu studieren und sich dementsprechend unglaublich viel in meinem Leben verändert hat.

An Sarahs Todestag hatte ich dann einen kompletten Zusammenbruch. Meine Eltern waren weg und du warst in der Schule, sodass ich dich noch nicht mal erreichen konnte. Ich habe mich so verdammt alleine gefühlt. Ich wollte nur noch, dass dieses beschissene Gefühl aufhört. Und dann habe ich angefangen zu trinken. Ich habe mich so sehr volllaufen lassen, wie noch nie in meinem Leben.

Irgendwann kam dann Ace vorbei und hat mich zu dieser verdammten Party geschleppt. Ich wollte nicht da hin, aber er meinte, es würde mich aufheitern. Ich hätte einfach nein sagen sollen, aber ich habe es nicht getan.

An die Party selbst habe ich gar keine Erinnerungen, ich habe einen kompletten Filmriss. Ich weiß nicht, was ich getan habe oder nicht, ich weiß nur, dass ich am nächsten Morgen nackt in einem Bett aufgewacht bin."

Dylan machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. Ich konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel, weiterzureden.

In mir kroch währenddessen Panik hoch. Dass er nackt in einem Bett geschlafen hat, muss nichts heißen, er war doch betrunken. Betrunkene machen so etwas, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Erfolglos.

"Neben mir lag der Tanga eines Mädchens. Ich schwöre dir, ich kann mich an nichts erinnern. Ich habe jeden einzelnen Besucher dieser verdammten Party gefragt, ob sie gesehen haben, wie ich mit einem Mädchen aufs Zimmer verschwunden bin, aber alle meinten, dass ich so durch gewesen wäre, dass ich mich einfach schlafengelegt hätte.

Deshalb war ich mir sicher, dass nichts passiert ist. Selbst stockbesoffen hätte ich niemals etwas mit einem anderen Mädchen angefangen. Niemals. Aber jetzt, drei Jahre später, hat sich diese Geschichte doch nochmal aufgetan."

Dylan brach erneut ab. Ihm standen mittlerweile die Tränen in den Augen. Das war kein gutes Zeichen, Dylan weinte so gut wie nie. Ich biss mir krampfhaft auf die Unterlippe, um meine Tränen zurückzuhalten. Dass Dylan so aufgelöst vor mir stand, konnte nur eines bedeuten...

"An diesem Abend ist anscheinend doch etwas passiert. Ehrlich, ich weiß nicht, wie ich mich darauf einlassen konnte, aber ich muss mit Jacky geschlafen haben. Ich hätte es ihr niemals geglaubt, wenn sie es mir einfach so gesagt hätte, aber sie hat Bilder und mit denen erpresst sie mich jetzt.

Es tut mir so unendlich leid, Valerie, aber ich habe dich an diesem Abend betrogen. Nichts auf dieser Welt, kann das wieder gut machen. Ich fühle mich absolut schrecklich und ich bin ein Feigling, weil ich es dir nicht früher gesagt habe.

Das Problem ist, dass das noch nicht mal alles ist. Offensichtlich ist Jacky schwanger geworden. Als ich dich vorm Eislaufen versetzt habe, da habe ich mich mit Jacky in einem Café getroffen, aber sie kam nicht alleine, sondern mit einem kleinen Kind. Theo ist zwei Jahre alt und Jacky behauptet, dass er mein Sohn sei.

Ich habe natürlich sofort gesagt, dass ich einen Vaterschaftstest machen will, doch diese Fotze verweigert mir ihre Einverständnis und da sie der Vormund des Kindes ist, kann ich sie so nicht dazu zwingen. Ich habe schon mit meinem Anwalt gesprochen und wenn nötig, werden wir einen Vaterschaftstest gerichtlich erwirken. Das kann sich aber noch etwas ziehen. Ich weiß also bis jetzt noch nicht, ob ich der Vater des Kindes bin, ich weiß nur, dass Theo mir verdammt ähnlich sieht.

Ich liebe dich, Valerie und es tut mir so unendlich leid."

Der letzte Satz ging in Dylans Schluchzen unter. Er weinte so sehr, wie ich ihn noch nie hatte weinen sehen. Ich konnte die Male, die ich Dylan weinen gesehen hatte, zwar an einer Hand abzählen, aber dieses Mal war anders. Er weinte so bitterliche Tränen und ließ seinem Schmerz freien Lauf.

Doch trotzdem verspürte ich in diesem Moment kein Mitleid für ihn. Wie hatte er mir das antun können? Wie hatte er sich dazu hinreißen lassen können, mit Jacky zu schlafen, betrunken hin oder her? Ausgerechnet Jacky.

Aber das Schlimmste war für mich in diesem Moment noch nicht mal, dass mein Freund mich betrogen hatte oder dass er jetzt wahrscheinlich Vater eines zweijährigen Sohnes war, nein, viel schlimmer war die Tatsache, dass er mir all das verschwiegen hatte. Es war verdammte drei Jahre her, dass er Jacky gefickt hatte! Auch wenn Dylan dachte, es wäre nichts an diesem Abend passiert, hätte er mir wenigstens erzählen können, dass er mit Ace auf einer Party war und sich total weggeschossen hatte. Aber nein, nichts dergleichen hatte er getan. Er hätte es mir wahrscheinlich jetzt noch nichtmal erzählt, hätte ich ihn nicht förmlich dazu gezwungen.

Ich spürte, wie sich mein Brustkorb schmerzhaft zusammenzog und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Alles fühlte sich so beklemmend, so erdrückend an. Ich fühlte mich so verletzt und hintergangen, wie noch nie. Dieser Schmerz stand in keinem Vergleich zu dem von damals, als ich herausgefunden hatte, dass Dylan mit Drogen gedealt und es mir die ganze Zeit verschwiegen hatte. Damals waren wir noch so jung gewesen und junge Menschen machen Fehler. Aber nur dumme Menschen begehen, den selben Fehler zwei Mal.

"Wie konntest du mir das nur all die Zeit verschweigen?!", stieß ich hervor. "Du hättest von Anfang an mit mir reden sollen. Wie konnest du mir das antun!?"

Heiße Tränen rannen mir aus den Augen und ich war froh, mich hingesetzt zu haben, denn meine Beine fühlten sich wie Pudding an.

"Es tut mir so unendlich leid. Ich hatte nie gewollt, dass es so kommt. Ich wollte doch einfach nur unsere Beziehung beschützen." Dylan blickte mich aus traurigen Augen an, doch ich funkelte wütend zurück.

Beziehung beschützen? Das ich nicht lachte. Er hatte alles kaputt gemacht, in dem Augenblick, in dem er Jacky gefickt hatte! Ich fühlte mich so unglaublich verletzt, denn ich war mir sicher, dass ich selbst im komplett betrunkenen Zustand nicht dazu fähig wäre, Dylan zu betrügen.

Es fühlte sich so an, als würde ich von einem Tornado an Gefühlen weggerissen werden und ich drohte in all der Trauer, Wut und Verletztheit unterzugehen. Was sollte ich jetzt nur machen? Ich liebte Dylan mit jeder Faser meines Körpers, aber das war nichts, was ich ihm einfach so vergeben könnte.

"Ich glaube, es ist besser, wenn ich vorerst zu Lucy und Sam ziehe. Ich glaube, wir brauchen erstmal etwas Abstand und vor allem brauche ich Zeit zum Nachdenken", sagte ich dann, nachdem ich mich wieder etwas gefasst hatte. Meine Stimme klang dabei erstaunlich fest und sachlich.

"Heißt das, du machst Schluss?", fragte Dylan völlig aufgelöst und ich sah, wie es in seinen Augen ängstlich funkelte.

"Nein, das heißt, dass ich Zeit brauche. Ich weiß noch nicht, wie es weitergehen soll mit uns. Ich liebe dich, Dylan, aber ich fühle mich gerade so verdammt hintergangen und belogen."

Ich hatte kurzerhand beschlossen, lieber zu Lucy und Sam zu ziehen, als zu Ace und Mia, da Ace schließlich auch Dylans bester Freund war und er wahrscheinlich gerade jetzt seinen besten Freund nötiger denn je haben würde. Es fiel mir echt verdammt schwer, die Entscheidung zu treffen, dass ich ausziehen würde, aber ich sah einfach keine andere Möglichkeit. Ich war nicht bereit, Dylans und meine jahrelange Beziehung einfach so aufzugeben, aber ich brauchte Zeit. Zeit, um all das zu verarbeiten und zu lernen, wie ich ihn das vergeben konnte.

Dylan nickte nur schwach. "Ich kann auch ausziehen, du kannst die Wohnung haben", murmelte er dann. Seine Stimme klang ganz rau, aber er weinte nicht mehr.

Ich schüttelte nur den Kopf. "Das ist die Wohnung deiner Eltern. Ich glaube, ich sollte mal lieber anfangen zu packen."




Ufff, das hat mir ja fast selber wehgetan, dieses Kapitel zu schreiben... Oh man... (Diese Kapitel besteht einfach nur aus einem Dialog lol)

Was glaubt ihr, wird Valerie Dylan vergeben können?

Und seid ihr:

#TeamDylan

oder

#TeamMilan

Ansonsten wünsche ich euch eine schöne Woche! Für mich geht es morgen leider wieder aus dem Urlaub nach Hause, aber ein bisschen freue ich ich natürlich auch, vor allem auf mein Bett😂

Und ich wünsche mxike05 und lea_-_-_-_- alles Gute nachträglich zum Geburtstag!💗

Dann bis nächsten Dienstag!
Eure Amy

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top