Unter den Lebenden
Wie jeden Tag klopfte es an der Tür und es machte mich langsam sauer, dass sie mich nicht einfach in Ruhe ließen. Meine Hände zogen das Kissen unter meinem Kopf weg und ich legte es mir genervt über das Gesicht. Als die Tür aufging roch ich etwas Komisches, doch ich hatte keine Lust nachzuschauen, was es wieder zu essen gab, ich würde es sowieso nicht probieren.
Eine bekannte Stimme ließ mich dann überrascht zusammenzucken.
"Mädel! Was machst du nur? Ich kann dich anscheinend keine paar Wochen alleine lassen."
Geschockt setzte ich mich auf, schaute Richtung Tür und konnte überhaupt nicht realisieren, dass da wirklich Melina stand, perfekt gestylt wie immer.
"Was machst du denn hier?", fragte ich sie mit zitternder Stimme, während ich meine Augen mehrmals auf und zu kniff. Ich wollte sicher gehen, dass ich nicht halluziniere.
"Was ich hier mache? Die Frage ist, was machst du hier?!"
Kopfschüttelnd ging sie zum Fenster und machte beide Seiten weit auf, bevor sie zu mir ans Bett kam, um mich tröstend in die Arme zu nehmen.
"Du erzählst mir jetzt erstmal alles ganz genau und dann essen wir was. Ich dulde kein nein", flüsterte sie mir streng ins Ohr und löste sich dann, um sich ohne den Blick von mir zu nehmen, auf die Bettkante zu setzen.
Eine Weile saß sie mit mir zusammen in dem düsteren Zimmer und hörte mir gespannt zu, wie ich von Caleb, Linda, Brando und Liam erzählte. Bei dem Thema, dass mein Mate jetzt draußen im Wald war, mich alleine gelassen hatte, mit ständiger Angst um ihn, musste ich wieder fürchterlich anfangen zu weinen.
Melina schaute geschockt in mein weinendes Gesicht und rückte dann näher zu mir herüber, um mir über den Rücken zu streicheln und mir Mut zu machen.
"Süße. Du gehst jetzt erstmal duschen. Ich suche dir ein paar Sachen heraus und bringe sie dann ins Bad. Du musst unbedingt etwas essen. Es hilft weder ihm, noch dir, hier zu verhungern."
Sanft zog sie mich auf die Beine und drückte mich zur Tür. Kurz wurde mir richtig schwindelig, doch dann fand ich taumelnd den Weg ins Badezimmer. Entsetzt schaute ich mich im Spiegel an, hatte mich seit Tagen nicht mehr gesehen und war geschockt, über die krasse Veränderung.
Meine Haut war blasser als sonst und die dunklen Augenringe ließen mich aussehen, als hätte ich wochenlang keinen Schlaf gefunden, obwohl ich ja gar nichts anderes mehr machte, außer zu schlafen.
Mit schlaffen Armen zog ich mich aus, ließ die Kleidung einfach herunterfallen und stellte mich in die enge Duschkabine. Das Wasser prasselte erst eiskalt an mir herunter, jagte mir damit einen kurzen Schreck ein, doch dann wurde es angenehm warm und ich bemerkte, wie jeder Muskel meines schwachen Körpers sich entspannte, während ich die grünen Fliesen begutachtete. Noah hatte wirklich eine Vorliebe für altmodische Einrichtung.
Ich wandt mich von den Fliesen ab und schaute hinunter zu meinen Füßen.
Innerlich tat es mir wirklich gut, Melina hier zu haben, denn endlich konnte ich jemandem mein Herz ausschütten. Natürlich konnte ich das bei den anderen auch, aber das war etwas anderes. Gerade, als ich den Wasserhahn zudrehte und mir ein Handtuch um meinen zierlichen Körper wickelte, kam Melina mit einer schwarzen Leggins, Unterwäsche und einem schwarzen T-Shirt durch die Tür.
"Du fällst immer noch nicht gerne auf oder?" Sie schaute mit hochgezogener Augenbraue die komplett schwarze Kleidung an, die sie mir dann vorsichtig reichte.
"Kann ich hier drin warten, bis du fertig bist?", fragte sie mich dann nervös und schaute sich dabei im Spiegel an. Wahrscheinlich wollte sie mit so vielen neuen Leuten nicht alleine sein, aber das passte eigentlich gar nicht zu ihr, denn eigentlich liebte sie Aufmerksamkeit. Ohne zu fragen warum, nickte ich ihr einfach nur zu und zog mich dann hinter ihr schnell an. Sie nahm noch einen Kamm und kämmte meine braunen Haare, die irgendwie an Glanz verloren hatten und hielt mich dann lächelnd an den Schultern, um mir eindringlich in die Augen zu schauen.
"Und jetzt isst du endlich mal was! Keine Widerrede."
Bestimmend nahm sie meine Hand, zog mich aus dem grünen kleinen Badezimmer und lief mit mir ins Wohnzimmer, wo Noah und Resul auf der Couch saßen und uns fröhlich anlächelten.
"Du bist wunderschön", kam es unerwartet von Resul und grinsend stand er dann auf, um uns mit seinen tiefen Grübchen entgegenzustarren. Irritiert schaute ich ihn an, war mir nicht mehr sicher, ob alles hier noch real wäre, wieso sollte er sowas zu mir...
"Ich weiß! Und jetzt geh dem Mädel hier mal was zu essen holen", unterbrach Melina meine Gedanken. Ich blickte verwirrt zwischen ihr und ihm hin und her, musterte ihre Mimik, ihr Verhalten und schlagartig musste ich so laut lachen, dass Melina meine Hand losließ und mich nur geschockt ansah. Meinen Bauch haltend konnte ich bei dem Gedanken an die beiden, als Seelenverwandte, nicht mehr damit aufhören. Es tat mir wirklich gut. Mein herzliches Lachen wurde dann auch von Noah begleitet, der sich auf die Schenkel klopfte, während ihm vor lachen die Tränen kamen. Nur die beiden konnten nicht mitlachen, sahen uns nur irritiert an und wussten nicht, was sie darauf erwidern sollten.
Als ich mich endlich gefangen hatte, setzte ich mich in den Sessel und schaute Noah in die Augen, der mir zufrieden zunickte. Sein nachdenklicher Blick wurde weicher, als wäre eine große Last von ihm gefallen.
Resul ging strahlend an Melina vorbei Richtung Küche, doch vorher warf er ihr noch ein freches Zwinkern zu. Augenverdrehend setzte sie sich neben Noah, doch ich bemerkte, dass sie heimlich jeden Schritt von Resul beobachtete, denn genau wie ich damals, konnte sie überhaupt nichts gegen die Verbindung machen, auch wenn sie noch so verschieden waren.
Der Lockenkopf kam mit einem Tablett zurück, auf dem ein Teller Suppe und eine Tasse Tee standen und dankend nahm ich es auf meinen Schoß und fing langsam an zu essen. Er nahm neben Melina Platz, legte cool den Arm um ihre Schulter und sie begannen dann ein leises Gespräch miteinander.
"Schmeckt es dir?"
Linda legte ihre Hand auf meine Schulter und schaute fragend zu mir herunter.
"Ja. Dankeschön. Wo ist eigentlich Damiano?", richtete ich meinen Blick auf Linda.
"Der ist draußen vorm Haus.", kam es von Noah, der mittlerweile aufgestanden war und hinüber zum kleinen Kamin lief.
Nach der Hälfte des Tellers musste ich aufhören. Mein Magen tat schon leicht weh, ein Löffel mehr und ich hätte mich vielleicht übergeben müssen. Vorsichtig stellte ich das Tablett auf den Tisch und teilte den anderen mit, dass ich kurz hinaus gehen würde.
Die Haustür hinter mir zuziehend kam mir ein schrecklicher Geruch entgegen, als ich auf Damiano zuging.
"Ich wusste gar nicht, dass du rauchst", meinte ich und zeigte auf die Zigarette in seiner Hand.
"Tu ich auch eigentlich nicht. Nur, wenn ich Stress habe."
Er lehnte an seinem Auto und schnippste die Zigarette auf die Straße.
"Wie ich sehe, geht's dir besser", meinte er und lächelte mir halbherzig zu.
"Naja, besser würde ich nicht sagen."
"Wenigstens liegst du nicht mehr im Bett."
Bei dem Satz streckte er sich und musste laut gähnen.
"Wie geht's deiner Freundin und ihrem neuen Schoßhündchen?", fragte er lachend und auch ich musste bei dem Gedanken wieder grinsen.
"Denen geht's sicher gerade sehr gut, aber was ich dich eigentlich fragen wollte, wie geht's ihm und wo ist er?"
Das Lachen verging ihm und er schaute mich nicht mehr an. Er blickte zu Boden und wurde dabei ziemlich nervös.
"Es geht ihm nicht gut. Er macht sich Vorwürfe, nicht für dich da zu sein."
"Dann soll er zurückkommen."
"Das wird er nicht, erst wenn er ihn gefunden hat."
Traurig stellte ich mich neben ihn. Man konnte ihm ansehen, dass ihn das Ganze auch sehr belastete. Er war so ein ruhiger Mensch, dachte wahrscheinlich immer viel über alles nach und machte vieles mit sich selbst aus. Mitfühlend legte ich meinen Kopf an seine starke Schulter und stand eine ganze Weile mit ihm still da. Zwei Menschen, die ihren Alpha vermissten und auf ganz verschiedene Art und Weise damit umgingen.
Resul und Melina kamen nach einiger Zeit auch heraus und stellten sich vor uns hin. Sie schauten uns mitfühlend an und irgendwie wusste keiner von uns, was er sagen oder tun sollte.
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