Schneeweißes Blut
"Ähhhm, Resul?"
"Ja?"
Aufgeregt starrte er in Wald, bereit dazu, sich zu verwandeln und loszurennen, während der Regen ihn schon vollkommen durchnässt hatte.
"Kannst du dich bitte umdrehen?", fragte ich ihn schüchtern und bekam damit seine volle Aufmerksamkeit.
Er hatte anscheinend nicht darüber nachgedacht, die Klamotten vorher auszuziehen und mir wäre es normalerweise auch egal gewesen, aber so viel Ersatzkleidung hatte ich hier nicht und ich wollte eine erneute Shoppingtour vermeiden.
"Du kannst da hinten ins Gebüsch gehen. Ich renne schonmal ein Stück vor und warte im Wald auf dich."
Sofort nach seinem Vorschlag verwandelte er sich und sprang dann spielerisch vor mir hin und her. Ich staunte über seine wunderschöne schwarze Fellfarbe, die durch den Regen glänzte und dadurch noch anmutiger wirkte. Ohne meinen Blick von ihm zu nehmen, sah ich ihm noch hinterher, wie er zwischen den schwankenden Bäumen verschwand und mich alleine zurück ließ.
Als ich seine Pfoten auf dem Waldboden nicht mehr hören konnte, lief ich voller Vorfreude herüber zu dem Gebüsch, zog meinen Jogginganzug aus und verwandelte mich anschließend. Es war ein atemberaubendes Gefühl endlich wieder nur Wolf zu sein und für kurze Zeit alle Sorgen vergessen zu können.
Aufgeregt rannte ich los und suchte nach Resuls Spur und sobald ich sie aufspürte, sprintete ich glücklich los. Wie im Rausch hörte ich dem Regen zu, wie er sich über Blätter und Äste den Weg nach unten bahnte und genoss das Gefühl meiner Pfoten auf dem kalten nassen Waldboden.
»Da bist du ja endlich! Hat ja lange genug gedauert!«
Seine Wolfsgedanken waren total klar. Voller Freude und nachdem er mich gemustert hatte, jaulte er laut auf und begann für unser nächstes Rennen herunter zu zählen, während ich mich in Position stellte und darauf wartete, dass es los gehen würde.
»Auf die Plätze, fertig ...... und los!«
Sofort ging ich in Führung und ließ mich einfach treiben, indem ich über den Untergrund raste und zwischen den großen Bäumen hindurch sprintete. Egal wie oft ich mich schon verwandelt hatte, es war immer wieder ein berauschendes Gefühl, das mich rundum zufrieden stimmte.
Wir machten keine Pause und rannten immer schneller und weiter. Natürlich überholte er mich ohne große Anstrengung, aber ich achtete sowieso nicht mehr auf ihn oder unser Rennen, sondern gab mich vollkommen der atemberaubenden Natur hin, die mich umgab.
Bevor wir aus dem Wald herausrannten, kam mir der salzige Geruch des Meeres in die Nase und ich dachte kurz, ich würde es mir nur einbilden. Es war zu schön um wahr zu sein und nachdem wir den Waldboden gegen nassen Sand austauschten, traute ich meinen Augen nicht.
Vor mir lag das tiefblaue Wasser, das von hohen Wellen nur so vor sich hinrauschte. Völlig fasziniert beobachtete ich das Treiben auf dem Meer, wie der Regen es überflutete und der Wind immer wieder die Richtung der Wellen veränderte.
»Es sieht unglaublich aus. Ich habe das Meer bis jetzt nur im Fernseher gesehen und wollte es schon immer mal mit eigenen Augen sehen.«
Teilte ich Resul mit meinen Gedanken mit und starrte weiterhin den Wellen entgegen, während mein Atem sich langsam wieder beruhigte.
»Dann wurde es ja mal Zeit. Übrigens bist du auch der erste graue Wolf, den ich je gesehen habe.«
Seine Rute wedelte erfreut, als ich flüchtig zu ihm rüber sah, doch dann fiel mein Blick erschrocken zum Wald, als ich plötzlich das Geräusch eines knackenden Astes hörte.
Schlagartig nahm Resul eine andere Haltung an und starrte ebenfalls in den dunklen Wald.
»Wir sind nicht allein.«
Teilte er mir mit und stellte sich mit einem lauten Knurren zwischen mich und die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ängstlich platzierte ich mich hinter ihm, während er drohend mit den Zähnen fletschte und immer wieder leise vor sich hin knurrte.
Bevor ich etwas im Dunklen erkennen konnte, nahm ich einen widerlichen Geruch wahr, der mich dazu veranlasste, immer wieder laut zu schnauben, um ihn los zu werden.
Ich konnte den Geruch nicht zuordnen und ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, was so einen beißenden Gestank ausstoßen konnte, kam genau vor uns ein großer brauner Wolf aus dem Wald, der den Kopf zur Seite kippte und uns neugierig musterte. Resul baute sich auf und nahm eine bedrohliche Haltung an, bereit dazu, ihn anzugreifen wenn es sein musste, auch wenn er keine Chance gegen den anderen hätte, der schleichend anfing, um uns herum zu laufen und uns einzukreisen, was mir unfassbare Angst machte. Er zeigte keinerlei Regung im Gesicht, war einfach nur dabei, uns anzustarren, während Resul sich mit ihm drehte ohne auch nur kurz den Blick von ihm zu nehmen. Als der Braune dann näher an mich herankam, um interessiert an meinem Fell zu schnüffeln, biss Resul warnend vor ihm in die Luft und fletschte erneut die Zähne.
»Du rennst sofort zurück, Alicia!«, schrie er mich in Gedanken an, was mich kurz zusammenzucken ließ, doch ich schüttelte wild mit dem Kopf.
»Ich werde dich hier nicht alleine lassen!«,
erklärte ich ihm und stellte mich an seine Seite, um genau wie er den Braunen ins Visier zu nehmen.
Da ich sowieso keine Chance hatte zu entkommen, war mir klar, dass ich kämpfen musste. Außerdem würde ich Resul niemals im Stich lassen, egal wie laut er mich anschreien würde. Als der Braune dann merkte, dass auch ich bereit war, mich auf ihn zu stürzen, löste er seinen Blick von mir und nahm Resul ins Visier, um ihn laut und bedrohlich anzuknurren. Mein Herz raste so schnell, dass ich kurz dachte, es würde gleich implodieren und gleichzeitig stand ich wie betäubt da und hatte Todesangst. Ich dachte darüber nach, wer er war und was für einen Grund er hatte, uns so feindselig gegenüber zu treten, ausgerechnet Resul, der keiner Fliege etwas tun konnte.
Die angespannte Stimmung ließ plötzlich nach, als der Braune aufhörte zu knurren und seinen Kopf hochhob, um neben uns in den Wald zu starren. Auch Resul lockerte seine Anspannung und auch ich hörte dann die lauten Schritte, die aus dem Wald genau auf uns zukamen.
Ein riesiger schwarzer Schatten trat zwischen den Bäumen heraus, mit Pfoten, die doppelt so groß waren wie meine eigenen und messerscharfen Zähnen. Während mir sein Geruch in die Nase fiel, sah ich es auch schon in seinen schwarzen Augen und sofort fühlte ich mich wieder in Sicherheit. Mein Mate hatte uns gefunden und ich war im Leben noch nie so erleichtert, ihn zu sehen.
»Bring sie sofort nach Hause!«, befahl er Resul mit tiefer Stimme, ohne den Braunen dabei aus den Augen zu lassen.
»Ich lass dich nicht alleine Alpha.«, jaulte Resul auf, doch er hatte keine Möglichkeit sich gegen seinen Befehl zu wehren.
»SOFORT!«, befahl er erneut und Resul sah mich erschrocken an, um mir ein Zeichen zu geben, ihm zu folgen.
Ich warf noch einen flüchtigen Blick auf die beiden sich anknurrenden Wölfe und folgte dann Resul schnellen Schrittes in den Wald, um nach einigen Minuten wieder zu stoppen.
»Wir können ihn nicht alleine lassen. Was ist, wenn ihm etwas passiert!?«
Mein Magen zog sich bei diesem Gedanken zusammen und flehend schaute ich dem schwarzen Wolf hinterher, der einfach weiter rannte.
»Alicia, komm jetzt!«, rief er mir gedanklich zu und verschwand zwischen den Bäumen, so dass ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Ich wusste, dass ich mir nie verzeihen würde, wenn Killian etwas passieren würde, also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und rannte so schnell mich meine Pfoten tragen konnten, zurück zum Strand. Bevor ich aus dem Wald heraustrat, hörte ich schon den Kampf, den ich dann auch sehen konnte, als meine Pfoten wieder auf dem nassen Sand standen. Ich war erleichtert darüber, dass Killian eindeutig der Stärkere von beiden war und wollte näher zu ihnen, doch wurde dann ruckartig zu Boden gerissen und jaulte erschrocken auf. Eine schneeweiße Wölfin stand knurrend über mir und warnte mich aufzustehen, indem sie mit den Zähnen fletschte und vor meinem Gesicht in die Luft schnappte. Ich lag wie erstarrt da und dachte, sie würde mir gleich in den Hals beißen, doch sie blickte zu den Anderen herüber und ließ mich dann alleine im Sand liegen, um knurrend zu ihnen zu rennen.
Als ich langsam wieder zu Atem kam, drehte ich mich auf die Seite und sah ein erschreckendes Bild vor Augen. Mein Mate lag unter den beiden Wölfen und versuchte sich zu verteidigen, während diese Furien immer wieder in seine Kehle beißen wollten. Meine Angst um ihn war größer als die Angst um mich und furchtlos rappelte ich mich auf, um ihm zur Hilfe zu eilen. Ohne über die Folgen nachzudenken, sprang ich dem Braunen auf den Rücken und biss mich in seinem Nacken fest, was ihn zum Aufheulen brachte, doch dieser Mistkerl ließ meinen Mate trotzdem nicht los. Panisch vor Angst biss ich immer und immer wieder fest zu und riss ihm Stücke seiner Haut heraus, was mir einen ekelhaften Geschmack im Mund verbreitete, doch durch mein nicht aufhörendes Beißen, wandte sich der Braune dann endlich von Killian ab und auch die weiße Wölfin löste sich von ihm, um sich wütend auf mich zu stürzen. Es war nur eine Sekunde, in der ich sie auf mich zuspringen sah, doch bevor sie mich berühren konnte, biss Killian ihr in die Kehle und stoppte sie damit in ihrer Bewegung.
Weinrotes Blut trat aus ihrer Wunde und tropfte auf den Alpha herunter, der sich mit letzter Kraft unter ihrem Körper herauswandte. Wie unter Schock ließ ich den Braunen los und machte einen Satz zurück. Ich hatte noch nie jemanden sterben sehen und egal ob es zur Verteidigung war oder nicht, es war ein grausames Bild, das sich tief in mein Bewusstsein brannte.
Während ich wie erstarrt dabei zusah, wie das Leben aus ihren Augen wich und sie ihren letzten tiefen Atemzug machte, jaulte der Braune laut auf und verschwand in den Wald. Killian kam blutverschmiert auf mich zu, doch ich schaute ihn nur flüchtig an, konnte meinen Blick nicht von der Toten nehmen und als er dann genau vor mir stand, rannte ich schockiert in den Wald. Ich wollte einfach nur hier weg, weit weg von diesem Geruch des Todes.
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Würde mich über Feedback sehr freuen ❤️ hoffe euch gefällt die Story noch
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