Ohne mit der Wimper zu zucken

Immer noch erstarrt von dem Schock stand ich da und versuchte weiterzurennen, doch meine Beine zitterten und machten es mir unmöglich, mich vorwärts zu bewegen. Ich schloss kurz die Augen, atmete ein paar Mal tief durch und nahm meine ganze Kraft zusammen, um mich von der Starre zu befreien und weiterlaufen zu können.

Es klappte und ich bog außer Puste in Noahs Straße ein, lief langsam werdender zum Haus und bemerkte die offenstehende Tür. Schritt für Schritt tapste ich vorsichtig durch diese hindurch und stand im kleinen Flur. Als ich die Luft anhaltend herüber ins Wohnzimmer schaute, lagen dort überall Scherben auf dem Boden und es sah aus wie nach einem Raubüberfall. Mein Herz schlug mir unkontrolliert gegen die Rippen, während das Zittern sich auf meinen ganzen Körper ausbreitete. Ich empfand nur noch Angst und Panik und wollte mir nicht ausmalen, was hier wohl geschehen war.

Gerade als ich einen Schritt ins Wohnzimmer machen wollte, um hinter die Ecke zu schauen, hielt mich jemand von hinten fest und legte mir die Hand so fest auf den Mund, dass ich weder schreien, noch richtig atmen konnte. Ich versuchte mich mit aller Kraft zu befreien und schlug wild um mich, doch es nutzte nichts und ich ließ meine Arme locker herunterfallen, während Tränen der Angst aus meinen Augen liefen.

Erst nachdem er mich umdrehte, erkannte ich ihn und langsam ließ er mich los und legte seinen Zeigefinger an seinen Mund, um mir damit zu signalisieren, leise zu sein. Mein Gefährte war wieder da und sah genauso schockiert aus wie ich. Sein Anblick konnte mich diesmal leider überhaupt nicht beruhigen, doch ich war froh, nicht alleine hier durch zu müssen. Er gab mir einen sanften Kuss auf meine Stirn und schob sich vorsichtig schleichend an mir vorbei ins Wohnzimmer. Am Liebsten hätte ich ihn festgehalten und das für immer, doch es hätte ja nichts genutzt, denn einer musste nachsehen, was geschehen war.

Ich stand im Flur und beobachtete ihn, wie er bis zur Mitte des Zimmers lief und dann erstarrt mit dem Blick Richtung Garten stehen blieb. Er bewegte sich nicht mehr, schaute nur noch in die Leere und sein Anblick ließ mir den Atem stocken. Bevor ich auf ihn zugehen konnte, um nachzusehen, was los war, hob er die Hand in meine Richtung und signalisierte mir, keinen Schritt weiter zu gehen.

Er machte mir langsam Angst und noch mehr Panik stieg in mir auf, als er sich plötzlich nach vorne bewegte und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich hörte nur, wie die Tür zum Garten aufging, danach ein schmerzerfülltes Weinen und dann den Alpha, wie er bedrohlich knurrte. Während ich nicht wusste, was draußen vor sich ging, starrte ich den grünen Sessel an und drehte innerlich durch.

Die Ungewissheit trieb mich in den Wahnsinn und ich konnte nicht weiterhin einfach nur herumstehen. Ich wollte meinen Mate nicht alleine lassen, also rannte ich ohne weiter darüber nachzudenken durchs Wohnzimmer bis hin zur Tür, um im Garten das Schlimmste zu sehen, das ich je gesehen hatte.

Killian stand mit dem Rücken zu mir knurrend vor Caleb, der eine Waffe auf ihn richtete und dabei aussah, wie der Teufel persönlich. Neben Caleb saß Linda weinend auf den Knien und mir kamen die Tränen bei ihrem Anblick und als ich weiter herunter sah, wurde mir sofort schmerzlich bewusst, wieso sie so bitterlich weinte.

Noah lag dort, blutüberströmt. Er zitterte am ganzen Körper und hielt Lindas Hand. Mein ganzer Körper drohte bei diesem Anblick zusammenzuklappen und ich wusste, dass eine Panikattacke im Anmarsch war, doch diesmal durfte ich sie nicht zulassen. Noah musste sofort ins Krankenhaus, schrie die Stimme in meinem Kopf immer und immer wieder. Meine Angst hielt mich hier gefangen, wollte keinen Schritt weitergehen und am Liebsten abhauen, doch ich musste meine Angst wegschieben, sie besiegen und stark sein für jene, die ich liebte.

Mutig gab ich der Stimme recht und ging langsam mit erhobenen Händen nach draußen. Ich wollte einfach nur an Caleb vorbei um Noah zu helfen, doch der zielte sofort mit der Waffe auf mich, als ich einen Schritt auf den Verletzten zuging und schaute mich drohend an.

"Nein! Wage es nicht auf sie zu zielen! Alicia, geh sofort wieder rein!", schrie Killian so laut, dass es wie ein Echo von allen Seiten wiederhallte. Mit einem großen Schritt stellte er sich entschlossen zwischen mich und den Grauhaarigen, doch dieser grinste nur.

"Meinst du echt, die ist es wert? Du verstehst es nicht Sohn, es-"
"Nenn mich nie wieder Sohn", knurrte Killian seinen Vater an.
"Es macht mich so wütend, was du wegen solchen Bastarden hier aus dir machen lässt. Ich hab dich zu Größerem erzogen!", schrie Caleb wütend und schlug direkt danach Linda zu Boden. Er lachte dabei und schlagartig knurrte Killian so laut wie nie zuvor und wollte auf ihn los, doch Caleb schoss seinem eigenen Sohn ohne mit der Wimper zu zucken ins Bein, sodass mein Mate zu Boden fiel.

Mein Herz zerriss bei dem Geräusch des Schusses und mit Tränen in den Augen bückte ich mich hektisch herunter zu meinem Mate, der immer wieder aufschrie und sich hin und her wälzte vor Schmerz. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und versuchte ihn zu beruhigen, doch der Hass auf Caleb ließ mich hoch zu ihm schauen.

Ich schaute die Pistole in seiner Hand an, während er damit beschäftigt war sich über sich selbst aufzuregen, doch bevor ich sie mir greifen konnte, verwandelte sich Killian unter meinen zitternden Händen und stürzte sich mit lautem Gebrüll auf seinen Vater.

Vor Schreck machte ich einen Satz nach hinten und stellte mich völlig überfordert wieder auf. Das Knurren und Geschrei machte mich wahnsinnig. Ich hielt mir die Ohren zu und drehte mich zu den anderen beiden um zu sehen, ob bei ihnen noch alles okay war. Damiano stand plötzlich bei ihnen und zum ersten Mal sah ich den Großen weinen und  Angst in seinen Augen. Er half Linda dabei, Noah herauszutragen und auch mich wollte er an der Hand mitreißen, doch ich zog meine Hand zurück und schüttelte wild mit dem Kopf. Ich wollte meinen Mate nicht alleine lassen und legte die Hand schnell wieder auf mein Ohr und starrte den drei hinterher, wie sie ins Wohnzimmer verschwanden.

Mit rasendem Puls drehte ich mich wieder um, beobachte Killian, der über Caleb stand und sah plötzlich die gleiche Situation wie die, die wir am Strand durchgemacht hatten. Es waren nur Sekunden, doch es lief vor meinen Augen in Zeitlupe ab. Der Alpha biss seinem Vater in den Hals und schüttelte ihn. Überall lief das Blut herunter und es war so grauenvoll, dass meine Hände sich von meinen Ohren lösten und einfach an mir herunterfielen. Geschockt stand ich da, sah nur noch Blut und selbst der Rosengeruch verschwand, nur noch ein metallischer Geruch von der roten Flüssigkeit vernebelte den Garten.

Eigentlich sollte ich erleichtert sein, dass meinem Mate nichts passiert war, doch wieder zuzusehen, wie jemand stirbt, egal was für ein Monster er war, warf mich komplett aus der Bahn. Ich konnte mich erst wieder bewegen, als sich ein letzter Schuss aus der Pistole löste. Panisch ging ich auf den Wolf zu, der mit der Pfote die Pistole aus Calebs Hand riss, der leblos am Boden lag und den Hals halb abgetrennt hatte. Ein schreckliches Bild, so schrecklich, dass ich nichtmal weinen konnte und einfach nur geschockt da stand.

Mit großen Augen schaute ich herunter auf den Toten, während Killian sich zurückverwandelte und schnell seine Klamottenfetzen überzog, um dann auf mich zuzukommen und mich fest in die Arme zu nehmen.

Zitternd lag ich in seinen starken Armen und versuchte alles zu begreifen, doch dafür war jetzt keine Zeit. Ich wollte so schnell es ging zu Noah, wollte schauen, ob sie schon im Krankenhaus waren und wie es ihm ging. Ich löste mich aus der Umarmung und sah plötzlich Blut auf dem Oberkörper meines Gefährten.

"Hat die Kugel dich getroffen?", fragte ich, während ich ihn panisch absuchte und meine Stimme bebte.Er schüttelte verneinend den Kopf und schaute herunter auf das Blut und schlagartig zog mein ganzes Leben an mir vorbei.

Alles in meinem Mund schmeckte plötzlich nach Blut und als das Adrenalin langsam nachließ, bemerkte ich unfassbare Schmerzen in meinem Oberkörper. Ich schrie innerlich vor Todesangst, doch bekam kein Wort heraus, blickte nur ängstlich mit offenen Mund in seine entsetzten Augen. Killian redete auf mich ein, doch ich konnte nichts mehr wahrnehmen, merkte nur noch wie alles dunkler wurde, wie meine Beine mich zusammensacken ließen und wollte auf dieser Welt nur noch einen direkten Gedanken an ihn los werden.

Ich liebe dich

Dann wurde alles schwarz um mich herum und die Dunkelheit verschlang mich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top