Geheimnis

Hechelnd kam ich an meinem Gebüsch an und verwandelte mich panisch zurück. Mit zitternden Händen versuchte ich die Klamotten anzuziehen, da sie aber nass waren, dauerte es etwas länger, was mich fast durchdrehen ließ. Als ich es dann endlich geschafft hatte und von den kalten Sachen umgeben war, sackte ich erschöpft und weinend zusammen.

Was hatten wir nur getan?

In dem Gebüsch sitzend schluchzte ich vor mich hin und bekam die Bilder ihres letzten Atemzuges nicht mehr aus dem Kopf. Es war unfassbar schwer für mich zu begreifen, was am Strand alles geschehen war, doch ich rappelte mich schnell wieder auf, auch wenn meine Beine sich anfühlten wie Beton.

Ich hatte das Gefühl zu erstarren, wenn ich noch länger dort sitzen geblieben wäre. Vorsichtig trat ich aus dem Gebüsch heraus und blieb erst mal wie paralysiert im Regen stehen, bis ich mir die Tränen wegwischte und endlich los lief, Richtung Rudelhaus. Als mich dann unerwartet eine Hand an der Schulter festhielt, drehte ich mich mit rasendem Herzen und angehaltenem Atem um.

Blutverschmiert stand er da und nur eine schwarze, zerrissene Hose bedeckte seinen von Blut verschmierten Körper. Ohne ein Wort zu sagen, fing er hektisch an, mich abzutasten, während die schwarze Farbe aus seinen Augen verschwand und Platz machte für das wunderschöne Grün. Er suchte anscheinend nach Verletzungen, doch ich hatte keine, zumindest keine sichtbaren.

"Du hast sie umgebracht", stammelte ich und musste erneute Tränen unterdrücken. Ich war in diesem Augenblick völlig überfordert und kehrte ihm den Rücken zu, denn ich konnte den Anblick des Blutes nicht mehr ertragen.

"Ich musste es tun. Du konntest ihre Gedanken nicht hören!"
"Aber du schon?!", fragte ich ihn und starrte dem dunklen Wald entgegen, während ich mir immer wieder den Regen aus dem Gesicht wischte.
"Ja! Ich bin ein Alpha. Ich kann jeden direkten Gedanken eines jeden Wolfes lesen und glaube mir, die beiden hatten abscheuliche Gedanken!", sprach er laut und ich hörte die Wut in seiner dunklen Stimme.
"Du kannst doch niemanden töten, weil er schlechte Gedanken hat!" Ich drehte mich wieder zu ihm um, wodurch ich zusehen konnte, wie seine Augen sich erneut verdunkelten.

"Sie wollten dich töten, Alicia! Sie lauerten seit heute morgen im Wald und haben nur darauf gewartet, dass du in ihre Nähe kommst!", knurrte er und biss die Zähne dabei so fest aufeinander, dass ich seinen Kiefer knacken hören konnte.

"Was redest du denn da?", fragte ich ungläubig und ging dabei einen Schritt auf ihn zu, um ihm genau in die Augen zu schauen.

Als er meinem Blick auswich, wurde mir klar, dass er überhaupt keinen Grund hatte mich anzulügen und diese Einsicht raubte mir die Luft zum Atmen. Fragen nach dem Warum und nach dem Wieso überschlugen sich in meinem Kopf und blieben leider unbeantwortet. Weder kannte ich die Beiden, noch hatte ich jemals jemandem etwas Schlimmes angetan.

Killian wandte sich wieder mir zu und gab mir mit seinem Blick ein Gefühl der Geborgenheit, was dazu führte, dass ich mich in seine starken Arme flüchtete. Ich klammerte mich wie ein kleines Äffchen an ihn heran und nahm die Wärme, die er auf mich ausstrahlte, tief in mich auf, was mich ein wenig beruhigte und das Zittern meines Körpers vertrieb. Wenn es wirklich so war, wie er es beschrieben hatte, dann hatte er sein Leben für mich riskiert und das, ohne an sein eigenes zu denken.

"Du bedeutest mir alles, kleine Mate. Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas passiert. Du bist mein Mädchen und gehörst zu mir, seit ich dich auf der Treppe sitzen sah. Ich war nicht oft für dich da, seit du hier bist und das tut mir sehr leid. Aber meine Gedanken waren stets bei dir, das musst du mir einfach glauben. Du bist so anders als alle Anderen und das ist es, was mich an dir so fasziniert", hauchte er mir leise ins Ohr und verpasste mir damit eine Gänsehaut am ganzen Körper. So ehrlich hatte ich ihn noch nicht gesehen und es machte mich wahnsinnig stolz, dass er mich genau so sah.

Ungläubig atmete ich schwerer und krallte mich an ihm fest, um seinen beruhigenden Duft noch tiefer einzuatmen. Früher hatten mich alle ausgeschlossen für mein Anderssein, doch ihn faszinierte es anscheinend, dass ich eine tollpatschige, schüchterne Wölfin war, die sich nicht sofort von ihm einnehmen ließ. Doch trotzdem war da dieser Funke Misstrauen in mir, der nicht zuließ zu glauben, dass ein Alpha wie er wirkliches Interesse an mir hatte.

"Du kennst mich doch gar nicht, Killian. Nur das von mir, was deine Instinkte in mir sehen. Dein Wolf zwingt dich dazu, mich zu begehren",  flüsterte ich wehmütig, während mein Gesicht immer noch an seiner nackten, warmen Brust lag.

So standen wir an jenem Tag im Regen zusammen, ohne zu ahnen, dass dieser Tag alles verändern würde.

"Da täuschst du dich, Alicia", fing er ruhig an und löste sich aus unserer Umarmung, um mir ein strahlendes Lächeln zu schenken.
"Du hast ja keine Ahnung, welche Gefühle du tief in mir auslöst und die haben rein gar nichts mit der Verbindung zu tun oder meinem Wolf. Ich liebe es, wie deine süße Nase sich rümpft, sobald du Bücher in deiner Umgebung entdeckst und ich würde dir am Liebsten alle Bücher der Welt schenken, nur um das Funkeln in deinen Augen immer wieder neu zu erleben. Dazu bist du ein Mensch, dem es egal ist, ob reich oder arm. Du schätzt jeden Menschen gleich und das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, ohne dich nicht mehr atmen zu können und das empfinde ich so, nicht mein Wolf oder meine Instinke, sondern ich, Alicia. Du bist so anders und genau das macht dich so perfekt."

Während ich kaum glauben konnte, welch wunderschöne Worte aus seinem Mund kamen, tanzte mein Herz vor Freude und brachte mir damit ein Strahlen ins Gesicht. Er hatte sich Merkmale von mir eingeprägt und wollte mich kennenlernen. Das waren nicht nur oberflächliche Wolfinstinkte, das waren wirklich ehrliche Gefühle und ich war plötzlich wunschlos glücklich mit der Wahl meines Mates.

"Ich bin froh dich zu haben, Killi."

Ich atmete zufrieden aus und legte ihm eine Hand auf die Wange, was ihn dazu brachte, mir voller Begierde seine Lippen auf den Hals zu legen und diesen sanft zu küssen.
Am liebsten hätte ich seine Lippen auf  meinen gespürt, einzig das Blut auf seinem Gesicht hielt mich zurück und ließ mich einfach seine Liebkosungen an meinem Hals  genießen, doch er hörte ruckartig auf und ging einen Schritt zurück, um an mir vorbei zu schauen.

"Schlechter Zeitpunkt, Resul", brummte er und verschränkte die Arme dabei.
"Entschuldige, Alpha und entschuldige, Alicia. Ich hätte dich nicht allein zurückrennen lassen sollen, aber ich habe es erst zu spät gemerkt und dann dachte ich, ich sollte lieber Caleb Bescheid sagen, was passiert ist. Er wartet am Rudelhaus auf euch", teilte er uns mit und schaute dabei beschämt auf den Boden. Er sah echt zerknirscht aus.

"Hauptsache, alles ist gut gegangen", sagte ich zu ihm und lief auf ihn zu, um ihn  herzlich in meine Arme zu schließen, was dem Alpha hinter mir ein leises Knurren entlockte. Ich drehte mich zu ihm um und zog fragend eine Augenbraue hoch, doch er reagierte nicht darauf, sondern kam auf uns zu und nahm mich an der Hand, um sich dann mit uns auf den Weg zum Rudelhaus zu machen.

Bevor wir dort ankamen verabschiedete sich Resul und ließ uns alleine, bis wir vor dem Rudelhaus auf Caleb trafen, den ich zum ersten Mal im Hellen sah. Er hatte graue Haare, die zur Seite gekämmt waren und viele kleine Falten im Gesicht. Eine Ähnlichkeit zu Killian konnte ich nicht erkennen und bevor ich ihn weiter mustern konnte, riss mich Killian aus meinen Gedanken.

"Caleb, das ist Alicia." Er stellte mich lächelnd vor, während seine Augen dabei vor Stolz strahlten. Es war mir irgendwie unangenehm, also löste ich meinen Blick von ihm und schaute runter zum Boden.
"Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Alicia. Würdest du mich bitte in mein Büro begleiten? Nur um mir einige Fragen zu beantworten", fragte er freundlich und ich wandte meinen Blick wieder zu ihm, um ihm zustimmend zu zunicken.
"Und du gehst sofort duschen", befahl  er meinem Mate mit strengem Ton, der sich daraufhin sofort mit einem Kuss auf die Wange von mir löste und ins Haus verschwand.

"Dann folge mir bitte."
Er drehte sich um und ich lief ihm hinterher, die Treppen hoch, bis in die 2. Etage. Die Wände hier oben waren dunkler gestrichen als unten und das machte die Atmosphäre irgendwie angespannter. Ohne mich weiter umzusehen folgte ich ihm durch eine Glastür in sein Büro und setzte mich auf den braunen Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Elegant schenkte er sich ein Glas Whisky ein, bevor er sich niederließ und mich anstarrte. Nachdem er dann einen großen Schluck von seinem Getränk nahm und sein Blick dann wieder auf mich fiel, veränderte sich schlagartig seine Mimik. Seine Augen strahlten plötzlich nur noch Kälte aus, während das Lächeln auf seinen Lippen verschwand und nur noch pure Verachtung in seinem Blick lag. Ich dachte mir, dass er sicher sauer war, weil ich mit Resul alleine zum Strand gegangen war und damit seinen Sohn in Gefahr gebracht hatte.

"Entweder verschwindest du freiwillig, oder ich muss dich dazu zwingen", riss er mich aus meinem Gedankengang und faltete die Hände auf dem Tisch, während er mich mit zusammengekniffenen Augen ansah.
Irritiert lehnte ich mich nach vorne, denn ich war mir sicher, dass ich mich verhört haben musste.

"Hast du das verstanden?", fragte er, als ich ihm keine Antwort gab.
"Nein. Ich glaube ich habe mich verhört", stotterte ich verwirrt und rutschte dabei nervös auf dem Stuhl hin und her, während meine nassen Klamotten mir eine Gänsehaut aufgrund ihrer Kälte brachten.

"Du hast dich nicht verhört! Ich lasse nicht zu, dass jemand wie du mein Rudel in den Schmutz zieht!", schrie er mich plötzlich an und knurrte dabei bedrohlich auf. Mit großen Augen starrte ich ihn fassungslos an. Ich wusste überhaupt nicht, was überhaupt sein Problem war, aber ich  musste mich auch nicht grundlos beschimpfen lassen, also nahm ich meinen Mut zusammen und lehnte mich noch ein Stück weiter vor.

"Ich habe nicht vor, dein Rudel in den Schmutz zu ziehen! Das was heute im Wald passiert ist, war ein Unglück! Ich habe deinen Sohn verteidigt und stehe treu an seiner Seite", verteidigte ich mich und schaute ihn verächtlich an. Ich hatte Angst, er würde noch wütender werden, doch er lachte nur laut auf und starrte mich dann belustigt an, bevor er tief Luft holte.


"Ich kenne einige von deiner Sorte und eins habt ihr alle gemeinsam. Euern falschen Stolz", erklärte er und nippte kurz an seinem Glas, bevor er weiter sprach.
"Also sind wir uns einig? Du gehst aus freien Stücken?"

Ich dachte darüber nach, was er mit Sorte meinte und kurz kam mir der Gedanke, er wäre frauenfeindlich. Als er sich dann räusperte sah ich mich gezwungen, ihm eine Antwort zu geben.
"Ich werde Killian nicht verlassen. Ohne mich wird er an der fehlenden Verbindung zu Grunde gehen. Das lasse ich nicht zu", sprach ich bestimmend, wenn auch ein Zittern in meiner Stimme lag.

Er sprang plötzlich auf und schlug mit voller Kraft auf den Schreibtisch, was mich heftig zusammenzucken ließ.
"Hör mir zu, du widerliches Stück Mischling. Entweder du verschwindest oder das war heute nicht der letzte Angriff! Und ein Wort zu Killian und du wirst ihn nicht noch einmal retten können, hast du mich jetzt verstanden?!", schrie er mich wütend an und bevor er danach den Raum verließ, spuckte er mir noch vor die Füße. Mir gefror das Blut in meinen Adern, während mein Herz schmerzhaft pochte und meine Arme und Beine sich taub anfühlten. Woher wusste er es, fragte ich mich immer und immer wieder.

Ich wollte aufstehen und die Nähe meines Mates suchen, aber der Schock ließ es nicht zu und hielt mich hier in meiner Angst gefangen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top