Die Motte und das Licht

Der Geruch, der sanft in meine Nase strömte, beruhigte mich. Doch gleichzeitig beunruhigte mich die Erkenntnis, über meine aussichtslose Lage.

Verstand gegen Verbindung...

Ein bitterer Kampf, aus dem ich sicher als Verliererin heraustreten würde. Gegen den Instinkt seines Wolfes konnte man nichts machen, erst recht nicht, wenn ein Alpha im Spiel war, also würde ich mich wohl oder übel meinem Schicksal ergeben müssen...

Wüsste ich doch nur, dass mein Vater auch ohne mich glücklich sein könnte...

Die Bitten meines Vaters an den Alpha hatten mir wenigstens schon Mal seinen Namen verraten. Killian.

Nachdenklich und mit seinem wirklich außergewöhnlichen Namen in meinem Kopf, lief ich meinen Blick langsam nach unten schweifen und augenblicklich verkrampfte mein gesamter Körper. Mit großen Augen fiel mir in dem Moment erst auf, dass Killian mit seinem Kopf seitlich auf meinem Schoß eingeschlafen war.

Ein warmes, angenehmes Kribbeln breitete sich bei seinem Anblick in meinem Bauch aus und ich konnte mich nicht dagegen wehren, ihn anziehend zu finden, egal wie sehr ich es versuchte.

Schlafend sah er schon fast süß aus. Überhaupt nicht wie ein Alpha. Eher wie ein großer Junge, der Liebe und Nähe suchte. Seine schwarzen, dichten Haare fielen ihm leicht über die Stirn und passten einfach perfekt zu seinem braunen Hautton. Sein schönes Aussehen faszinierte mich irgendwie auf seltsame Weise und wie in einer Trance gefangen, versuchte ich mir jedes noch so kleine Detail seines Gesichts einzuprägen, auch wenn ich es nur im Seitenprofil betrachten konnte.

Neugierig auf das Gefühl seiner Haut, streichelte ich anschließend mit meinen Fingern über seine weiche Wange, wodurch ein wohltuendes Prickeln auf meinen Fingerspitzen entstand. Innerlich wehrte ich mich gegen das Empfinden, dass sein Anblick in mir auslöste, aber leider vergeblich. Er war das starke Licht, ich die dumme Motte, die ihm blind folgen würde, egal ob ich mich verbrennen würde oder nicht.

Mein Blick schweifte wieder bedrückt zum Fenster hinaus, denn ich hatte das Gefühl, mich sonst komplett in seinem Anblick zu verlieren. Das wollte ich nicht, auch wenn ich genau wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.

Die Augen starr in die dunkle Nacht gerichtet, fiel mir plötzlich alles wieder ein, genau in dem Moment, wo ich meine Konzentration nicht mehr nur auf ihn gerichtet hatte.

Mein Vater würde wahrscheinlich gerade zusammen brechen oder aber auf und ab laufend im Wohnzimmer fluchen.

Die Vorstellung von ihm brachte mir sofort eine tiefe Traurigkeit und klar, ich fühlte mich bei Killian sicher und wusste mein Vater würde darüber hinwegkommen, aber dieses Alpha Getue und die grausame Art, wie er mich von ihm weggerissen hatte, schockierte mich immer noch. Ich wollte keinen Mann, der mir Befehle erteilte, anstatt normal mit mir zu sprechen. Der mich anknurren würde, statt meine Meinung zu akzeptieren. Doch ich wusste, es würde sowieso nur noch das zählen, was er wollte, denn ich war nichts gegen ihn.

"Wir fahren sicher noch etwas über eine Stunde. Ich halte gleich an einer Tankstelle. Möchtest du etwas essen oder trinken?", riss mich der Große mit den strubbeligen, braunen Haaren, der am Steuer saß, aus meinen Gedanken und blickte mir abwartend auf eine Antwort im Innenspiegel entgegen. Von der Statur her, hätte er sicher Footballer sein können... Vielleicht war er ja einer... Mir aber egal!

"Nein", antwortete ich ihm abweisend, um direkt danach noch ein bedrohliches Knurren auszustoßen, von dem Killian, der immer noch auf meinem Schoß lag, leicht zusammenzuckte.

Vorsichtig hob er seinen Kopf hoch und fing verschlafen an, mich irritiert zu mustern. Seine grünen Augen inspizierten jeden Winkel meines Gesichts, was natürlich auch dazu führte, dass unsere Blicke sich trafen und mein Herz mal wieder mehrere Takte aussetzte.

Ich spürte das Blut, welches rasend schnell in meine Wangen schoss und sie leicht rosa färbte. Es war mir total unangenehm, doch ihm anscheinend nicht, denn er kam plötzlich lächelnd näher an mich heran und berührte mit seinen Lippen meine Wange, um mir einen sanften Kuss aufzudrücken. Wie konnte jemand gleichzeitg so liebevoll und doch so grausam sein, schoss es mir sofort durch den Kopf, denn er war für mich überhaupt nicht einzuschätzen.

"Das Knurren üben wir nochmal", flüsterte er leise in mein Ohr, wahrscheinlich um mich zu provozieren, aber ich gab ihm nicht die Genugtuung, darauf einzugehen.

Genervt von seiner Überheblichkeit, verdrehte ich meine Augen, wandte mich anschließend von ihm ab und schaute wieder hinaus in die dunkle Nacht.

Killian saß inzwischen wieder auf seiner Seite und streckte sich ausgiebig. Dass konnte ich in der Spiegelung meines Fensters leider genauestens beobachten. Auch, dass er sich dann gähnend nach vorne lehnte, entging mir nicht. Als die drei schließlich anfingen zu diskutieren, an welcher Tankstelle wir Pause machen sollten, schloss ich erneut meine Augen und schweifte in Gedanken ab.

Doch lange blieb ich nicht in meinem überforderten Verstand gefangen, denn das Auto hielt nach wenigen Augenblicken an einer kleinen Tankstelle und als es an einer Zapfsäule zum Stehen kam, stiegen sie alle auch sofort aus.

Während die beiden mir noch unbekannten anschließend nach drinnen verschwanden, lief Killian um das Auto herum und machte mir zuvorkommend meine Tür auf, um mir anschließend grinsend seine Hand zu reichen. Diesen Gefallen lehnte ich störrisch ab und ignorierte ihn gekonnt. Als ich dann alleine und erhobenen Hauptes ausstieg und mich mit verschränkten Armen neben ihn stellte, brachte es ihn sogar noch mehr zum Grinsen, was mich ihn wütend anfunklen ließ.

"Vertrete dir ein wenig die Beine. Wir sind gleich wieder da", teilte er mir lässig ans Auto gelehnt mit, während seine Augen flüchtig zu meinen nackten Füßen herunterschweiften.

"Keine Angst, dass ich flüchte?", zischte ich mit hochgezogener Augenbraue und kehrte ihm danach sofort wütend den Rücken zu, bis ich mich aber schlagartig wieder zu ihm herumdrehte, als plötzlich ein herzhaftes Lachen tief aus seiner Kehle kam, das mir mit seinem einzigartigen Klang den Verstand raubte.

Einerseits vor Wut darüber, von ihm ausgelacht zu werden. Andererseits war der Klang wie Musik für meine Ohren. Eine Melodie, die ich zu gerne für den Rest meines Lebens hören wollte...

"Ich finde dich, egal wo du bist. Das müsstest du doch wissen", flüsterte er siegessicher und kam dabei nah an mich heran, um mir lächelnd einen Kuss auf die Stirn zu geben. Nachdem er mir dann noch kurz, aber intensiv in die Augen sah, machte auch er sich Richtung Tankstelle auf.

Genervt über seine aufdringliche Art wollte ich mich einfach wieder ins Auto setzen, bis mir plötzlich etwas ins Auge fiel. Der stille Typ, der vorne saß, hatte wohl sein Handy auf dem Amaturenbrett liegen gelassen, was meinen Puls sofort beschleunigen ließ.

Vorsichtig schaute ich Richtung Tankstelle, wo ich sie dabei beobachten konnte, wie sie gerade lachten und wohl immer noch damit beschäftigt waren, das richtige Essen auszusuchen.

Schnell riss ich die Tür auf und schnappte mir das Handy. Meine Hände fingen in dem Augenblick unkontrolliert an zu zittern und ich hielt vor Anspannung den Atem an. Es hatte zu meinem Glück keinen PIN, stellte ich begeistert fest und schnell tippte ich die Nummer meines Vaters ein und wartete ungeduldig darauf, dass er abheben würde, während ich immer wieder zu den Dreien schaute.

"Hallo?"

"Dad,ich bin's!"

"Alicia? Geht es dir gut?"

"Mach dir keine Sorgen, Dad! Mir geht es gut. Ich will nur einfach wieder nach Hause."

"Ich würde dich gerne aus dieser Situation befreien. Ich weiss nur nicht wie."

"Bring dich meinetwegen nicht in Schwierigkeiten."

Meine Stimme überschlug sich vor lauter Sehnsucht und ich musste das Handy kurz von meinem Ohr weghalten, um den dicken Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken und mich mit schmerzenden Herzen zu sammeln.

"Gib dir nicht die Schuld. Das musst du mir versprechen. Denk immer daran, dass es mir gut geht!"

"Alicia, ich-"

Das Handy wurde mir plötzlich ohne Vorwarnung aus der Hand gerissen. Der stille Typ, mit den dunklen Locken, der übrigens noch kein Wort gesprochen hatte, schaute mich nur noch hasserfüllt an und beendete das Gespräch des Handys.

Mit viel zu viel Kraft packte er auf einmal meinen Arm, was mich sofort schmerzerfüllt aufschreien ließ. Genau dieser Arm pochte sowieso schon seit meinem Ausrutscher im Bad und dieser Idiot machte alles nur noch schlimmer.

Wütend riss ich meinem Arm von ihm zurück und spürte den ziehenden Schmerz dabei durch meinen gesamten Körper ziehen. Der Kerl schaute mich dann mit großen Augen erschrocken an, als warme Tränen über meine Wangen liefen und ich mir den Arm schützend an meine bebende Brust hielt.

Das schlagartige, tiefe Knurren meines Mates, brachte mein Herz zum Rasen und schon sah ich unter Schock dabei zu, wie er den Typ am Kragen gepackt hatte und wütend gegen das Auto drückte. Mir fiel auf, dass Killians Augen auf einmal eine tiefe schwarze Farbe angenommen hatten. Nichts war mehr übrig von dem wunderschönen Grün und der Wärme. Mit zusammengebissen Zähnen fauchte er ihn hasserfüllt an.

"Berühre sie noch ein einziges Mal und ich töte dich auf der Stelle!"

Das Adrenalin schoss mir so schnell durch meinen Körper, dass mir ohne Vorwarnung extrem schwindlig und schwarz vor Augen wurde. Der Große kam sofort zu mir gerannt und hielt mich unter meinen Armen fest, während Killians schwarze Augen das Letzte waren, was ich zu sehen bekam.

***

Das helle Licht einer Neonröhre weckte mich, doch ich wollte gar nicht wach werden und kniff meine Augen erschöpft wieder fest zu, bis ich Killian leise mit einer Frau sprechen hörte. Mir wurde plötzlich heiß und ich wurde innerlich ziemlich wütend, so dass mir sogar ein kaum hörbares Knurren entfuhr.

War das Eifersucht, was ich empfand? Ich wusste es nicht! Hatte ja noch nie eine Beziehung. Nicht einmal wirklich Kontakt zu Männern, aber klar kannte ich dieses Gefühl aus Filmen und Büchern. Verärgert drehte ich mich in die Richtung, aus der die Stimmen kamen und musterte dabei neugierig meine Umgebung.

Killian stand ein paar Meter von meinem Krankenbett entfernt mit einer hübschen blonden Frau zusammen an der Tür, die laut ihrem weißen Kittel nach zu urteilen, eine Ärztin war. Als die beiden meinen Blick bemerkten, kamen sie im selben Moment langsam auf mich zu.

"Hallo, Alicia. Ich bin deine Ärztin, du kannst mich Kirsten nennen. Kannst du dich erinnern, was passiert ist?", sprach sie mit ruhiger Stimme und schaute mir ununterbrochen aufmerksam in die Augen.

"Der eine Kerl-"
Ich stoppte und musste erst einmal tief Luft holen, um meine Wut über die gesamte Situation zurück zu halten.
"Du meinst Brando?", kam es fragend von ihr und nachdem sie zu Killian herüber schaute und er zustimmend nickte, fiel ihr Blick wieder zu mir.

"Ja, von mir aus. Er hat mich am Arm gerissen, woraufhin Killian ihn am Kragen packte und seine Augen plötzlich schwarz aussahen. Es ging alles so schnell, es machte mir Angst und daraufhin bin ich umgekippt. Mehr weiß ich nicht mehr."
Sie machte sich Notizen und nickte immer wieder.

"Mit deinem Kopf ist alles in Ordnung und dein Arm ist verstaucht . Du solltest ihn gut kühlen und nicht zu stark belasten. Soll ich dir Schmerz- oder Schlafmittel geben?", fragte sie und wartete geduldig auf meine Antwort.

Killian kam plötzlich einen Schritt auf uns zu und stand dann, zu meinem Ärger, viel zu nah an dieser Blondine. Diese blöde Eifersucht wollte ich nicht mehr empfinden. Ich wollte im Grunde gar nichts mehr empfinden und wandte mich wütend wieder Kirsten zu.

"Schlafmittel, bitte. Am besten sofort."

Sie nickte und reichte mir eine Tablette, während Killian mir mit einem besorgten Blick einen Becher Wasser in die Hand gab. Ich schluckte sie schnell herunter und drehte mich wieder auf die Seite. Alles hier ging mir so dermaßen auf die Nerven, dass ich nur noch meine Augen schloss und nach ein paar Atemzügen war ich auch schon wieder weggenickt.

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