Alicia's Gene
"Bist du bereit für deinen letzten Schultag?"
"Ja."
"Ich bin wirklich sehr stolz auf dich, Alicia"
"Danke, Dad."
An diesem sonnigen Tag war es also so weit. Mein offiziell letzter Schultag war gekommen und während meine idiotischen Mitschüler sich bestimmt schon wahnsinnig darüber freuten, war ich schon ein wenig traurig darüber.
Meinem Vater zuwinkend lief ich quer über den belebten Parkplatz herüber zur breiten Eingangstür und machte mich schnellen Schrittes direkt auf den Weg zu meinem Klassenzimmer. Natürlich hätte ich auch wie meine Mitschüler alberne Streiche für die Lehrer vorbereiten können, doch im Grunde war das für mich einfach nur vergedeute Zeit. Außerdem mochte ich meine Lehrer. Immerhin hatten sie mir alles Wissenswerte über Jahre beigebracht...
Als ich nach mehren Ecken schließlich durch die Mengen an jubelnden Schülern endlich vor meinem Klassenraum ankam, standen einige meiner Klassenkameraden noch im Flur und unterhielten sich angeregt. Da mich aber sowieso keiner von ihnen ansprechen würde, so wie die letzten Jahre auch nie, lief ich eilig an ihnen vorbei, setzte mich ganz vorne auf meinen Platz und starrte gedankenverloren auf die leere Tafel vor mir.
Es kam mir unwirklich vor, dass ich wirklich zum letzten Mal hier sitzen würde. Ich war noch nicht bereit dazu und umso länger ich darüber nachdachte, umso trauriger wurde ich darüber wieder, doch als ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, dass nun alle ins Zimmer hereinkamen, verflogen meine wehmütigen Gedanken und ich konzentrierte mich auf das hier und jetzt.
Mein Lehrer, Mr. Micels, betrat direkt nach ihnen ebenfalls den Raum und begrüßte uns nur flüchtig, um anschließend auf dem Pult in seiner braunen Tasche herumzukramen.
Wahrscheinlich würden wir, wie die letzten Tage auch, nur noch unsere Zeit absitzen und uninteressante Filme schauen und als hätte ich es geahnt, wurde von ihm auch schon eine Kassette in den alten Rekorder eingeschmissen.
Es dauerte nicht lange, da flimmerten schon die ersten Bilder in dem kleinen Fernseher und natürlich fing daraufhin auch das Geflüster meiner Mitschüler wieder an und obwohl ich lieber den Film geschaut hätte, konnte ich nicht anders als zu lauschen.
Sie sprachen ausgiebig darüber, was sie nach ihrem Abschluss machen würden, wie ihr Leben nun weiter gehen würde und welche Ziele und Träume sie hatten. Da das Getuschel mir dann doch irgendwann ziemlich auf die Nerven ging, widmete ich mich einfach aufmerksam dem langweiligen Schwarz-Weiß-Film.
Mit mir redete sowieso niemand und das war mir auch recht, ich war gerne unsichtbar, denn viel Gemeinsamkeiten hatte ich mit niemandem an meiner Schule.
In meinem Leben gab es für mich im Grunde nur eine richtige Freundin, und das war Melina.
Sie war eins von diesen Mädchen, die gleichzeitig süß, aber auch extrem sexy sein konnten. Mit ihren schwarzen, langen Locken und den funkelnden braunen Augen konnte sie die Jungs echt jederzeit um den Finger wickeln, so dass sie bei jeder Gelegenheit immer genau das bekam, was wie wollte.
Dabei half ihr natürlich auch ihr ausgeprägter Sinn für Mode. Täglich überraschte sie mich mit einem neuen einzigartigen Outfit und es gab nichts, was an ihr nicht gut ausgesehen hätte.
Im Gegensatz zu mir.
Sinn für Mode war bei mir so gut wie gar nicht vorhanden. Ich war eher der praktische Typ Mensch und wollte auch gar nicht groß auffallen. Jeans und T-shirt, darin fühlte ich mich wohl. Mit meinen Haaren machte ich auch nicht viel. Meine braunen Naturwellen trug ich meistens als hohen Dutt. Schlicht und einfach eben, so wie ich es auch war und ich war mehr als zufrieden damit.
Tatsächlich gab es aber eine Sache an mir, auf die sogar Melina eifersüchtig war. Meine Augenfarben. Eins war dunkelbraun und das andere dunkelblau. Ich schämte mich zwar dafür, aber ihr schien es zu gefallen.
Trotz der ganzen Unterschiede hatten wir aber doch eine Sache gemeinsam, die niemand über uns erfahren durfte...
Wir waren keine reinrassigen Werwölfe...
Wir waren Mischlinge.
Wie sowas möglich war in einem Rudel? Ganz einfach...
Unsere Mütter waren Menschen und starben beide bei der Geburt. Ich hatte wenigstens noch das Glück, dass mein Vater mich aufzog, der mich mehr liebte, als alles andere.
Sie hingegen landete bei ihrer Oma. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt, doch das war vermutlich genau das, was sie so unglaublich stark machte.
Damals in der ersten Klasse wussten wir sofort, dass wir gute Freunde werden würden. Mischlinge konnten sich nämlich untereinander sofort erschnüffeln. Zu unserem Glück, konnten das andere nicht, sonst wären wir schon nach der Geburt vom Rudel verstoßen worden... oder sogar noch Schlimmeres. Ich wollte es mir gar nicht vorstellen und das war auch der Hauptgrund, wieso ich mich von meinen Mitschülern so gut es ging fernhielt.
Zwischen ihnen und uns gab es zwar keine großen Unterschiede, aber anscheinend reichte es, um solche wie uns bis aufs Äußerste zu verachten. Warum? Ich wusste es selbst nicht, denn im Grunde waren unsere Sinne einfach nur weniger gut ausgeprägt und wo richtige Wölfe keine Erschöpfung kannten, so mussten wir schon Mal die ein oder andere Pause einlegen. Ein Leben zwischen Mensch und Wolf eben.
Achja, da gab es doch noch eine Sache. Für Wölfe war sie wohl das mit Abstand wichtigste im Leben.
Den Gefährten finden ... dass wurde uns Mischligen vom Mondgott auch verwehrt, doch mir machte das rein gar nichts aus. Im Gegenteil. Ich war sogar froh darüber. Wer wollte schon einem Fremden begegnen, der plötzlich der Meinung wäre, man würde ihm gehören? Ich ganz sicher nicht!
Das war es auch schon an Unterschieden und genau deswegen fragte ich mich schon mein ganzes Leben, wieso Mischlinge wegen solchen Kleinigkeiten überhaupt ausgestoßen wurden.
Ich konnte es einfach nicht nachvollziehen, dass die Mehrheit der Wölfe wegen solch unwichtigen Dingen eine so große Abneigung uns gegenüber empfanden, doch ich konnte mir auch keine weiteren Gedanken mehr machen, da das Klingeln zur Pause mich aus meinem Tagträumen riss und ich nur erschrocken zu dem schon ausgeschalteten Fernseher starrte.
Wie schnell waren zwei Stunden bitte vorbei?
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