Kapitel 5
Der nächste Morgen ist nicht besonders erfreulich, jedenfalls nicht für mich. Meine Mutter ist immer noch zickig wegen dem vorherigen Abend, sie zeigt mir am Frühstückstisch die kalte Schulter. Ich werfe ihr über den Rand meiner Müslischale einen grimmigen Blick zu, während Timothy aufgeregt von seinem ersten Schultag erzählt. "Und dann hat sie gesagt, ich hab ein echt schlaues Köpfchen!", ruft er stolz und grinst in die Runde. Ich lächele ihn an. "Und damit hat sie ja auch Recht, Sweetheart", sage ich und streichele ihm über den Kopf. Dann wende ich mich wieder meinem Schokomüsli zu. Ich stochere missmutig in meinen Haferflocken mit Schokoraspeln herum, ich habe mal so gar keinen Bock auf Schule. Da werde ich nämlich Trent wieder sehen. Und auf den Psychopathen kann ich gerne verzichten. Was erwartet der eigentlich von mir? Dass ich einfach so damit klar komme? Er kann sich einen verdammt riesigen Hund verwandeln und er will, dass mich einfach so auf seine abgef*ckte Welt einlasse? Nein, nicht mit mir. Das ist total unnormal! Sowas sollte eigentlich gar nicht möglich sein. Und außerdem habe ich es sowas von satt, mich immer nur um andere Leute zu kümmern. Der Typ kann sich seinen Matequatsch sonst wo hin stecken. Der soll mich bloß in Ruhe lassen. Ich und ein Werwolf? Nein, danke, das ist mir zu krank. Hoffentlich kapiert er das und sucht sich einen anderen Seelenverwandten. Ugh. Warum ich? Warum muss er mich damit nerven?
Und noch dazu ist es heute arschkalt. Vor einer Woche hat die Sonne geschienen und es war schön warm und heute? 12 Grad und riesige dunkle Wolken am Himmel. Yay. Man bemerke den Sarkasmus. Ich habe deswegen auch meinen dunkelblauen Lieblingssweater an, damit ich mich bei dem Mistwetter immer hinein kuscheln kann. Ich stopfe mir schnell meinen letzten Löffel Müsli rein, ich sollte mich etwas beeilen, wenn ich nicht im Regen zur Schule gehen will. Meine Mutter hat mir heute kein Lunch vorbereitet, sie ist noch zu sauer. Ich stehe gerade auf, als May plötzlich aufschreit. "Au!" Ich wirbele herum. "May?", frage ich besorgt. Bitte lass das nichts mit ihrem Gehuste zu tun haben, bete ich innerlich. Heiße Tränen rollen über ihre Wangen und sie drückt sich ihre kleinen Händchen auf den Mund. Ich knie mich vor sie und streiche ihr mit meinen Daumen die Tränen von den Wangen. Ich nehme ihre Handgelenke in meine Hände und versuche, ihre Finger von ihrem schmerzverzerrten Gesicht zu lösen. "Was ist los?", frage ich sie beruhigend, aber sie weint zu sehr, um auch nur ein einziges Wort heraus zubringen. "Lass mich mal gucken", sage ich und ziehe etwas stärker an ihren kleinen Händchen. Endlich gelingt es mir, aber an ihren Lippen ist nichts zu sehen.
"May?", frage ich noch einmal, diesmal allerdings mit warnendem Unterton. Spielt sie mir etwa was vor? Sie schluchzt und heult: "Ich hab mir auf die Zunge gebissen!" Demonstrativ streckt sie mir dann ihre pinke Zunge entgegen. Puh, wenigstens nichts Ernstes. "Oh du arme", sage ich mitfühlend und drücke mit meinem Daumen leicht auf ihren Mundwinkel, um besser auf ihre herausgestreckte Zunge sehen zu können. Sie hat sich ein wenig beruhigt, aber sie weint trotzdem noch. Ich drehe ihren Kopf sanft nach links und nach rechts, aber es sieht alles in Ordnung aus, kein Blut, nichts. "Fehlt jetzt ein Stück von meiner Zunge?", fragt sie ängstlich, ihre Augen weiten sich und füllen sich allein bei dem Gedanken daran mit Tränen. Ich muss mir ein Lachen verkneifen, sie ist einfach zu niedlich und unschuldig. "Nein, es ist alles in bester Ordnung, Sweety", antworte ich. Sie sieht allerdings nicht ganz überzeugt aus. "Sicher?"
Ich lächele sie versichernd an. "Hundertprozentig. Und weil du so tapfer warst, willst du jetzt noch ein bisschen kalten Kakao?" Sie hat zwar ein bisschen Schluckauf von dem ganzen Geweine, aber sie grinst mich an. "Ja, bitte!", ruft sie begeistert. Ich lächele breiter und löffele schnell Kakaopulver und Milch in einen Becher. Sie fängt eifrig an zu trinken, ihre Zunge total vergessen. Erleichtert, dass alles in Ordnung ist, schultere ich meine Schultasche und will gerade die Küche verlassen, als mein Vater sich hinter mir räuspert. "Setz dich doch noch einen Moment zu mir, Caroline", sagt er ernst. Mist. Ich stehe mit der Hand an der Türklinke und sage ohne mich um zudrehen: "Ich muss zur Schule."
Ich kann mir genau vorstellen, wie er jetzt dasteht, mit gerunzelter Stirn und skeptisch auf die Uhr blickend. "Ich glaube du hast noch Zeit", brummt er und ich verdrehe die Augen. Wäre auch zu schön gewesen, wenn er mich hätte gehen lassen. Widerwillig drehe ich mich um und lasse mich zurück auf meinen Stuhl plumpsen. Ich will gar nicht wissen, was los ist. Wenn er so ernst ist und beim Frühstück, wir sind beide definitiv keine Morgenmenschen, mit mir reden will, dann kann ich mein Taschengeld für die nächsten drei Monate eigentlich schon direkt streichen. Er nimmt genüsslich einen Schluck von seinem Kaffee, ich mustere ihn genau. Seine Gesichtszüge sind entspannt, noch. Wie die Ruhe vor dem Sturm. Als hätten sie sich abgesprochen nimmt meine Mutter Timothy und May an die Hand und verabschiedet sich, um die Beiden in die Schule und in den Kindergarten zu bringen. May läuft auf mich zu und schlingt ihre kleinen Ärmchen um meinen Bauch. Ich hebe sie unter den Schultern auf meinen Schoß. "Viel Spaß heute", sage ich und tippe ihr mit meinem Finger auf die Nase. Sie kichert ihr süßes Kleinkindlachen, dann fährt sie sich mit den Fingerspitzen durch ihre seitlich am Kopf anliegenden Zöpfe. Mir fällt auf, dass sie heute ihr hellblaues Lieblingsshirt trägt. Sie drückt mir einen Schmatzer auf die Wange und hüpft von meinen Knien herunter auf den Küchenboden. Munter läuft sie meiner Mutter hinter her auf unser Auto zu und ruft "Tschüss!" über ihre Schulter.
Ich sehe ihr freudig zu, bis mein Blick wieder den meines Vaters trifft und sofort vergeht mir meine gute Laune wieder. Er wirkt kalt und unzufrieden. Für einen Moment lang sagt er nichts, es ist unheimlich still in der Küche, und er sieht mich einfach nur an. Mein Herz pocht schneller. Ich halte seinem Blick nicht stand und sehe unbehaglich auf den Boden, die Küchenfliesen sind auf einmal super interessant geworden. Dann schiebt er seinen Kaffee beiseite und faltet seine Hände, stützt sein Kinn darauf. Seine kastanienbraunen Haare sind ordentlich gekämmt, seine Brille sitzt gerade auf der Spitze seiner Nase. Seine Miene bleibt genauso ernst wie vorher, als er tonlos fragt: "Wie war eigentlich dein erster Schultag? Du hast mir gar nicht davon erzählt."
Mist. Mein Mund öffnet und schließt sich direkt danach wieder, ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Er zieht seine Augenbrauen zur Untermalung seiner Frage hoch. Ich schlucke schwer und starre seine Kaffeetasse an. "Ähm...", stottere ich. Was will er jetzt von mir hören? "Hm? Keine Antwort?", fragt er erwartungsvoll. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schüttele leicht meinen Kopf. "Liegt das vielleicht daran, dass du gestern erst kurz vor Mitternacht nach Hause gekommen bist?" Ich merke seiner Stimme an, dass er versucht mich nicht anzuschreien. Ich zucke mit den Achseln, ich traue mich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. "Nichts dazu zu sagen, eh? Aber gestern Abend haben dir die Worte nicht gefehlt, als du so unverschämt zu deiner Mutter warst?", sagt er, seine Stimme hat einen scharf schneidenden Unterton und er wird zum Ende hin immer lauter. Ich wage es nicht, ihm in die Augen zu sehen, aber ich spüre seinen wütend funkelnden Blick auf mir ruhen. Als ich nicht antworte, schlägt er sauer mit seinen Handflächen auf den Küchentisch. Ich zucke zusammen.
"Sieh mich an!", ruft er und ich kralle meine Fingernägel in meine Handflächen, um nicht los zu weinen. Ich atme tief durch und sehe ihm dann zögerlich in die Augen. Wenn wir in einem Comic wären, würde Rauch aus seinen Ohren kommen, so witentbrannt funkelt er mich an. Eine Vene auf seiner Stirn stößt mehr hervor als sonst und sein ganzes Gesicht wirkt leicht gerötet. "Ich dachte wir hätten dich besser erzogen!" Seine Worte hallen durch die Küche. Ich kneife meine Augen zusammen, ich will nur noch hier raus. "Antworte mir!", er rast vor Wut. Ich presse meine Lippen aufeinander. Mit zitternder Stimme flüstere ich: "E-Es tut mi-mir leid." Mein Vater sieht bei meinen Worten nur noch angepisster aus. Er lacht auf.
"Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?", brüllt er mich an und ich kann meine Tränen nicht mehr zurück halten. Das ist einfach alles zu viel. Er fährt sich durch die Haare, sie stehen kreuz und quer von seinem Kopf ab. "Denkst du etwa, die Sache mit Toby würde uns nicht mitnehmen?" Seine Stimme klingt etwas ruhiger und jetzt eher traurig als wütend. Ich muss fast lachen, aber auch nur fast. Ich wische mir die Tränen von den Wangen. "Das ist doch wohl ein Scherz, oder?", frage ich bitter. Ich bin selbst überrascht, wie fest und standhaft meine Stimme klingt. Er sieht mich über seinen Brillenrand an, seine Augenbrauen zusammengezogen und sein Blick weniger aggressiv.
"Euch nimmt es mit? Ihr wart doch die jenigen, die ihn einfach so vor die Tür gesetzt haben. Euren eigenen Sohn!", schreie ich ihn an. Was stimmt bei denen eigentlich nicht? Seine Miene wird wieder finster. "Nicht in dem Ton, junge Dame!", warnt er mich. Ich verdrehe die Augen, aber das besänftigt ihn nicht gerade, sondern ganz im Gegenteil, er sieht mich jetzt mit seinem Todesblick an. "Dein Verhalten uns, deinen Eltern, gegenüber ist unmöglich, Caroline! Was erlaubst du dir eigentlich?", ruft er. Ich blicke ungerührt zu ihm auf. Ich weiß auch, dass mich mein nächster Satz nur noch mehr in Schwierigkeiten bringen wird, aber dennoch frage ich: "Und wie verhaltet ihr euch eurem Sohn gegenüber? Ihr verstoßt ihn und verleugnet ihn vor unseren Nachbarn!" Die Situation wird mit jeder Sekunde heikler. Mein Vater steht auf und schiebt dabei seinen Stuhl quietschend über den Küchenboden.
"Caroline!", brüllt er. "Hör auf, damit! Das hier ist nicht über Toby, es geht hier um dein Verhalten mir und deiner Mutter gegenüber! Du bist verdammt unverschämt, weißt du das eigentlich?" Er atmet schwer, mir fließt die Wut förmlich durch die Adern. "Natürlich geht es hier um Toby! Wie unmenschlich müsst ihr eigentlich sein, dass ihr ihn so behandelt?", zische ich giftig und stehe ebenfalls mit einem haarsträubenden Geräusch auf. Er stöhnt auf. "Oh bitte. Wir versuchen hier unser Bestes, um diese Familie zusammen zu halten, also sei mal nicht so undankbar. Er passt halt nicht hier rein." Ich keuche auf bei seinen Worten. "Nur weil er auf Typen steht und nicht auf Frauen?!", frage ich entsetzt. Sie sind noch viel grausamer als ich gedacht habe. Mein Vater zuckt mit den Achseln. Seine Unterlippe schiebt sich ein wenig nach vorne. "Ja, genau deswegen. Wenn er sich nicht ändern will, hat er hier nichts verloren."
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, ich kann ihn nicht mal mehr ansehen, so sehr widert er mich in diesem Moment an. Doch seine nächsten Worte lassen mich dann total sprachlos dastehen: "Vielleicht ist das ja nur eine Phase. Er kann jederzeit wieder kommen, wenn er wieder zu Besinnung gekommen ist." Mit offenem Mund starre ich meinen Vater an. Was zur Hölle ist da falsch gelaufen? Eine Sexualität ist doch keine Phase! Ich bin kurz davor ihm das entgegen zu schreien, als er seinen Kaffee austrinkt und erschöpft murmelt: "Hör zu, Caroline, wir haben zu diesem Thema eventuell leicht unterschiedliche Meinungen..." Leicht unterschiedliche Meinungen?! Unterschiedlicher geht's ja wohl nicht! "Aber ich würde dich bitten, einfach respektvoller mit deiner Mutter und mir umzugehen. Wir sind schließlich deine Eltern und haben dir eigentlich bessere Manieren beigebracht. Außerdem habe ich jetzt wirklich keine Zeit, länger mit dir zu diskutieren, ich muss zur Arbeit und du in die Schule."
Ich schnaube leicht und drehe mich um. Wortlos verlasse ich die Küche, ich habe echt keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung. "Hast du mich verstanden, Caroline?", ruft er mir noch scharf hinter her. Ich gifte ein schnelles "Ja!" zurück und betrachte mich im Spiegel unserer Gästetoilette. Meine Mascara ist ein bisschen verlaufen. Ich wische mir mehrmals über die Wangen, um die schwarzen Schmieren verschwinden zu lassen, aber man sieht sie bei genauerem Hinsehen immer noch. Ich habe außerdem rote Flecken auf der Stirn, wie eigentlich immer, wenn ich geweint habe. Allerdings verrät ein Blick auf mein Handy mir, dass ich heute mindestens zehn Minuten zu spät zu Englisch kommen werde. Egal, denke ich mir, ist ja nicht so, als würde ich irgendjemanden mit meinem Aussehen beeindrucken wollen. Ich ziehe mir also schnell Schuhe und Jacke an und lasse die Haustür hinter mir ins Schloss fallen.
Ich blicke in den Himmel und mir fällt auf, dass die Wolken noch dunkler geworden sind. Na super. Es könnte jeden Moment anfangen zu regnen, ich will jetzt aber auch nicht mehr zurück ins Haus gehen und mir einen Regenschirm holen. Also laufe ich trotzdem los, über den Steinweg auf den Bürgersteig zu. Überrascht sehe ich einen schwarzen Range Rover mit getönten Scheiben am Straßenrand stehen. Was hat der denn hier zu suchen? Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und will gerade daran vorbei gehen, als die Tür an der Fahrerseite aufspringt. Ich zucke zusammen und starre mit geweiteten Augen und pochendem Herzen auf die Innenseite der Fensterscheibe. Oh Gott. Ich bleibe stocksteif stehen. Das könnte sonst wer sein. Ich mache ängstlich ein paar Schritte nach hinten. Meine Kehle schnürrt sich zu und mein Herz schlägt immer schneller.
Plötzlich springt ein grinsender Trent aus dem Autositz auf mich zu. Ich atme erleichtert auf. Puh, kein Vergewaltiger. "Wovor hast du denn so große Angst, Baby? Ich höre dein Herz bis hier hin schlagen", sagt er frech und schlägt die Autotür hinter sich zu. Ich verdrehe genervt die Augen. Der Typ hat mir heute morgen gerade noch gefehlt. Er mag zwar besser sein, als ein Vergewaltiger, aber das war es dann auch schon. "Oder lass ich dein Herz höher schlagen?", ergänzt er und zwinkert mir zu. Ich presse die Lippen aufeinander, um ihm nicht eine zu Klatschen, er geht mir sowasvon auf den Keks. Der kann sich seine lahmen Sprüche in den Allerwertesten schieben. "Das hättest du wohl gerne, was?", gifte ich ihn an. Der Ton meiner Stimme scheint ihm nicht das Geringste aus zu machen, er legt den Kopf mit seinem dämlichen Grinsen schief und antwortet: "Ganz genau."
Ich stöhne auf. Dafür habe ich echt keine Zeit mehr, ich sollte schon längst auf dem Weg in die Schule sein. Aber bevor ich mich auch nur einen Zentimeter vom Fleck rühren kann, steht er direkt vor mir. Ich funkele ihn wütend an. Der mit seiner dämlichen Werwolfschnelligkeit. Ich will mich an ihm vorbei drängen, aber er stellt sich in meinen Weg. Seine Miene wird ernster, er mustert mein Gesicht. "Hast du etwa geweint, Baby?", fragt er mich besorgt. Ich sehe auf die Straße unter uns und kaue auf meiner Unterlippe herum. Ich bin noch nie eine gute Lügnerin gewesen. Ich versuche, mir eine passende Antwort zurecht zu legen, aber er nimmt mein Gesicht sanft und vorsichtig in seine warmen Pranken und dreht meinen Kopf in seine Richtung. Seine Handflächen ruhen auf meinen Wangen, seine Daumen streichen leicht unter meinen Augen her. Seine Nähe gibt mir eine Gänsehaut, alles kribbelt und ich fühle wieder diese seltsame Kraft, die mich zu ihm hinzieht. Ich versuche, meinen Kopf wegzudrehen, aber sein Griff bleibt fest, ist aber dennoch sanft. Seine dunklen Augen blicken mitleidig in meine. "Was ist los, Baby?" Seine Stimme klingt so zart und weich wie Seide.
Mein Blick schweift umher und ich presse meine Zähne aufeinander. Die Sache mit meinem Bruder und meinen Eltern ist ein heikles Thema für mich und ich möchte nicht noch einmal weinen, vor allem nicht ein zweites Mal an nur einem Morgen. Trents linke Hand verweilt an meinem Gesicht, während seine Rechte an meinem Hals und meinem Arm hinunter zu meiner Hüfte gleitet und er mich näher an sich heran zieht. Ein wohliger Schauer läuft über meinen Rücken, als mir sein zimtigfrischer Duft entgegen strömt. Ich atme ihn gierig ein und lasse mich davon beruhigen. "Ich hab vorhin Schreie gehört, war es deswegen?", flüstert er in mein Ohr. Wir sind uns so nah, dass ich ihn bestens verstehen kann, obwohl er so leise spricht. Ich schüttle meinen Kopf und wispere zurück: "Ich will nicht wirklich darüber reden. Zu kompliziert."
Er nickt verständnisvoll und ich will gerade mein Gesicht in seiner trostspendenden Brust vergraben, als mir klar wird, wie wir hier eigentlich gerade stehen, mitten auf der Straße. Sein Arm ist um meine Taille geschlungen. Wie zur Hölle konnte mir das bitte entgehen? Ich lasse mich doch nicht einfach so von dem Freak umarmen? Hastig schiebe ich also seinen muskulösen Unterarm von meiner Hüfte und trete einige Schritte zurück. Er sieht mich empört an, wie ein verärgertes Kätzchen, oder vielleicht eher ein verärgerter Welpe, wenn man bedenkt, dass er ein Werwolf ist. "Meins", flüstert er schmollend, allerdings so leise, dass ich mir für einen Moment nicht sicher bin, ob er es wirklich gesagt hat oder ob ich es mir doch nur eingebildet habe. Ich starre ihn mit säuerlicher Miene an. "Erstens, gehöre ich mir selbst und niemandem sonst und auch ganz bestimmt nicht dir. Zweitens, wer hat dir erlaubt, mich ständig zu umarmen?", zische ich und zähle mit meinen Fingern mit.
Er verdreht die Augen, als ob ich soeben den größten Schwachsinn des Universums von mir gegeben hätte. Er greift nach meinen Händen, um unsere Finger zu verschränken, aber ich ich ziehe sie eingeschnappt weg. Er wirkt nicht wirklich glücklich über meine Geste. "Wie oft muss ich dir das eigentlich noch erklären? Wir sind Mates, Seelenverwandte. Wir sind wie füreinander geschaffen." Er klingt schon fast verzweifelt. "Ja und?", frage ich finster. "Das gibt dir nich lange nicht das Recht, mich immer anzufassen!" Und es ist auch nicht gerade besänftigend, zu sehen, wie Trent sich bei meiner Aussage ein Lachen verkneifen muss. Er läuft rot an. "Was denn?", verlange ich wütend zu wissen. Er hustet mehrere Male und fängt sich dann wieder. Frech erklärt er: "Baby, dass ich dich umarme sollte dein geringstes Problem sein. Früher oder später werden du und ich für Nachkommen sorgen müssen. Und wenn es nach mir gehen würde, würden wir das jetzt sofort in meinem Auto tun, aber..." Zur Untermauerung seiner Worte mustert er mich lüstern von oben bis unten.
Ich starre ihn mit offenem Mund geschockt an. Das ist doch wohl nicht sein Ernst, oder? Ich meine, ich erinnere mich an Megans Erklärung, dass mit der Fortpflanzung und so, aber als ob ich so würdelos wäre und meine Jungfräulichkeit in einem Auto verlieren würde. "Mach den Mund zu, Baby, sonst fliegen Fliegen rein." Automatisch schließe ich meinen Mund. Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich meine, sie leicht auf und ab wackeln zu sehen. Ich schnaube auf. "Oh mein Gott, Trent, du bist so ein Arschloch!", sage ich angewidert und hebe anklagend meinen Zeigefinger. Er grinst mich nur wieder an. "Ach komm schon, Baby, sei mal nicht so verklemmt."
"Ich bin nicht verklemmt und hör verdammt noch mal auf, mich die ganze Zeit Baby zu nennen!", zische ich. Er kommt wieder einige Schritte auf mich zu, diesmal weiche ich nicht zurück. Ich werde dem noch zeigen, wer hier die Oberhand hat. Er streicht meine Haare vor meinem Ohr zur Seite unf flüstert heiser und stämmig: "Du weißt, du liebst es, Baby." Ich fröstele, als ich seinen Atem auf meinem Ohrläppchen spüre. Und auch die Gänsehaut ist wieder da. Seine Hand liegt auf meinem Rücken, als er ganz leise und überhaupt nicht bedrohlich oder aggressiv, sondern eher versichernd und zufrieden, aus seiner Brust heraus knurrt. Meine Knie werden weich, und ich habe das Gefühl, ich würde jeden Moment umfallen. Und als hätte er das schon vorher gewusst, stützt er mich mit seinen Unterarmen. Er lächelt selbstzufrieden.
Bei seinem Gesichtsausdruck würde ich mich am liebsten übergeben, aber stattdessen nehme ich seine Arme und löse seinen Griff hartnäckig von meinem Körper. "Fass. Mich. Nicht. An.", rufe ich angriffslustig. Er hebt abwehrend die Hände und tritt einen Schritt zurück. "Ist ja schon gut", sagt er ruhig. Ich ignoriere ihn und zicke ihn an: "Was willst du überhaupt hier?" Dann verschränke ich die Arme vor der Brust. Er vergräbt seine Hände in den Hosentaschen. "Ich wollte dich zur Schule fahren, es wird bald regnen und ich weiß, dass du kein Auto hast", antwortet er mit einem kleinen Lächeln, das seine Mundwinkel umspielt. Stalker. "Pff", mache ich. "Nein, danke. Ich bin auch sehr gut dazu in der Lage, zu laufen."
Demonstrativ schiebe ich mich an ihm vorbei und maschiere selbstbewusst den Bürgersteig entlang. Ich brauche seine Hilfe nicht, ich komme bestens alleine klar. "Aber was, wenn du dich erkältest, Baby?", ruft Trent mir hinterher. Ich verdrehe die Augen, der will es aber auch nicht kapieren oder? Ich könnte ihn erdrosseln, so sehr nervt mich sein Spitzname. "Werd ich nicht!", rufe ich selbstbewusst. Allerdings bin ich mir da etwa 200 Meter später nicht mehr so sicher, denn genau dann fängt es an zu regnen. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern richtig stark, wie aus Eimern. Wortlos ziehe ich mir die Kapuze meines Sweaters über den Kopf, meine Jacke hat nämlich keine. Ich stapfe weiter, auch als ich Trent in seinem Range Rover aus dem Augenwinkel in meinem Tempo neben mir herfahren sehe. Ich ignoriere ihn. "Jetzt komm schon, Baby, du wirst ernsthaft krank!", ruft er. Ich blicke ihn nicht mal an, sondern stapfe einfach weiter den Weg entlang.
"Caroline!" Ach? Jetzt bin ich also doch nicht mehr Baby? Jetzt habe ich wieder einen richtigen Namen? "Sei nicht dumm und steig einfach ein!" Ich beiße mir auf die Zunge, um ihm nicht einen bissigen Kommentar zu zurufen. Der hat sie doch wirklich nicht mehr alle. "F*ck, Caroline! Jetzt steig in das verdammte Auto oder muss ich dich hier erst reintragen?", brüllt er. Aber das ist kein normales Brüllen, in meinen Ohren klingelt es nämlich danach und ich fühle mich benommen. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, dass ich mich nicht auf den Beinen halten kann, aber dann schleppe ich mich ein paar Meter weiter auf einen Laternenpfahl zu und stütze mich daran auf. Außerdem drücke ich eine Hand an meinen Kopf, um dieses grässliche Klingeln auszublenden. Ich kneife meine Augen zusammen.
Was bitte war das? Was hat er mit mir gemacht? Ich höre, wie er seinen Wagen anhält und aussteigt. Schnelle Schritte kommen auf mich zu. "Wag es ja nicht", warne ich ihn. Er bleibt sofort stehen. Das Klingeln und die Benommenheit lassen nach, ich kann mich wieder aufrichten und weiter gehen. Die Schule ist nicht mehr weit von hier. "Ich bin sowieso schon nass, also lass es gut sein, ja?", bete ich ihn. Er antwortet nicht, aber ich höre ihn näher kommen. "Heute ist echt nicht mein Tag, ich hab keine Nerven mehr für dich", flüstere ich erschöpft und er bleibt stehen. Regentropfen klatschen aufs Pflaster. Er nimmt sich einen Moment Zeit für seine Antwort. "Okay", sagt er schließlich. Seine Autotür schlägt wieder zu und der Motor heult auf. Als er dann endlich an mir vorbei gefahren ist, atme ich auf und gehe im stärksten Regenschauers des Jahres weiter zur Schule. Es regnet so stark, dass ich kaum 15 Meter weit gucken kann, aber ich gehe trotzdem weiter.
Ungefähr zehn Minuten später komme ich dann auch an, klitschnass und mit übler und mieser Laune. Trents Auto steht ganz vorne auf dem Parkplatz, als hätte man ihm einen Platz frei gelassen. Ist wahrscheinlich auch so, er ist ja der Alpha. Ich sehe auf mein Handy, die halbe Englischstunde habe ich schon verpasst. Na toll. Heute ist echt nicht mein Tag, denke ich mir, als ich mich mürrisch die Treppe hoch zu Mrs. Hales Englischklasse schleppe.
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[A/N] Yay! Neues Update!
Ich würde dieses Kapitel gerne @BellaRelia widmen, ich bin aber leider zu doof, um das vom Handy aus zu machen. Oops (Hi).
Danke für deine lieben und süßen Kommentare der letzten Kapitel, die haben mich echt zu einer neuen Idee für die späteren Kapitel inspiriert. 💕☺️
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ich würde mich sehr über Votes und Kommentare freuen!
Auch wenn sie in diesem Kapitel nicht vorkommen, das Bild an der Seite sind Megan und Jared.
xx
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