Kapitel 4

"Süßes oder salziges Popcorn?", fragt Megan, nachdem sie mir meinen Kakao in die Hand gedrückt hat. "Süß", antworte ich, während Cheryl im gleichen Moment "Salzig" sagt. Sie kichert, ich nicht. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für so was. Richtig klar kommen mit der Situation tu ich definitiv noch nicht. Es ist einfach alles so überwältigend, aber ich versuche nicht weiter darüber nachzudenken, denn sonst bekomme ich nur noch mehr Kopfschmerzen.

Kurz nachdem Cheryl sich verwandelt hatte, hat es angefangen zu regnen und wir sind klitschnass geworden. Deshalb sitzen wir jetzt auch im Keller des Packhouse, in einem Raum mit einer Leinwand und mehreren Couchen und Sitzkissen. Cheryl hat uns Decken aus ihrem Zimmer gebracht, als sie sich neue Klamotten anzog, weil die Alten schließlich bei der Verwandlung zerrissen waren. Ich drücke mich tiefer ins dunkelgrüne Polster und wickele mich in die weiche Decke ein. Dann nehme ich einen zögerlichen Schluck von meinem Kakao. Mist, das Ding ist so heiß, ich hab mir die Zunge verbrannt. Toll gemacht, Caroline.

Megan stöhnt auf, ich sehe fragend zu ihr auf. "Kommt schon, Leute, einigt euch auf eine Sorte." Cheryl zieht eine Augenbraue hoch. "Entscheide du doch", sagt sie gleichgültig. Megan zuckt mit den Achseln und geht auf die Tür zu. "Okay, süß", ruft sie über ihre Schulter, dann hören wir sie eine Treppe hochlaufen. Cheryl fängt an, mich mit irgendetwas zu zutexten, aber ich höre ihr nicht wirklich zu, sondern nicke nur abwesend. Ich glaube, ich bin noch immer in einer Art Schockzustand. Wenig später kommt Megan dann auch wieder mit einer großen durchsichtigen Schale mit Popcorn rein, und die Beiden beginnen, einen Film auszusuchen, aber mir ist es eigentlich egal, welchen wir schauen, ich will nur noch nach Hause und mich in mein Bett kuscheln.

Nach einer gefühlten Ewigkeit legt Cheryl dann endlich Harry Potter and the Goblet of Fire ein und setzt sich zu uns. Gierig greifen die Beiden ins Popcorn, aber mir ist eher schlecht. "Also der vierte Harry-Potter-Teil ist auf jeden Fall mein Lieblingsteil aus der Reihe, auch wenn Harrys Frisur echt schlimm aussieht", kichert Cheryl und Megan nickt aufgeregt. Der Film fängt an, aber ich passe nicht wirklich auf, ich bin zu sehr in Gedanken versunken. Es ist einfach alles so verrückt. "Alles in Ordnung, Care? Du bist ein bisschen weiß um die Nase." Megans Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich zucke zusammen. Ich nicke mit ausdrucksloser Miene und krächze: "Bin nur müde und ich muss das alles noch verarbeiten." Sie presst die Lippen aufeinander und wirft mir einen verständnisvollen Blick zu.

Ich sehe zur Leinwand und mir fällt auf, dass sie schon bei der Szene angekommen sind, in der Harry gegen den Drachen kämpfen muss. Ich versuche mich auf den Film zu konzentrieren, gebe es aber wenig später auf und lege den Kopf auf die Knie. Ich fahre mir mit meiner linken Hand durch meine nassen Haare und seufze auf. Warum muss dieser Werwolfmist mir passieren? Warum nicht irgendjemand anderem?

Ich bin halb eingeschlafen, als ich auf einmal Stimmengewirr von vor der Tür wahrnehme. Ich blinzele ein paar mal und blicke dorthin. Plötzlich springt sie auf und ein super aufgeweckter Jeremy kommt herein gehüpft. "Da sind sie ja!", ruft er und lässt sich neben Cheryl auf die Couch fallen. Er legt einen Arm um ihre Schultern und grinst mich frech an. Direkt danach kommen auch noch Rick, Jared und Trent rein geschlendert. Ich versuche ihn nicht anzusehen, aber Trent sucht sofort meinen Blick und ich kann nicht von seinen dunklen Augen wegsehen. Er sieht müde aus und auch ein wenig traurig. Erst jetzt mustere ich sein Gesicht und seinen Körper genauer.

Er hat hohe Wangenknochen und auch eine relativ hohe Stirn. Sein Gesicht ist ovalförmig und sein Körper ist von oben bis unten bepackt mit Muskeln. Und er ist groß. Und wenn ich groß sage, dann meine ich richtig groß. Mindestens 1,92 Meter. Er sieht mich aus seinen dunkelbraunen Augen an, als könnte er in mein tiefstes Inneres schauen. Vielleicht kann er das ja auch. Mit diesem ganzen Werwolf- und Seelenverwandtenkram. Oder er ist einfach nur creepy af. Ich runzele meine Stirn und sehe peinlich berührt auf meine Knie. Ich beginne, mit meinen Fingern an der Naht meiner Jeans herum zu zupfen. Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe. Wie soll ich mich jetzt bloß ihm gegenüber verhalten?

Nervös blicke ich wieder zu ihm auf. Er mustert jede meiner Bewegungen haargenau und ein kleines Lächeln spielt auf seinen Lippen. Er macht einen Schritt nach vorne, als ob er auf mich zukommen wollte, doch im selben Moment quetscht Jared sich zwischen Megan und mich auf die Couch. Er legt uns beiden einen Arm um die Schultern und zieht uns an seine Brust. "Na? Wie geht's meiner Süßen und meiner zukünftigen Chefin?", fragt er selbstsicher und zwinkert mir zu, während er mein Gesicht in sein T-Shirt presst. Dann wuschelt er uns beiden noch durch die Haare. Megan verdreht die Augen und schubst seinen Arm von ihrer Schulter. "Du bist so ein Idiot", schmollt sie. Jared grinst und flüstert frech: "Dein Idiot." Megan kichert. "Stimmt." Dann zieht sie ihn an seinem Hinterkopf zu ihr herunter und drückt ihre pinken Lippen auf seine.

Ich werde ein bisschen rot und sehe schnell weg, ich will schließlich nicht wie ein Weirdo wirken. Vorsichtig nehme ich seinen Arm von meiner Wange, aber er scheint das gar nicht mehr mitzubekommen, er ist zu sehr mit Megan beschäftigt. Ich sehe mich im Raum um. Die anderen haben sich mittlerweile ebenfalls auf die Couchen und Sitzkissen verteilt und auch Sierra ist zu uns gestoßen. Ihre Miene wirkt allerdings genervt, als sie Jeremy aufgebracht irgendetwas erzählt. Cheryl redet hingegen mit eisernem Blick auf Trent ein, doch dieser scheint ihr gar nicht zu zuhören, sein Blick ist auf Jared und mich konzentriert, seine Augen zu Schlitzen verengt und seine Hände zu Fäusten geballt. So krampfhaft, dass seine Knöchel weiß werden.

Etwas unbeholfen reibe ich mit meinen Handflächen über meine Knie und starre auf die Leinwand. Den Film scheinen Megan und Cheryl total vergessen zu haben. Einen Moment lang sitzen wir noch im Keller bis Rick auf einmal "Ich hab Hunger!" ruft und alle anderen zustimmen. Megan und Cheryl auch. Die haben doch gerade erst eine riesige Schale Popcorn verdrückt. Wie können die jetzt schon wieder Hunger haben? Vor allem, wenn man bedenkt wie dünn die Beiden sind.

Jeremy lacht bei meinem fragenden Gesichtsausdruck, als sie sich alle erheben, um sich etwas zu essen zu machen. Er zuckt mit den Achseln und grinst mich mit seinem typischen Grinsen an. "Werwölfe halt. Wir haben so ziemlich immer einen Bärenhunger." Er zwinkert mir zu. Was haben die alle mit ihrem dämlichen Zwinkern? Ich nicke ihm leicht zu. Wenig später öffnen wir die Tür zum dritten Stockwerk und gehen durch einen dunklen Flur mit einem langen beigefarbenen Teppich und mehreren Holztüren an den Wänden. Wir gehen durch eine weitere Tür und kommen in einer riesigen Küche an. Während die anderen sich auf dem Weg laut unterhalten haben, war ich eher leise. Stellt sich heraus, Sierra musste noch die Klasse aufräumen, weil sie im Unterricht zu laut war. Und das tut mir ja leid für sie, aber ich will nach Hause. Und damit meine ich nicht das in dieser Stadt. Ich will zu Toby.

Sierra reißt ein paar Schränke auf und fängt an, allen Peanutbuttersandwiches zu schmieren, aber ich habe immer noch keinen Appetit. Ich sehe durch eines der Fenster in den Wald hinaus. Die Sonne wird bald untergehen. Oh Mist. Meine Mutter macht sich sicherlich schon Sorgen. Hektisch fische ich mein Handy aus meiner Hosentasche, nur um dann fest zu stellen, dass mein Akku leer ist. Ich stöhne genervt auf und kneife meine Augen zusammen. Meine Haare fallen mir ins Gesicht. Heute ist einfach nicht mein Tag.

Plötzlich streicht mir eine warme Hand meine hellbraunen Haarsträhnen hinters Ohr. Ich zucke leicht zusammen und sehe mit geweiteten Augen auf. Trent sieht mich mitfühlend an. Er steht nur wenige Zentimeter von mir entfernt und sein beruhigender Geruch versetzt mich in eine Art Trance. Mein Herz schlägt schneller. Dennoch trete ich einen Schritt zurück, er macht mir immer noch ein wenig Angst, schüchtert mich ein. "Alles okay?", fragt er sanft, seine Stimme tief, aber trotzdem warm. Da ich meiner Stimme in diesem Augenblick nicht ganz traue, nicke ich nur und schlucke schwer. "Sicher?", hakt er besorgt nach. "J-ja", stottere ich. "Mein Handy hat nur gerade den Geist aufgegeben."

Er hebt langsam seine Hand und fährt mir mit seinen Fingerspitzen zärtlich über mein Gesicht, als ob er sich jeden meiner Gesichtszüge einprägen wollte. Meine Haut kribbelt überall, wo er mich berührt. "Oh", murmelt er abwesend. Einen Moment lang starren wir uns nur in die Augen und eine wohlige Wärme breitet sich in meinem Inneren aus. Dann lässt er seinen Arm fallen und lächelt mich an. "Wann willst du deine Sachen holen?", fragt er leise. Was? Wovon zur Hölle redet der jetzt schon wieder? Ich runzele die Stirn. "Was?"

Sein Lächeln wird breiter. "Naja, du brauchst ja schließlich Klamotten und sowas, wenn du hier einziehst und-" Ich unterbreche ihn mitten im Satz und frage entgeistert: "Mo-Moment mal, hier einziehen? Was soll das denn heißen?" Trent fährt sich durch die Haare. "Als mein Mate brauch ich dich immer in meiner Nähe und da du ja sowieso die Luna dieses Rudels -", wieder unterbreche ich ihn während seiner Erklärung: "Sag mal bist du noch ganz dicht? Ich werde ganz bestimmt nicht hier einziehen! Vor allem nicht, weil irgendsoein Freak sich einbildet, er hätte dämlichen Anspruch auf mich! Ich hab noch Eltern und Geschwister und ich ziehe ganz sicher nicht mit 17 aus! Das kannst du aber mal sowasvon knicken!"

Er sieht mich mit großen Augen an, meine Reaktion hätte er nicht erwartet. Für einen kurzen Moment ist alles still, ich sehe mich in der Küche um. Die anderen sehen mich geschockt an, als ob ich gerade ein Staatsverbrechen begangen hätte. Was denn? Ich vertrete doch nur meine Meinung. Ich blicke wieder zu Trent auf, seine Miene verdüstert sich mit jeder Sekunde und er starrt mich wütend an. Bedrohlich kommt er einen Schritt auf mich zu, ich weiche einen zurück. Er drängt mich gegen den Küchentresen. Mein Atem stockt. Was hat er vor? Er beugt sich etwas hinunter, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Mit einer überraschen ruhigen Stimme flüstert er: "Du wirst hier einziehen, ob du es willst oder nicht. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald." Es ist so still in der Küche, man würde eine Stecknadel fallen hören. Er ist mir so nah, ich kann nicht richtig denken und finde keine Worte, die ihn zurück in seine Schranken weisen würden. Er kommt mir noch näher, ich spüre seinen heißen Atem auf meinen fest zusammengepressten Lippen. Er umklammert meine Oberarme mit eisernem Griff. "Hast du mich verstanden?", knurrt er. Ich zucke zusammen und eine Gänsehaut breitet sich über meinem Körper aus. Seine Augen durchbohren meine, mein Herz pocht immer schneller. Er macht mir Angst. Bein letzten Mal hat er auch die Kontrolle verloren. "I-Ich ... ähm", stottere ich. Zum Glück kommt Jared mir zur Hilfe. Er zieht Trent sanft an seinen Schultern zurück. "Sieh sie dir an, Mann. Sie hat Angst. Vor dir", sagt er ruhig. Trent sieht ihn entgeistert an. "W-Was?", fragt er zitternd. Er lässt meine Arme los und sieht mich prüfend an. Als er meinen Gesichtsausdruck sieht macht er mehrere Schritte zurück, ein Blick von Horror in seinen Augen.

"F*ck", flüstert er. Er sieht so verletzt aus, dass ich am Liebsten auf ihn zugelaufen wäre und ihn eigentlich einfach nur noch umarmt hätte. Wie ein getretener und vor die Tür gesetzter Welpe. Aber ich rühre mich nicht vom Fleck. Verzweifelt fährt er sich mit den Händen durchs Gesicht. "F*ck, es tut mir so leid." Er sieht mich niedergeschlagen an und flüstert noch einmal: "Ich wollte dir keine Angst machen, Caroline, es tut mir so f*cking leid." Glitzern da etwa Tränen in seinen Augen? "Ich hab's verkackt, Mist",murmelt er immer wieder vor sich hin. Jared wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und fängt an, auf Trent ein zureden: "Ist gut, okay? Beruhig dich, wir gehen 'ne Runde laufen, komm." Er schiebt ihn durch eine Tür und weg sind sie. Wie erstarrt lehne ich gegen den Küchentresen. Sierra ist die erste, die sich wieder fängt und sie kommt sofort auf mich zugelaufen. Sie nimmt mich in die Arme. "Oh nein, nicht das auch noch. Du arme. So viel auf einmal", plappert sie drauf los und drückt mich auf einen Küchenstuhl. Dann stellt sie mir ein Glas Milch vor die Nase und schiebt eine Packung Oreos auf mich zu. "Iss was, Honey. Du bist ganz grün im Gesicht." Ich schlucke schwer. Nach Essen ist mir wirklich nicht zu Mute. Megan setzt sich neben mich und nickt eifrig. "Sie hat Recht, Care", sagt sie und streicht mir mitfühlend über den Arm. Ich schüttele den Kopf. "Mir ist schlecht", flüstere ich heiser.

Rick springt auf und füllt mir an der Spüle ein Glas mit Wasser. Er drückt es mir schnell in die Hand und ich trinke es in Sekundenschnelle aus. "Besser?", fragt er. Ich nicke und forme 'Ja' mit den Lippen. Megan legt einen Arm um meine Schultern. "Kannst du mich nach Hause bringen?", frage ich sie müde. Sie presst die Lippen aufeinander und antwortet leise: "Klar." Ich verabschiede mich von Rick und Jeremy, Cheryl und Sierra umarmen mich besonders lange. Megan führt mich durchs Treppenhaus in die Garage zu ihrem Auto. Auf dem Weg dorthin kommen uns relativ viele Leute entgegen, die meisten von ihnen im Erwachsenenalter, und sie alle starren mich komisch an. Wissen die, dass ich Trents Mate bin? "Warum ist es hier auf einmal so voll?", frage ich Megan. "Die meisten Mitglieder dieses Rudels müssen tagsüber arbeiten und deswegen kommen sie erst jetzt nach Hause", antwortet sie. Eine kleine zierliche Frau geht an uns vorbei, sie lächelt uns an und sagt "Hi", bevor sie weiter geht. Meine Augen weiten sich. "War das etwa Mrs. Hale, unsere Englischlehrerin?" Ich bin schockiert. Sie ist auch ein Werwolf? Megan kichert. "Yep", sagt sie. "Sie hat sogar einen recht hohen Rang, bei Konferenzen wird sie immer zu Rate gezogen." Okay, das hätte ich jetzt nicht gedacht.

Wir erreichen ihr Auto und steigen ein. Die Dämmerung hat mittlerweile schon angefangen. Megan fährt los und ich lehne mich im Beifahrersitz zurück. Keine von uns sagt etwas, ich bin für jegliche Art der Unterhaltung viel zu erschöpft. Sie dreht das Radio auf. "I got a heart and I got a soul, believe me I will use them both..." Ich kenne das Lied nicht, aber wenigstens ist es jetzt nicht mehr so still im Auto. Meine Gedanken wandern. So viel ist heute passiert. Ich habe herausgefunden, dass ich zusammen mit einem Psychopathen ein Rudel Hunde leiten soll und dass ich mit ihnen allen zusammen in einem riesigen Haus leben soll. Wie verrückt ist das denn bitte?

Wir fahren schon eine ganze Weile, denn Megan biegt aus der Abzweigung auf die Straße ein. Doch plötzlich zuckt sie zusammen und grummelt leise vor sich hin: "Krieg dich unter Kontrolle, du Nudel." Redet sie mit mir? Die Reifen quietschen, als wir mitten auf der Straße anhalten. Was ist denn jetzt los? Sie sieht mich etwas genervt an. "Steig aus", sagt sie mit ernster Miene. Ist das ein Scherz? Ich hab doch keine Ahnung, wo wir sind. "Na los, mach schon", drängt sie. Verunsichert schnalle ich mich ab und steige aus. Ich sehe Megan fragend an. "Und was jetzt?" Sie verdreht die Augen und nickt mit dem Kopf auf den Weg vor uns. Verwirrt sehe ich mich um. Erst kann ich in der fast kompletten Dunkelheit nichts erkennen, doch dann sehe ich ihn. Und ich verspüre keine Angst, es fühlt sich mehr an, als würde mich etwas zu ihm hin ziehen.

Nur in Shorts und ohne T-Shirt steht er am Straßenrand. Ich starre ihn einfach nur an, nicht sicher, was ich jetzt tun soll. Megan stöhnt auf. "Jetzt geh schon hin, ich will heute auch noch wieder nach Hause." Ich atme einmal tief durch und gehe auf ihn zu. Je näher ich ihm komme, desto besser sehe ich ihn. Und sein Sixpack. Und seinen Biceps. Und sein Tattoo auf seiner linken Schulter. Shit. Ich spüre, wie mir die Wärme ins Gesicht steigt und ich sehe schnell auf den Boden. Ein paar Schritte später stehe ich vor ihm. Seine warmen, leicht rauen Fingerspitzen fassen unter mein Kinn und er hebt meinen Kopf leicht an, sodass wir uns in die Augen sehen können. Er ist so ruhig und friedlich, kein Vergleich zu seinen Ausrastern vorhin in der Küche und in der Schule. Er schmunzelt. "Du darfst ruhig starren, Baby." Ich erröte noch mehr. Ich muss aussehen wie eine Tomate. Ich versuche, wieder weg zu sehen, aber er lässt mich nicht. Was denkt der eigentlich, wer er ist? Ich fasse mich wieder und starre ihn finster an. Als ob ich den Freak einfach so mit mir flirten lassen würde. Er verkneift sich ein Lächeln. "War nur ein Scherz", sagt er. Ich antworte nicht. Warum ist er hier?

Er räuspert sich. "Ich wollte mich nur nochmal entschuldigen. Und ich will wirklich nicht, dass du dich vor mir fürchtest." Er klingt aufrichtig, aber ich sage immer noch keinen Ton. Was erwartet er? Dass ich ihm in die Arme springe und wir es hinter einem Baum tun? "Du musst nichts sagen", flüstert er. Hatte ich auch nicht vor, du Freak. Für einen Moment stehen wir unbehaglich in peinlicher Stille voreinander. Dann hebt er die Arme und zieht mich an seine nackte und warme Brust. Mein Herz schlägt schneller, stocksteif stehe ich in seiner Umarmung. Heiser flüstert er in mein Ohr: "Und ich wollte dir noch sagen, dass du jetzt schlafen gehen sollst, es ist spät." Er vergräbt sein Gesicht in meinem Nacken und atmet meinen Geruch ein, er macht ein zufriedenes Geräusch. Ich umarme ihn aber nicht zurück. Er lässt mich los und zwinkert mir zu. "Gute Nacht, süße Träume, Baby." Kann der vielleicht mal aufhören, mich Baby zu nennen? Ich kenn den Typen nämlich nicht. Falls er das noch nicht selbst bemerkt hat. Er grinst bei meinem säuerlichen Gesichtsausdruck. Dann dreht er sich um, die Muskeln in seinem Rücken dehnen sich und er verschwindet wieder in den dunklen Tiefen des Waldes.

Ich drehe mich automatisch auch um und jogge wieder zu Megan zurück. Sie grinst mich frech an. "Na, alles klar, Baby?", fragt sie und ich verdrehe die Augen und boxe ihr leicht in den Oberarm. "Au!", schreit sie auf und ich sehe sie überrascht an. So fest habe ich doch gar nicht geschlagen? Sie hält ihren Arm fest und sieht mich ängstlich an. Dann lacht sie auf einmal auf. Sie deutet mit dem Zeigefinger auf meine Wange. "Oh mein Gott, dein Gesicht!" Angepisst starre ich auf ihren Finger. Meine Augen verengen sich und ich tue so, als würde ich ihr jeden Moment in den Finger beißen. Sie lacht nur noch mehr. "Nicht in der Stimmung", sage ich tonlos und sie kriegt sich langsam wieder ein. "Ich bin ja schon ruhig", sagt sie etwas atemlos. Wir fahren wieder los. Das Radio läuft leise im Hintergrund weiter.

Ungefähr 15 Minuten später hält Megan vor meinem Haus, nachdem ich ihr von der Schule aus den Weg beschrieben habe. Wir verabschieden uns und tauschen noch schnell unsere Handynummern aus. Ich winke ihr nach, als sie davon braust und gehe den Steinweg zur Haustür hoch. Es ist stockfinster draußen und ich wappne mich für die Standpauke meiner Mutter. Zögerlich öffne ich die Tür. Es ist düster im Flur und ich schleiche mich ins helle Wohnzimmer, meine Geschwister schlafen sicher schon. Meine Mutter sitzt mit dem Kopf in den Händen auf der Couch, ein leeres Weinglas steht auf dem Couchtisch vor ihr. "Schließ die Tür", sagt sie erschöpft, ohne aufzusehen. Oh Gott, das kann ja heiter werden. Ich tue, was sie mir aufgetragen hat und setze mich dann mit etwas Abstand neben sie. Sie sieht auf. "Wo warst du?", fragt sie eiskalt. Gute Frage. "Ähm... Bei Freunden", antworte ich kleinlaut. Ihr Unterkiefer schiebt sich nach vorne. "Und da hättest du mich nicht anrufen können? Ich hab mir Sorgen gemacht, Caroline! Du hättest sonst wo sein können!"

Ich zucke zusammen. "Me-Mein Handy ist leer gewesen", stottere ich. Aber das besänftigt sie nicht. "Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass du neue Freunde gefunden hast, aber haben die kein Telefon? Meredith und ihre Familie waren heute zum Abendessen da und ich musste mir eine dämliche Lüge einfallen lassen, warum du nicht da warst. Wie hat mich das denn dastehen lassen?", ihre Stimme wird zum Ende hin immer lauter und sie fährt sich verzweifelt durch ihre ausnahmsweise mal offenen Haare. Aha. Darum geht es hier also. Ist ja mal wieder typisch. "Was denkt Meredith jetzt bloß, was ich für Kinder groß ziehe?" Sie sieht so fertig aus, aber der Grund ist lächerlich. Ich lache auf. "Homosexuelle Jungen. Und dann schmeißt du sie raus", antworte ich unverschämt auf ihre rhetorische Frage. Sie schnappt empört nach Luft. "Ich bin in meinem Zimmer", teile ich ihr noch mit und verlasse das Wohnzimmer, bevor sie mich aufhalten kann.

Schnell laufe ich die Treppe hoch in meinen Raum und ziehe mich um. Grob putze ich mir die Zähne und schminke mich mit einem Feuchttuch ab. Ich bin zwar extrem müde und will eigentlich einfach nur noch schlafen, aber ich setze mich auf die Fensterbank und öffne mein Fenster einen Spaltbreit. Der Wald ist so nah, dass die kühle Nachtluft ein wenig nach frischen Blättern riecht. Ich atme tief durch die Nase ein. Dann schließe ich mein Handy an mein Ladekabel an. Langsam fährt es wieder hoch. Als es dann endlich an ist, weiten sich meine Augen etwas überwältigt. Meine Mutter hat mich ganze 16mal angerufen und ich habe zwölf neue Nachrichten von Toby.

Von: Toby
Heute 15:08
Hey Kleines, treffe mich heute mit Dylan, wünsch mir Glück :)

Heute 18:39
Oh mein Gott, ich glaub ich bin verliebt, er ist sooo nett und wie er erst aussieht! *-*

Heute 18:42
Ich wünschte du könntest ihn treffen :(

Heute 19:17
Antworte miiiir!!!

Und noch acht weitere Nachrichten, in denen er mir von Dylan vorschwärmt. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, er ist einfach nur zu süß. Wie ein liebeskranker Affe. Ich sende ihm schnell eine SMS zurück.

An: Toby
Heute 00:01
Ich freu mich so sehr für dich! :) du bist einfach nur zu niedlich. Ruf mich morgen an

Dann lege ich mein Handy zurück auf den Nachtisch. Ich lasse die Ereignisse des Tages noch einmal auf mich wirken. Ich kann immer noch kaum fassen, dass es Werwölfe wirklich gibt. Allein das ist schon überwältigend genug und dann kommt noch das ganze Matezeug dazu. Ich hab echt keine Ahnung, wie ich mich Trent gegenüber verhalten soll. Erwartet er jetzt, dass ich damit klar komme? Glaubt er, wir sind jetzt zusammen? Ugh. Ich weiß es einfach nicht, ich bin innerlich verwirrt. Und Denken macht mich nur noch müder, als ich eh schon bin. Ich strecke mich und entscheide mich, einfach eine Nacht darüber zu schlafen. Ich lasse mein Fenster offen und falle kraftlos in meine Kissen. Innerhalb weniger Minuten bin ich eingeschlafen.

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[A/N] Wichtig! Bitte Lesen!

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen, aber ich bin mir nicht ganz sicher, wie oft ich in den nächsten zweieinhalb Wochen updaten kann. Ich bin nämlich momentan in Amerika und habe dafür nicht ganz so viel Zeit wie sonst. Ich muss die Kapitel auch an meinem Handy schreiben deswegen tut es mir leid, wenn sie ein bisschen crappy sind. Aber ich gebe mein Bestes und ich verspreche euch, ich werde auf jeden Fall irgendwie updaten.

Danke fürs Lesen, Voten und für die teilweise echt sweeten Kommentare der letzten Kapitel :)

Das Bild an der Seite sind Caroline (im Buch mit grünen Augen) und Trent *-*

xx

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