Kapitel 17

Dass mir die zwei Wochen ohne Trent mit der Zeit leichter fallen, kann ich definitiv nicht behaupten. Im Gegenteil. Mit jedem Tag wird es schwerer, ich fühle mich immer erschöpfter und es kommt mir so vor, als müsste ich 15 Stunden am Tag schlafen, um diese Ernergiedefizite wieder aufzuholen. Aber dafür habe ich natürlich keine Zeit, denn je weiter wir ins Schuljahr herein rücken, desto mehr Hausaufgaben und Projekte werden uns aufgehalst.

Vielleicht ist das dann wiederum auch gar nicht so schlimm, so bin ich wenigstens halbwegs von der Abwesenheit meines Mates abgelenkt.

Und dann ist da auch noch Marylin, die, wie ich mittlerweile erfahren habe, die Stufe unter uns besucht. Sie sieht es neuerdings als ihre Pflicht an, uns in jeder möglichen Pause Gesellschaft zu leisten. Keiner von den anderen beklagt sich, denn zu jedem, abgesehen von mir, ist sie super nett, weshalb ich sie noch weniger ausstehen kann.

Ich habe mich deswegen auch schon lautstark bei Megan ausgelassen, sie ist schließlich die Einzige, die Marylin gegenüber ebenfalls misstrauisch ist, aber sie hat mir nach einer langen Diskussion verklickert, dass die überschminkte Barbiepuppe nun mehr oder weniger zum Rudel gehört, sie ist und bleibt Troys Schwester. Sie wird zwar sicherlich nicht im Packhouse einziehen, dafür werde ich schon sorgen, jedoch hat sie das Recht darauf, Zeit mit uns zu verbringen, und allein bei dem Gedanken an diese parfümierte Schönheitstussi möchte ich meinen Mageninhalt in ihre Extensions würgen.

Zu Jeremy, Jared, Rick und Megan ist sie ein Engel, für mich ist sie eher mein persönlicher Teufel. Andauernd schenkt sie mir diese bissigen Blicke, bei denen ich ihr am liebsten wie eine Furie jedes Haar einzeln ausreißen will. Außerdem nutzt sie so ziemlich jede Gelegenheit, um mich vor den anderen schlecht dastehen zu lassen.

Gerade meine Verschlafenheit spielt ihr in die Hände, jeden Tag findet sie einen neuen Makel an mir, auf den sie alle aufmerksam machen muss. Ich weiß selbstverständlich, dass sie sich niemals gegen mich verschwören würden, ich werde ja bald ihre Luna sein, aber es juckt mir dennoch in den Fingern, ihr Gesicht mit meiner ganzen Kraft in eine Schlammgrube zu schmettern und sie danach mit voller Wucht in die Sahara zu katapultieren. Verdient hätte sie es.

Natürlich habe ich auch versucht, die anderen in meine Verschwörungstheorien, dass Marylin mich loswerden will, einzuweihen, aber sie schüttelten nur verwirrt ihre Köpfe, was ich ihnen, so sehr ich es auch versuche, nicht übel nehmen kann, zu ihnen ist das Biest ja extrem freundlich.

Vor allem Sierra wird, sobald ich Marylin erwähne, um über sie zu lästern, immer ganz zickig, was unwiderruflich an Troy liegt. Sie ist sogar begeistert von der Oberschla*mpe und ich befürchte, dass sie sie sich zum Vorbild nimmt. Oh Gott, meine Nerven überleben das nicht ohne Trent!

Wenigstens Troy ist mir von der Pelle gerückt, seitdem er sich Hals über Kopf in Sierra verliebt hat. Und ich muss sogar zugeben, er ist eigentlich ganz nett, wenn er nicht gerade versucht wie ein Drittklässler mit mir zu flirten. Zu besten Freunden macht uns das allerdings auch noch lange nicht.

Und dann sind da noch Sierra und Troy, Troy und Sierra. Die gibt es momentan nur noch im Doppelpack. Ich kann inzwischen nicht einmal mehr unterscheiden, ob sie mit Kleber zusammengepackt wurden oder nicht.

Es ist ja nicht so, als würde ich mich nicht für sie freuen, ich bin eigentlich sogar überglücklich, dass Sierra endlich nicht mehr in ihrer Ecke herum schmollt, aber sie erinnern mich pausenlos an meine momentane Einsamkeit, zwar auf Zeit, eben bis Trent wieder kommt, was es allerdings auch nicht besser macht, und ich halte die Beiden inzwischen genauso wenig aus wie Megan und Jared. Oh Gott, ich klinge wie ein alte, verbitterte Jungfrau. Ach warte, das bin ich sogar.

Aber wer kann es mir schon verübeln, wenn Sierra quasi die ganze Zeit auf Troys Schoß verbringt und sich von ihm mit Muffinstückchen füttern lässt. Oder er sie über ihre Schulter wirft und sich mit ihr was weiß ich wohin verzieht, damit sie rumknutschen können. Nein, danke, ich verziehe mich jetzt mit meiner Schokolade zurück in mein Loch und sterbe einen einsamen, langen Tod.

Deswegen habe ich in den letzten zwei Wochen auch eher Zeit mit Jeremy und Rick verbracht, die sind nämlich so mit die Einzigen, in deren Gegenwart ich mir nicht die Kugel geben will. Megan und Jared beziehungsweise Sierra und Troy getrennt läuft super, sobald sie vereint sind ist es für mich vorbei. Ich hab sie alle echt lieb, bis auf Troy, der muss sich mein Vertrauen noch erarbeiten, aber solange Trent abwesend ist, müssen sie sich mit einer biestigen Caroline herumschlagen. Tja, nicht meine Schuld.

Jeremy und Rick hingegen scheinen mir gut zu tun, gerade Jeremy ist echt witzig, wenn man ihn etwas besser kennen gelernt hat.

Es ist also keine Seltenheit, dass ich nach der Schule mit den beiden im Packhouse rumhocke und sie mir alte Geschichten aus ihrer Kindheit erzählen. Ich habe auch das Gefühl, dass Jeremy mich als seine kleine Schwester ansieht, auch wenn ich ihm schon mehrmals erklärt habe, dass ich bereits einen großen Bruder habe und eigentlich nicht auf der Suche nach einem neuen bin. Er hat nur gelacht, mit seiner Hand eine abtuende Bewegung gemacht und behauptet: "Er ist ja nicht hier, also übernehme ich seinen Job, bis er wieder da ist."

Jeremy ist echt knuffig und sein zukünftiger Mate kann sich glücklich schätzen.

Rick ist aber kein bisschen weniger knuffig. Ich hätte es zwar niemals erwartet, aber er ist ein richtiger Fanboy. Und er macht keine halbe Sachen, nein, er zieht das ganze richtig durch. Es gibt denke ich mal keine Band oder Sänger, von denen er nicht mindestens den Namen gehört hat und auch bei Serien ist er auf dem neusten Stand. "Außer bei The Vampire Diaries", hat er einmal gesagt, "so einen Schrott gucke ich nicht."

Dafür habe ich ihm dann fast eine gescheuert, weil The Vampire Diaries hundertprozentig kein Schrott ist, das ist eine der besten Serien ever, was aber im Nachhinein nicht so klug gewesen wäre, ich hätte mir wahrscheinlich die Hand gebrochen und darauf hatte ich dann auch keinen Bock, ich meine, wer hat das schon? Ich glaube er ist mir auch recht dankbar dafür, weil Trent ihm wahrscheinlich, wenn er wiederkommt, als Rache den Kiefer gebrochen hätte, auch wenn das nicht einmal Ricks Schuld gewesen wäre, also meine gebrochene Hand.

Naja, wie auch immer, meine Zeit ohne Trent neigt sich jetzt auch langsam dem Ende zu. Mit jeder Sekunde rückt seine Ankunft näher, ich werde zwar auch angespannter, aber fühle mich bei dem Gedanken an ihn direkt wieder so, als könnte ich endlich wieder frei atmen. Ein Gefühl, das ich in den letzten zwei Wochen vermisst habe. Genauso wie ich Trent vermisse, vor allem weil er nicht einmal mehr die Zeit zum Telefonieren hatte oder dafür zu weit von der Zivilisation abgeschnitten war.

Ich brauche ihn.

Nicht nur, weil er mein Mate ist und ich mich ohne ihn schrecklich einsam fühle, sondern auch, weil ich es mich ohne seine Unterstützung nicht traue, meinen Eltern gegenüber zu treten, weshalb ich immer direkt nach der Schule mit ins Packhouse gefahren und erst so spät wieder nach Hause kam, dass sie schon längst am Schlafen waren. Ja, ich vermisse meine Geschwister, aber die Angst vor der Konfrontation mit meinen Eltern ist zu groß.

Jedenfalls muss ich jetzt nur noch zwei weitere Stunden leiden, denn es ist Donnerstagabend und das ganze Rudel ist vollkommen nervös und aufgeregt, denn es wird ein großes Festessen wegen der Rückkehr des Alphas und seines Sohnes, dem zukünftigen Rudelführer, veranstaltet.

Es ist also keine Überraschung, dass ich um sechs Uhr abends wie ein verlassenes Brett in der Gegend herumstehe, total nutzlos und ahnungslos, wie ich dem Rudel zur Hand gehen könnte. Andauernd läuft irgendwer hektisch an mir vorbei, die Frauen richten etliche Tische mit hellroten Tischdecken ein, stellen Kerzen auf und legen glänzendes Besteck neben hunderte von Tellern.

Es hat sich herausgestellt, dass es ein Buffet geben würde, weshalb am Rande des riesigen Esszimmers eine lange, schmale Tischreihe aufgebaut wurde, auf die momentan alle möglichen Werwölfe enorme Schalen mit Essen platzieren. Ich kann sie alle nur bestaunen, wie elegant sie sich zwischen einander her bewegen, niemand läuft gegen ein anderes Mitglied, sie wirken als hätten sie einen Tanz einstudiert, so leichtfüßig, wie sie voll bepackt von einem Ende des Raums zum anderen eilen.

Es ist allerdings auch tierisch laut, Melissa, die Luna des Rudels, steht am Kopfende der größten Tafel im Zimmer. Sie ruft pausenlos irgendwem eine Anordnung zu, woraufhin die entsprechenden Leute schnell verschwinden, um den Auftrag auszuführen ihre Luna nicht zu verärgern. Ich starre ihnen weiter fasziniert beim Vorbereiten des Festessens zu und schiebe mich unauffällig in eine Ecke, damit ich ihnen nicht im Weg stehe.

Doch plötzlich werde ich aus meiner Trance geweckt und zucke wie ein erschrockenes Reh zusammen. "Caroline!", keift Melissa, während ich blitzschnell zu ihr herum wirbele.

"Ja-a?", frage ich zögernd und schlucke den Klos in meinem Hals herunter.

"Mach dich nützlich und hol die Blumen aus der Küche. Dann kannst du sie auf den Tischen verteilen", befiehlt sie mir harsch.

Ich nicke zitternd, aber dennoch dankbar, dass ich endlich was zu tun bekomme und nicht mehr wie ein Vollidiot in der Gegend rumgammeln muss. Ich husche also durch die eilenden Werwölfe und versuche, niemanden anzurempeln. Ich spüre Melissas eisigen Blick noch auf mir, bis ich in der Küche verschwunden bin. Die Frau schüchtert mich ein.

Ich atme tief durch und lehne mich gegen die Tür, versuche meine Nerven wieder aufzusammeln. Sie wird mich eines Tages noch umbringen. Ich rappele mich jedoch sofort wieder auf, denn sobald ich anfange Zeit zu verschwenden, wird sie mir nur noch bissiger entgegentreten. Erschöpft seufze ich in mich hinein und wende mich meinen Aufgaben zu.

Auf dem Küchentresen stehen mindestens 20 Vasen mit weißen Rosen. Yay, große Wassertöpfe schleppen. Man bemerke den Sarkasmus. Ich mache mich widerstrebend an die Arbeit, dumm rumzustehen ist dann doch angenehmer.

Ich habe ungefähr fünf geschafft, als ich hinter mir jemand räuspert. Vor Schreck lasse ich fast die Blumen fallen. Wütend drehe ich mich um und verdrehe genervt die Augen, als ich Jeremy grinsend vor mir stehend sehe.

"Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe gebrauchen", bietet er freundlich an, ich bemerke allerdings sein Schmunzeln, er scheint sich über meine Langsamkeit beim Tragen der Vasen lustig zu machen. Ich schnaube zickig und nicke mit meinem Kopf zu den restlichen Rosen.

"Folg mir einfach mit denen."

Er salutiert und trippelt hinter mir her ins Esszimmer. Ich stelle die Vase auf einen der hinteren Tische. Zufrieden wende ich mich ihm zu, wobei mein Kiefer fast auf den Boden fällt. Während ich immer nur eine Blumenvase pro Gang nehmen konnte, balanciert er gleich drei auf einmal in seinen Armen und stellt sie dann alle ohne Problem auf der Tischkante ab. Dumme Werwolfstärke.

Ich schmolle und erkläre ihm, wo er die Rosen abzustellen hat. Er nickt mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck und dank seiner Hilfe sind wir innerhalb der nächsten 15 Minuten fertig. Doch bevor ich die Luna nach weiteren Aufgaben fragen kann, hat Cheryl mich schon beiseite gezogen und beginnt, mir begeistert mit ihrem Pinsel und Lidschatten ein 'Meisterwerk' auf die Augenlider zu zaubern.

Ich versuche mehrmals, sie von mir wegzubekommen, aber sobald ich mich bewege, schnauzt sie mich an, weshalb ich es nach wenigen Minuten aufgebe und sie einfach machen lasse. Und das bereue ich jetzt nicht im Geringsten, das Mädchen hat nämlich echt Talent.

Meine grünen Augen leuchten und stechen durch den goldbraunen Lidschatten hervor, meine Lippen wirken wegen dem roten Lippenstift viel voller. Ich bedanke mich bei Cheryl, die mich darauf hinweist, dass sich die ersten Rudelmitglieder schon wieder im Saal einfinden. Ich beeile mich also und stelle fest, als ich die Tür zum Esszimmer öffne, dass wirklich schon ein Großteil der Stühle besetzt ist.

Ich habe natürlich keine Ahnung, wo ich mich hinsetzen soll, weswegen ich am Eingang stehen bleibe, bis mich Melissa zu meinem Platz, am Kopfende der größten Tafel führt. Sie selbst lässt sich in der Mitte der fünf Stühle nieder, neben ihr jeweils einer frei, dann komme ich und auf der anderen Seite der Luna sitzt Cheryl, ihre Tochter.

Alle Werwölfe unterhalten sich noch, es wird voraussichtlich noch eine halbe Stunde dauern, bis Trent und Preston ankommen. Ich gebe mein Bestes und versuche mich so gut wie möglich abzulenken, damit mein Herz nicht vor Vorfreude und Aufregung aus meiner Brust platzt.

Die Sonne ist noch nicht ganz untergegangen, weshalb auch noch keine der Kerzen brennt. Jeremy, der glücklicherweise an meiner rechten Seite sitzt, erzählt mir irgendwelche Quarterbackgeschichten, aber ich höre nicht zu, konzentriere mich darauf, meine Atmung in Schacht zu halten.

"Wo bleiben die denn?", will ich nervös wissen, als sie eine Stunde später immer noch nicht aufgekreuzt sind.

Jeremy streicht mir beruhigend über en Unterarm. "Alles wird gut, okay? Sie stehen noch im Stau, sollten aber eigentlich jeden Moment hier antreffen."

Ich schlucke schwer und nicke leicht. Die Anwesenheit der Luna raubt meinen Lungen jeglichen Platz zum Atmen. Ich will das Trent wieder da ist, mich beschützt und seine Mutter wieder in die Schranken weist. Sie starrt mich nämlich alle fünf Minuten eisern an, mit einem bösen Funkeln in ihrer Iris und ich habe das Gefühl, dass wenn Trent nicht jeden Moment wieder kommen würde, dann hätte sie mich schon längst im Waschbecken ertränkt.

Mittlerweile ist es halb neun und stockfinster draußen, irgendjemand hat allerdings das Licht eingeschaltet. Das Stimmengewirr in dem verhältnismäßig kleinen Raum, es müssen ja schließlich über 300 Gestaltwandler herein passen, wird mit jeder Sekunde unerträglicher, meine Ohren und mein Kopf fangen an zu schmerzen. Ich trinke schnell einen Schluck Wasser, aber es hilft nicht.

"Alles in Ordnung, Care?", fragt Jeremy, der meine Unbehaglichkeit bemerkt zu haben scheint.

Ich schüttele den Kopf und fasse mir dann mit einer Hand an die Schläfe, um den pochenden Schmerz zu lindern, allerdings ohne Erfolg.

"Kopfschmerzen?", fragt er mitleidig und ich nicke. Er presst die Lippen aufeinander und sieht mich mit seinen kristallblauen Augen warm an. Mit einer Hand streicht er sanft meine Haare zurück. Ich schließe die Augen, blende alles außer seiner Berührung aus, versuche den Schmerz zu ignorieren.

"Willst du an die frische Luft? Oder einfach irgendwohin, wo es leiser ist?", schlägt er vor.

"Mhm", mache ich und stehe sofort mit quietschendem Stuhl auf. Die Luna wirft mir einen warnenden, aber zur gleichen Zeit verächtlichen Blick zu, als sie uns gemeinsam den Saal verlassen sieht. Mir egal, was das Miststück sich jetzt denkt.

Sobald sich die Tür zum Esszimmer hinter uns schließt und der Lärm abgedämpft ist, atme ich erleichtert auf. Wir entfernen uns noch etwas weiter vom Esszimmer, laufen ein paar Gänge entlang. Ich lasse mich erledigt an der Wand absinken und lege den Kopf in die Hände. Jeremy gibt keinen Mucks von sich, sondern fährt mir nur mit den Händen durch die Haare.

Ich spüre jeden einzelnen meiner Atemzüge bis ins Knochenmark, lasse mich von ihnen davontragen wie die Wellen des Meeres. Ich richte mich eine ganze Weile nicht auf, genieße die Ruhe, bis der blauäugige Junge neben mir einen kleinen Schrei von sich gibt. Eine Gänsehaut breitet sich über meinem Körper aus, ich fühle, wie sich meine Atemwege für den Bruchteil einer Sekunde schließen und ich nach Luft schnappe.

Ich springe auf, öffne meine Augen, sehe aber nichts. Es ist stockfinster. Auf einmal nehme ich ein lautes, trommelfellzerreißendes Grollen von draußen wahr. Ein Gewitter?

Ich kralle meine Fingernägel in Jeremys Arm und schiebe mich näher an ihn. Ich habe zwar eigentlich keine Angst im Dunkeln, aber Stromausfälle sind nicht ganz so mein Fall. Weil so fangen doch immer die ganzen Horrorfilme an, oder? Mit Gewittern und Stromausfällen?

Ich erschaudere bei diesem Gedanken. "Jeremy?", frage ich zitternd. "Du hast nicht zufällig eine Taschenlampe dabei, oder?"

Er brummt und ich glaube, er wollte gerade antworten, doch auf einmal flackert das Licht für eine Millisekunde auf. Ich sehe einen seltsam verformten Schatten aus dem Augenwinkel an einer der Türen und lasse Jeremy vor Schreck los, um meine Hände vor mein Gesicht zu pressen. Ich kneife die Augen zu. Nur Einbildung, Care, alles ist gut.

Es ist totenstill, ich höre nur noch das Prasseln des Regens auf dem Dach, den Wänden und Fenstern des Packhouses. Ein weiteres wütendes Donnern erschallt und ich winsele. Ängstlich drücke ich meinen Rücken gegen die Wand, wage es nicht, die Augen zu öffnen. Wie paranoid.

"Jeremy?", flüstere ich, denn mehr kann ich in meinem panischen Zustand nicht hervorbringen.

Keine Antwort.

"Jeremy, wo bist du?", wiederhole ich nun lauter, aber meine Kehle schnürt sich immer weiter zu.

Ich taste neben mir entlang, in der Hoffnung, dass er mich einfach nicht gehört hat, meine Handfläche prallt jedoch jedes Mal wieder ohne Widerstand gegen die Wandtapete.

Er ist weg.

Ich kann nicht mehr atmen, finde nicht einmal mehr den Mut, zu schreien. Ich versuche, den Klos in meinem Hals herunterzuschlucken und wenigstens irgendwoher Licht zu bekommen, aber ich kann mich nicht rühren. Die Angst hat alle meine Muskeln eingefroren.

Verzweifelt versuche ich mich mit anderen Gedanken abzulenken. May, Gossip Girl, Einhörner, heißer Atem an meinem Hals, obwohl ich allein im Flur stehe.

Ich reiße meine Augen hysterisch auf, nur um auf vollkommende Dunkelheit zu treffen. Mein Herz klopft so f*ucking schnell, dass es nicht mehr gesund sein kann. Ich bin nicht allein. Da steht jemand neben mir. Ich spüre, wie Tränen über meine Wangen zu schießen drohen. Ich bin zu jung, um zu sterben.

Plötzlich werde ich unter den Armen hochgehoben und von einer schweren Masse gewaltig gegen die gegenüberliegende Wand gepresst. Ich schreie panisch auf, vielleicht hört mich ja jemand im Esszimmer und ist barmherzig genug, um mich vor dieser Kreatur zu retten.

Zitternd drehe ich meinen Kopf zur Seite, versuche, meine Lungen wieder mit Sauerstoff zu füllen und genügend Kraft zusammenzunehmen und mich zu wehren. "Lass mich los!", kreische ich so laut ich kann.

Ein tiefes Lachen ertönt.

"Ich dachte, du würdest dich mehr freuen, mich zu sehen, Baby."

Trent. Oh Gott.

Jegliche Anspannung fällt von meinem Körper ab, meine Atemwege öffnen sich, als meine Nase seinen zimtigen Geruch aufnimmt, ich zittere, als sich meine eine Hand an seinen Nacken legt und die Andere auf sein rechtes Schulterblatt. Ich schlinge meine Beine um seinen Oberkörper, seine Hände greifen sofort nach meinen Oberschenkeln, um mich zu stützen. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und kann meine Tränen der Erleichterung und Freude nicht zurück halten.

"Ssh", summt er leise in mein Ohr. "Ich hab dich, Baby."

Eine seiner Hände löst sich von meinem Bein und fährt mir beruhigend über mein Rückgrat, soweit das eben möglich ist, wenn man bedenkt, dass mein Rücken quasi an der Wand klebt.

"Alles ist gut", wispert er, als ich zu schluchzen beginne. Er hat ja keine Ahnung, was ich ohne ihn alles durchstehen musste. Marylin, seine gestörte Mutter, die Angst, während einem Stromausfall fast ermordet zu werden.

"E-es tu-tut m-mir so L-leid", stottere ich. "I-ich hab dich nur s-so vermisst und ich hatte s-so eine rie-riesen Angst."

Er hebt meinen Kopf an und streicht mit seinem Daumen meine Tränen von meiner Wange. "Es ist alles in Ordnung, okay? Ich bin ja wieder da." Seine Stimme wirkt so beruhigend auf mich ein, ich merke wie sich mein Herzschlag mit jeder Sekunde in Trents Nähe wieder verlangsamt. Generell, jetzt, wo er wieder bei mir ist, fülle ich mich irgendwie vollständig.

"Ich hab dich auch vermisst, so sehr, das kannst du dir gar nicht vorstellen, Baby."

Er vergräbt seinen Kopf, wie immer, in meinen Haaren und meinem Nacken. Doch diesmal belässt er es nicht dabei. Er platziert ganz kleine, zärtliche Küsse auf meiner empfindlichen Haut, Fährt mit seinen Lippen über Fläche meines Halses. "Und morgen geht's auch schon weiter nach New York." Sein Mund verbleibt auf meiner Haut, weshalb seine Stimme nun durch meinen ganzen Körper vibriert.

Ich nicke abgelenkt, zu sehr versunken in das Gefühl, das seine Lippen auf meiner Haut verursachen. Alles kribbelt, als er leise in sich hinein lacht. Er ist selbstzufrieden über meine Reaktion. A*rschloch. Dann streicht er vorsichtig meine Haare über meine Schulter und gibt mir mehrere Küsse auf die Stelle, an der meine Schulter und mein Hals aufeinander treffen.

"Sorry", murmelt er. Ich runzele die Stirn. Für was denn? Doch nicht etwa, weil er solange weg war? Das ist schließlich nicht seine Schuld, er hatte ja keine andere Wahl.

Und dann spüre ich es.

Rasiermesserscharfe Zähne bohren sich in meinen Nacken, genau dort, wo er mich eben noch geküsst hat. Sie reißen meine Hautschichten auf, stechen durch meine Adern. Mein Mund öffnet sich automatisch, ich will sofort zum Schrei ansetzen, doch der Schmerz hält für nicht einmal zwei Sekunden an.

Danach wandelt sich das Gefühl zu etwas Besserem, Gutem, Schönem. Seine Zähne stecken zwar noch immer was weiß ich wie tief in meinem Hals, ist er jetzt etwa auch noch Teilzeit Vampir?, aber jedes einzelne Körperteil erwärmt sich. Es fühlt sich an, als würde mein Blut sich in zuckersüßen Honig verwandeln, als würde jemand flüssiges Gold in meine Magengrube gießen. Besser als Schokolade oder sonst irgendetwas Essbares auf diesem Planeten.

Ich seufze auf.

Mein Herz fühlt sich an, als würde es glühen und ich fühle mich auf einmal so verbunden zu Trent, dass ich schreien könnte, aber nicht aus Wut oder Angst, sondern vor Freude und aus Extase. Ich glaube das Glück schmecken zu können, alles ist so friedlich, in diesem Moment, in dem Trent mich durch was auch immer er da gerade tut in eine andere Welt verschleppt hat.

Ich genieße dieses Gefühl, diese Geborgenheit, doch für meinen Geschmack viel zu schnell löst sich mein Mate auch schon wieder von mir, zieht seine Fangzähne aus meinem Hals und leckt einmal über die Wunde. Ich habe gar nicht bemerkt, wie ich meine Augen zugeflattert sind oder wie mein Kopf sich an die Wand gelehnt hat. Erst jetzt, zurück am Boden, habe ich wieder die Kontrolle über meinen eigene Körper.

Trent sagt nichts, und obwohl ich ihn nicht sehen kann, der Strom ist ja schließlich noch immer nicht wieder da, bin ich mir sicher, dass er schüchtern zu mir aufblickt. Zögerlich betaste ich die Bissstelle an meinem Nacken, fühle mit meinen Fingerspitzen über den Abdruck seiner Zähne und stelle überrascht fest, dass es nicht blutet. Die Wunde ist offen, ja, aber es schießt kein Blut heraus.

Ich bin sprachlos, habe keine Ahnung, was da gerade war, und Trent sagt selbstverständlich auch nichts. Aus dem muss man aber alles herauskitzeln, oder?

"W-Was hast du mit mir gemacht?" Meine Stimme klingt wesentlich schriller und anschuldigender, als ich es beabsichtigt habe.

Ich höre ihn seufzen. Mehrere Minuten lang antwortet er nicht. Doch wenn er mich sehen könnte, würde ich ihm jetzt den B*itch-Blick geben. Tja, gut für ihn, dass es düster ist.

"Ähm ja.. also", setzt er widerstrebend an. F*ucking finally. "Bei Werwölfen gibt es da so eine Art Ritual. Ist schon seit Jahrtausenden so und ist glaube ich entstanden durch-", ich unterbreche ihn zickig. "Mir egal. Hör auf so dämlich rumzudrucksen und hau raus mit der Sprache."

Er seufzt, niedergeschlagen diesmal. "Okay." Eine bedeutungsvolle Pause folgt. "Ich hab dich beansprucht, markiert oder wie auch immer du es ausdrücken willst. Das soll ein Zeichen sein für andere Werwölfe, die noch keinen Mate haben, dass du vergeben bist. In den nächsten Tagen wird aus der Wunde eine Narbe werden, ich hab sie nämlich versiegelt."

Ich bin schockiert. Mein Herz schlägt schneller vor Wut. "Du hast was?", spucke ich ihm quasi ins Gesicht.

"Dich markiert?", fragt er unsicher. "Tut mir Leid, wenn ich dir weh getan habe, Baby."

Mein Kiefer verschiebt sich und meine Grimasse sieht in diesem Moment bestimmt so richtig hübsch aus. Nicht. "Sag mal hast du sie noch alle? Was soll ich den jetzt meinen Eltern sagen, wenn die diese fette Narbe, diese Bissspur, entdecken? Und generell alle Menschen in meinem Umfeld?"

"Sorry?", flüstert er kleinlaut und ich spüre, wie seine Schultern einsacken. "Aber versteh doch, Care, das musste sein, vor allem wo wir nach New York fliegen. Die anderen Werwölfe da müssen wissen, dass du mir gehörst."

Ich kralle meine Fingernägel in meine Handflächen. "Ugh. Nicht mal vorwahnen kannst du mich? Du kannst mich mal, du animalischer Freak."

Meine Beleidigung scheint ihn nicht im Geringsten zu kümmern. Frech erwidert er: "Mit Vergnügen, Baby."

Ich verdrehe die Augen und will ihm gerade eine bitchige Antwort geben, als das Licht wieder aufflackert, den Flur erleuchtet und eine vollkommen geschockte Cheryl wie gebannt auf meine Wunde starrt.

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[A/N] Okay, oh mein Gott, es tut mir so Leid, dass ich erst jetzt update, aber es gab in der Türkei ein kleines Unwetter und seitdem hatten die da irgendwie WLAN-Probleme und mein Handy konnte die Verbindung nicht lange genug aufrecht erhalten, um das Kapitel hochzuldane. Sorry, tut mir wirklich Leid. ❤️😓

Aber  jetzt bin ich wieder in Deutschland und kann hoffentlich früher updaten. ☺️✌️

Auch DANKE für 200 Votes bei fast jedem Kapitel und für über 100 Follower!!! 😏💘

Ich habe auch, zusammen mit zwei Freundinnen, eine weitere Geschichte, die selbstverständlich die Häufigkeit der Updates von diesem Buch nicht beeinflussen wird, zu schreiben angefangen. Schaut doch da mal vorbei, wenn ihr wollt (➡️ My fucked up Life). 💞

Und bitte vergesst nicht zu VOTEN und KOMMENTIEREN! Ich brauche Motivation!❤️❤️

xx

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