19 | vertrauenshalt.
September 2003 - Dezember 2003
Fünf Jahre nach dem Krieg um Hogwarts endete der Sommer sanft. Und an einem dieser Tage, an denen der Sommer in den Herbst überglitt, in dem er seine Wärme verlor und dafür das Gold der tiefstehenden Sonne gewann, war jener, an dem George Weasley seine Verlobung feierte.
Zu der Frage hatte er sich erst vor zwei Wochen durchgerungen. Dabei hatte er Monate lang auf den richtigen Moment gewartet. Das hatte Logan in jeder freien Minute am eigenen Leib erfahren. Du wirst es eh nicht perfekt machen, Georgie, also mach es einfach.
Manchmal füllte sie einen Hauch der Leere, die Fred zurückgelassen hatte.
Jetzt stand sie am Banketttisch und die Sonne hatte sich als gleißender Ball dem Horizont zugewandt. Mittlerweile war es drei Wochen her, dass sie Corben McLaggen begegnet war. Seitdem hatte sie den Tagespropheten ein klein wenig aufmerksamer gelesen, doch noch immer kam ihr ihre Begegnung wie eine Wahnvorstellung vor.
Nur, weil George am Abend hinter dem Tresen gelacht hatte, war es ihr realer vorgekommen. „Ne, er war schon wirklich hier. Hab noch mit ihm 'nen Kaffee getrunken."
„Was glaubst du, ist es ihm echt gut gegangen?"
„Du machst Witze, oder? Er ist diese Saison zum Haupttrainer befördert worden."
Also ertappte Logan sich, wie sie manchmal an ihn dachte. Und sich fragte, was in den letzten fünf Jahren gewesen war.
Selbst jetzt, als dunsene Musik aus dem offenen Festzelt ebbte, das auf der hochbewachsenen Wiese des Fuchsbaus aufgeschlagen war. Logans Zehen kitzelten das Gras. Dies war das erste Jahr, seit Freds Tod, an dem der Sommer spürbar war. Und dies war einer der ersten Tage, an dem Logan das Leben genoss.
Neben ihr schwenkte Reed Macauley ihren Giggelsekt.
„Weißt du, was Molly gegen die Gnome tut?", fragte sie plötzlich. „Die hat sie wirklich im Griff."
„Reed. Das ist 'ne Party."
„Na und?" Reed spreizte die Finger. „Versuch nicht mir vorzuschreiben, wie ein wildes Jugendleben auszusehen hat. Du hast die letzten Wochen kaum die Wohnung verlassen."
Logan beobachtete die Gäste, während Thormen hinter ihnen an den Schnürsenkeln seines Sohnes werkelte, der im Gras lag und über Marienkäfer plapperte.
Reed hingegen sah Logan an. Mit diesem Vorwurfsvollen Blick, der auch Naome gut gestanden hätte. „Du weißt, dass ich mir noch Sorgen mache?"
Logan wünschte sich, sie hätte auch Giggelsekt zum Schwenken gehabt. Oder gleich Feuerbowle.
„Ehrlich, Mads. Ich will nicht, dass –" Logan hatte Lee bei seinem herzhaften Walzer zwischen den Tischen zugesehen. Bis Reed ihr die Nagel in den Unterarm gekrallt hatte und sich ganz dicht zu ihr beugte: „Ehm, Mads, ist das Corben McLaggen?"
„Was?"
Damit fuhr Logan herum. Und in genau diesem Augenblick trat ein junger Mann in dunkelblauem Anzug durch das hölzerne Tor. Wieder einmal war sich Logan bis zu diesem Moment sicher gewesen, Corben McLaggen so schnell nicht wieder zu sehen.
„Na McLaggen. Der neue Trainer der Lions. Hat grad den Vertrag unterschrieben. Das ist er doch, oder nicht?"
Logans Hirn arbeitete nicht.
„Er steht nach jedem Spieltag im Propheten, weils von ihm die besten Fotos gibt." Reed beugte sich vor als besprächen sie ein schlüpfriges Geheimnis: „Hat Angelina ihn eingeladen?"
Er sah beinah aus wie in der Winkelgasse. Und wenn Corben McLaggen nicht auf der anderen Seite dieser Wiese gestanden hätte, hätte Logan weiterhin geglaubt, er wäre in all den Jahren nicht wirklich solch ein anderer Mensch geworden. Noch immer war Georges Lachen da. Die Liga hat was mit ihm gemacht.
Dabei sah er auch jetzt nicht wie eine Fata Morgana aus. Stattdessen fügte er sich in das Bild aus wehenden Leinentüchern als gehöre er hier her. Fast so, wie er in das Scheinwerferlicht eines Stadions gehörte.
„Er sieht immer gut aus", sagte Reed.
Thormen räusperte sich. Reed überging ihn. Also bäumte er sich vom Rasen auf und versuchte es mit mehr Professionalität: „Er wär sogar mal Topspieler geworden. Aber er musste seine Karriere an den Nagel hängen, weil –"
„Todesser ihm den Arm weggesprengt haben. Ich weiß." Logan sprach diese Tatsache aus als hätte sie sie nicht selbst mit angesehen. Und als wäre es keine Erinnerung.
In genau diesem Augenblick fuhr Corben McLaggen herum. Hatte sich von Angelina am Buffet verabschiedet. Lehnte sich gegen einen verkleideten Stehtisch, inhalierte die schon lange vonstattengehende Feier – und sah plötzlich Logan an. Seine Miene hellte sich auf.
Reed stutzte. „Kennst du ihn?"
Logan brach den Blick. Nahm Reeds Gigglesekt und trank ihn in einem Zug.
„Vielleicht."
Den ganzen Abend über genoss George seine Verlobung wie schon lange nichts mehr. Vielleicht lag das an den knallenden Korken oder doch an der sich abwechselnden Rock- und Walzmusik. Als Logan sich durch die Gäste schob, wog er eine Drachenwhisky-Flasche hin und her, die ein Geschenk von Charlie war.
Logan war ganz unvermittelt: „Hey, George. Was tut Corben hier?"
Überrascht, aus seinem Tagtraum gerissen zu sein, folgte George Logans Blick die Wiese entlang.
Er grinste. „Ich hab ihn eingeladen."
„Wieso?"
Er langte nach einer Gummistange. Schob sie sich genüsslich zwischen die Zähne. „Naja, weil wir doch 'nen Kaffee getrunken haben. Und weil er vielleicht investieren will."
„Investieren?" Wenn Corben lachte, zog er noch immer die Stirn kraus. Als hätte sich nichts verändert. „Worin soll er denn investieren?"
George ihr schob eine Gummistange entgegen. „Topsecret."
Logan lehnte ab. Stattdessen sahen sie nun beide die Wiese entlang. Vielleicht einen Augenblick zu lange, weil George sich räusperte:
„Redest du heute auch mit ihm, oder tust du für den Rest des Abends so als hättet ihr in Hogwarts nie rumgemacht?"
„George!" Sie stieß ihm in den Arm. Ein klein wenig zu schwungvoll, George fluchte.
„Was denn? Ich kann Freds Gemecker immer noch hören."
Doch damit ließ Logan ihn stehen. Und war ab da an bedacht darauf, in Gesprächen mit Thormen und Katie über die irische Nationalmannschaft zu versinken.
Immerhin war sie diejenige, die den Kontakt abgebrochen hatte. Sie hatte ihn aus ihrer Wohnung geworfen. Und sie wusste wirklich nicht, wie sie auch nur irgendetwas davon vergessen machen sollte, ohne sich dabei elend zu fühlen.
Aber trotzdem sah sie ihn immer wieder an. Bemerkte, wie er sich durch die Gespräche schlängelte. Und hoffte beinah, er käme auch zu ihr. Als wäre dort etwas, das sie zu ihm zog. Ein Fixpunkt ihrer Erinnerungen. Eine unglaubliche Neugier, was aus ihm geworden war, die nur er selbst beantworten konnte.
„Hi."
Er erwischte sie, als er das Bankett entlang schlenderte, die Hände in den Taschen begraben. Die Dämmerung sickerte fort.
„Hey", machte Logan und entschied, sich auf ihren Feuerwhisky zu konzentrieren.
Corben griff nach einer Lakritzstange.
„Die würde ich nicht essen."
Sofort schob Corben sie in die Schale zurück. „Hab ich mir gedacht."
Dann drehte er sich zu Logan um. Lehnte sich gegen einen Stehtisch und atmete tief. Sah an ihr hinab als würden sie einander neu begegnen. Als wären sie sich fremd. Dabei war die Narbe an seinem Auge geblieben. Ein dünner, feiner Strich und damit fast das einzige, das Logan wirklich noch an Corben kannte. Auch wenn er sie mit einer Sanftmut bedachte, die sagen wollte: Es ist nicht so.
Hinter ihnen rannte Mick mit einem Schaumstoffquaffel Teddy Lupin hinterher, holte aus, johlte – und erwischte fast das Toupet einer Weasley-Tante.
Corben beobachtete sie belustigt. „Ist das deiner?", fragte er.
„Merlin." Logan stutzte. „Nein. Nein auf gar keinen –"
„Du hast ihn eben im Arm –"
„Das ist der Sohn meiner Freundin. Der ist von Reed."
Genau die griff den Stoffquaffel in diesem Moment aus der Luft und fing ihren Sohn ein.
Corben pfiff die Luft aus seiner Lunge. „Achso."
Und damit war Logan klarer denn je, wie lange sie einander nicht gesehen hatten. Dass sich eine ganze Lebenszeit zwischen ihre Erinnerungen zog. Und wie seltsam irreal diese Tatsache war. Jetzt, wo er vor ihr stand, konnte sie sich eine Woche ohne ihn kaum wirklich vorstellen, geschweige denn mehr als ein ganzes Jahr. Vielleicht lag es aber auch an den Berichten im Tagespropheten, dass er nie wirklich weg gewesen war.
„Wie geht es dir?", wiederholte sie, was sie vor drei Wochen schon gefragt hatte.
Die hereingleitende Nacht hatte die Laternen in den Bäumen um sie in ein blasses Weiß getaucht und die Lampen im offenen Festzelten erhellten das Gras.
„Gut." Corben zog die Schultern hoch.
„Hat deine Schwester ihren Freund schon abgeschossen?"
Er verzog das Gesicht. „Ich arbeite dran."
Logan lachte. Gemeinsam standen sie da und sahen die Feier an als betrachteten sie ein ausgestelltes Gemälde. Eine Szenerie zu der man nie wirklich Zugang fand.
„Corben." Sie hatten bloß drei Schlücke lang geschwiegen. „Was tust du hier?"
Er stellte sein Sektglas beiseite. „Ich wurde eingeladen."
„Ich mein, so ganz ehrlich."
Er seufzte. Und fast glaubte Logan, eines dieser zähen Lächeln auf seinen Lippen zu sehen, die er immer nur ihr gegeben hatte. Als gestände er sich just in diesem Moment ein, wie gut sie ihn kannte. Auch wenn sie es doch eigentlich gar nicht sollte.
„Ich zieh her. Nach London zurück. Naja, eigentlich bin ich das schon." Er machte eine unwirsche Handbewegung. „An der Gabelung, gegenüber von –"
„Sag nicht in diesen prolligen Neubau bei Madam Malkins."
„Mit dem Loft über den Dächern, genau. Merlin, verdreh nicht so die Augen!"
Logan schnaubte. „Was kann ich dafür, dass du so ein Kerl geworden bist?"
„Was denn für ein Kerl?" Neckisch schielte er zu ihr hinab. „Die Lions zahlen gut. Außerdem kennst du mich gar nicht."
Das hatte er nicht gesagt, damit sie es verstand. Das erkannte Logan in seinem Blick. In der Narbe über seinem Lid. In der rauen Haut an seiner falschen Hand und der silbernen Kette, die er trug und die sie an ihm nicht kannte.
„Und du kennst mich?", stellte sie die Gegenfrage.
Corben schmunzelte. Dann inhalierte er die einfallende Nacht. Aus dem halboffenen Festzelt drang fröhliche Walzmusik.
„Lust zu tanzen?"
Sie sah ihn an. Die starken Finger seiner Hand.
„Netter Ring", war alles, was sie erwiderte.
Corben folgte ihrem Blick. Und die unzähligen Dinge, die er ihr nie sagte, spiegelten sich in dem silbernen Metall an seinem Ringfinger.
Trotzdem gab Logan sich in seine Hand. Und Corbens Finger umschlossen sie, während er sie auf die Tanzfläche zog. Warm und weich, aber bestimmt. Genau so, wie sie auch in Hogwarts immer gewesen war.
„Verlobunsgring", flüsterte Corben, als er sie zum Takt der Musik wog.
„Isabelle?", vermutete Logan.
„Ja."
Logan wusste es nicht, als sie und Corben über das Holzpakett schritten. Förmlich und reserviert, als wären sie einander fremd. Aber als sie gemeinsam tanzten und später sogar lachten, kehrte etwas in ihr heim.
Von da an war Corben tatsächlich in London zurück. Vielleicht war es so, dass Logan ihn die vergangenen Wochen einfach übersehen hatte. Vielleicht suchte sie aber auch in der nächsten Zeit vermehrt nach ihm.
Die Londoner Lions hatten ihn als Trainingsleiter eingestellt. Gegenüber von Madam Malkins war ein neuer Bau errichtet worden, dessen teure Wohnungen die Winkelgasse übertürmten – George spottete darüber – und Isabelle hatte eine Stelle im Ministerium bekommen. All das erzähle Rob Logan, als sie ihn das nächste Mal sah.
Mit Corben selbst sprach sie allerdings nicht. Sie sah ihn nur manchmal an Ladenfenstern vorbeihuschen. Immer eilig genug, damit ihn niemand entdeckte – Ist das Corben McLaggen? Schau mal, Em, der neue Trainer der Lions!
Zwei Wochen, nachdem Angelina und George ihre Verlobung gefeiert hatten, nippte Logan inmitten irischer Wiesen an ihrem Kamillentee. Dachte noch gelegentlich an die Feier, wenn die Sonne tief stand und sie an das matte Licht erinnerte, das in Corbens Augen gewesen war, als er sich unter den Laternen verabschiedet hatte. Mach's gut, Logan, bis bald.
Aus irgendeinem Grund hatte ihn wieder zutreffen irgendetwas in Logan bitterer und heiler zugleich gemacht. Reed hatte sie den ganzen Rest des Abends gescholten, dass ihr nie eingefallen war, in den letzten drei Jahren von ihrer flüchtigen Romanze mit Corben McLaggen zu erzählen. Aber Logan hatte nur an ihren stummen Tanz gedacht. Und an die ganzen Briefe von ihm, die sie immer weggeworfen hatte. Bis sie an jenem Abend ins Bett gegangen war.
Jetzt schimmerten die Kornfelder um das Landhaus der Macauleys warm golden. Der Gerstenduft vermischte sich mit den Hagebutten und der Mais bog sich im Wind – und vom Ende des Tisches, irgendwo auf der verdorrten Wiese, drang ein Würgegeräusch.
„Er muss es ausspucken." Reed schlürfte herzhaft an ihrem Schwarztee.
„Ich kriegs nicht aus seinem Gaumen."
Thormen kniete im Gras und hämmerte ihrem Sohn auf den Rücken. An seinen Kinderlippen klebten Halme und an seinen Fingern der Beweis, an welchem Trick er sich versucht hatte. Logan saß auf der Holzbank und schielte zu Reed – Das ist der sechste Schnatz dieser Woche.
„Habt ihr Finite probiert?"
„Glaub mir, wir haben alles probiert", beteuerte Reed und faltete gerade den Tagespropheten, als Mick den goldenen Ball ausspuckte.
Thormen klopfte auf seinen Rücken. „Machen wir nie wieder, verstanden?"
Mick gackerte.
Reed sank erleichtert in ihren Stuhl zurück. Sie war in den vergangenen Wochen dürrer geworden und Logan wünschte sich, auch zu ihr wäre der Sinn nach Freiheit zurückgekehrt, wie zu so vielen Zauberern und Hexen in jener Zeit. Doch die Familie der Macaulys blieb vom Glück verschont.
Thormen und Reed waren seit dem Sommer in Irland zurück. Gemeinsam mit Mick, aber nur mit den Erinnerungen an den Mann, den sie in Lettland zurückließen. Reeds Vater hatte den Krieg nicht überlebt und nachdem Oscar in Wales blieb, war der einst so lebhafte Landsitz einer wundervollen Bilderbuchfamilie zu einem Bruchstück schmerzhafter Melancholie geworden.
Auch, wenn Reed und Thormen ihn so renovierten, dass heute bloß noch der Grundriss und die alten Kuhbaracken blieben.
Logan streckte ihre Zehen im Sonnenschein. Reed hatte sich wieder der Zeitung zugewandt.
„Was liest du?"
„Den Tagesprophet."
Logan sah genau, wie verräterisch ihr Mundwinkel zuckte. Also beugte sie sich vor, schielte über die Kornblumenvasen hinweg.
„Oh nein, nicht dein Ernst!"
Reed zog den Artikel weg, ehe Logan ihn greifen konnte. Stattdessen reckte sie ihn empor: „Der Quidditchteil, um genau zu sein."
Jetzt wackelte sie mit den Augen. Denn auf der einen Hälfte des Blattes prangte Corben. In dunklem Hoodie, den Farben seines Teams, Schlieren von Stadionleuchten beschienen Sommerregens um sich. Die Miene so konzentriert, wie er immer bei den Taktikbesprechungen gewesen war. Die Brauen zusammengezogen, die Lippen gespitzt. Mit der Hand am Ohr sah er aus, als würde er einer inneren Stimme lauschen. Gefasst. Lions jagen die Meisterschaft.
Logan seufzte: „Reed."
„Ich hab dir gesagt, dass er auf jedem Bild gut aussieht!" Nachdrücklich straffte sie das Blatt. Der Corben darin zitterte.
Logan hingegen zwang sich, nicht den Jungen auf dem Foto anzusehen, sondern ihre beste Freundin, die mittlerweile so schamlos grinste, dass man ihre schmale Zahnspalte sah.
Doch weil Logan auf ihre Stichelei nicht einging, faltete sie Corben zu und versuchte es dann ernst: „Na gut. Was ist das mit dir und ihm?"
Logan ruckte die Achseln. „Nichts?"
„Komm", machte Reed, „Ich hab euch tanzen sehen. Und, ich hab mit George gesprochen."
„Ich hätte euch einander nie vorstellen dürfen."
Genüsslich zog Reed an ihrem Tee. „Du bereust es kein Stück. Stimmt es, dass ihr in 'ner Besenkammer geknutscht habt?"
„Was?" Logan spürte, wie ihr die Hitze den Hals hinauf in die Wangen schoss. „Nein! Nein, es war nicht in einem Besenschrank, es war – vergiss es."
Reed grinste. „Er mag dich."
Logans Augen schmälerten sich. „Tut er nicht."
Hinter ihr sauste Mick in zwei Metern Höhe auf einem Besen über das Kornfeld. Gerade so, dass seine Zehen die Kolben streiften.
„Du hast nicht gesehen, wie er dich angesehen hat."
„Er ist verlobt."
„Du hast auch nicht gesehen, wie du ihn angesehen hast."
Prompt schnappte Logan den Tagespropheten und holte aus - doch Reed duckte sich rechtzeitig und lachte, fischte sich das Pergament zurück.
Doch Logan stierte lieber wieder in ihren Tee hinab. Die Kamillenkräuter hatten sich am Rand abgesetzt und baumelten lustlos in der Brühe. Ein klein wenig so, wie Logan sich fühlte.
Sie hatte viel an ihn gedacht. An Corben und seine warme Hand. Wie er sie auf einer Tanzfläche wog. Wie surreal die Zukunft mal für sie gewesen war. Und dass sie ihn jetzt ansah und sich wünschte, sie hätte ihn nicht aus ihrem Leben verloren.
Sie sah auf, weil sich ein beißendes Kribbeln an ihrer Netzhaut sammelte.
„Reed, ich will ihn nicht", flüsterte Logan.
Reeds Finger glitten den Rand ihrer Tasse entlang.
„Ihn nicht, oder die Liebe nicht?"
Logans Mundwinkel zuckten. Ihr Magen spannte sich und die nieder sinkende Sonne sah plötzlich nicht mehr beruhigend aus.
„Ich kann niemanden lieben." Und als sie das sagte, glaubte sie das auch. Dachte Niemanden außer Fred, verschluckte es jedoch. Denn Reed konnte das lange sehen. Also stand sie auf und krackselte zur Bank herum.
„Reed, ich vermiss ihn so."
Und dann waren ihre Arme schon da. Dünn und Spinnengleich legten sie sich um sie, rochen nach Tee und Milch und Apfelgebäck, so wie ihre Wangen aussahen, und war da.
„Ich weiß", flüsterte sie, als Logan ihren Kopf an ihre Schulter lehnte.
„Ich will ihn hier." Sie atmete so fest, dass ihre Bluse beinah sprang.
„Ich weiß."
Und Logan atmete endlich aus.
Der Sommer verging und strich in den Winter hinein. Und Logans Leben zog fort als ob nichts anders geworden wär. Nur dass sie nun, wie durch eine Glaswand, Corben McLaggen manchmal an sich vorbeileben sah.
Bis sie irgendwann - es hatte den ersten Regen seit Wochen gegeben - bei offener Tür in Georges Laden stand; sie trug noch immer ihren Arbeitsanzug. Seit einer Weile hatte sich eine verräterische Unruhe zwischen den Regalreihen breit gemacht und auch jetzt friemelte Angelina etwas zu hektisch an einem Käfig der Minimuffs.
„Habt ihrs Molly schon erzählt?", fragte Logan, als sie ihr dabei zu sah.
„Bist du verrückt?" Das Gitter schepperte, die Flauschbälle quietschten. „Sie würde hier einziehen."
„Du sagst es als wäre es was Schlechtes."
„Es wäre die Hölle."
Logan lachte. „Es werden sich alle für euch freuen, Angie, ernsthaft." Doch Angelina hörte ihr nicht zu. Sie friemelte ganz überdreht an dem Schloss der Käfigtür – bis Logan nach ihrer Hand griff. „Hey. Ich freu mich für euch. Ehrlich."
Sie waren mit den Neuigkeiten vor einer Woche über sie hergefallen. Vielleicht hatten sie auch nonchalant sein wollen, Logan konnte die Schrägheit jenes Freitagabends noch immer nicht einordnen. Schließlich war gar nichts wie üblich gewesen, als sie George und Angelina für ihr gewohntes Wochenenddinner besucht hatte.
Irgendwann hatte Logan ihr Besteck weggelegt. „Wer von euch sagt mir jetzt, was los ist?"
Danach war Angelina in Tränen ausgebrochen. Kurze Zeit später dann Logan. Und auch ein bisschen George.
Angelinas „Ich bin schwanger", hatte schwer wie Butter in der Luft gehangen.
Logan wusste, dass sie sich für immer fragen musste, was Fred wohl für ein Mensch geworden wäre. Und in den Sekunden, in denen Angelina und George ihre Zukunft beschritten, wurden die Eventualitäten, die nie kamen, omnipräsent.
„Ich wünsch mir, er wär hier", sagte Logan, als sie an jenem ersten Regentag im Scherzartikkelladen stand.
Angelina seufzte und folgte ihrem Blick. Drückte sanft ihren Oberarm.
„George bräuchte ihn", sagte sie.
Logan sah George am Ladenende beim Umherwühlen zu. Dann blinzelte sie aus dem bunt behangenen Schaufenster auf die Straße hinaus. „Wir alle bräuchten ihn."
In den kommenden Wochen kreuzten sich Corben und Logans Lebenswege, aber sie schnitten sich nicht. Isabelle musste im Ministerium untergekommen sein, denn manchmal stolperte Logan über ihn, als sie in den Mittagspausen auf dem Weg zu Tina und er auf dem in die Abteilung internationaler Sportkooperationen war. Meistens begegnete sie ihm vor den Fahrstühlen und dann redeten sie auch nicht, weil der Augenblick zu unangekündigt und flüchtig war. Aber manchmal war Logan mit der Pause auch zu spät dran. Dann sah sie ihn aus dem Gebäude spazieren, eine blonde Frau an seiner Seite.
Seit ihrem Tanz auf Georges Verlobungsfeier hatte sie nur mit einer Person über seine Verlobung geredet.
„Was weiß ich, ob es das Richtige ist. Merlin nochmal, du stellst Fragen." Mehr hatte Rob dazu nicht zu sagen gewusst.
Trotzdem konnte sie sich nicht davon abhalten, neugierig zu sein. Auf den Straßen Ausschau zu halten, wann sie ihn vielleicht mal sah; hautnah erlebte, wie er die Hände einer Fremden hielt. Doch wann immer Logan Corben begegnete, war er allein: Wenn sie sich bei den Kaminen des Ministeriums passierten, er den Eingang von Madam Malkins überquerte oder er einfach nur durch das Schaufenster in Georges Laden sah. Er winkte dann immer. Ein einfacher, starrer Gruß, bei dem sich seine Brauen hoben. Aber sie sprachen nicht. Vielleicht, weil sie beide wussten, dass es nichts zu bereden gab.
Trotzdem lief Logan irgendwann Isabelle über den Weg. Und es war zufällig genau der Abend, der auch der erste Regentag des Herbstes war.
Sie hatte gerade Angelinas Laden verlassen. Die Luft war frisch, die Hitze fort. Und Logan hing irgendwo in Gedanken. War bei Angelina, die hinter dem Tresen werkelte und George, der wieder und wieder gesagt hatte, dass er Vater wurde – Ich krieg ein Baby, Logan, sie kriegt ein Baby, wir kriegen ein Baby, Logan – und bei der Tatsache, dass all dies ohne Fred geschah.
„Hey."
Als sie auf einmal ausweichen musste. Gerade rechtzeitig sprang sie zur Seite – und taumelte beinah auf die Straße, bis sie ein paar Hände zurück auf den Bürgersteig zog.
„Logan?"
Der Himmel war eine stahlgraue Eisenwand und sie musste dagegen anblinzeln.
„Corbs?"
Sie wusste sofort, dass er es war. Seine Berührung allein reichtr.
„Vorsicht", betonte er.
Logan raffte ihre Jacke zurecht. Lächelte. Und bemerkte die Frau neben ihm nur, weil sie genau das Gleiche tat.
Sie fragte: „Alles gut?"
Logan sah zu ihr. Dann zu ihm. Begriff erst jetzt, dass Corben einen Arm um die Frau neben sich hielt.
„Klar."
Da verstand Corben: „Ach ja. Logan. Das ist Isabelle. Isabelle, Logan."
Logan streckte ihre Hand aus. „Freut mich."
Isabelle Reagan nahm sie entgegen. Ihre geschwungenen Lippen erfüllten beinahe ihr ganzes Gesicht und sie hatte langes, blondes Haar, das mit dem Cremeton ihres Mantels verschmolz. Sie kam aus Paris. Aber es war nicht das ferne, spitzzüngige Paris, sondern das Lockere, das Mode unangestrengt machte.
„Du bist Logan?" Sie sprach nahezu akzentfreies Englisch. Alles, was von ihrem Französisch blieb, war ein süßer Unterton, der unter der Zunge kitzelte. „Ich hab schon so viel von dir gehört. Ihr habt gemeinsam in Hogwarts gespielt, nicht? Laut Corben hättest du in die Liga gesollt."
Logan lachte. „Er hat mich nur gern Strafrunden laufen sehen."
Corben rollte seine Augen.
Deshalb erklärrte Logan sich: „Ich hab nie drüber nachgedacht. Ehrlich. Das ist nichts für mich gewesen."
„Talent hattest du." Corben befand das wie eine Beiläufigkeit, dabei war dort etwas Neckisches in seinem Tonfall. Darüber hatten sie nie gesprochen: Über eine Zukunft, die es für sie beide eh nie gab.
„Ihr seid hergezogen, hab ich gehört?", lenkte Logan ein und zog ihre Jeansjacke strämmer.
„Ja, gleich dort vorn." Isabelle deutete die Straße zu der neuen Schneiderei entlang. Logan hörte Georges Stimme in ihrem Hinterkopf – Was ein prolliger Neubau. „Wohnst du auch hier?"
Isabelle war tatsächlich interessiert. Dabei achtete Logan nur darauf, wie Corben sie hielt: Eine Hand an ihrem Schulterblatt. In Hogwarts hatte er dasselbe getan.Von außen, hatte Logan immer gedacht, müsse es gestelzt aussehen, dabei hatte es sich immer so natürlich angefühlt. Und selbst jetzt hielt er sie als gehöre es sich so.
„Nein", sagte Logan. „Ich wohn Richtung Bänkerveritel. Ich treff mich nur mit Rob."
„Rob?" Isabelles Augen weiten sich. „Den haben wir ewig nicht gesehen."
„Wochen, bestimmt." Corben rieb die Lippen übereinander.
Isabelle fasste ihn am Arm: „Wenn ich könnte, Corbs, würde ich, aber ich hab die Sitzung -" Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Tausend Zeiger, die Logan wie an Freds Handgelenk nicht verstand. Was Isabelle danach sagte, begriff sie jedoch: „Geh du doch mit."
„Was?" Corben hatte das nicht so laut sagen wollen, trotzdem tat er es.
Isabelle zuckte die Achseln. „Du hast nichts vor." Dann grinste sie Logan zu und in diesem Moment verstand sie, dass für Isabelle alle Menschen Freunde waren: „Der hat seinen ersten freien Abend seit Wochen."
„Oh." Mehr konnte Logan dazu nicht sagen.
Corben holte Luft. „Also", begann er. Hielt inne. „Nein. Nein, ich will doch nicht - ich werde nicht - Ich spreng doch nicht deren Abend."
„Deine Entscheidung." Isabel schob ihre Ledetasche zurecht. Sah Logan an als würden sie hier auf derselben Seite stehen. „Ich bin sicher, dass Rob sich freuen würde."
Logan machte eine ausführende Bewegung. „Mit Sicherheit."
„Siehst du, Corb?" Damit war Isabelle zufrieden. Ihre Haut schimmerte im Abendrot. Dann sagte sie: „War schön dich kennegelernt zu haben, Logan" Das meinte sie ernst.
„Gleichfalls, Isabelle." Und Logan irgendwie auch.
Also schoben sie sich aneinander vorbei, ein milder Duft nach Kirsche flog mit. Als Logan sich nach ihnen umsah, schaute bloß Corben zurück. Auch, wenn er in dem Moment seine Finger mit Isabelles verschränkte.
Logan war sich nicht sicher, ob er verstand, was sie ihm zu signalisieren versuchte: Sie ist nett. Denn sie verstand es nicht einmal selbst.
Im Tropfenden Kessel hing heute wie an jedem Abend stickige Luft. War die Überreste des Sommers, die sich nur zäh aus Kneipen vertrieben ließen. Mit ihnen schwirrte ein Duft von Räucherfleisch und Kellerbier hinterher, Zigarettenqualm und Minzgeruch. Allerdings streifte nicht einmal das ihre Begegnung mit Isabelle davon.
Rob saß schon an ihrem Tresenplatz, als Logan sich auf den Hocker schob. Schon da sah er aus als ob er etwas verdammt Wichtiges zu erzählen hatte.
„Nein, ich meins ernst!", rief er später äußerst dramatisch, kaum hatten sie sich Butterbier geordert und Logan die Begegnung mit Corben abgeschüttelt. Rob war vielleicht älter geworden, seine Augenlider falteten sich, aber er höhnte noch genau gleich: „Sie ist ernsthaft der Meinung, dass wir zusammen ziehen sollten!"
Logan inhalierte die Schaumkrone ihres Biers. „Wie lange seid ihr zusammen?"
Robs gestutzte Engelslocken wippten. „Ein Jahr."
„Hmm." Logan sog noch mehr Butterbierschaum ein. „Dass die Beziehung zwischen dir und Naome damals so anstrengend war... ich dachte immer, das läg an ihr. Aber weißt du was? Es liegt an dir. Genau jetzt. Jetzt liegts auch an dir."
Entblößt fasste er sich an die Brust: „An mir?"
„Sowas von an dir."
„Schonmal überlegt, dass Tara eine miese Schlange ist?"
„Wenn du jetzt 'aber meine kleine miese Schlange' sagst, stürze ich mich direkt in das Fass da drüben."
„Hey, ich kann nichts dafür, dass ich immer nur die Frauen -"
Rob hielt inne. Der Butterbierkrug, den er eben noch so energisch durch die Luft geschwenkt hatte, rummste auf den Tresen. Mildwarme Flüssigkeit patschte aufs Holz - das Lachen entgleiste ihm. Und wurde zu etwas noch viel größerem:
„Corben?"
Logan fuhr herum.
„Hey."
Er stand in der Seitentür, zwei Tische weiter. Hinter ihm war es dunkel geworden. Den Schal von eben hatte er abgelegt.
„Mann!" Schon hatte Rob ihn im Arm. Klopfte ihm energisch aufs Kreuz. „Mann, Mann! Was machst du hier?"
Corben schälte sich aus seiner Umarmung. Sah Logan an. „Ich hab nen freien Abend."
Rob wandte sich schon zum Tresen um. „Tom? Mach noch eins, bitte."
Corben beugte sich zu ihr: „Ist's okay, wenn ich –"
Logan zog den Hocker vor: „Klar."
An diesem Abend schmeckten die Brandweinspezialitäten des Tropfenden Kessels süßer als sonst. Als hätte irgendetwas an diesem Tag ihnen mehr Stärke gegeben.
Zuerst sprach Rob von Tarissa, mit der er fast, aber noch nicht final, zusammen wohnte. Ihre penible Sauberkeit, ihre ständigen Launen. Dass er sie in einer schrägen Nacht in einem Londoner Ostclub kennengelernt hatte. Dass sie ein Hexe aus Bolivien war, die in der Muggelwelt als Tättowiererin arbeitete. Und ihn mit ihrem Kirschmund so sehr verzauberte. Bei jedem seiner Worte hörte Corben aufmerksam zu. Und beinah war es als säßen sie in Hogwarts Kerkern, umhüllt vom diesigen Kesseldunst.
Naomes Namen nannte er nicht. Sie schwebte penetrant genug in der Luft. Solange, bis Corben sie mit Erzählungen über seine neue Wohnung verwischte, die Rob ihm aus der Nase zog. Bis die Stunden kürzer und ihre Stimmen kratziger wurden. Bis sich ihr Butterbier, in Feuerwhisky, in Brandwein verwandelte.
Und Logans Finger klebten vom süßen Alkohol, als Corben ihre wild gestikulierenden Hände auf den Tresen drückte:
„Und dann, dann hat er gesagt -"
„Nein, Logan, lass das!"
Sie kämpfte sich aus seinem Griff frei, hob achtungheischend ihren Finger: „Dann hat er gesagt", ihre Stimme wurde um zwei Oktaven tiefer „'Flint, zwei Dinge'"
„Aaagh!" Corben vegrrub sein Gesicht auf dem Thresenholz.
„'Erstens, aus Robs Leben kannst du dich raushalten'"
Rob gröhlte.
„'Und zweitens, wenn du nicht gegen uns im Quidditch aufgeben willst, hast du mir gar nichts zu sagen'"
„Nicht. Im. Ernst!", johlte Rob und klatschte dabei so energisch, dass die Schnapsgläser bebten. „Warum erfahr ich das erst jetzt?"
„Pass auf, pass auf!", rief Logan und erhob ihren Finger noch gebieterischer. „Es kommt noch besser!"
„Nein!" Mit der flachen Hand schlug Rob auf den Tresen. „Er hat Flint eine reingehauen!"
Corben stöhnte gegen seinen Ärmel: „Neeeein."
Logan grinste: „Viel besser!"
Wieder drückte Corben ihre Hand nieder. Viel bestimmter diesmal. Und als sie zu ihm sah, lachte er nicht mehr.
„Flint wollte mir einen Levicorpus aufhetzen", erklärte er. Viel zu faktisch als dass die Geschichte von damals weiter lustig war. „Ich hatte mich schon umgedreht, hätte es gar nicht mitbekommen. Da", er hielt inne. Hielt Logans Handgelenk immer noch auf dem Holz; wurde sich dessen bewusst und ließ sie los. „Da hat Fred mich geschützt."
Erst jetzt erkannte Logan, woher die Schwere kam. Als Corben sagte: „Fred Weasley hat trotz allem aufgepasst."
„Okay." Rob stemmte sich in einen aufrechten Sitz zurück. „Okay, die Stimmung lass ich nicht entgleisen. Tom, ich brauch zwei normale und einen doppelten."
Dabei starrten Logan und Corben einander immer noch an. Bis er sich von seinem Hocker erhob.
„Ich sollte nicht hier sein."
„Was?"
Er warf sich seinen Mantel über.
„Corben", sie griff nach seinem Arm. „Bleib."
„Nein."
Logan folgte ihm zur Seitentür. Der Alkohol schoss ihr beißend in den Kopf. Corben hatte schon die Schwelle erreicht, stieß das Scharnier zur Herbstnacht auf.
„Corben." Sie sagte seinen Namen, weil sie hoffte, dass es sie aufwecken würde. Den Alkohol vertreiben oder Klarheit zurückbringen. Dabei tat das nicht einmal die eisige Dunkelheit.
In dem fahlen Licht, das sie hier kaum fand, schirmten sie sich in Einsamkeit.
Corben stopfte seine Hände in die Manteltaschen.
„Sag mir nicht, dass du es nicht auch denkst", flüsterte er und der Schmerz auf seinem Blick war für Logan eine greifbare Facette, die er sich eigentlich abreißen können musste, aber aus irgendeinem Grund klebte sie fest. „Sag mir nicht, dass das nicht der Grund war."
„Was?"
Er atmete. So streng als vergifte er sich selbst.
„Dass es meine Schuld ist", sagte er. Und Logan starrte in ein fremdes Gesicht. „Dass er wegen mir gestorben ist."
„Was?", widehrolte sie, diesmal mit der entsprechenden Blöße: „Bist du bescheuert?"
„Wenn ich nicht da gewesen wäre -"
„Hätten wir trotzdem in diesem Flur gestanden!"
„Aber nicht dort!" Es donnerte mit einer Rücksichtslosigkeit auf sie nieder, die die Wände erzittern ließ. Die Ader an Corbens Hals pulsierte. „Nicht da", wiederholte er und erst, als er los ließ bemerkte Logan, wie fest er seinen Schal umkrallt hatte. „Nicht er, sondern ich. Er hat mich Sekunden zuvor -"
„Oh nein, Corben, wag es ja nicht." Logan trat einen Schritt auf ihn zu. Diesmal erhob sie ihren Finger gegen ihn. „Du gibst dir nicht die Schuld. Du drehst diese Sache nicht zu dir." Mit einem Mal wurde ihr schlecht. Der Alkohol drückte auf ihr Zwerchfell. „Fred ist gestorben, weil ein Todesser-Arschloch den Korridor in die Luft gesprengt hast. Und nicht, weil du es wolltest. Oder weil du da standest, oder weil du -" Sie hielt inne, weil ihre Nasenflügel flirrten. Sie schniefte. Bemerket erst da, dass sie warmes Salz auf ihren Lippen schmeckte. „Er wurde umgebracht. Das ist alles."
Sie fuhr sich mit ihrem Flanell übers Gesicht. „Okay?"
Corbens Ausdruck war milder geworden. Er ließ es sacken. „Okay."
Sie tat einen Schritt zur Seite. Deutete auf Rob, der sie vom Tresen aus beobachtete.
„Setz dich."
Am Ende eines jeden Tages, riss Rob sie immer aus ihrer Schwere hinaus. Das hatte Logan schon unzählige Male gedacht, und sie dachte es auch nun, als sie ihm bei seinen ausschweifenden Erzählungen über seinem Artefaktenladen und Jopes neue Beinprotese folgte.
Und Corben saß neben ihnen und hörte ihm zu. Stützte sein Kinn in seine Hände und lachte, beinah so herzhaft, wie es vorher gewesen war und fast hatten sie den Moment vergessen, als sie sich nach Mitternacht von ihren Plätzen schälten. Rob verabschiedete sich mit einem Feuerzeugklicken und die Nacht war rau, als er in die Schwärze disapparierte.
Corben sog die Herbstluft ein. Die Lichter des Pubs umrahmten seine Silhouette wie ein Seidenvorhang ein Ölgemälde
Dann sah er Logan an. Und sie sah zurück. Sie wussten beide, warum sie noch nicht gingen.
„Du glaubst es wirklich nicht?", hauchte er, als er sich den Schal um die Schulter legte. „Dass es meine Schuld ist?"
Logan hatte keinen Schluck Alkohol mehr getrunken und mittlerweile war ihr schälerner Gaumen ausgetrocknet, ihre Zunge immer noch taub. Ihr kam es vor als wenn sie nichts auf dieser Welt wirklich spürte. Bloß einen entfernten, gegen ihr herzen pochernden Schmerz.
„Corben", sagte sie also, mit möglichst fester Stimme. Sah auf eine schmale Hauseingangstür neben einem Ladengeschäft. Vor Jahren hatte sie mit Reed im Tropfenden Kessel gesessen. Sie hatte ihr gesagt, dass sie gehen würde. Und Logan hatte hinter dem Fenster gesessen und auf genau dieselbe Tür gestarrt. Diesmal hing nur noch ein Schloss davor. „Fred ist seit fünf Jahren tot."
Das auszusprechen machte ihre Lippen noch fasriger. Und das Pumpen ihres Pulses noch tauber.
„Und nicht ein einziges Mal habe ich an dich und irgendeine Schuld gedacht. Weil die Schuld nur bei dem Typen liegt, der es getan hat."
Als sie ihren Blick von der Haustür nahm, sah Logan, dass Corben seine Augen geschlossen hatte.
„Hast du das die ganze Zeit mit dir herumgetragen?" Sie flüsterte als ob es ein Geheimnis wär.
Corben schlug die Augen auf und starrte direkt auf sie. „Ich hab gedacht, dass das der Grund ist", sagte er, „Warum du nicht mit mir sprechen willst. Warum du nicht geantwortet hast. Und, warum ich gehen sollte."
„War es aber nicht."
Er presste seine Lunge aus. „War es nicht?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein."
„Warum dann?"
Jetzt war sie es, die zu den Sternen sah. Bis der letzte Stern in der Galaxie verbrennt, bin ich dein.
„Aus vielen Gründen", sagte sie und mochte den Gedanken, dass Fred nun irgendwo die Augen verdrehte. Bevor sie sagte, was sie sagen musste. Bevor sie sagte, was sie am liebsten von sich selbst geschnitten hätte wie ein überflüssiges Rudiment: „Aber am allermeisten, weil ich nicht wollte, dass du mich ihn vergessen lässt."
Ihre Worte sickerten in die Abendluft wie Teer. Irgendwo in einer anderen Welt machte der Geist Fred Weasleys ein Würgegeräusch.
Also zwang Logan sich zu Gefasstheit. Lächelte vielleicht. „Ach ja", sagte sie und stieß sachte gegen Corbens Oberarm, „und Fred ist nicht für dich gestorben. Das hätte er nie über die Lippen gebracht."
Jetzt lächelte auch Corben. Als bräuchte es bloß das. „Ich weiß."
Also trat Logan von ihm ab, einen Schritt weiter vom Licht des Pubs hinein in die Dunkelheit, zog ihre Jacke zurecht. Und sagte in einer Stimme, die viel zu tief für Freds gewesen wär: „Also hör auf mit der Arroganz, McLaggen."
Und disapparierte in die Nacht.
Mit der Hoffnung, dass sie eines Tages womöglich wieder Freunde wurden, zog der Winter den Sommer endgültig fort.
________________________________
Der Song da oben ist Balsam für meine Seele. Und vielleicht ja auch für euch.
Wir maschieren auf das Ende zu. Ehrlich jetzt.
Was wünscht ihr euch für unsere Freunde? Was glaubt ihr braucht Corben?
Und was braucht Logan?
Können sie wirklich wieder "nur Freunde" sein?
Wir finden es heraus.
Bis dahin: Unendliche Liebe. Ally
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top