08 | gegangen.
APRIL 1997
Corben McLaggens Blut sickerte als dunkelrotes Rinnsal in die Rillen des Kopfsteinpflasters. Und Logan schrie, als sie ihm dabei zusah.
„Rob, hol sie weg –"
„Fass mich nicht an!"
„Logan –"
„Er muss ins St. Mungos! Sofort!"
Sie wusste nicht, ob sie die Dinge wirklich sagte. Ob sie ihre brüchigen Lippen verließen und über den Tränenschleier überhaupt zu verstehen waren. Oder, ob das Blut in ihren Ohren nicht vielleicht deutlicher rauschte als jedes ihrer Worte durch Hogsmeade hallte. Salvio Hexia, Finite. Finite, Finite, Finite –
Corbens bewusstloser Körper zitterte. Schutt und Späne verklebten seine Haare, Schnitte klafften unter seinen Wangen und auch, wenn seine Augen schrecklich weit offen standen, waren seine Pupillen nicht mehr zu sehen. Stattdessen krampfte jeder einzelne Muskel. Und das Blut überflutete den Stoff seines Hemdes wie Kirschsaft, sog sich in seinen steifen Mantel, bis auf Logans bebende Hand. Die Risse in seinem Oberkörper waren so groß, dass nichts die Blutungen stoppte –
„Er muss ins St. Mungos! Sofort!"
Endlich hörten sie sie.
Doch der metallische Geschmack in der Luft und das Salz in ihren Augen hatten sich tief in ihre Kehle gefressen. Sie roch Corbens sterbenden Körper selbst dann noch, als sie Stunden später in den unruhigen Gängen der Notaufnahme saß und ihren Kopf zwischen den Händen vergrub.
Irgendwo in weiter Ferne hallten dumpfe Schritte über gebohnertes Linoleum. Nicht einmal die ätzenden Desinfektionsmittel brannten die Bilder aus ihrem Kopf.
„Logan."
Seine Stimme war sanft und es war das erste Mal, dass er überhaupt sprach. Die restlichen zwei Stunden hatte er bloß da gesessen und mit ihr gemeinsam in das verräterische Nichts der Wände gestart. Während der Zeiger der Uhr über das Ziffernblatt wanderte.
Jetzt sah Fred sie an. Seine warme, schmale Hand lag auf ihrem Rücken wie ein Schutzschild. Allerdings breitete sich seine Wärme diesmal nicht bis in ihren ganzen Körper aus. Gegen die Taubheit kam er nicht an.
„Logan, vielleicht sollten wir gehen." Seine orangene Silhouette spiegelte sich auf dem matten Bilderrahmnenglas gegenüber. In die Falte zwischen seinen Brauen kerbte sich tiefer Ernst. „Hör mal, es sind schon fast drei Stunden und die Heiler tun, was sie können."
Das wallende Haar der Frau, das an einem sonnigen Nachmittag auf Hogwarts' Ländereien noch so kupfernfarben ausgesehen hatte, wirkte unter den Patroleumlampen des St. Mungos mausgrau. Corbens Eltern saßen in dem Wartebereich drei Türen weiter und schwiegen sich an. Seine Mutter hatte erst seit einer halben Stunde aufgehört zu weinen.
„Hey, Logan", Fred versuchte es erneut, zaghaft und ganz nah an ihrem Ohr.
Sie zuckte zurück. Bissiger, als sie sein wollte. Bissiger, als Fred jetzt vielleicht verstand. „Ich gehe nicht, in Ordnung?" Sie krallte ihre Finger in den Stoff ihres Pullis. Wenn es das einzige war, das sie geben konnte, dann gab sie es: „Ich gehe nicht."
Rob saß am anderen Ende der Stuhlreihe und sah ihr bei dem kargen Versuch eines Widerstandes zu. In seinen Blick hatte sich die selbe, alles betäubende Trance gebissen und sie hatte sich kein einziges Mal getraut, ihn nach Sue oder Jope zu fragen. Oder generell irgendetwas zu tun.
Die Ärzte wechselten ihre OP-Schichten alle vier Stunden. Diesen Rhythmus erfasste Logan in der kommenden, nie endenwollenden Abendszeit, in der das St. Mungos in Schwärze und ihre Hoffnung in drückenden Vermutungen versank.
Es war Mitternacht, als Fred nach Hause ging. Sein Kuss fühlte sich auf ihrer Stirn wie Verrat an.
„Was ist mit den Gormocks?" Kaum, dass er gegangen war, flüsterte Logan das in den Korridor herein. Es reichte, um Rob ins brennende Sterilnichts blinzeln zu lassen.
Er schüttelte den Kopf. Blonde Schmutzlocken klebten in seinen Wimpern. „Sue ist weg."
Mehr sagten sie dazu nicht. Die Art und Weise, wie seine Sehnen unter seiner blassen Haut hervorstach, sprach genug.
„Hast du das Gefühl, dass du Schuld bist?", fragte sie ihn stattdessen später.
Es war zwei Stunden nach Mitternacht, als Rob mit zwei Bechern dampfenden Schwarztees wiederkam und sich neben ihr fallen ließ. Seine Füße streckten sich über den quietschenden Boden; an seinen Sohlen klebte Blut. Aus irgendeinem Grund wusste Logan, dass es nicht Corbens war.
Er nahm einen Schluck, sah sie nicht an. Stattdessen atmete er die bittere Wahrheit aus: „Ja."
Die Todesser, die in dieser Nacht das Dörhaus und somit auch die Produktionsstätten der Widerstandsflugblätter angegriffen hatten, hatten die Information eines Abends im Eberkopf aufgeschnappt. Als Jope unvorsichtig und der Feuerwhisky stärker als üblich gewesen war. Eigentlich hatten sie die Szenerie nur etwas aufmischen wollen, ein paar Schrecken einjagen.
Nun saß Logan in den Fluren des St. Mungos und fürchtete, jemanden zu verlieren, für den sie nie genug gewesen war. Und zwischen ihr und Rob lag die Erkenntnis, dass es jeden von ihnen besser hätte treffen können als Corben McLaggen.
Dabei gab es nichts, was Logan tun konnte, als sich an den Erinnerungen festzuhalten, zu denen er gerade zu werden drohte. In der Hoffnung, dass ihre Gedanken ihn am Leben hielten, wenn sie es ihm bloß genug versprach. Du musst bleiben, Corben. Die Welt braucht dich so.
Er würde sie das niemals sagen hören.
Um zwei Uhr morgens öffneten sich die Flügeltüren zu seinem OP-Saal. Zwei Heiler in bodenlangen, weißen Roben traten auf den Flur. Erschöpfung zierte die blättrigen Falten auf ihrer Stirn.
„Mr. Und Mrs. McLaggen?" Ihre Worte dröhnten wie Stadionsprecher.
Logan saß dort, einige Stühle weiter und klemmte sich die Ohren mit ihren Knien zu. Sie konnte es trotzdem hören.
Robs Hand umklammerte ihren Unterarm. Der Schmerz war besser als die Übelkeit.
„Ihr Sohn wird in den kommenden Stunden aufwachen."
Eine haltlose Welle der Erleichterung stürzte auf sie ein.
„Seine Werte sind stabil. Wir haben ihm diverse Septen zur Beruhigung verabreicht. Sobald er wach ist, können Sie ihn sehen."
Die Stimme seiner Mutter war ein Zittern und von ihrem wunderschön hallenden Lachen Jahrzehnte weit entfernt: „Wird er es schaffen?"
„Es sieht gut aus."
Die Streifen des Linoleums verschwammen vor Logans Augen.
„Allerdings war der Fluch, der seinen Oberkörper aufgerissen hat, schwarzmagischen Ursprungs. Wir haben keine unmittelbare Heilung."
Die Welt um sie wurde dumpfer. So als sinke sie in die unendlichen Weiten einer tiefen, sie auf ewig verschluckenden See.
„Wir haben nicht alles von ihm retten können."
Es war drei Uhr Morgens und die tiefe Nacht umhüllte das St. Mungos, als Corben McLaggen das erste Mal seit neun Stunden die Augen aufschlug. Logan saß auf dem selben Stuhl, auf dem sie die vergangenen Tode gestorben war und sah seinen Eltern dabei zu, wie ein Heiler sie den Gang entlang leitete. Rob saß ihr gegenüber und musterte sie mit etwas, das neben beißender Wut wie Tränen in seinen Augen aussah.
„Ich möchte wissen wie sie's rausgefunden haben", knurrte er, die Arme fest in seinen eigenen Oberkörper gebohrt. Die Vorwürfe, die er sich machen würde, würde sie ihm nie nehmen können. Und jetzt war sie zu erschöpft, um es überhaupt zu versuchen. „Ich hab aufgepasst."
Er sagte es mehr zu sich selbst als zu sonst irgendwem.
„Es hätte rein gar nichts passieren dürfen."
Trotzdem war Corben in dieser Nacht beinahe gestorben. Und Sue Gormock betteten sie Tage später in ihr Grab.
Logan kehrte erst in die Winkelgasse zurück, als die Morgendämmerung die Häuser in zaghaften Nebel hüllte. George lehnte in der Tür zu seinem Büro und überflog die Bestellisten, als sie die schwere Metalltür hinter sich zuschlug.
Er fragte gar nicht. Wahrscheinlich sah man es ihr an.
In den kommenden Tagen sah sie kaum einen Sonnenstrahl außerhalb der Flure des St. Mungos. Zum einen, weil sie mit Rob im Wechsel die Wartezeit übernahm. In der ewig währenden, festen Überzeugung, dass sie sie irgendwann zu ihm lassen würden. Und zum anderen, weil draußen auch nie die Sonne schien.
Corbens Eltern sahen sie nie das Krankenhaus verlassen. Einmal hielt sein Vater bei ihnen an und klopfte Rob auf die Schulter – Wir wissen wie viel du ihm bedeutest.
Doch mehr verraten als ein: „Er wird wieder", konnte er ihnen auch nicht.
Fred nahm Logans ausdrucksloses Schweigen hin und hielt ihre Hand, wenn sie nach einem langen Tag zu ihm auf das Sofa kroch und sich an ihn schmiegte.
Und so verging eine Woche, in der Logan entweder in den trüben Lehrzimmern des Krankenhauses saß oder ihre Pause an Pasteten nagend auf einem Krankenflur verbrachte, in deren Zimmer sie sie nie ließen. Eine Woche, in der Corbens Präsenz surreal durch die Gänge geisterte. Bis Logan auf dem Flur der Heilabteilung ihren Ausbildungskittel glatt strich und die Finger im Saum verkrallte. Auf Rob wartend, der Corbens Zimmer nur mit ausdrucksloser Mine verließ.
„Wie geht es ihm?"
Rob war so blass geworden, dass seine Adern unter seinen Wangen schimmerten.
„Dreckig." Er ließ die Tür uns Schloss fallen. Irgendwo in weiter Ferne hallten Schritte über den Nachbarflur. Robs Blick tanzte durch die Luft als lägen dort Worte, die er finden konnte. Letzten Endes blieb ihm nur die Wahrheit: „Hat seine ganze rechte Seite weggesprengt."
Keines dieser Worte ergab Sinn.
„Die Rippen konnten sie nachkorrigieren, davon war noch was da. Aber -"
„Sie werden ihn doch ersetzen?"
Logan konnte es ihn nicht sagen hören. Mit keinem Schmerz der Welt wollte sie, dass es noch irgendjemand jemals wieder aussprach. Es hatte in den vergangenen Tagen zu oft von den Wänden widergehallt und davon war es nicht besser geworden. Es hatte ihr Leben bloß noch abstruser gemacht – Wir konnten ihn nicht retten.
Das war ihre Realität. Und Corben McLaggens Ende.
„Seinen Arm?" Rob sagte es trotzdem. Weil Unabdingbarkeit ihm weiterhalf. Weil Schmerz ihn nährte. Er schnaubte. Bloß sein Zynismus war an ihm noch familiär. „Mit einer Prothese. Feinstes Schmiedeisernes Metall. Koboldmechanik. Der beste Fummel, den sich die Quidditchliga leisten kann. Wird keiner merken. Außer er, bei jedem Wurf."
„Darf ich zu ihm?"
Die Tatsache, die am zweitwichtigsten war. Dabei konnte sie es aus seinem Blick lesen. Er bat sie um Entschuldigung für etwas, für das nur sie selbst etwas konnte: „Er will dich nicht sehen."
Sie hätte ihm das auch ohne das Mitleid geglaubt. Denn in diesem Moment wünschte sie sich, sie hätte Corben McLaggen nicht so verdammt gut verstanden.
In den kommenden Tagen ging nie die Sonne auf. Auch nicht, wenn sie sie außerhalb des St. Mungos verbrachte. Die einzigen Informationen, die sie bekam, kamen von Rob. Wenn die Besuchszeit auf der Intensivstation vorüber und der Laden der Zwillinge grade von der Mittagspause wiedereröffnet war.
Dann kam er mit einem labbrigen Crossaint aus der St. Mungos Cafeteria und sprach, ohne etwas zu sagen. Meist mit einer Nüchternheit, die ihnen helfen sollte. Dabei schaute selbst Fred von Tag zu Tag weiter besorgt.
„Antonin Josuf hat es bis in die Nationalmannschaft geschafft", erzählte George eines Abends, als sie gemeinsam beim Essen saßen. Sie hatten Rob bis zur Dämmerung nicht aus den Regalreihen vertreiben können. Jetzt saß er bei ihnen am Tisch und warf einen ungläubigen Blick über die neuste Ausgabe des Klitterer hinweg.
„Und das, obwohl er beide Beine bei 'ner Sprengung in den Alpen verloren hat."
„Ja, Beine sind aber nicht gleich Arme", argumentierte Rob faktisch und nahm die Füße von der Küchenzeile. „Sitzen kannst du ohne. Werfen nicht."
„Können wir bitte über etwas anderes reden?"
Zerknirscht rieb Rob seine Kiefer übereinander. Etwas anderes gab es nicht.
„Er wird übermorgen verlegt", sagte er dann, weil nichts anderes mehr übrig war. Fünf Stunden und diese Tatsache verließ ihn erst jetzt. „Sie holen ihn nach York."
Die Dunkelheit fiel über London, ohne sie je verlassen zu haben. Und Logan wusste spätestens jetzt, dass ihr letzter Tag mit Corben vielleicht wirklich zu einem Abschied auf ewig werden würde.
Als sie am nächsten Morgen durch den Flur der Zwei-Zimmerwohnung schlich, waren die Straßen der Winkelgasse noch verschlafen vom eingebrochenen Wochenende und auch die Türen anderer Läden würden bis an den Vormittag nicht öffnen. Aus georges Schlafzimmer drang ein Dösen und dort, wo Rob bis spät in die vergangene Nacht gesessen hatte, war ein Aschenbecher voller Zigarettenstummel und die zerbeulte Ausgabe des Klitterers zurückgeblieben.
„Logan."
Fred sprach ihren Namen so sanftmütig, dass sie sich gar nicht erschrecken konnte. Dabei ging es fast in dem Rascheln ihres Mantels unter.
Er stand an der Tür zum Flur und blinzelte zu ihr hinauf. Schlaf in den Haaren, zerknittertes Shirt. Wie in Hogwarts war bloß sein Geist lange wach.
„Vielleicht gibt es wirklich nichts, was du tun kannst."
Er roch nach Schlaf, als sie sich an ihm vorbei schob. Eingesunkene Kissen und warmer Deckenstoff. Seine Hände schoben sich unter ihren Schaal. Sie las seinen Blick; Bitte bleib.
„Ich muss es trotzdem probieren", flüsterte sie und küsste seine kalte Nase. „Ihn nur einmal sehen. Dass es ihm gut geht, weißt du?"
Mit dieser Unabdingbarkeit hatte Fred sich für sie entschieden. Das hatte er eingesehen, als Corben McLaggen ihn täglich in ihrem Laden besucht hatte und er sah es nun, als sie beinah täglich aufbrach, um nach ihm zu sehen. Er vermutete schon lange: Logan ohne Corben würde es vielleicht nicht mehr geben.
Seine Finger striffen über ihren Kiefer, ummalten ihr schmales Kinn. Ich liebe dich.
„Wünsch ihm alles Gute", sagte er und küsste ihre Stirn, bevor sie ging. Sie küsste ihn zurück. So innig und ehrlich, dass es ihn überraschte; dass er es vermisste.
„Ich liebe dich, Fred Weasley."
Die Morgenluft in den Gassen glich der einer Winternacht, dabei war der April diesen Jahres jung. Selbst die Flure des St. Mungos waren verschlafen, als Logan sie passierte wie in eiserner Routine. Nur am Empfangsschalten fragte sie die schälerne Hexe: „McLaggen, Corben. Noch immer in 512?"
Bloß, um ihr Nicken abzuwarten und dann zu gehen. Geradewegs auf Corben McLaggens Krankenzimmer zu.
Die vergangenen zwei Wochen, die sie eher in Trance als wirklichem Aktivismus hier verbracht hatte, hatten den Korridor nicht familiärer gemacht. Die durch die Bilderrahmen schreitenden Heiler vergangener Jahre und abstrakten Kunstwerke waren immer noch bloß reine Farbenschliere, als Logan sie so entschlossen passierte, dass das Patschen ihrer Sohlen in ihrem Herzschlag wiederhallte.
Als sie vor seiner Zimmertür stand, klopfte sie nicht. Sie hielt bloß inne. Einen Atemzug lang. Als wenn sie sich je auf das vorbereiten könnte, was sie dorthinter finden würde; als wäre Zeit für Schmerz je Balsam genug. Also entschied sie bloß, dass sie nichts tun konnte. Außer Corben McLaggen nicht einfach so für immer aus ihrem Leben gehen zu lassen.
Die Tür schwang so energisch auf, dass sie gegen die ausgeschalteten Monitore dahinter krachte. Und Logan stand im Raum bevor sie es selbst überhaupt begriff.
Und starrte in ein fremdes Gesicht. Eines, das nicht Corben war, es von nun aber für immer sein würde.
„Logan." Er verschluckte ihren Namen fast. „Was tust du hier?"
Alles an ihm war fremd. Selbst der Klang seiner kratzigen, brüchigen Stimme gehörte nicht hier her. Als spräche er zum ersten Mal seit einem ganzen Jahr.
Er saß in seinem Bett, halb aufrecht. Augen blutunterlaufen von einer Schwärze, die in Logans Rippen stach. Nadeln in seinem Arm, Schläuche in seinem Körper, Haar geschoren. Narben rot. Wulstig, wund.
Nur das Grau in seinen Augen war gleich.
„Corben." In diesem Moment fürchtete sie, sein Name würde nie wieder zu ihm passen.
In diesem einen Moment, in dem er sie anstarrte, durchsickernde Kompressen an seinem Oberkörper, jodierte Schultern – und dort, wo sein rechter Arm hätte sein sollen – sein Wurfarm, seine Präzision – war Metall.
Ein Moment, nur einen Atemzug. Länger brauchte es nicht, damit aus Corbens Verblüffung etwas Schlimmeres wurde. Und sie ahnte es.
„Du kannst mich nicht rausschmeißen", flüsterte sie, es war eine Bitte.
„Logan, geh."
Er sah sie nicht mehr an.
„Corben."
„Ich will, dass du gehst."
Corben McLaggen hatte noch nie geschrien. War vielleicht nicht einmal befähigt dazu. Doch nun blähten sich seine rissigen Nasenflügel und die schwache Ader an seiner Schläfe pulsierte. Und das, was Zorn in seinen Augen war, war genau so wässriges Salz. Jedes seiner Worte war feingeschliffen, scharf gewetzt.
„Logan. Verschwinde von hier."
„Nein, Corbs, hör mal –" Der Schritt, den sie auf ihn zu tat, besserte es nicht, sondern machte ihn bloß greifbarer. Seine verfärbte Haut echter, all das getrocknete Blut stärker, den metallischen Geruch stickiger. „Ich hab mich eingelesen. Ehrlich. Du wirst wieder spielen können, sie müssen nur –"
„Ich werde nie wieder spielen können, Logan." Er sagte es mit einer Direktheit, die sie kälter traf als jeder Fluch. Und sein Blick war durchbohrender als jeder Dolch. Abscheu tränkte ihn. „Ich hab nicht mal ein Gefühl in dem Ding!"
Er ruckte die Schulter, das Metall neben ihm blieb stumm. War kein Teil von ihm, blieb fremd.
„Das kommt mit der Zeit, sie müssen doch erst anfangen, deine Nervenbahnen –"
„Ich werde nie wieder so gut sein, wie ich einmal gewesen bin. Hast du das verstanden?" Er presste es so scharf hervor, sein Kiefer musste platzen.
Logan rührte sich trotzdem nicht. Es war ihr nicht mehr möglich. Sie war gefangen. Zwischen dem einfallenden Nebelschein, dem splitternden Glas, das Corben war und die metallene Unwirklichkeit, die zwischen ihnen blieb.
„Was sagen deine Trainer dazu?"
„Gar nichts." Er schnaubte. „Oder würdest du einem Krüppel seine närrische Hoffnung nehmen?"
„Corben –"
„Logan, geh." Noch nie in seinem Leben hatte er etwas ernster gemeint. Noch nie hatte er etwas mehr von ihr gewollt. Aber es war Logans Verdammnis, ihm genau das nicht zu geben. Das las auch er und tränkte es in all seinen Schmerz. „Bitte, bitte, geh."
Doch sie konnte nicht. Die matt blauen Vorhänge waren offen geschoben, das Frühstückstablett neben der Hyazinthenvase nicht angerührt. Er hätte sich selbst zerstört, wenn er es gekonnt hätte.
„War Isabelle schon hier?"
Corbens Lider sanken zu. Auf ihnen tanzten schwarze Venen drückender Wehmut. „Ich habe mich gestern von ihr getrennt."
„Wie bitte?"
Corbens Lippen kräuselten sich. Gebrochene Haut, fahles Grinsen. Eine entstellte Grimasse. Alles, was in ihm schmerzte, spürte Logan nun auch, als er ihr in die Augen sah. „Wer könnte jemand so kaputtes wie mich noch lieben?"
Logan erstarrte. „Es liegt nicht bei dir zu entscheiden, wer dich liebt und wer nicht."
„Danke, das hast du mir überzeugend genug beigebracht."
Für einen Moment glaubte Logan, er hätte sie geschlagen. Stattdessen saß er bloß in seinem Krankenbett und starrte sie an. Drehte die Dolche seiner Blicke in ihrem Magen um, bis sie ihre Galle schmeckte.
Das Salz, das in seinen Augenwinkeln brannte, spürte sie nun auch. Ätzte die letzten Erinnerungen Freds heilender Küsse davon.
„Corben", sie flüsterte es als würde es ihr helfen können, doch sein Name war verloren gegangen. Irgendwo zwischen dem Ravenclawturm, Hogsmeades Gassen und hier. „Weißt du was? Ich gehe nicht."
Seine Knöchel bohrten sich in sein Bett. „Logan."
„Ich gehe nicht. Mir egal, wie sehr du die Welt verabscheust. Ich verabscheue dich nicht."
„Logan, du kannst mir nicht helfen."
„Kann ich wohl."
Nun war sie es, die an die Wand starrte. Die flirrenden Vorhänge und das über-sterile Weiß. Nun waren es ihre Adern, die vor Anspannung pulsierten. Wenn das hier ein Test war, musste sie ihn bestehen.
„Schön", schnaubte Corben, seine gesunde Hand hob sich vom Bett. Deutete auf knallendes Gelb. „Wirf die Vase."
Verblüfft blinzelte Logan die Tränen weg. „Wie bitte?"
„Wirf die Vase."
„Corben –"
„Wie geht es deinem Arm?" Das war das erste Mal, dass Corben McLaggen schrie. Und es war so laut, es konnte unmöglich seinen Körper verlassen: „VERDAMMT, LOGAN, wie geht es deinem Arm?"
„Corben –"
„Schmeiß die Vase!"
Und das tat sie. Bis das grelle Porzellan neben dem Fenster zersprang. Wasser zerschoss an steriler Tapete, Blüten segelten zu Boden. Die Vase zerschellte wie an zenit.
Sie sah ihn an. Verblüffung glättete die tiefen Kanten in seinem Gesicht. Und dann fand ihn etwas, das Erleichterung war.
„Danke", seufzte er und sank in die Kissen zurück. „Das wollte ich schon seit meinem ersten Tag hier tun."
Unbeholfen ertastete er seinen Zauberstab auf seinem Nachtschrank, hielt ihn wackelig in der linken Hand. Reparo.
Trotzdem bogen sich die Stängel wieder grade. Das Porzellan zerschmolz in Logans Hand zurück.
Corbens Ausdruck war süffisant. „Machst dus nochmal?"
Etwas in ihm war zurückgekehrt.
„Ernsthaft?", fragte sie.
„Wenn du nicht gehen willst", sagte er. Leere Geste zur unschuldigen Wand.
Also warf Logan wieder. Ein schrillendes Klirren, Porzellan auf hartem Grund –
Wieder schickte Corben ihr die Vase zurück. Also tat sie es noch einmal. Und wieder. Und wieder, das Gelb zerbarst, freite ihre Geister, schenkte Corben Leichtigkeit, sprang bis an die Fenster –
„Was, in Merlins Namen tun Sie hier?"
Die Heilerin stand in der Tür, bevor Logan ein fünftes Mal hätte ausholen können. Corben machte Anstalten, seinen Zauberstab verschwinden zu lassen. Doch Logan blieb konsequent.
„Therapie, Ma'am", sagte sie und zerschellte die Blumenvase an der Fensterbank.
Ein kleines Stück Heimat war in Corbens Augen zurückgekehrt.
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Corben unser Quidditch-Star und all die Dinge, zu denen er nie werden wird. Sie alle geben ihre Opfer in diesem Krieg, und das ist seines.
Glaubt ihr, dass er sich von dem Schicksal erholen wird? Muss er seine Karriere jetzt wirklich an den Nagel hängen?
Versteht ihr, dass er Logan nicht sehen wollte?
Ab hier treten wir ein in Corbens Character Arc. He has so much more to learn. Über sich selbst, über seine Zukunft. Über Liebe. Wie es mit ihm wohl weitergeht?
Wie ihr wisst, steuern wir ab jetzt auf ein paar Unvermeidbarkeiten zu. Dieser Krieg geht noch genau ein Jahr in dieser Geschichte. 6 Kapitel. Und unendlich viel Liebe.
Nächsten Sonntag gehts weiter. Wir sehen uns also im nächsten Jahr. Ganz viel love, Ally x
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