03 | ordennacht.

OKTOBER 1996

In dem vom Kaminfeuer aufgewärmten Wohnzimmer der Weasleys roch es nach Karamell, als Logan am kommenden Abend dicht hinter Fred über die Schwelle trat.

Molly begrüßte sie so überschwänglich, sie glaubte ihr kaum eines ihrer Worte. Viel eher las sie aus ihrem fürsorglichen Wangentätschler heraus: Du hast meinen Jungen drei Monate im Ungewissen gelassen und er ist trotzdem für dich da.

Doch ihre liebevoll aufgetischten Karamellkekse widersprachen allem Vorwurf.

„Es ist unsere Entscheidung, Mum", argumentierte George, als sie sich ihrer Jacken im Hausflur entledigten. Draußen peitschte der Herbstregen und versenkte die Felder in Matscht.

„Aber Logan, Liebes", beteuerte Molly und warf sich ihr kariertes Spültuch über die Schulter „hast du nicht genug mitgemacht?"

Fred pfiff bedeutungsschwer durch seine Zähne.

„Genug, um mich nicht raushalten zu können, Molly", lächelte Logan und schielte bereits den gedämpften Stimmen nach in das Wohnzimmer hinein.

Die großen Sofareihen unter dem Fenster waren voll besetzt, Remus quetschte sich neben den breitschultrigen Bill Weasley, der ihnen wortkarg zunickte, in die Kissen und Logan folgte den Zwillingen bereitwillig auf die beiden Sessel hinten im Raum. Dort, wo Arthur im Sommer immer gesessen und sein Muggelquartet sortiert hatte. Jetzt glitt sie auf die ausgesessene Armlehne.

Mad Eye Moody stand vor dem knisternden Kamin und nickte ihr zu. Auch, wenn sein magisches Auge die übrigen Anwesenden scannte.

„Logan!"

Tonks kam in den Raum gestolpert, als kaum noch Platz für sie war, doch sie stieß den erhaben auf dem Sofaeck thronenden Dädalus Diggel ungeniert zur Seite.

„Du siehst blendend aus", strahlte sie und fiel in die Kissen.

Logan hätte das Kompliment nur zu gerne erwiedert, doch das Strahlen in Tonks blauen Augen war matt, ihr Pinkes Haar grau, nicht einmal pastell.

„Die Tränke lassen nach", antwortete sie deshalb bloß mit einem Achselzucken. An der Tür zwängte sich Arthur in den Raum. Und weil sie sicher war, dass niemand ihnen grade Beachtung schenkte, raunte sie: „Tonks, ist alles in Ordnung?"

Tonks setzte ein Lächeln auf, dem Logan niemals glaubte: „Natürlich."

Selbst wenn sie hätte widersprechen wollen, wurde sie zuvor von Moodys dumpfen Räuspern unterbrochen: „Sind wir vollzählig?"

Arthur schielte auf seine Armbanduhr. „Die Nachhut aus dem Ministerium fehlt noch."

Aus dem Flur drang ein Mäntelrascheln und erst jetzt bemerkte Logan, dass pfeifender Herbstwind durch die Tür gekrochen war.

„Wir sind hier, Arthur!"

Sie fiel mit einem Donnern zu.

„Kingsley!"

Seine tiefberuhigende Stimme wäre unter jedem Stimmengewirr zu zuordnen gewesen und nun erhellte Kingsleys königsblaue Robe den Raum, als er sich an Molly vorbei in den Raum schob.

Arthur machte ihm Platz. „Was ist aus der Anklage gegen Almond Johnson geworden?"

„Sie führen ihn morgen vor Gericht."

Das war nicht Kingsley, der antwortete. Stimme beruhigend aber in ihren Höhen gespannt. 

Und genau so war es auch nicht bloß Kingsley, der den Raum betrat, und er war auch nicht mehr der einzige, der als Ministeriumsnachhut galt. Stattdessen folgte ihm ein jüngerer, kantiger Zauberer mit breitem Kinn und eisgrauen Blick.

„Corben?"

Sie sprach seinen Namen so plötzlich aus, wie er durch ihren Kopf geschossen war.

Abrupt schoss Corben McLaggen herum, unergründliche Verwunderung – er hauchte es bloß: „Logan?"

Freds Griff schloss sich grade noch rechtzeitig um ihre Hand, damit sie Mad Eyes folgendes Räuspern nicht mehr unterbrach.

„Bleib sitzen", forderte er und zog sie auf die Lehne zurück.

Denn Corben sah schon lange nicht mehr zu ihr. Stattdessen starrte er verbissen auf den Kaminvorsprung hinter Mad Eyes Lederrücken.

„Warum ist er hier?", zischte sie Fred trotzdem zu, gefangen in dem Versuch zu begreifen, wer der Mann im Türrahmen wirklich war. Auch wenn er unverkennbar blieb, gehörte er nicht hier her.

Das letzte Mal hatte sie ihn im gleißenden Sonnenschein eines Hoffnungstages gesehen und so hatte es bleiben sollen. Der Raum war viel zu dunkel für ihn.

„So, alle vollzählig?" Mad Eyes dumpfe Stimme vibrierte bis in die Wände. 

Auch die letzten Gespräche auf der Sofareihe erstarben.

Während der gesamten Sitzung, Remus' Schilderung zu den sich auflösenden Werwolfstämmen im Süden und Arthurs Bekundungen zu verschwundenen Muggeln, starrte Logan in die stickige Luft des Raumes und versuchte zu begreifen, wie der Junge in dem schweren Mantel und dem schwarzen Ministeriumshemd wirklich Corben McLaggen war.

Der Corben, den sie vor Monaten an einem Sommernachmittag auf Hogwarts Ländereien zurückgelassen hatte, um ihn nie wieder zu sehen. Damit er seine Prophezeiung erfüllte und zu jemand wurde, der besser und glanzvoller als sie alle war.

Dabei stand er nun mit ihr im selben Licht, atmete die selbe von zu viel Stickstoff behaftete Luft, und sah sie kein einziges Mal an. Als könne nichts die unmögliche Wirklichkeit, dass er Teil des Phönixordens war, erschüttern.

„Wir wissen, dass Voldemort versuchen wird, das Ministerium zu unterwandern." Kingsley hatte nach einer Weile die Stimme erhoben und überging, das Tonks sich genussvoll die karamellbehafteten Finger leckte. „Genau das hat er in seiner ersten Herrschaft ebenfalls getan."

Mad Eye musterte sie dröge.

„Wenn er vorgeht wie beim letzten Mal, wird er im Verteidigungsministerium beginnen." Corben hatte sich die Ärmel seines Mantels in die Ellenbogen geschoben. Sein Wurfarm war kräftiger geworden. Seine Stimme hingegen klang seltsam unwirklich. „Er wird versuchen, alle Zuständigen aus dem Weg zu räumen, damit –"

„Er die Gewalt über die Exekutive erlangt", vollendete Tonks truimphierend. Remus zog das Kekstablett von ihr weg.

Kingsley sah über sie hinweg. „So ist es."

Logan hatte sich derweil dicht an Fred herangebeugt. „Was macht Scrimgeur bei der ganzen Sache?"

„Schweigt wie ein Grab", flüsterte er und George beugte sich hinter ihm bevor, belustigt.

„Naja, immerhin mehr als Fudge."

„Wir müssen engen Konakt zu den Strafrichtern halten." Mad Eye stemmte sich gegen seinen breiten Gehstock. „Niemanden aus den Augen lassen."

Kingsley schob sich vor. „Corben ist an der Sache dran."

Er hatte die Hände in den Taschen vergraben, als spräche er über Nichtigkeiten. Eine Taktikdiskussion, extra Trainingseinheiten vielleicht.

„Ich hab mein Büro in dieselbe Etage verlegen lassen", sagte er jedoch stattdessen mit einer Selbstlosigkeit, die nicht zu ihm gehören sollte. „Ich habs im Blick."

„Was?"

Logan war auf der Armlehne vorgeschnellt, doch wieder fing Fred sie ab.

„Logan", zischte er ihr zu, bloß Corben beachtete sie. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war unergründlich, unberührt. „Lass es."

Als sie die Versammlung auflösten, hatte der Herbstregen aufgehört. Träge perlten die letzten Tropfen von den dünnen Fensterwänden ab und Logan musterte sie gedankenverloren, als Mad Eye sich als erster aus dem Wohnzimmer schob.

In den kargen Wänden des Grimmauldplatzes waren die Treffen des Ordens greifbar gewesen und Logan hatte ihnen jedes einzelne Wort über verschwundene Personen und seltsame Imperiusnachweise im Ministerium geglaubt. Doch hier, in der wohligen Wärme des Fuchsbaus und unter Mollys krampfhaften Versuch, die Ernsthaftigkeit nicht ganz so unerbittlich an sie heranzulassen, kamen ihr die Debatten unpassend vor.

In die Kargheit des Grimmauldplatzes hatte sie gepasst, die Unerbittlichkeit des Krieges. Sie jedoch hier in der Familiarität des Fuchsbaus zu begreifen, machte sie zäher. Und wesentlich schrecklicher.

Corben war einer der ersten, der Mad Eye folgte. Logan sah dabei zu, wie seine kontrollierten Bewegungen ihn aus dem Raum trugen. Und verstand erst, als sie die Haustür klicken hörte, dass er ohne ein Wort gegangen war.

Sie stand im Flur, als Tonks pikierte Stimme grade durch das Wohnzimmer hallte: „Und, Remus? Kekse willst du mir jetzt auch verbieten?"

Diesmal hielt Fred sie nicht auf. Weil er wusste, was sie nun einmal tun musste.

„Logan, Liebes, wo willst du denn so eilig hin?"

Molly stand neben Kingsley im Hausflur und putzte eines der Butterbiergläser. Logan schielte jedoch bloß auf Zehenspitzen an ihr vorbei aus dem Küchenfenster hinaus – das grelle Licht erreichte ihn grade noch. Ohne ein Wort schlüpfte sie durch die Tür.

„Corben!"

Ihre Rufe gingen in dem Dröhnen des Windes unter.

„Warte mal!"

Trotzdem blieb Corben auf dem Wiesenweg zwischen den Kornfeldern stehen. Die Gerstenpflanzen beugten sich in der pfeifenden Luft. Selbst unter dem unbeugsamen Stoff seines Mantels war sein spannender Rücken zu sehen. Bloß zäh fuhr er herum.

„Wie geht es dir?"

Corben blinzelte gegen den Sturm an. „Ich wusste gar nicht, dass du zurück bist."

Eine unemotionale Sachlichkeit, die sich aus seinem Mund unwirklich anhörte. Der Junge, der ihr im erfüllenden Sonnenschein seine Liebe versprochen hatte, war verschwunden.

„Erst seit gestern Nacht", beteuerte Logan und wagte einen Schritt auf ihn zu. Gerade so weit, dass das gelbe Küchenlicht nicht mehr ihr Profil traf. Bis sie genau so weit in Dunkelheit gehüllt war wie er. Der Nachtwind pfiff unter ihren dünnen Pullover.

Corben schmälerte seinen Blick.

„Freut mich für dich", war alles, was er sagte. Dann drehte er sich um.

„Hey!" Logan griff seinen Arm, gerade, bevor er hinter die flimmernde Schutzwand des Fuchsbaus getreten war. Beinahe glaubte sie, seine unergründliche Miene würde sich darin spiegeln. „Du musst das nicht tun."

Sanft drückte er ihre Hand von sich fort. Wenigstens etwas an ihm war geblieben.

„Ich tu das hier nicht für dich", beteuerte er und Logan hätte ihm so gerne glauben können. Wünschte sich, da wäre nicht schon immer blinde Loyalität und eiserne Entschlossenheit an ihm gewesen.

Etwas, das nicht einmal sie brechen würde.

„Corben", war alles, was sie sagte. Als könnte sein Name auf ihren Lippen den unschuldigen Jungen, der er mal gewesen war, zu ihnen zurückbringen.

Stattdessen stieß sie ihn jedoch noch viel weiter von sich fort.

„Logan." Er sprach es beinahe schon im Flehen. Nur einen Augenblick, in dem seine Härte brach und zeigte, was darunter war. Auch wenn ich wüsste, wie es enden würde, ich würde es immer wieder tun. „Ich kann vor diesem Krieg nicht die Augen verschließen."

„Aber deswegen musst du doch keinen Beitrag leisten!", entschied sie und spürte erst jetzt, dass der Frust in ihr eigentlich viel mehr bitter schmeckende Angst war. Und ein Teil ihres eigenen Verdienstes.

Ungläubig sah Corben sie an. „Was willst du von mir?"

„Dass du dich raushältst." Sie sagte es so, wie sie es meinte. Und auch, wenn sie den Schmerz durch die Fassung in seinen Augen sah, nahm sie es nicht zurück. „Dass du nach York gehst. Dass du Quidditchstar wirst, dich nur auf deine Ausbildung konzentrierst –"

„Meine Familie –"

„Ist reinlütig!" Sie wünschte, sie hätte ihn aufwecken können, doch nicht einmal der Himmel donnerte laut genug. Fassungslos sah er sie an und sie ließ es zu, schluckte all ihre Schuld. „Wenn ihr euch unauffällig verhaltet, wird euch gar nichts passieren. Du bist nicht in Gefahr, bring dich nicht dorthin, du solltest –"

Flink umschloss er ihr Handgelenk.

„Ich kann nicht zusehen, okay?" Er befand es so nachdrücklich, dass sie ihn ansehen musste. Dabei stand er bloß noch hinter einer verschleierten Tränenwand. „Ich kann es nicht und ich werde es nicht."

Und damit ließ er sie los. Er ließ sie los und er ging. Zwei Schritte hinter das flackernde Schutzschild, das den Fuchsbau sicher hielt.

Und obwohl sie nach ihm rief, verschwand er in der Dunkelheit.

„Corben!"

Er hörte sie nicht mehr. Sie war allein. Und wusste, dass Fred in der Tür stand und zu ihr sah.

Trotzdem sagte sie es: „Pass auf dich auf."

Aber Corben war fort.



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Corben. Ich hab ihn so vermisst. Habt ihr damit gerechnet, dass er im Orden auftaucht? 

Lasst uns mal lieber hoffen, dass sein Tatendrang mit der Quidditchkarriere vereinbar bleibt. 

Ich habs so genossen, diese Kapitel zu schreiben. In diesem ganzen Buch hab ich Corben so geliebt, hier ist er wirklich mein Lieblingscharakter geworden. 

Fragen gibt's erstmal nicht, wir sind quasi noch in der Exposition. 

Außer vielleicht: Was glaubt ihr, was Rob grade so treibt? 

Ganz viel Liebe und Danke für alles, Ally x

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