-8-

Ich führte ihn in meine Wohnung, wo er sich ängstlich umschaute. Erkannte er sie noch? Die ganzen schönen Erinnerungen von diesem Ort? „Willst du dich erstmal duschen?" Ich wusste, wie wichtig Hygiene für ihn war. Er blickte sich nur weiter um. „Basti?" Jetzt begegnete er meinen Augen. „Gehst du duschen?", fragte ich erneut und deutete auf die Badezimmertür. Er drehte sich in die Richtung, drehte sich wieder zurück und musterte mich verwirrt. Ganz langsam trat er rückwärts zur Tür. Kurz davor blieb er wieder stehen. „Basti, du kannst duschen gehen", versicherte ich ihm. Er betrat das Zimmer und warf mir noch einen Blick zu. „Du darfst" Damit schloss er die Tür. Ein Seufzer entwich mir. Wie sollte es jemals werden wie früher? Ich musste ihm vierfache Versicherungen geben, bevor er überhaupt irgendwas macht. Mein Herz schmerzte allein bei seinem Anblick.

Ich entschied mich dazu, in der Zwischenzeit etwas kleines zu kochen. Pfannkuchen mit Apfelbrei. Sein absolutes Lieblingsessen. Tatsächlich hatte ich noch einen kleinen Restteig vom letzten mal, somit musste ich nicht ewig lang erst den Teig zubereiten. Ich nahm mir eine Pfanne und verteilte die Mische darin. Basti hatte mir beigebracht, wie sein geliebtes Essen am besten aussieht. Langsam ging ich in kreisförmigen Bewegungen mit dem Schöpfer über den, noch flüssigen, Teig. Dann hörte ich Wasser brausen. Er duschte wirklich. Und das machte mich ungeheuerlich glücklich. Wenig später stand das Essen auf den Tisch und Basti mit meinen Klamotten im Esszimmer. Als er die Pfannkuchen sah, blickte er mich fragend an, drehte sich um und lief wieder davon. „Basti, kannst du bitte etwas essen?" Er drehte sich wieder zu mir. Keine Bewegung. „Setz dich" Er eilte auf den Stuhl, führte meinen Befehl aus, als hätte er Todesangst. Alles in mir zerbrach. Was hat dieses Arschloch mit ihm gemacht? „Willst du nichts essen?" Er blickte auf seinen Teller mit dem gold-braunen Pfannkuchen, immernoch mit Todesangst. „Iss doch bitte was" Doch er rührte sich nicht.

„Basti" Ich blickte ihn verzweifelt an. Wenn er sein Lieblingsessen nicht essen wollte, wie sollte er dann je wieder normal werden? „Basti, du wirst doch schon nicht verhungern wollen, oder?" Er wandte seinen Blick ab. „Bitte..." Es tat ihm ja so wenig, es waren nur ein paar Stücke Pfannkuchen. „Bitte, iss doch" Ich schaute ihm dabei direkt in die Augen. Wie konnte das nur sein? Er liebte dieses Essen, hatte sich immer am Tisch auf sie geworfen und wollte es jetzt nicht mehr. „Basti, ich weiß, es ist nicht einfach für dich gerade. Aber probier wenigstens etwas zu essen. Das wird dir gut tun" Zögerlich nahm er die Gabel in die Hand. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Doch anstatt das Essen anzufangen, wendete er den Pfannkuchen, stöcherte mit der Gabel darin rum und roch daran. Suchte er nach irgendwelchen Substanzen? Dachte er, ich habe Drogen in seine Mahlzeit vermischt? Oder Gift? Als er keinen auffälligen Geruch wahrnahm, schnitt er sich ein kleines Stückchen ab und führte es zu seinem Mund. Kurz davor zuckte er nochmal zurück, schien mit sich selbst zu kämpfen. Dann schaute er zu mir und verschloss den Bissen in seinen Mund. Noch nie in meinem Leben war ich so stolz auf ihn. Er kaute langsam und atmete schwer. Hatte wohl immernoch Angst davor. Hilfe, er hat Angst vor seinem Lieblingsessen. Was ist nur aus meinem Freund geworden?

Es war schon spät abends, weswegen ich mich gleich bettfertig machte. „Hier, zieh das an" Ich gab Basti einen Pyjama von mir. Verwundert musterte er die Klamotten, bevor er anfing sich auszuziehen. Als ich seinem Oberkörper sah, musste ich erstmal tief ausatmen. Jetzt wurde mir bewusst, was die Ärztin meinte. Die ganze Fläche war übersäht mit Narben. Narben, die er zuvor nicht besaß. Ich versuchte meine Fassung wiederzufinden. „Oh, nein nein, stop. Warte, ich geh raus" Hatte er die letzten Monate denn gar keine Privatsphäre? Seine Augen folgten mir, als ich an ihm vorbei ging und die Tür schloss. Ich selber begab mich ins Bad und putzte Zähne. Basti begegnete ich dann wieder im Flur. Er schien verloren, wusste nicht wohin mit sich. „Warte kurz, ich hab was für dich" Ich deutete ihm an stehen zu bleiben und joggte in mein Wohnzimmer. Auf der Couch lag ein mittelgroßer Teddybär, den ich Basti gab. Während er im Krankenhaus lag, war ich so frei und fuhr zu seiner Wohnung, wo ich dieses Kuscheltier mitnahm. Ich wusste, dass er Bastis Liebling war, schon immer. Er starrte geschockt auf den kleinen Bären. Nur zwei Sekunden später kullerten Tränen seine Wange hinunter. Er schluchzte nicht, einfach nur stilles Weinen. Wie gern ich ihn jetzt in den Arm nehmen würde. So wie früher. Alles so wie früher. Er vergrub seinen Kopf im Hals des Teddys und krallte beide Hände ins Fell. Ich merkte, wie sehr er versuchte die Tränen zu unterdrücken, doch es war zu viel. Jeder sah Basti immer als den Erwachsenen der Gruppe, doch das war er nicht. Im Inneren war er das kleine Kind, das er früher nie sein durfte. Bis heute gestand er es sich nicht ein, dass er auch verletzlich sein darf. Er denkt, er muss immer der Starke sein. Doch privat, nur unter uns beiden, ließ er alles raus. Er war er selbst. War. Jetzt nur noch eine Hülle seines früheren Ichs. Und diese Hülle konnte ich nichtmal umarmen. Nicht festhalten. Ihr nicht sagen, dass alles gut wird, denn das wird es nicht. Es wird immer diese große Lücke existieren. Immer diese eine große Frage: Was wäre wenn...? Und die Erkenntnis: es wird nie wieder so, wie es einmal war.

bräuchte wieder bisschen kritik peeposhy

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top