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Die Autofahrt verlief still. Keiner wusste so recht wie er sich verhalten sollte. Die Frau an der Rezeption sagte uns noch, dass der Experte am nächsten Tag um 14 Uhr zu uns kommt, dann könnten wir die nächsten Termine besprechen. Etwas überforderte das Ganze mich schon. Wie verhält man sich mit so einer Person? Muss ich vorher aufräumen? Muss er sehen können, wie es mir ergeht? Ich parkte mein Auto wieder in der Garage und wir gingen hoch in meine Wohnung. Still saßen wir im Wohnzimmer, das einzige Geräusch der brennende Kaminofen. Ab und zu rutschte ein Holzscheid herunter. Wir starrten alle drei in die Luft, jeder in seiner eigenen Welt. „Denkt ihr, er lebt noch?", fragte Veni irgendwann mit zitternder Stimme. Mein Blick wanderte zu ihm, doch er starrte weiterhin auf die Wand. Fabo und ich sahen uns etwas hilflos an. Wir wussten alle die Antwort: es war nicht abwägig, dass es nicht so wäre. „Ich würde noch einen Kaffee nehmen", antwortete Fabo an mich gerichtet. Offensichtlich wollte er der Frage von Veni aus dem Weg gehen. Ich stand auf und ließ erneut eine Tasse Kaffee in der Küche raus. Ich beobachtete, wie die Tropfen aus der Maschine in die Tasse flossen. Neben dem Apparat stand noch eine Tasse, fiel mir auf. Sie war verziert mit Baustellenfahrzeuge und dem Schriftzug "bester Bauarbeiter". Sie war Bastis Tasse. Immer wenn er bei mir war trank er aus dieser. Nur er, niemand sonst. Die Ränder des ehemaligen Kaffeespiegels waren noch gut zu erkennen. Ich konnte mich genau erinnern, wie er am Tag zuvor frühs seine Portion Koffein trank und anschließend übermüdet sagte: "Ich glaub, wenn wir wieder kommen brauche ich noch einen" Jetzt stand sie da. Das Gurgeln der Maschine richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt. Ich gab Fabo seinen Kaffee, bevor ich mich in mein Zimmer schleppte. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich musste schlafen. Aber alles drehte sich. Alles war so viel. So voller Angst. Ohne mich groß umzuziehen, oder den anderen Bescheid zu geben, umhüllte ich mich mit meiner Bettdecke und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

Entgegen meiner eignenen Erwartungen schaffte ich es tatsächlich einzuschlafen. Dies bemerkte ich erst, als ich durch ein Klopfen geweckt wurde. Verschlafen rieb ich mir die Augen, es war noch hell draußen. „Kevin, wir hätten Essen gemacht. Bitte iss etwas", hörte ich Venis Stimme durch die Wand. Müde trottete ich in mein Esszimmer, wo auch schon der Tisch gedeckt war. Es gab unteranderem auch Rührei und Speck. „Woher habt ihr das alles?", fragte ich etwas verwundert. Schließlich hatte ich definitiv kein Speck in meinem Kühlschrank. „Wir waren einkaufen. Du hattest kaum noch irgendwas essbares in deiner Wohnung" Fabo machte eine kleine Pause, bevor er weiterredete: „Hast du geschlafen?" Ich nickte und gähnte, wie zur Bestätigung. Das Problem war nur, dass es mittlerweile abends war. Was daraufhin deutete, dass ich sehr wahrscheinlich diese Nacht nicht mehr schlafen konnte. Und genau so kam es auch. Ich lag wieder alleine in meinem Bett und dachte nach. Dachte über alles nach. Basti. Wie es ihm wohl gerade geht? Ob er überhaupt noch am leben war? Keiner konnte uns diese Frage beantworten. Trotzdem schwirrte sie wie ein hallendes Echo in meinem Kopf. Und ich bekam es nicht los.

Am nächsten Tag um 14 Uhr kam der Experte vorbei. Herr Schuhmann, stellte er sich vor. „Wie haben Sie sich denn die letzten Tage gefühlt?", fragte er, während er seine Unterlagen auf meinem Tisch ausbreitete. Veni und Fabo beteuerten mich beide von der Seite. Anscheinend sollte ich anfangen. „Es ist irgendwie so ein Gefühl von Leere. Basti war nie der sonderlich Laute, aber jetzt, wenn er weg ist, bemerkt man erstmal, wie still es doch ohne ihn ist. Ich kann an nichts anderes denken. Diese Unwissenheit, wie sein Zustand gerade ist. Und ich weiß um ehrlich zu sein nichtmal, was ich schlimmer finden würde: Wenn er misshandelt wird oder wenn er bereits tot wäre" Meine eigenen Worte schockierten mich selber. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemand anderen so öffnen kann. Auch noch während zwei meiner Freunde anwesend waren. „Machen Sie sich keine Vorwürfe wegen Ihren Gedanken. Das ist eine normale Reaktion auf diese Situation. Niemand will, dass ein Freund schlecht behandelt wird. Und was ist mit Ihnen beiden?" Er blickte Fabo und Veni erwartungsvoll an, nachdem er sich etliche Notizen zu mir gemacht hat. Soviel, wie der aufgeschrieben hat, habe ich nichteinmal gesagt. Fabo fing an zu sprechen: „Ich hab bei uns allen gemerkt, dass einfach keiner weiß, wie er sich verhalten soll. Wir haben kaum gegessen, nicht wirklich miteinander geredet. Es ist einfach kein Alltag da" „Wir haben Angst", fügte Rafael noch hinzu. Herr Schuhmann versuchte uns noch irgendwie aufzumuntern, bevor er sich dann wieder verabschiedete.

Die Zeit darauf zog sich hin. Wie ein langer Kaugummi. Alles war zäh. Fabo und Veni mussten wieder zurück zu ihren Familien. Herr Schuhmann hielt mich bei unseren täglichen Treffen immer auf dem Laufenden. Doch es war immer das gleiche: eine neue Spur, ein Fehlschlag. Nichts Neues. Ebenso half er mir aber auch mit seinen Gesprächen. Es fühlte sich gut an, selbst zu reflektieren. Sonst würde ich diese Gefühle gar nicht wahrnehmen und alles in mich rein fressen. Er gab mir Tipps, welche ich dann an Bastis Freunde weitergab. Trotzdem fühlte ich mich alles andere als okay. Ich streamte nicht, hatte keinen Alltag, keine Routine. Bloße Existenz. Wusste nicht, wie viel Zeit bereits vergangen war. Tage, Wochen, Monate. Jeder Tag war wie der andere. Und ich konnte an nichts denken, außer an Basti. Das Letzte, woran ich vor dem einschlafen und das Erste woran ich nach dem aufwachen dachte. Alles war wie gelähmt. Bis mich eines Tages ein Anruf erreichte.

hat nichts mit der story zu tun aber kevin hat gestern im stream gesagt er würde seine freundin verlassen um mit basti zusammen zukommen ???

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