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Mein Denken wurde unterbrochen durch die Tür, welche hastig aufgeschlagen wurde. Ein weiterer Mann stand dahinter. Er sah unrein aus mit seiner dreckigen Haut und seinem ungepflegten Bart. „Irgendjemand war noch vor Ort. Die Polizei ist hier!", schrie er panisch. Mein Funke Hoffnung war wieder aufgeflammt. Sie hatten uns tatsächlich gefunden. Der Mann mit der Waffe reagierte hastig. Er schnappte sich Basti, da dieser am nähesten an ihm dran war, und zog ihn auf die Beine. „Hilf mir mal", befahl er dem Mann vor der Tür und zeigte auf uns restlichen. Doch gerade, als dieser den Raum betreten wollte, ertönte das Geräusch einer Pistole und er fiel zu Boden. Die Polizei war bereits im Gebäude. „Scheiße", murmelte der Mann leise und drängte sich mit Basti durch eine Hintertür. Keine Sekunde später stürmte die Polizei den Raum. Sie richteten Waffen auf uns, bis sie erkannten, dass wir gefesselt waren. Ein paar der Männer und Frauen nahmen die Verfolgung des Fremden auf, welcher mit meinem besten Freund verschwunden war. Ich betete. Ich betete einfach für ihn. Warscheinlich wird er irgendwohin verschleppt. Das durfte nicht passieren. Es war alles meine Schuld. Vielleicht konnten die Polizisten den Mann noch einholen, redete ich mir ein. Immer wieder, bis ich es glaubte.
Der Klebestreifen wurde abgezogen und unsere Fesseln gelöst. Erleichtert richtete ich mich auf. Es war wirklich keine bequeme Position auf dem Steinboden. „Geht es euch gut?" Wir alle nickten etwas zögerlich. Körperlich ja, aber psychisch alles andere. Ich stand immernoch unter Schock. Mit dem Betreten der restlichen Polizisten wurde dieses Gefühl auch nicht besser. „Er hat es geschafft abzuhauen", sagte eine Frau mit langen blonden Haaren. Alles in mir zog sich zusammen. Er war weg. Basti war weg. Die Dame sprach in ihr Funkgerät: „Nummer 265 an Zentrale, Flüchtiger gesucht, Mann mittleren Alters, dunkelbraune kurze Haare, hält eine Geisel gefangen" Dann redete ein Mann auf uns ein. „Macht euch keine Gedanken. Wir werden ihn finden. Wir wissen schonmal wie der Täter aussieht, was ein klarer Vorteil ist" Er lächelte uns kurz zu. Ich drehte mich zu Fabo und Veni um, denen es sichtbar nicht besser ging als mir. Stumm ging ich auf sie zu und nahm sie beide in den Arm.
Normalerweise umarmten wir uns nie, aber das war eine Ausnahmesituation. Sie erwiderten. Niemand von uns hätte sich je ausmalen können, dass an diesem Tag noch soetwas passiert. Ich konnte nicht anders, als mir die ganze Schuld zuzuschieben. Unsere Handys wurden uns wieder gegeben und wir wurden gebeten für die Befragung noch zu bleiben. Fabo und Veni erklärten die ganze Geschichte. Ich war woanders. Ich konnte an nichts anderes denken, als Basti. Hat er gerade Angst? War er überhaupt bei Bewusstsein? War er überhaupt am Leben? Ich fragte mich, wie er sich wohl gerade fühlte. Allein gelassen?
Nach der Befragung fuhr uns die Polizei zu mir nach Hause. Fabo und Veni wohnten während ihres Besuchs ebenfalls bei mir, somit sparen sie sich die Hotelkosten. Es wirkte alles so surreal. Ich schaute die anderen zwei an, während wir die Wohnung betraten. Uns wurde gesagt, dass wir morgen nochmal auf die Wache gehen sollen, für weitere Informationen. Fabo und Veni unterhielten sich über irgendwas. Ich hörte nicht zu. In meinem Kopf drehte sich nur noch das Bild, wie Basti unter der Schusswaffe des Fremden stand. Mein Herz hatte sich in ein Eisblock verwandelt. Ich fühlte mich hilflos. Fast so, als wäre ich immernoch entführt. Plötzlich legte sich ein Arm um meine Schulter. Ich schreckte hoch, doch es war nur Veni. „Sie werden ihn finden. Und wir gehen jetzt erstmal schlafen. Das ist das beste für alle. Basti wird auch nicht geholfen, wenn du jetzt wach bleibst und im Selbstmitleid versinkst" Eigentlich war ich kein Typ, der Emotionen wirklich Preis gab, doch ich konnte nicht mehr. „Ich hab so Angst" „Wissen wir. Wir auch, glaub mir. Aber wir können nichts tun", sprach Fabo auf mich ein. „Er ist so hilflos" Die anderen nickten nur. „Komm. Mach dich bettfertig", kam es von Veni, der mir nochmal aufheiternd auf die Schulter klopfte. Schwerenherzens begab ich mich ins Badezimmer, duschte, putzte Zähne und zog meinen Schlafanzug an, bevor ich mich anschließend ins Bett begab, während die anderen auf meiner Couch schliefen. Ob sie auch wirklich schlafen konnten wusste ich nicht, aber ich konnte es auf jeden Fall nicht. Normalerweise, wenn ich nicht schlafen konnte, spielte mir Basti immer etwas auf dem Klavier vor. Die ganze Nacht lag ich wach und starrte an die Decke. Meine Gedanken kreisten immer weiter. Ich kann mich doch nicht gemütlich in mein Bett legen, während mein bester Freund irgendwo festgehalten und wahrscheinlich gefoltert wird. Das ist nicht fair.
Morgens weckten mich die Sonnenstrahlen aus meiner Starre. Kurz schaute ich mich müde im Raum um, dann dachte ich schon wieder an Basti. Ich konnte nicht anders. Veni hatte Recht, es half ihm nicht, dass ich nichts geschlafen habe, doch schlafen würde ihm auch nicht helfen. Immer wieder stellte sich mir die Frage: lebt er überhaupt noch? Die ganze Zeit schwebte diese Sache durch den Kopf. Es war das Eine, zu wissen, dass er nicht gut behandelt wird. Nicht zu wissen, ob er überhaupt noch lebte war jedoch etwas komplett anderes. Ich kam damit nicht klar. Ich wollte an etwas anderes denken, aber ich konnte nicht. Die ganze Zeit hämmerte mein Herz wie wild. Ich konnte es nicht beruhigen. Es fühlte sich an, wie eine Panikattacke. Keine starke, aber eine, die sich extrem in die Länge zog. Und ich war nicht in der Lage etwas dagegen zu tun. Ich verließ mein Schlafzimmer und lief zu meinen Gästen, die sichtlich auch nicht geschlafen haben. Oder nur sehr wenig. „Morgen", murmelte ich beim Betreten des Raumes. Direkten Weges ging ich in die Küche, um mir ein Kaffee rauszulassen. Ohne Koffein würde ich keinen Tag überstehen. Meine Nerven lagen blank. Alles überforderte mich. Auf einmal traten Tränen hervor. Warum? Ich trank Kaffee. Warum weinte ich? Warum konnte ich nicht aufhören? Ich wischte die Tränenspuren mit meinen Armeln weg, doch keine Sekunde danach waren schon wieder neue da. Ich wollte einfach nicht mehr. Ich musste irgendwas schlagen. Ich musste irgendwo meinen Frust raus lassen. Aber ich konnte nicht. Immer mehr Tränen entwichen meinen Augen. Fabo und Veni bemerkte dies nicht, da ich immernoch in der Küche saß, mit dem Rücken zu ihnen. Ich hatte Angst. So unfassbare Angst, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Ich realisierte gar nicht wie lange ich dort saß und in die Luft starrte, während die Tränen weiterhin ihre Bahn rinnten. Schließlich musste ich einen kalten Kaffee trinken. Immernoch besser als keiner.
Kaum war die Tasse in der Spülmaschine begab ich mich ins Bad und machte mich fertig. Die Polizisten hatten uns keine Uhrzeit genannt, weswegen ich einfach so früh wie möglich dort sein wollte. Als ich fertig war lagen die anderen immernoch auf der Couch. „Könntet ihr euch fertig machen? Würde dann gerne zum Revier" Sie erhoben sich mit einem Seufzen und zogen sich zurück. Keinem von uns ging es zu dieser Zeit besonders gut. Richtig geistig anwesend war kaum einer. Keiner wusste so recht, wie es jetzt weiter gehen sollte. Wie verhält man sich in so einer Situation? Kann man etwas dagegen unternehmen? Ich fühlte mich so nutzlos. Doch viel mehr als warten und hoffen konnten wir nicht.
Eine gute Stunde später parkte ich mein Auto vor dem Polizeirevier und wir stiegen aus. Schon zu dieser frühen Zeit war dort ordentlich Betrieb. Kaum betraten wir das Gebäude, wurden wir auch schon erkannt. „Ah, Guten Morgen. Sie können gleich mit mir kommen", begrüßte uns ein Mann. Es war der, der am Vortag versucht hat uns zu beruhigen. Er wirkte auf mich wirklich sympathisch, auch wenn seine Beruhigungsversuche nicht wirklich funktioniert haben. Wir liefen dem Polizisten hinterher und mit jedem Schritt wurde ich nervöser. Hatten sie schon Spuren gefunden? Haben sie überhaupt schon angefangen? Immerhin ist es gestern erst spät abends passiert. Wirklich religiös war ich zwar nicht, aber trotzdem betete ich in Gedanken durchgängig. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was mein bester Freund gerade durch machen musste.
Ohne geistig überhaupt anwesend zu sein, folgte ich dem Mann vor mir in einen Raum. „Setzen Sie sich" Er zeigte auf die Stühle im Zimmer. Ich plazierte mich auf den Holzstuhl und atmete einmal tief durch, um meine Gedanken zu ordnen. Ich müsste jetzt genau zu hören. Bei der Sache sein. „Also ihr Freund, Bastian, richtig?" „Ja", antworteten wir alle drei etwas versetzt. Jeder von uns war deutlich angespannt. Komplett überfordert mit der allgemeinen Situation. „Nun, wir haben bis jetzt zwar noch keine Hinweise gefunden, aber der Täter ist bereits als gesucht gemeldet, ebenso wie Bastian als vermisst. Wir haben alle Polizeireviere innerhalb 20 Kilometer informiert. Jeder hilft uns bei der Suche. Was ihr machen könnt, erstmal Ruhe bewahren. Uns ist allen bewusst, wie Sie sich gerade fühlen. Es ist wichtig, dass Sie sich nicht selbst verlieren. Bei vielen Angehörigen von Entführungsopfern wurde ein teilweise selbstzerstörendes Verhalten und eine gestörte Zeitwahrnehmung beobachtet. Wenn Sie wünschen, könnten wir einen Experten zu Ihnen nach Hause schicken. Diese Leute sind extra dafür ausgebildet, den Angehörigen Trost zu spenden, für sie da zu sein, auf sie aufzupassen und sie auf dem Laufenden zu halten. Sollten wir eine Info bekommen, würde er sie sofort informieren. Wollen Sie das?" Fabo und Veni musterten mich von der Seite. Für sie war klar, dass sie an dieser Entscheidung nicht beteiligt waren. Früher oder später müssten sie wieder in ihre Heimat zurück. Ich wäre alleine. „Ich weiß nicht. Etwas komisch, einen fremden Mann durchgängig in der Wohnung zu haben, verstehen Sie?", antwortete ich nach etwas überlegen. „Das wäre kein Problem. Er könnte auch nur beispielsweise pro Tag für eine Stunde oder so vorbeikommen. Dann können Sie sich kurz austauschen" „Ja, das schon eher" Dieser Vorschlag gefiel mir schon eindeutig besser. „Und ich könnte Ihnen eine Selbsthilfegruppe empfehlen" Er gab uns drei kleine Kärtchen, auf welchen die Anschrift der besagten Gruppe war. 'Selbsthilfe für Angehörige von Entführungsopfern'. „Sie können sich jederzeit dort anmelden. Falls Sie wirklich gar nicht mehr klar kommen, können Sie auch hier her kommen. Wir haben auf dem Revier auch einen Psychologen" Etwas überfordert nickte ich nur. „Falls Sie Fragen haben, können Sie auch jeder Zeit vorbei schauen. Ich verspreche Ihnen, wir finden Euren Freund“ Wir verabschiedeten uns und verließen wieder das Gebäude.
das waren ursprünglich mal zwei kapitel aber idk irgendwie dauert das sonst viel zu lange
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