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Reflexartig drückte mein Fuß auf die Bremse, wodurch das Auto leicht ins Schleudern geriet. Vor meinen Augen sah ich schon mein ganzes Leben vorbei ziehen. Mein Herz pochte wie wild, vielleicht ja zum letzten mal. Ich war bereit zu sterben, sah die Leitplanke immer näher kommen. Doch im letzten Moment schaffte ich es, das Lenkrad umzudrehen. Mit einem Quietschen blieben wir am Seitenstreifen stehen, kaum Zentimeter zwischen uns und der Planke.
Meine Hände ließen das Lenkrad nicht locker, sie zitterten und krallten sich fest. In meinen Ohren hörte ich noch immer mein lautes Herz, mein Atem beruhigte sich nicht. Ich versuchte tief Luft zu holen. „Basti", schrie ich. Laut wie schon ewig nicht mehr. Panisch drehte ich meinen Kopf nach rechts. Basti saß einfach da und schaute aus dem Fenster. Emotionslos, als wäre nichts gewesen. „Basti, sowas kannst du nicht machen. Erst versuchst du dich mit Tabletten für immer schlafen zu legen, dann bettelst du darum entführt zu werden und jetzt hast du uns beide fast umgebracht" Ich wurde etwas zu laut, das merkte ich. Aber ich hatte einfach solche Angst.
„Was ist in dich gefahren?!" Er blickte drein, so unschuldig, dass ich ihm ja fast glauben würde. Ich war wie erstarrt. Was hatte er nur gemacht? Basti wurde immer undurchsichtiger für mich, aber gerade in diesen Momenten schien es zu viel zu sein. Er schwieg weiter und starrte nur aus dem Seitenfenster. Ich schnaufte schwer und wischte den Angstschweiß von meinem Gesicht. Was wollte er nur? „Ich weiß doch, du willst da nicht hin. Das ist aber weder ein Grund dich selbst, noch mich umzubringen" Meine Stimme wurde wieder etwas normaler, weniger laut, weniger wütend.
Langsam fuhren wir weiter, maximal 100km/h. In mir herrschte immernoch Unruhe. Ich fühlte mich nicht sicher. Doch ein kurzer Blick nach rechts verriet mir, dass Basti wohl eingeschlafen ist. Sein Kopf lehnte an der Scheibe, sein Körper war schlaff und seine Halswirbelsäule in einer ungesunden Stellung. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig. Erleichtert atmete ich tief aus. Mein Blick galt wieder der Straße. Auch wenn er schlief, verspürte ich solche Angst, er würde plötzlich wieder hochspringen und uns ins Verderben bringen. Ich wollte nicht sterben. Und ich wollte auch nicht, dass Basti stirbt.
Eine gute halbe Stunde später, ohne weitere Zwischenfälle, erreichten wir dann die Psychatrie. Basti war mittlerweile wach, mit keiner guten Laune. „Nutz das als Chance. Ich werd immer an dich denken, vergiss das nicht", versuchte ich ihn aufzumuntern. Ohne ein Wort ging er mitsamt seinem Koffer zum Eingang. Wie ein launischer Teenager. Ich durfte leider nicht mit, weswegen ich mit einem schweren Herzen weiter fuhr.
In Gedanken versunken fuhr ich zurück in die Stadt. Veni kam zu Besuch, er wollte sich mit mir treffen. Überrascht keinen Unfall gebaut zu haben, parkte ich mein Auto dann auf dem Parkplatz der Bar. In der Hütte war es stickig, als würde die Luft sich nicht bewegen. Es stank eklig nach Schweiß, Alkohol und sonstigen Drogen. Die meisten Frauen waren leicht bekleidet und wurden von gierigen betrunkenen Männern um den Finger gewickelt. Ich drängte mich durch die Masse, vor auf einen Barhocker, wo auch schon der Österreicher saß.
„Hey, lange nicht mehr gesehen", begrüßte ich ihn. „Stimmt. Basti ist jetzt eingewiesen?" Seine Stimme war ruhig. Stumm nickte ich. Eigentlich wollte ich das Ganze immernoch nicht wahrhaben. Es sollte nicht so sein. Ich wollte bei ihm bleiben, ihn beschützen, auch wenn ich das in Wirklichkeit nicht konnte. Mein Hirn machte mir weis, ich könnte es. „Whiskey bitte", meinte ich zum Barmann. Mir war durchaus bewusst, Alkohol ist keine Lösung. Aber ich hielt das nicht mehr aus. Ich wollte einfach vergessen. Alles vergessen. Mal zumindest für einen halben Tag an nichts denken. So tun, als wäre die Welt in Ordnung. Basti wäre zu Hause und würde streamen. Ich brauchte diese Sorglosigkeit.
Kaum hielt ich das Glas in der Hand kippte ich auch schon die Flüssigkeit in meinem Mund. Das altbekannte Brennen entstand in meinem Rachen. Ich exte den Whiskey, und bestellte mir gleich noch einen. Veni trank aus einem großen Glas Wodka. „Gibt es Fortschritte zu den Ermittlungen gegen den Täter?", wollte er wissen. „Es hat sich niemand mehr gemeldet, also denke ich mal nicht" Ich machte eine kurze Pause und seufzte. „Ich will diesen Typen einfach umbringen" „Und was bringt das dir?", erwiderte der Österreicher sofort. Ich blickte nach rechts, zu ihm, aber er schaute nur auf sein halbvolles Glas.
„Was?" Ich war verwirrt. „Wenn er tot ist, was dann? Basti musste es trotzdem durchmachen, Basti muss trotzdem mit den Konsequenzen leben. Es bringt weder dir, noch mir, noch Basti, noch sonst wem etwas, wenn dieser Mann stirbt. Weißt du, du wärst nicht besser als er" Er sippte an seinem Trinken. „Was meinst du damit?", fragte ich verwundert, teilweise auch wütend. „Wenn du ihn tötest lässt du dich auf das gleiche Niveau herab. Dann bist du nicht besser als er" Ich dachte nach. Veni stieß laut Luft aus. Die Partymusik der Bar mit den bunten Lichtern passte gar nicht zur Stimmung. Er setzte wieder zum Reden an. „Du musst verstehen, dass du niemals zurück gehen kannst. Du kannst niemals zurück gehen. Du kannst kratzen und beißen und schreien und betteln-" Eine Träne lief über seine Wange. „Aber du kannst es nicht rückgängig machen. Niemand kann das" Noch nie zuvor sah ich Veni weinen.
„Basti muss das jetzt selber durchmachen. Er alleine muss diese Angst überwinden. Das kann niemand sonst. Verstehst du das?" Seine ängstlichen Augen wackelten zu meinen. Ein Wunder, dass seine Stimme noch normal klang. „Du hast schon alles gegeben, damit er sich wohl fühlt. Kevin, wir können nichts machen"
einfach schon vorletztes kapitel 🫡
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