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„Eine andere Frage, könnten Sie die Verhaltensmerkmale von Herrn Schneider nach dieser Entführung für uns schildern?" Kurz überlegte ich. „Gleich, als er aus dem Koma aufgewacht ist, war er nicht ansprechbar. Das passiert häufiger, dass er geistig einfach woanders ist und seine Umgebung nicht wahrzunehmen scheint. Bei Berührungen bekommt er Panikattacken, egal wie klein sie sind. Er spricht nicht, isst kaum und verweigert jegliche medizinische Hilfe" Mein Blick wanderte zu Basti, der jedoch wie vernarrt auf Luthius schaute. Die ganze Zeit ließ er nicht die Augen von ihm. Doch es war keine Angst zu erkennen. Eher etwas anderes, was ich nicht deuten konnte. „Wissen Sie, was ich daran so lustig finde? Gerade eben, bevor die Verhandlung begonnen hat, draußen im Flur. Ich lief hinter Ihnen und sah, wie ein fremder Mann Herrn Schneider aus Versehen im vorbeigehen berührte. Und Ihr Freund zeigte keinerlei Reaktion darauf" Ich blieb stumm und starrte Basti an. Wie ist sowas möglich? Was geht nur in seinem Kopf ab? „Es tut mir leid. Das kann ich mir nicht erklären" „Okay, wussten Sie, dass Ihr Freund bereits im Kindesalter unter anderem auch Depressionen entwickelte?" Etwas verwirrt über die Frage runzelte ich die Stirn. „Ja, das ist mir bekannt" „Das Folgende frage ich Sie nicht, weil es unbedingt meine Annahme ist, sondern einfach weil die Möglichkeit besteht. Denken Sie, es könnte sein, dass sein Verhalten auf diese - schon zuvor vorhandenen - mentalen Krankheiten zurückgeht?" Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. Was unterstellte er mir hier? „Nein, ich wüsste nicht wie" Er lachte einmal kurz auf.
Hilfe suchend beäugte ich unsere Anwältin, welche einen bösen Blick auf den Anwalt warf. „Nun, durch eben solche Krankheiten wie Depressionen können ganz abwegige Verhaltensmuster auftreten, die sich erst im Laufe des Lebens entwickeln. Dafür bekannt sind genau diese Ihres Freundes" Ungläubig musterte ich ihn. „Wirklich, Sie können nachher googlen" (bitte googlet nicht, das hab ich mir ausgedacht für plot). Ein fremdschämendes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Der kann mich mal. „Keine weiteren Fragen" Damit setzte ich mich zurück an meinen Platz, zwischen unserer Anwältin und Basti. Kaum berührte ich den Stuhl fiel der ganze Stress von mir ab. Ich habe es geschafft. Ich habe überlebt.
„Frau Welling, bitte nehmen Sie zu den Anklagepunkten Stellung" Sie stand neben mir auf und las von einem Zettel vor. „Das Opfer verfügt über sämtliche Narben, an Bauch, Arme, Hände, sowie teilweise an der Schläfe. Er wurde unterernährt und unter immensen Stress vorgefunden. Herr Schneider saß in einer kargen Zelle, an die Wand gedrückt. An den Wänden erkannte man vereinzelt Blutspuren. Die Wohnung, falls man das so nennen darf, war massiv runtergekommen und entsprach keiner menschenwürdiger Umgebung" Sie platzierte sich wieder neben mir, bevor keine Sekunde später der Rechtsanwalt aufstand. Ich selber hörte die genannten Umstände das erste mal und musste schwer schlucken. Ich durfte nicht vor Gericht das Heulen anfangen. Das durfte ich mir nicht erlauben. Eine einzelne Träne entwich meinem Auge. So sollte das nicht ablaufen. Die Anwältin fasste mir aufmunternd an die Schulter und reichte mir ein Taschentuch, als der andere Anwalt das Reden anfing.
„Betrachten wir das Ganze mal aus juristischer Sicht. Freiheitsberaubung ist kein Verbrechen. Körperverletzung ist kein Verbrechen" „Einspruch, Euer Ehren", rief Frau Welling, wodurch ich kurz zuckte. „Genehmigt", kam vom Richter. „Körperverletzung ist zwar kein Verbrechen, aber schwere Körperverletzung. Diese Tatsachen, die Narben, die veränderte Verhaltensweise, die ich eben beschrieben habe, zählen wohl eindeutig unter diesen Paragraphen" „Danke, Frau Welling. Herr Gaol, fahren Sie fort" „Mal ganz abgesehen davon, ob es nun ein Verbrechen ist oder nicht; es liegen keine Beweise vor. Die Polizei hat bis dato keine aussagekräftigen Beweise für das Geschehene gefunden" „Einspruch", hörte ich erneut von meiner Rechten. „Genehmigt" „Ich darf doch sehr bitten" Ihre Stimme klang etwas aufgebracht. „Mein Mandant ist der lebende Beweis. Ich weiß nicht, was genau Sie noch haben wollen. Mein Mandant wurde traumatisiert für's Leben. Was wollen Sie denn finden? Nach was suchen Sie denn? Denken Sie, dass ein Entführer Überwachungskameras in seinem Bunker hat?"
Die Tür wurde aufgeschlagen und eine weitere Frau betrat den Raum. Die Gerichtsdienerin ging zur Seite und verschloss wieder die Türen hinter der Unbekannten. Die Stimme des Richters hallte durch den Saal: „Damen und Herren, bitte erheben Sie sich für die Gerichtsmedizinerin" Alle im Raum standen von ihren Plätzen auf, bis auf Basti, mal wieder. Als sie vorne ankam setzten wir uns. Die Frau trug eine Akte in der Hand. Verwirrt betete ich einfach. Bitte, lass es irgendwas für uns nützliches sein. Genauso schnell wie diese Hoffnung kam verschwand sie auch wieder. „Also, mich erreichte soeben ein medizinischer Nachweis. Es wurde festgestellt, dass Herr Clay zum Zeitpunkt des Geschehens unter Drogeneinfluss war" Ich wollte weinen. Hier und jetzt das Schreien anfangen. Warum hasste das Schicksal uns nur derart. Meine Hand krallte sich in meine Hose, damit ich nicht erneut das Weinen anfange. Ich konnte hören, wie Frau Welling seufzte. Und das, von einer Anwältin, ist kein gutes Zeichen „Die Geschworenen beraten sich nun. Bitte begeben Sie sich in den Flur und warten dort"
„Basti, komm, aufstehen", befahl ich ihm sanft. Auf dem Flur angekommen lehnte ich mich kraftlos an eine Wand. „Es sieht wirklich nicht gut aus", meinte die Anwältin. Ich nickte nur zögerlich. „Basti, hast du irgendwas mitbekommen? Du musst nicht antworten, einfach nicken oder Kopf schütteln" Diese Frage interessierte mich brennend. Er musterte mich auffällig. Sein Atem war viel zu schnell und bebte. Betreten sah er auf den Boden und schüttelte kaum merkbar den Kopf. Hab ich's mir gedacht. Er sollte mir so viel erklären. Was war das mit den Berührungen? Warum ist er so, wie er ist? Ich brauche Erklärungen. Doch die einzige Person, die mir diese liefern kann, ist plötzlich stumm geworden und scheint geistig in einem Paralleluniversum gefangen zu sein. „Dieser medizinische Nachweis war unser Todesurteil", erklärte die Frau. Dann schreckte sie hoch und blickte zu Basti. „Ungünstige Wortwahl, ich entschuldige mich"
bisschen kürzeres kapitel I apologize aber kapitel 11, 12 und 13 waren mal ein einziges kapitel mit über 3000 wörter deswegen dachte ich ich teile das auf 3 mal auf weil mehr zum lesen oder so peepohappy
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