십이월 구월 • 𝗻𝗶𝗻𝘁𝗵 𝗱𝗲𝗰𝗲𝗺𝗯𝗲𝗿 (𝟮)
Der Mann hatte sich vor ihm hingesetzt. In einem für Taehyung sicheren Abstand saß er von ihm entfernt auf einem Stuhl, hatte die Beine überschlagen und beobachtete den Jungen, was den Jungen unruhig werden ließ. Unter seinem Blick fühlte er sich eingeengt und bedrängt. Schwer schluckend sah er von dem Therapeuten nach unten auf seine Hände, welche mit der Decke spielten. Er hasste es, im Mittelpunkt zu stehen, obwohl er Aufmerksamkeit mochte. Doch seit seinem Umzug hatte er es lieber, wenn er in einer Menge unterging und wenn man ihn nicht beachtete. Daher war er auch in der Schule ruhiger geworden, passte besser auf und meldete sich kaum. Er war ein Streber, welcher zwar nicht in der Schule gemobbt wurde, aber dafür von seinem Vater misshandelt wurde. Niemand bemerkte das. Nur sein kleiner Unfall auf dem Dach hatte die Aufmerksamkeit und Sorge seiner Freunde geweckt. Und nun wurde er nackt in einem Lagerhaus gefunden, wobei wieder die Aufmerksamkeit auf ihm lag. Dieses mal jedoch intensiver als sonst.
»Man hat mir gesagt, dass du deine Mutter letztes Jahr verloren hast«, kam es von dem Therapeuten. Schwer schluckte der Blondhaarige. Den Unfall wieder vor seinen Augen, starrte er auf seine Hände, erlebte den Tag damals wieder vor seinem inneren Auge. Tränen stiegen in seine Augen und rollten über seine Wange. Er spürte das warme nass auf seine Hände tropfen. Leicht fing er an zu zitternd und sein Körper bebte durch die Schluchzer auf.
»Ja...«, stimmte der Junge dann irgendwann zu, als er dachte, eine feste Stimme zu haben, doch zitterte diese ebenso wie sein Körper. Die Erinnerung war schmerzhaft und hatte ihm eines gezeigt. Zeit war kostbar. Er hatte so viele schöne Erinnerungen mit seiner Mutter, doch wurde sie einfach aus seinem Leben gerissen. Der Schmerz, der dabei entstand, war unbeschreiblich und konnte bis heute nicht gemildert werden. Er war etwas zurückgegangen und Taehyung hatte diesen sogar vergessen, da er die Erinnerungen an damals so gut es ging verdrängte. Doch nun direkt darauf angesprochen zu werden, riss die Wunde wieder auf und zerschlug die Mauer, die von ihm aufgebaut wurde.
»Wie ist sie denn genau gestorben?« Taehyung vermutete, dass der Mann vor sich, welcher sich mit Ji-woo vorgestellt hatte, sich bereits über ihn schlau gemacht hatte. Er hatte bestimmt Informationen von damals erhalten und auch von der Ärztin einiges erfahren. Daher wusste der Ältere bestimmt auch, was damals passiert war. Zittrig atmete er ein, krallte sic etwas fester in die Decke unter sich.
»Wieso... wollen Sie das wissen? Bestimmt... bestimmt haben Sie die Berichte schon gelesen...«, sprach Taehyung seine Gedanken leise aus. Er spürte, wie sich vorsichtig eine Hand auf seine rechte legte und er wusste sofort, dass diese von seiner behandelten Ärztin stammte. Es beruhigte ihn zu wissen, dass er nicht alleine mit dem älteren Mann in diesem Zimmer war, doch gleichzeitig war immer noch der Gedanke in seinem Hinterkopf, dass die beiden vielleicht zusammen arbeiteten, um ihm schlimme Dinge anzutun.
»Aber ich möchte es gerne von die hören. Ich glaube nicht, dass du seit damals darüber gesprochen hast, nicht war?« Mit dieser Aussage traf er ins Schwarze. Taehyung hatte zwar erzählt, dass seine Mutter gestorben war, doch hatte er weder Hoseok noch Jimin oder jemand anderem genau erzählt, was damals passiert war. Es hatte zu sehr geschmerzt und der Umzug zu seinem Vater kam noch hinzu. Schwer schluckte er, krallte sich so fest er konnte in das Lacken unter ihm. Der Blondhaarige versuchte seinen Atem zu regulieren, bevor er anfangen konnte zu erzählen. Der Therapeut drang ihn nicht, saß einfach still auf dem Stuhl, doch konnte der Schüler dessen Blick auf sich spüren. Immer wieder atmete er tief ein und aus, regulierte einiger Maßen seinen Atem, ehe er seinen Mund öffnete.
»Damals... ging alles so schnell...«, fing er leise an. Er presste seine Augen zusammen, versuchte somit die Tränen zu verhindern, welche sich wieder in seinen Augen sammelten. Sein Atem fing wieder an zu zittern. Krampfhaft versuchte der Schüler all dies zu unterdrücken, um von dem Tod seiner Mutter zu erzählen. Er wollte es nicht, denn dadurch zeigte er, wie verletzlich er war. Nach ein paar Sekunden spürte er, wie eine Hand ihm sanft über den Rücken strich. Der Junge sah auf, blickte der jungen Frau in die Augen, welche ihn mit sanften Blick ansah, ihm zeigte, dass sie ihn nicht verlassen würde. Der Blondhaarige nahm all seinen Mut zusammen, unterdrückte die aufkommenden Tränen, und fing an, von dem 24. Dezember letzten Jahres zu erzählen.
Der Junge lächelte, als er die Schneeflocken sah, welche in der Luft tanzten und langsam Richtung Boden fielen. Er war fast sechzehn Jahre alt, dennoch verhielt er sich meistens wie ein kleines Kind. Man konnte ihn mit den kleinsten Dingen begeistern, so wie auch mit frischem Schnee. Der Junge liebte es, draußen in der Natur zu sein. Er wollte die Schönheit der Natur zusammen mit seiner Mutter genießen, weshalb die beiden auch zum Han-River gegangen waren. Und dort spielte der Junge nun mit den tanzenden Schneeflocken wie ein kleines Kind und zauberte seiner Mutter ein Lächeln purer Freude auf die Lippen.
»Tae, ist dir nicht kalt?«, fragte sie und ihr Blick wechselte zu einem besorgten Blick. Sie hatte zuerst vergessen, dass ihr Sohn nicht besonders viel trug, abgesehen von einer schwarzen Jeans, einem roten Pullover und einer dünnen wasserdichten Jacke. Seine Schuhe steckten zwar in Winterstiefeln, doch seine Hände zierten keine Handschuhe und dabei herrschte gerade eine Temperatur von fast minus zehn Grad. Es war kalt, aber dennoch schien dies ihren Sohn nicht im geringsten zu interessieren. Auf ihre Frage hin schüttelte er nur den Kopf und sah sie kurz darauf mit einem sanften Lächeln an.
»Nein, Eomma«, beruhigte er sie und ging auf sie zu. Er hakte sich bei ihr ein, wie er es auch ab und zu bei seinen Freunden tat, wenn er sie in der Schule traf. Mit einem sanften Lächeln lief er so neben ihr her am Fluss entlang zu einem der kleinen Läden, in welchen man Ramen essen konnte. Sie taten das jedes Jahr an Weihnachten. Einen Spaziergang am Fluss, dort Ramen essen und dann liefen sie durch die Innenstadt nach Hause. Da die beiden nicht viel Zeit miteinander hatten, da die Frau fast stetig den ganzen Tag arbeitete und der Teenager hauptsächlich in der Schule war und fleißig lernte oder seinem Minijob in dem kleinen Convenience Store bei ihnen um die Ecke nachging. Es war eher selten, dass die beiden einmal gemeinsam für eine längere Zeit zuhause waren, weshalb sie sich hauptsächlich am Morgen sahen, wenn beide das Haus verließen.
»Mh... wie wäre es, wenn wir den Umweg über die Innenstadt heute auslassen und dafür etwas länger hier am Fluss bleiben?«, kam es von der Frau, welche zu ihrem Sohn sah, welcher rechts von ihr lief. Ohne ein Wort von dich zu geben, stimmte er nickend dem Vorschlag seiner Mutter zu. Die beiden verstanden sich gut, was nicht bei jeder Familie der Fall war. Vor allem nicht für Kinder, die ihre Eltern wegen der Arbeit kaum sahen. Für den Schüler war es schade, doch er liebte seine Mutter und er würde sie auch nie hassen können. So genoss er die Zeit, die er hatte, und es dauerte auch nicht lange, da waren sich auch schon in dem Laden angekommen, wo sie stets an Weihnachten die Ramen kauften. Der schwarzhaarige Teenager lief sofort zu den Ramen, griff nach zwei Packungen, ehe er wieder zu seiner Mutter ging. Er wedelte die Packungen in der Luft, was seine Mutter zum lachen brachte.
»Ist ja gut, Taehyung«, lachte sie und folgte ihm zur Kasse. Schmunzelt bezahlte sie die Ramen. Sie bekamen noch zwei Schüsseln und Stäbchen, mit welchen sie dann zu den Maschinen gingen, die zum zubereiten aufgestellt waren. Sie sahen einer Kaffeemaschine ähnlich, dich befand sich eine Art elektronischer Herd auf dem unteren Teil. Die beiden stellten ihre Schüssel darauf und gaben die Ramen hinein, ehe sie einen der Knöpfe betätigten und somit heißes Wasser in die Schüssel lief. Der Herd war ebenfalls angegangen und fing an den Inhalt der Schüssel zu kochen.
»Wir könnten heute auch in das Aquarium gehen. Was hältst du davon?«, schlug der Junge auf einmal vor und sah zu seiner Mutter auf. Diese sah ebenfalls zu dem Jungen und stimmte sanft lächelnd zu. Sie mochte es, wenn ihr Sohn einen Vorschlag machte, denn die beiden hatten den gleichen Geschmack, was eigentlich alles anging. Kleidung, Hobbys, Museen. Und heute einfach einmal in ein Aquarium zu gehen, wo es sowieso ruhig war, entspannte irgendwie. Das wussten Mutter und auch Sohn. Und so war der Tag beschlossen: Ramen essen, danach einen Ausflug ins Aquarium, bevor sie dann nach Hause liefen und sich dort ein K-Drama ansehen würden. Taehyung freute sich bereits darauf, diesen Tag so zu verbringen. Auch wenn sie die Ramen bereits schnell verspeist hatten, blieben die beiden noch einige Zeit sitzen, blickten auf den Han River und unterhielten sich über Taehyungs Freunde. Seine Mutter wollte immer alles wissen, verhielt sich sogar manchmal wie ein kleines Mädchen, welches den neusten Tratsch aus der Schule hören wollte.
»Naja, Jimin steht irgendwie auf Yoongi, aber zum Teil irgendwie auch auf Tae-yeon«, erklärte er seiner Mutter und konnte sich selbst ein Kichern nicht unterdrücken, genauso wenig wie seine Mutter. Diese schmunzelte sogar und sah zu ihren Sohn. Sanft strich sie ihm die dunklen Hare nach hinten und sah ihn lächelnd an. Für sie war es als wäre es erst gestern gewesen, dass Taehyung erst geboren wurde. Und obwohl sie sich bereits vor seiner Geburt von seinem Vater getrennt hatte, liebte sie ihren Sohn mehr alles andere. Sie wollte ihn nie verlieren.
»Mh, du solltest deine Freunde mal wieder einladen«, kam es sanft von ihr, ehe die beiden gemeinsam aufstanden, um sich kurz darauf auf dem Weg zum Aquarium zu machen. Auch wenn das Wetter um diese Zeit bereits kalt war, entschieden Sie sich, den Weg zu laufen. Es entspannte die beiden und gleichzeitig konnten sie sich über alles mögliche unterhalten, ohne die anderen in den Bussen oder U-Bahnen zu stören. Ihr Sohn folgte ihr, hakte sich bei seiner Mutter ein, ehe er mit einem leichten Nicken, dem Vorschlag seiner Mutter zustimmte.
»Ja, das stimmt. Das wäre glaube ich keine schlechte Idee«, gestand er, während die beiden ein wenig am Fluss entlang liefen. Die Frau neben ihm nickte und zählte alles auf, was die sieben Freunde alles machen konnten, während ihr Sohn zuhörte und auch gleichzeitig leise kichern musste. Seine Mutter war für ihn wie eine beste Freundin und als er sich geoutet hatte, hatte sie ihm einen sanften Kuss auf die Stirn gegeben und ihn dann mit den Worten „Ich liebe dich so wie du bist und daran wird sich nie etwas ändern. Ich würde mich freuen bald deinen festen Freund kennenlernen zu dürfen" umarmt. Taehyung hatte damals viel Angst gehabt, hatte sein Outing immer wieder vor dem Spiegel oder mit Hoseok geübt, da er Angst vor der Reaktion seiner Mutter hatte. Er hatte sich so viele Szenarien ausgemalt, wie seine Mutter reagieren könnte, doch war die liebliche und stolze Reaktion keine davon gewesen. Damals hatte er in den Armen seiner Mutter sogar mehr als nur ein paar Tränen vergossen, da er so erleichtert war.
»Vielleicht könnt ihr ja auch ein paar mehr einladen und ein wenig feiern«, sagte sie auf einmal, sah ihren Sohn dabei mit wackelnden Augen an. Sie würde sich freuen, wenn Taehyung endlich jemanden finden würde, welcher ihn so liebte, wie er war. Sie würde sich für ihren Sohn freuen, wenn er jemanden hatte, mit welchem er auf romantische Dates gehen und welchem er Zeit verbringen konnte, auch wenn sie ihn dadurch ein wenig vermissen würde. Ihr Sohn öffnete seinen Mund, setzte an etwas zu sagen, doch durchbrach ein Knall und die darauf folgenden Schreie sein Vorhaben. Ein Schmerz breitete sich in ihrer Magengegend aus und sie sah mit geschocktem und gleichzeitig schmerzendem Blick an. Sie krallte sich in die Ärmel von Taehyung, während sie nach hinten stolperte.
»Eomma? Eomma«, schrie der Dunkelhaarige panisch, hielt sie fest in seinen Armen und sank mit ihr zu Boden. Mit zitternden Händen versuchte er die blutende Wunde an ihrem Bauch zu versorgen, drückte seine Hände auf diese, während Tränen seine Wange verließen. Er wusste nicht, was er machen sollte, sah seine Mutter hilfesuchend und verzweifelt an, während diese ihn weiterhin ansah. Sie hob langsam einen Arm und legte ihre Hand auf Taehyungs Wangen. Mit ihrem Daumen wischte sie über seine Wange, wischte ihm die Tränen weg.
»Nicht... nicht weinen...«, sagte sie sanft, aber dennoch leise. »Ich bin doch bei dir.« Sie wusste genau, dass sie dies nicht überleben würde, denn sie spürte, wie das Blut ihren Körper verließ unter unter ihr eine Lache aus Blut bildete. Sie spürte die Kälte in ihren Körper kriechen und wie sie an Kraft verlor. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie hatte ihren Sohn gesehen, bevor sie starb. Sie wollte ihm die Angst nehmen, wollte ihm den Schmerz nehmen, den er innerlich spürte.
»Ich liebe dich. Und... und auch wenn viele es nicht tun werden... meine Liebe wird immer bei dir sein...« Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, wurde Taehyung von ihr weggezogen. Der Junge wollte sich dagegen wehren, schrie immer wieder nach seiner Mutter, doch wurde er einfach immer weiter von ihr weggezogen. Die Tränen des Jungen vermehrten sich, ebenso wie der Schmerz in ihm. Er wollte seine Mutter nicht verlieren. Er wollte, dass sie ihm durch den Rest seines Leben half und ihn bei seinen Dates beriet. Seine Sicht verschwamm und er ließ sie einfach laufen, denn er wusste innerlich, dass sie bereits starb. Ihre Hand war von seiner Wange gerutscht und auf den Boden gefallen. Er wusste es bereits und das fügte ihm die meisten Schmerzen zu, als die Worte, als ihm der Sanitäter mitteilte, dass sie gestorben war.
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