versöhnung mit dem raben
Der Morgen kam.
Viel zu schnell und quälend kam er dahin gekrochen.
Vor den Fenstern des Schlosses wehte eine kühle Brise, die sich sanft durch die Baumkronen zog und die hohen Gräser umherwog.
Fast die ganze Nacht hatte Elin wach im Bett gelegen. Ihr war so viel auf einmal durch den Kopf gegangen, dass einfach keine Ruhe bei ihr eingekehrt war. Sie wusste nicht, was sie machen sollte.
Komplette Ratlosigkeit hatte sich bei ihr breit gemacht.
Irgendwann war sie als erste aufgestanden, hatte sich aus dem Schlafsaal geschlichen und war dann, frisch angezogen, in den Gemeinschaftsraum gelaufen.
Ihre Bücher trug Elinora schon in einer Tasche.
Eine ganze Stunde verbrachte die Slytherin alleine in dem Raum, überflog nochmal ihre Hausaufgaben, bevor dann auch die anderen ihres Hauses eintrudelten.
Sehnlichst erwarte die Schülerin das Frühstück. Und den Unterricht. Die Freistunden. Das Abendessen. Sie wollte einfach nur, dass dieser Tag vorbeigehen würde.
Die ganze Zeit durchstrich der Gedanke ihren Kopf, sie sollte ein letztes Mal in den Krankenflügel gehen, um sich richtig zu verabschieden.
Elin hatte nicht geweint. Sie hatte überhaupt nicht auf seine Worte reagiert. Marchbanks fühlte sich wie ein stumpfer Stein, aber es durchzog sie nicht einmal ein winziger Hauch von Traurigkeit. Vielleicht war sie ein wenig wütend. Aber sicher war sie sich da nicht. Draco war auf einmal wieder nur der berühmte Slytherin Schüler, dem so viele des Hauses hinterher gelaufen waren.
Er war wieder so unnahbar für Elin, wie all die Jahre zuvor.
Trotzdem fühlte es sich komisch an.
Als ob etwas fehlen würde.
Nun war sie tatsächlich komplett allein.
Elin kämpfte mit sich, doch sie ergriff die Chance und setzte sich beim Mittagessen direkt neben ihren Bruder, der offenbar vertieft in ein Schulbuch war. Wahrscheinlich bereitete Leofwine sich für die Prüfung vor. Seine Schwester war ein bisschen stolz darauf, dass er diesmal wohl etwas früher angefangen hatte, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten.
"Na, fleißig am lernen?", sprach die Slytherin den Siebtklässler an.
Der Ravenclaw schreckte kurz hoch, wandte sich dann zu ihr und musterte sie dann ungläubig.
"Kann ich dir helfen?", fragte Leof verwirrt. Er hatte die Hand auf die Seite gelegt, damit das Buch nicht zufiel. "Wir sollten uns endlich vertragen," meinte Elinora kurzerhand.
Leofwine runzelte seine Stirn, doch dann entspannte sich der Ausdruck wieder.
"Das ist doch längst vergessen."
"So hat sich das für mich aber nicht angefühlt," widersprach seine Schwester ihm, "du warst nicht mehr bei mir, du hast mich gemieden."
"Ich habe dich nicht gemieden. Du warst irgendwann mit Draco zusammen, da wollte ich nicht stören."
"Das hättest du nicht," erwiderte die Slytherin sofort.
"Wie geht es ihm eigentlich?"
"Wem?", stellte sie sich dumm.
Es war offensichtlich, wen ihr Bruder meinte. Aber eigentlich wollte sie nicht an Malfoy denken.
"Draco natürlich. Soll ziemlich schlimm gewesen sein, was passiert ist. Mit viel Blut. Stimmt das?"
Elinora musste seufzend feststellen, dass Draco wohl wahrscheinlich in diesem Moment mit seinen Eltern das Schloss verlassen würde und sie sich so schnell auch nicht mehr wiedersehen würden. Wozu auch?
Sie war Geschichte für ihn.
Er war eben ein Malfoy und hatte anscheinend doch das Gemüt seiner Eltern geerbt. Wenn etwas nicht vom Besten war, wurde es weggeworfen.
So fühlte es sich zumindest an.
Ihr Blick verfiel in eine starre Leere.
"Elin? Alles Ordnung?", brachte ihr Bruder die Slytherin wieder zurück in die Realität.
Sie schüttelte sich kurz, schnaufte tief durch und sah dann mit einem aufgezwungenen Lächeln wieder zu Leofwine.
"Ja, es geht ihm wieder gut. Sogar so gut, dass er auch die Schule verlassen kann. Wunderbar, nicht wahr?"
Der Ravenclaw zog überrascht die Augenbrauen hoch, als seine Schwester etwas zu sehr in die Kartoffel auf ihrem Teller stach und energisch begann das Essen zu zerkleinern.
"Oh, ich hatte ja keine Ahnung...," murmelte er vor sich hin, während Elinora auf die nächste Kartoffel einprügelte.
"Jungs sind nur Zeitverschwendung.
Merk dir das, Brüderchen! Das gilt für dich genauso, wie für mich."
Belehrend fuchtelte die Slytherin mit dem Messer vor seiner Nase herum.
Vorsichtshalber wich der Ravenclaw etwas mit dem Kopf zurück.
"Also seid ihr getrennt?", wollte er klarstellen.
"Ja!", brummte Elinora. Es war überraschend wie plötzlich die Wut sie doch eingeholt hatte.
"Ihm ist wohl sein Erbe wichtiger, als eine Beziehung mit mir. Du hättest ihn mal hören sollen, Leof! Ich wette es tut ihm nicht mal leid. Er ist doch genauso ein kalter Kotzbrocken, wie sein Vater!"
Aufgebracht tunkte die Hexe die Kartoffel in eine Soße und stopfte sich dann das erste Stück in den Mund.
"Das finde ich jetzt unfair," wandte er etwas vorsichtig ein.
Natürlich verstand ihr Bruder, dass sie sauer und frustriert war.
Schließlich war die Trennung aus dem Nichts gekommen.
Trotzdem fiel es ihm nun schwer, den jungen Malfoy als jemanden schlechten anzusehen, denn vor einigen Tagen hing der Blondschopf noch an ihren Lippen.
Elin reagierte einfach nur über.
"Draco ist nicht wie Lucius, und das weißt du ganz genau."
Ein vielsagendes Brummen ertönte aus der Kehle seiner Schwester.
Stumm aß sie weiter ihre Kartoffeln, wohlwissen, dass Leofwine Recht hatte. Aber zugeben würde sie es nicht.
"Mach dir nichts draus. Du bist 17.
Dein Leben hast du noch vor dir.
Irgendwann findet man schon den richtigen Partner."
"Ich hoffe er erstickt an seinen Galleonen," keifte sie weiter.
"Jetzt beruhige dich mal," meinte ihr Bruder, nun etwas bestimmter.
"Du hörst dich schon an wie Matilda," meinte er genervt.
Mit diesen Worten fasste die Slytherin sich wieder. Nachdem sie einen langen Ausatmer losgelassen hatte entspannte ihr Körper sich wieder
"Warum musste er überhaupt in den Krankenflügel?", unterbrach der Ravenclaw nach einer Weile die Stille.
Elinora seufzte laut auf.
Dann nahm sie sich noch ein wenig Schokopudding und begann darin herumzustochern.
"Ich glaube nicht, dass ich das Recht habe dir das zu sagen," murmelte die Hexe vor sich hin.
Dann schob sie den ersten Löffel Pudding in ihren Mund.
"Was? Wieso nicht?"
Leofwine klang ein wenig gekränkt.
Wahrscheinlich dachte er seine Schwester würde ihm nicht vertrauen, obwohl dem ganz und gar nicht so war.
Die Slytherin haderte mit sich.
"Draco hat auch immer wieder danach gefragt, was mit Anian passiert ist und ich habe bis zum Ende nichts gesagt, weil ich finde, dass ich dazu kein Recht habe."
"Für eine Slytherin bist du ganz schön ehrlich."
"Ach halt doch den Mund," winkte sie verärgert ab. "Sei nicht beleidigt," schmunzelte der Bruder in sich hinein,"es interessiert mich einfach.
Weißt du wie viele Gerüchte schon umgehen? Ich will die Wahrheit erfahren. Sag es doch wenigstens mir." Starr richtete sich der Blick des Ravenclaws auf seine stumme Schwester, die offenbar so tat, als ob er die letzten Worte nicht gesagt hätte, um nicht antworten zu müssen.
Aber Leofwine kannte Elinora ganz genau. Er wusste, dass sie es nicht lang aushalten würde alles für sich zu behalten. Schließlich wollte sie ihrem großen Bruder sonst immer alles erzählen. Normalerweise hatten sie keine Geheimnisse voreinander.
"Also gut, ich werde es dir sagen," brummte Elin mit sich selbst kämpfend. Leofwine musste kurz breit grinsen. Er kannte seine Schwester einfach zu gut.
"Ich wollte, dass wir es offiziell unseren Eltern sagen, dass wir zusammen sind, damit es wirklich was Ernstes ist."
Sie hielt kurz inne, denn der Brief, den eine Eule vor Tagen mitgenommen hatte, hatte nun keine Bedeutung mehr. Es würde Henry und Edith Marchbanks nur unnötig in Aufruhr setzen. Aber es wäre wohl auch eine ziemliche Demütigung, wenn nun ein weiterer Brief an die Eltern folgen würde, mit der Nachricht, dass ihre Tochter gar nicht mehr mit dem junge Malfoy zusammen war.
Ziemlich peinlich fand Elin das.
"Dracos Eltern haben sofort geantwortet und ihm gedroht das Erbe zu kürzen, wenn er mit solchem Unsinn nicht aufhört.
Ganz genau weiß ich nicht, was es ausgelöst hat. Womöglich wurde es einfach zu viel damit, dass die Malfoys nichts tolerierten."
Kurz kreuzten die Blicke der Geschwister sich.
Leofwine hörte aufmerksam zu.
Dann wandte seine kleine Schwester den Kopf wieder nach unten.
Sie wirkte bedrückt.
"Draco hat versucht sich die Überreste des Dunklen Mals aus der Haut zu schneiden. Als ich hereinkam war es ein einziges Blutbad. Er war völlig neben sich, hat laut geschluchzt und war wirklich nicht mehr richtig bei Verstand."
"Er hat sich selbst verstümmelt?", fragte Leofwine schockiert.
Die Augen waren groß geworden, der Mund stand offen.
"Kann man so sagen."
Elin fand, dass es ziemlich brutal klang.
"Und dann macht er einfach so Schluss? Der hat Nerven," zischte ihr Bruder auf. Kopfschüttelnd stand er mit seiner Schwester auf, als sie endlich mit dem Essen fertig war.
Elin griff nach ihre Tasche, um sie sich dann umzuwerfen.
"Weißt du was mich am meisten fuchst? Ja, es war eine Teenie-Beziehung. Manche haben keine große Bedeutung. So ist das manchmal in unserem Alter. Aber ich hatte echt das Gefühl, dass zwischen Draco und mir viel mehr ist. Da hätte auch noch mehr sein können. Und er hat kein einziges Wort über seine Gefühle für mich verloren. Es war ziemlich oberflächlich muss ich sagen."
Sie liefen aus der Großen Halle heraus und bogen um die Ecke, damit sie auf das Außengelände gelangen würden.
"Bei Malfoy kann ich mir das gut vorstellen. Vor allem bei den Eltern.
Wenigstens kannst du daraus lernen.
Das ist doch was."
"Jetzt bin ich vollkommen allein in meinem Haus," murmelte die Slytherin nachdenklich.
Sofort klopfte der große Bruder ihr auf die Schulter.
"Es sind nur noch ein paar Wochen bis zu den Ferien, Schwesterchen.
Und dann bist du schon im letzten Schuljahr und hast es geschafft.
In einige Jahren denkst du an diese Zeit zurück und dann war all das hier ein Klacks für dich, vertrau mir."
Leofwine zwang sich ein aufmunterndes Lächeln auf und warf es Elinora zu.
"Warum so weise?", grinste sie breit.
"Manchmal ist mir danach," meinte der Ravenclaw schmunzelnd.
Beide mussten herzlich auflachen.
Dann hakte die Schülerin sich bei ihrem Bruder ein und beide liefen aus dem Schloss hinaus.
Es wird anders weitergehen!
Freut euch drauf :)
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