der rotschopf
Ein leichter Wind wehte durch die dichten schwarzen Locken von Elin.
Sie saß auf einem klapprigen weißen Stuhl, hoch oben auf der Terrasse eines Balkons. Warme Sonnenstrahlen scheinten in das müde Gesicht. Es waren wohl die letzten Strahlen des Tages, denn der große Feuerball am Himmel machte sich schon daran am Horizont zu verschwinden. Vor ihr stand eine große Tasse mit dampfenden Kaffee darin. Bevor sie vorsichtig einen Schluck von dem Getränk nahm, lugten die braunen Augen auf das Smartphone, um die Uhrzeit zu erkennen. Ein Seufzer ertönte aus ihrer Kehle. Er war schon fünf Minuten zu spät. Eigentlich müsste Elin es gewohnt sein, schließlich kannte sie ihn schon sehr lange, doch trotzdem war seine Unpünktlichkeit eine Angewohnheit seinerseits, die sie immer noch nicht ausstehen konnte.
Dennoch versuchte Marchbanks sich nicht allzu runterziehen zu lassen.
Immerhin war es noch ihr Geburtstag, auch wenn das kein Grund für Elinora war, um groß zu feiern.
Aber wenigstens ihn wollte die Hexe sehen.
Er würde bestimmt bald hier sein.
Nachdenklich wanderten die braunen Augen über die anderen Tische auf der Terrasse. Es war nicht voll, dennoch gut besucht. Und die Hexe war auch froh darüber, dass heger Trubel herrschte und die Gespräche zwischen den Gästen in vollem Gange waren. Jeder war mit sich beschäftigt. Keiner scherte sich darum was am Nachbartisch vor sich ging.
In Elins Augenwinkel blitzte tatsächlich etwas Rotes auf.
Als sie genauer hinsah bemerkte sie auch schon die leuchtenden Haare und das helle Gesicht, auf dem ein freundliches Lächeln erschien, weil die Augen sich getroffen hatten.
Der Rotschopf kam direkt zu Elinoras Tisch gelaufen und nahm ihr gegenüber Platz.
Für seine Verhältnisse war er recht schick gekleidet. Der Zauberer trug ein edles Gewand aus Leder, welches die Farbe einer Olive trug. Darunter ein weißes Hemd mit einem hohen Kragen. Unter Magiern würde er nicht sonderlich auffallen. Er sah eben wie ein Zauberer aus. Nur, dass Elin es nicht gewohnt war ihn derart ordentlich zu sehen. Sonst trug er immer abgenutzte farblose Kleidung, welche oftmals schon viele Löcher hatte. Leicht musste Marchbanks schmunzeln. Denn sie wusste genau, dass er sich für sie so herausgeputzt hatte.
In der Hand hielt der Mann einen großen Strauß voller gelber Narzissen. Marchbanks musste schlucken, als sie die strahlenden Blüten sah und der Name der Blumen in ihrem Kopf zu pochen begann.
Und schon war wieder der Name Malfoy aufgetaucht, welcher wohl den ganzen Tag hinter ihr her war.
Doch die Frau versuchte sich zu fassen und strahlte dem Zauberer entgegen, als er wieder aufstand, um sie zur Begrüßung zu umarmen und ihr zum Geburtstag zu gratulieren.
"Es tut mir leid, dass ich mich ein wenig verspätet habe, aber ich konnte einfach nicht schneller weg. Und dann ist es auch noch ziemlich ätzend um nach London zu apparieren ohne einen Marathon laufen zu müssen, ach argh-"
"Schon gut, Charlie," beruhigte Elin den Rothaarigen mit sanfter Stimme.
Behutsam legte sie ihre Hand auf seinen Arm und konnte den aufgewühlten Blick des Mannes ein wenig besänftigen.
"Ein bisschen gewundert hat mich deine Einladung schon. Wie lange ist es her, dass wir gemeinsam irgendetwas gefeiert haben?"
"Etwas 10 Jahre," murmelte Elin.
Es kam so schnell aus ihr herausgeschossen, dass der Mann etwas verblüfft geworden war.
"Ich konnte meine Familie heute einfach nicht ertragen. Wahrscheinlich würden meine Eltern genau heute auf meinem Alter herumhacken."
"Ohje," seufzte Charlie.
Er wusste genau wovon sie sprach.
Schließlich war ihn bewusst wie Edith Marchbanks tickte und welche Ansprüche sie an ihre Tochter stellte.
Er hatte es einst am eigenen Leib erfahren.
"Nun denn," unterbrach der Zauberer die Stille und setzte sich wieder hin.
"Jetzt bist du 37, hm? Was für ein Gefühl hast du dabei?"
"Meine Uhr tickt," grummelte Elinora, während sie den Löffel im Kaffee herumrührte.
"Komm schon, werd' jetzt nicht dramatisch. Das kenn ich gar nicht von dir."
Ernst schaute Charlie zu Elin, wie sie bedrückt vor ihm saß.
Eine Bedienung in weißer Uniform kam herbeigeeilt und nahm rasch Charlies Bestellung auf.
"Midlife Crisis nennen die Muggel das," meinte Marchie, als die Angestellte wieder verschwunden war.
"Ist das eine Krankheit?"
Charlie klang leicht belustigt, doch auf dem Gesicht der Hexe erschien nicht einmal der Anschein eines Lächelns. Ein Seufzer entwich dem Mann.
"Wir sind also nicht hier um zu feiern, sondern um in Selbstmitleid zu versinken?"
Diesmal hoben sich ihre Mundwinkel ein wenig. "Womöglich."
"Elin du bist doch noch jung. Schau dir doch mal mich an. Ich werde 47 und bin immer noch kinderlos."
Sie ließ einen Seufzer los und fuhr sich dann durch die dichten Haare.
Seine Worte wirkten nicht sonderlich ermunternd.
Ihre Augen gleiteten über die Terrasse, bis der Blick in eine aussichtslose Leere verfiel.
Das Gesicht schien versteinert.
Der Mund war zu einem Strich verzogen.
"Was ist?", hakte Charlie nach.
"Ich sehe doch, dass dir etwas durch den Kopf geht, was du nicht aussprechen möchtest."
Erneut musste Elin seufzen.
Dann löste der Blick sich aus der Leere.
"Was ist wenn-", doch Marchie stockte mittendrin. Offenbar war sich die Hexe nicht sicher, ob sie es tatsächlich aussprechen sollte.
Aber Charlies Augen wichen nicht von ihr. Gebannt wartete er darauf, dass sie weitersprechen würde.
Tief atmete Elinora ein und wieder aus.
"Haben wir damals zu schnell aufgegeben, Charlie?"
Fragend schaute die Hexe zu ihrem Gegenüber.
Der Zauberer schnaufte schwermütig auf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Es trat eine bedrückende Stille auf, die erst unterbrochen wurde, als die Bedienung angelaufen kam und dem Rotschopf die Bestellung auf den Tisch stellte.
Verhalten begann Charlie von seinem Kuchen zu essen.
Man konnte sehen, dass er darüber nachdachte, was wohl am geschicktesten wäre zu antworten.
Besonders da ihn Elin ziemlich erwartungsvoll musterte.
"Wir haben es dreimal versucht, Elinora. Du hast dich damals völlig zurecht getrennt. Weil es dich fertig gemacht hat," sprach er klar.
Die Frau ihm gegenüber schluckte.
Dann nahm sie ohne Kommentar einen Schluck aus ihrer Tasse.
"Oder hätte ich dich deiner Meinung nach aufhalten sollen?", hakte Charlie nach, weil sie nicht weiteres von sich gegeben hatte.
"Du hattest drei Fehlgeburten, Elin.
Und du hattest Recht mit uns, damals.
Wir wären daran zerbrochen. Vor allem, weil du es immer und immer wieder versucht hättest. Es war gut die Verlobung aufzulösen."
Sie schnaufte als Antwort.
Dann trank sie noch einmal von ihrem Kaffee.
"Du hast eine Top Karriere und noch so viel vor dir. Warum denkst du über all das nach, was damals zwischen uns war?"
"Beruflich bin ich vielleicht erfolgreich, aber privat bin ich sehr einsam und unzufrieden. Meine Familie ist da auch keine große Hilfe, wie du weißt."
Charlie beugte sich ein wenig vor und griff nach ihren Händen. Innig schauten seine Augen in Elins trauriges Gesicht.
"Du weißt, dass du jederzeit in den Fuchsbau kommen kannst. Auch wenn ich nicht da bin. Meine Mutter fragt immer noch nach dir und mein Vater liest jede einzelne Ausgabe deiner Zeitschrift. Wenn irgendwas ist sind die Weasleys immer noch für dich da. Auch wenn wir nicht mehr in einer Beziehung sind, bedeutest du mir noch etwas. Und wie heute, kannst du mich jederzeit kontaktieren."
"Ich weiß," murmelte Elin leise.
"Aber ich möchte deiner Familie nicht zur-"
"Du bist keine Last!", sagte Charlie eindringlich. Er hatte bereits gewusst, wie ihr Satz enden würde.
"Denk das bloß nicht, verstanden?"
"Jaja," beschwichtigte Marchbanks den Rotschopf.
"Außerdem war es gar nicht deine Schuld damals," brummte Charlie nach einer Weile.
Nachdenklich rührte er mit dem Löffel in seinem Kaffee herum.
Elin war sichtlich verwirrt.
Ihr Kopf war hochgezuckt.
Sie wusste überhaupt nicht was er meinte. Auf ihrer Stirn entstand eine verwirrte Falte. "Was?"
Er schnaufte und ließ von dem heißen Getränk ab. Dann lehnte er sich wieder zurück.
"Die Fehlgeburten. Das war nie deine Schuld. Es war meine."
Die Falte auf ihrer Stirn wurde noch tiefer. "Charlie, ich verstehe nicht...keiner von uns trägt die Schuld daran. Es hat einfach nicht geklappt."
Der Zauberer holte tief Luft.
Diesmal waren es seine Augen die in eine starre Leere verfielen.
Man konnte sehen, wie der Ausdruck auf seinem Gesicht immer niedergeschlagener wurde, je länger ein Schweigen zwischen beiden herrschte.
"Eigentlich wollte ich es dir zu einem passenderen Zeitpunkt sagen. Aber wir haben uns nie gesehen und wenn dann wollte ich auch nicht die Stimmung vermiesen. Doch nun führt wohl kein Weg daran vorbei."
"Jetzt rück schon raus, Charlie!", forderte Elin in ungeduldigem Ton.
Der Rotschopf presste widerwillig die Lippen aufeinander und zog die Nase kraus.
"Ich habe seit etwa zwei Jahren eine Beziehung. Ihr Name ist Alaya und ich kenne sie von meiner Arbeit aus dem Ausland..." Charlie stoppte, um das Gesicht von Elin zu sehen.
Die Hexe wusste selbst nicht, was in ihr vorging. Sie freute sich für ihn.
Natürlich tat sie das. Trotzdem war es komisch soetwas von ihm zu hören.
Marchie blieb stumm. Kein Muskel in ihrem Gesicht bewegte sich.
"Es hat sich nie ergeben es dir zu sagen, es tut mir-"
"Schon gut, Charlie," unterbrach die Hexe ihn. Beruhigend legte Elin ihre Hand auf seine. Dann lächelte sie sanft. "Worauf möchtest du hinaus?"
Wieder holte der Rotschopf Luft, um ein wenig Mut einzusaugen.
"Alaya war schwanger von mir. Geplant, keine Sorge. Allerdings gab es im sechsten Monat Komplikationen und sie erlitt eine Fehlgeburt... Genauso wie du."
"Charlie...," erwiderte Elin sofort.
Sie wusste genau worauf er hinaus wollte.
"Sowas liegt doch nicht an dir."
"Anscheinend schon. An der Frau wird es nie gelegen haben."
"Sag sowas nicht!"
Doch es nützte nichts.
Sie konnte sehen, dass Charlie sich selbst bereits verurteilt hatte.
Es war deutlich auf seinem Gesicht zu lesen.
"Ihr solltet zu einem Spezialisten gehen. Am besten zu einem Muggel. Zauberer Ärzte sind da meist weniger fortgeschritten. Heute gibt es so viele Möglichkeiten ein Kind zu bekommen. Ich bin mir sicher, dass es irgendwann klappen wird," sprach sie ihrem Freund zu. Langsam löste sich ihre Hand wieder von seiner.
"Verzeih mir, heute ist dein Geburtstag. Es sollte nur um dich gehen," entschuldigte Charlie sich.
Doch rasch hatte Elin den Kopf geschüttelt. "Egal an welchem Tag. Egal zu welcher Zeit. Du kannst mir immer sagen, wenn ich dich etwas bedrückt. Verstanden?"
Der Rotschopf brummte.
Wieder enstand eine bedrückende Stille zwischen beiden, in welcher jeder einen Schluck vom Kaffee nahm und verhalten durch die Gegend starrte.
"Wusstest du, dass Narzissa Malfoy gestorben ist?", versuchte Elin das Thema zu wechseln.
Doch sie bereute es sofort davon angefangen zu haben, denn aufmunternd war der Satz wohl nicht gerade gewesen.
Charlie Weasley schaute etwas benommen auf. Ihm stand immer noch die Schuld ins Gesicht geschrieben.
"Ja, ich habe das im Propheten gelesen."
"Ich glaube ich werde zur Beerdigung gehen," murmelte Marchbanks vor sich hin. Sie tat so, als ob nichts dabei wäre, doch Charlie zuckte hoch.
"Das ist nicht dein Ernst, Elin."
Vielsagend wurde die Hexe von dem Mann gemustert. Er war ganz und gar nicht begeistert.
"Du hast mir damals alles erzählt. Was passiert ist. Und jetzt willst du-"
"Es ist nur eine Beerdigung, Charlie.
Mehr nicht. Mach dir keine Sorgen um meine Gefühle."
Dann nahm Elinora den letzten Schluck aus ihrer Tasse.
"Warum solltest du denn sowas tun? Du schuldest der Frau doch gar nichts.
Geht es nur darum, um Draco zu sehen? Oder willst du dich vergewissern, dass Lucius Malfoy endlich auch mal leidet."
"Sei nicht so gemein, Weasley," brummte Marchie leicht deprimiert.
Es traf sie ein wenig, dass er ihre Überlegung nicht ernst nahm.
"Ich bin nicht gemein. Ich spreche nur die Wahrheit aus. Warum solltest du zu der Beerdigung einer Hexe gehen, die wahrscheinlich nie deinen Namen kannte?"
Die Bedienung unterbrach die Diskussion der beiden. Für einige Momente blieb es still, bis die Angestellte wieder verschwand und der Tisch wieder leer war.
Elin räusperte sich und atmete tief ein. Charlies Blick lag gebannt auf ihr.
"Ich habe heute außerdem Scorpius Malfoy gesehen. Dracos einziges Kind.
Der Junge wirkte sehr bedrückt und traurig. Er hat sogar erwähnt, dass sein Vater das Haus kaum verlässt.
Ich werde zu dieser Beerdigung gehen, um mein Beileid auszusprechen. Mehr nicht."
Der Rotschopf seufzte kurz auf.
Dann schaute er auf die Rechnung, welche die Bedienung zurück gelassen hatte und kramte seinen Geldbeutel hervor.
"Du hattest schon immer die Eigenschaft andere aufmuntern zu wollen. Ich werde dich wohl kaum aufhalten können, aber du weißt meine Meinung und mehr sollten wir darüber auch nicht reden," sagte er mit Vernunft.
"Nicht, ich zahl das," redete Marchbanks ihm rein.
Doch Charlie schüttelte sofort den Kopf und schob behutsam ihre Hand weg, um das Geld aus seinem Portemonnaie herauszusuchen.
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