alles vergangen
20 Jahre später
Die Unterlagen hatte Elin Marchbanks fest gegen die Brust gedrückt.
Mit raschen Schritten schlängelte die Hexe sich geschickt durch die wirre Menge von Magiern.
Links und rechts flammten immer wieder grüne Lichter auf und Besucher, sowie Angestellte kamen aus den Kaminen herausgetorkelt.
Es war kurz vor Acht, doch im britischen Zaubereiministerium herrschte Trubel, wie eh und je.
Ihr Kopf war stolz angehoben, die Absätze ihrer schwarzen Schuhe, klackerten unaufhörlich auf dem glänzenden Parkettboden.
Marchbanks bog um die Ecke, um zu den Aufzügen zu gelangen.
Blitzschnell hatte sich die Zaubererin einen Platz ergattert und streckte ihren freie Arm nach oben, damit sie sich festhalten konnte.
Schon einige Sekunden später war der Aufzug komplett voll und das Gitter schloss sich automatisch.
Mit einem Ruck bewegte sich der Kasten fort.
Es zog sich ein allbekanntes Gefühl durch Elins Magen, welches jedes Mal von der plötzlichen Schnelligkeit des Aufzuges verursacht wurde.
Nach all den Jahren hatte sich ihr Körper immer noch nicht daran gewöhnt.
Nur an einem einzigen weiteren Ort hatte sie ein ähnliches Magenziehen verspürt.
Es war vor einigen Jahren passiert, als Elinora sich tatsächlich überwunden hatte in eines dieser Flugzeuge zu steigen, was die Muggel benutzten, um über die Ozeane zu gelangen.
Beeindruckend war es gewesen.
Zu sehen, wozu die nichtmagischen Menschen fähig waren, damit sie auch die Lüfte beherrschen konnten.
Sie war ein einziges Mal nach Irland geflogen.
Es war damals gewesen, als sie mit einem Muggel namens Christopher zusammen gewesen war.
Bis zum Ende der Beziehung wusste der Mann nichts von ihren magischen Fähigkeiten.
Eigentlich war Marchie auch nie wirklich in ihn verliebt gewesen.
Es war ein Versuch gewesen, in eine andere Welt zu entfliehen.
Sie hatte einfach die andere Seite des Flusses sehen wollen und dieser Muggel hatte ihr die Möglichkeit gegeben.
Wenn auch nur für ein paar Monate.
Elinora musste theatralisch seufzen.
Es geschah ihr leider in letzter Zeit oft, dass Gedanken der Vergangenheit sie verfolgten und sie über das eigene Leben philosophierte.
Gewissermaßen belästigte die Hexe sich selbst.
Das komische Gefühl in ihrem Bauch verschwand für einen Augenblick, als der Aufzug stoppte und das Gitter sich öffnete. Sie waren im siebten Stockwerk angelangt. Das Stockwerk für magische Spiele und Sportarten.
Elin wusste, dass ihr eigener Bruder mittlerweile Leiter der Abteilung war, doch sie würde ihm wohl im Laufe der Woche sowieso über den Weg laufen, oder ihn interviewen müssen um an die neuesten Nachrichten aus seiner Arbeit heranzukommen.
Also blieb sie stramm stehen und bewegte sich nur, als erneut eine ganze Menge an Zauberern ankam, die sich offensichtlich noch hineinquetschen wollten.
Schnaufend stellte Marchbanks sich in die hinterste Ecke und drückte ihre Arme eng an den Körper.
Dann schlossen sich endlich wieder die Türen und der Aufzug setzte sich wieder in Bewegung.
Das Gemurmel zwischen den Menschen verschwand.
Jeder versuchte sich darauf zu konzentrieren nicht umzufallen oder den Hintermann nicht noch mehr einzuengen.
Elin war es mittlerweile gewöhnt fast zerquetscht zu werden.
Es dauerte nur wenige Sekunden, da gelangte der Aufzug zur nächsten Etage und es leerte sich wieder ein wenig.
Erleichtert schnappte Marchie nach frischer Luft auf und fuhr sich durch die dichten Locken, welche es ihr unglücklicherweise noch wärmer zu machen schienen.
In der Abteilung für magisches Transportwesen war erfreulicherweise nicht einmal annähernd so viel los wie im Stockwerk zuvor, doch trotzdem stießen einige andere Magier wieder dazu, nachdem sich der Zug beinahe komplett geleert hatte.
Zwischen den Schultern der anderen konnte ihren braunen aufmerksamen Augen bemerken, dass eine etwas kleinere Gestalt dazu stieß.
Als die Gitter sich wieder geschlossen hatten suchte die blassen Hände verzweifelt nach einer Möglichkeit sich festzuhalten.
Es musste ein Junge sein, dachte Elin sich, auch wenn sie nur den Rücken von ihm sehen konnte. Für einen Kobold war er zu groß. Genauso wie für einen Elfen.
Sie fragte sich automatisch, was der Junge hier völlig alleine zu suchen hatte.
Es war der 31.August. Morgen würde das neue Schuljahr in Hogwarts beginnen. So wie jedes Jahr. Sollte er nicht zu Hause sein, um die Sachen zu packen.
Vergeblich versuchte die Hexe einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen, doch sie stand zu weit weg und der Junge in einem unpassenden Winkel.
Nicht einmal die Haare oder die Ohren waren zu sehen, denn es saß eine schwarze Mütze auf dem Kopf.
Ehe sie es sich versah, gelangte der goldene Kasten mit den restlichen Passagieren zum zweiten Stock.
Alle außer ihr stiegen aus.
Elinora wunderte sich immer noch darüber, dass möglicherweise ein Kind hier alleine unterwegs war.
Hoffentlich verirrte es sich nicht.
Die Hexe schüttelte sich kurz, wartete bis der Aufzug dann endlich im ersten Stock angekommen war und verließ dann endlich den engen Kasten.
Es war vergleichsweise leer in der Zentrale. Die meisten Angestellten waren schließlich in den unteren Stockwerken beschäftigt.
Es war noch alles so, wie es gestern war.
Dunkle polierte Wände in grünlichem Schimmer und einem edlen roten Teppich auf dem glänzenden Boden.
Memos flogen zischend durch die Luft, die Lampen waren genauso hell wie immer.
Die Luft trug diesen unverkennbaren Eigengeruch. Etwas altes gemischt mit etwas neuem. Wie altes modriges Holz mit frischer neuer Wäsche.
Sie schnaufte tief durch und stolzierte dann los, um durch die Gänge zu gelangen.
Hin und wieder kamen Marchbanks bekannte Gesichter entgegen.
Dann grüßte sie mit freundlichem Lächeln, doch versteinerte der Blick sich wieder, sobald die Person vorbeigegangen war.
Es war normal, dass jeder höflich angeschaut wurde und keiner ignoriert wurde.
Zwar ging es ein bisschen auf die Nerven, doch fand Elin, dass es für eine allgemeine nettere Atmosphäre sorgte. Vermutlich lag es an der Zaubereiministerin selbst, welche ein selbstbewusstes überzeugtes, jedoch auch ein nahhbares freundliches Auftreten hatte. Hermine Granger verleihte dem Zaubereiministerium wohl das, was seit einigen Jahrzehnten vergeblich gefehlt hatte: Toleranz.
Nicht nur für Muggel oder Muggelgeborene. Sondern auch für Elfen, Kobolde und viele weitere magische Wesen.
Elin war froh hier arbeiten zu können. Sonst hätte sie es sich nicht vorstellen können, einmal tatsächlich mal im Ministerium arbeiten zu können. Doch nun war es wirklich so weit gekommen und sie war zufrieden im Berufsleben.
Zielstrebig bog die Hexe um die Ecke, auf geradem Weg zu ihrem Büro, da entdeckte sie auch schon ihre Sekretärin, welche in einem angeregten Gespräch mit der Zaubereiministerin zu sein schien.
Beide schreckten zusammen, als die Hexe dazustieß. Argwöhnisch wurde Marchie von zwei Augenpaaren gemustert.
"Elinora!", lächelte Granger freudig.
"Ministerin," nickte Marchbanks der Frau respektvoll zu.
Hermine Granger war angezogen wie immer. Eine lange schwarze Robe, die sie ziemlich geheimnisvoll wirken ließ, darunter ein schickes Bürokostüm in einer schlichten Farbe. Die dichten Haare waren ordentlich zu einem hübschen Knoten gebunden.
Elin musste zu ihrer eigenen Sektretärin schauen, denn sie war verwirrte darüber, dass diese mit der Zaubereiministerin redete.
"Ms Marchbanks," begrüßte die Angestellte ihre Chefin sofort, nachdem sie zu ihr gesehen.
"Was gibt es Cassandra?", erkundigte Elin sich nur.
"Mrs Granger meinte zu mir, wie gelungen sie die letzte Ausgabe doch findet," lächelte die junge Frau nervös.
"Ich danke ihnen."
Elin nickte Hermine ehrlich zu.
Dann schaute sie wieder zu ihrer Sekretärin und wollte wohl zu den Büros ihrer Zeitschrift aufbrechen, um mit der Arbeit zu beginnen, doch da fiel ihr Granger dazwischen.
"Sie haben es immer sehr eilig, Elinora," bemerkte Hermine.
In ihrer Stimme schwang ein nachdenklicher Ton mit.
"Kann ich ihnen noch etwas helfen?", hakte Elin aus Höflichkeit nach.
Doch die Ministerin schüttelte sofort den Kopf.
"Ich wollte ihnen einen schönen Tag wünschen. Machen sie doch heute nicht zu lange. Sie haben Geburtstag, nicht wahr?"
Elin nickte nur und war etwas verwundert darüber, dass Granger von ihrem Geburtsdatum wusste.
Cassandra neben ihr, lächelte schon wieder nervös.
"Ja, das habe ich in der Tat. Woher wissen sie das?"
Hermine schmunzelte geheimnisvoll.
"Oh - nun ja - Sie sollten wohl so bald wie möglich in ihr Büro gehen, dort wartet etwas auf Sie.
In dem Sinne Herzlichen Glückwunsch!"
Dann zwinkerte die Ministerin der jungen Cassandra noch vielsagend zu und verschwand um die Ecke.
Elinora haderte mit den Worten.
Auf ihrer Stirn entstand eine überforderte Falte.
Zaghaft drehte der Lockenkopf sich nach einigen Augenblicken zu der Sekretärin.
"Sie haben ein Geheimnis mit der Zaubereiministerin?", murmelte sie leicht amüsiert.
Cassandra nickte und konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken.
Stumm schmunzelten beide Frauen sich an, bis sie dann gleichzeitig auflachen mussten und sich dann auf dem Weg zu den Räumlichkeiten der Zeitschrift machten.
Sie liefen durch einen kleinen Bogen hindurch und gelangten schließlich zu den Büros der Zeitschrift.
Elin stolzierte schnurrstracks zu dem Abteil der Chefin, ihrem Abteil, musste jedoch bemerken, dass Cassandra ihr immer noch folgte und nicht zu ihrem eigenen Platz verschwand.
Verwundert blieb Marchbanks stehen. Argwöhnisch wurde die Angestellte von ihrer Chefin gemustert.
"Ist noch etwas?", erkundigte die Hexe sich.
Man konnte sehen wie sehr sich die junge Sekretärin bemühte ihre Vorfreude zu unterdrücken.
"Ich möchte Ihre Reaktion sehen."
"Meine Reaktion von was?"
"Öffnen Sie einfach die Tür."
Und das tat die Hexe dann auch.
Es waren einige Stunden vergangen.
Elinora saß in ihrem Büro und steckte sich gerade eine der Pralinen herein, welche sie als Geschenk von ihren Kollegen bekommen hatte.
Auf dem Kaminvorsatz stand mittlerweile der pompöse Blumenstrauß, der ebenfalls dabei gewesen war.
Marchbanks hatte sich über alles riesig gefreut, doch am meisten gefielen ihr die Karten für ein bekanntes Musical, das nur sehr selten in London von den Muggel aufgeführt wurde.
Es waren zwei Tickets.
Elin hatte keine Augen mit wem sie dort hingehen würde, doch es würde sich sicherlich schon jemand finden.
Cassandra hatte das alles wohl organisiert und die Zaubereiministerin hatte sich sogar daran beteiligt.
Elin war über alles dankbar für diese Geschenke.
Zufrieden blickten die braunen Augen zu der alten Standuhr, die laut vor sich hintackte.
Es war kurz vor Mittagspause.
Bald würde sie nach Hause gehen.
Die Ausgabe für Morgen war bereits fertig und der Auftrag für den Druck schon erledigt.
Ihre Mitarbeiter wussten Bescheid, dass sie heute früher gehen würde.
Elinora nippte an dem kalten Kaffee und nahm die neuste Ausgabe des Tagespropheten in die Hand.
Der Prophet war wohl der Grund, warum sie selbst eine weitere Zaubererzeitschrift gegründet hatte.
Auch wenn sie kein sonderlicher Fan von dem Magazin war, warf sie immer mal wieder einen Blick hinein, um die Konkurrenz im Blick zu halten.
Zwar richtete sich ihre eigene Zeitung eher in die Richtung der Muggelwelt, sodass Magie auch einen Überblick über deren Geschehen hatten, doch brachte Marchies Zeitschrift auch Artikel heraus, die den normalen Zauberer direkt betrafen.
Sie durchblätterte die vielen Teile und Berichte, kam jedoch zu dem Entschluss, dass nichts Gravierende passiert war.
Dann kam Elin zu den Todesanzeigen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da war dieser Teil von jungen Leuten überhäuft gewesen. Nun tauchten überwiegend nur noch Zauberer und Hexen auf, die einfach uralt gewesen waren oder einer Krankheit erlegen waren.
Ihre aufmerksamen Augen streiften nachdenklich über die verschiedensten Namen.
Nur einige Namen waren bekannt, den Großteil kannte sie aber nicht.
Was wohl einmal unter ihrer Todesanzeige stehen würde?
Elin musste über sich selbst seufzen.
Ihr gefiel es ganz und gar nicht wie traurig ihre Gedanken in letzter Zeit geworden waren, nur weil sie nun 37 geworden war.
Sie hatte bestimmt noch einiges im Leben vor sich, vesuchte sie sich Mut zu machen. Diese Zauberer in den Anzeigen nicht mehr. Für die war es zu spät.
Also warum beklagte ihr Kopf sich dauernd darüber, dass sie immer älter wurde?
Marchie schnaufte ausgelassen und schüttelte sich. Dann richtete die Aufmerksamkeit sich wieder auf die vielen Namen, die auf den beiden Seiten vermerkt waren.
James Abernathy, Lora Smith, Logan Fitzgerald, Hilda Burbanks, Nicolas Porrey, Sandra Crewer, Narcissa Ma-
Ihr blieb die Luft im Hals stecken.
Sie musste kurz husten, um sich wieder zu fassen.
Dort war ein Bild von dieser strengen hochnäsigen Frau, die Elin nur ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen hatte. Die herablassenden Augen mit den hellen zurückgebundenen Haaren. Das verzerrte Gesicht mit dem roten schönen Mund.
Ihre Lippen waren ganz trocken geworden.
Sie ließ ihren Blick die Anzeige hinunter wandern, um zu finden was sie vermutete hatte.
Marchie presste die Lippen zusammen als sie den Namen las und musste zweimal blinzeln, um nicht noch mehr emotional zu werden.
Was war nur mit ihr los? Die Gefühle spielten völlig verrückt, weil sie den Namen Malfoy gelesen hatte.
Und augenblicklich hatte Elinora wieder sein junges Gesicht vor Augen.
Die weißblonden vertrauten Haare mit den kalten grauen Augen, die nur aufgeleuchtet hatten, wenn sie ihm gegenüber gestanden war.
Doch sie durfte nicht in der Vergangenheit schwelgen, das war der reifen Hexe bewusst.
Tief atmete sie durch und fuhr sich dann durch die dichten Locken.
Die Zeitung wurde von ihren Händen lieblos zusammengeknüllt und in den nächsten Papierkorb geworfen.
Dann packte Elin entschlossen ihre Sachen und verließ das eigene Büro.
Hat etwas länger gedauert... Tut mir leid... Bei mir ist sehr viel los zurzeit...
Meinungen? :)
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