abendliche gespräche
'Expelliarmus!'
In hohem Bogen war der Zauberstab aus der Hand von Dumbledore geflogen. Das Gesicht war weiß, aber dennoch zeichnete sich nicht einmal ein Hauch von Panik oder Beklommenheit darin ab.
"Guten Abend, Draco."
Der alte Zauberer blickte klar in die grauen Augen, die nun nicht mehr kalt waren, sondern nur pure Angst ausstrahlten. Das faltige Gesicht des Magiers legte sich mitleidig schief, als der blonde Junge sich panisch umsah, um sich zu vergewissern, dass niemand anderes mehr da war.
"Wer ist noch hier?"
"Eine Frage, die ich ihnen auch stellen könnte, oder handeln sie auf eigenem Fuß?"
Die Stimme des weisen Zauberers strahlte vollkommene Friedlichkeit aus.
Dracos Hand hingegen hatte zu zittern begonnen, die Tränen konnte er nur mit gequältem Gesicht unterdrücken.
"Nein," brachte Malfoy hervor, "ich habe Unterstützung. Es sind Todesser auf dem Weg hierher."
Die Lippen bebten unaufhörlich.
"Also haben sie einen Weg gefunden, sie hereinzulassen?"
Die ruhige Stimme wirkte tatsächlich an Dracos Taten interessiert, als ob er einen eifrigen Aufsatz von ihm lesen würde.
"J-Ja", hatte der Junge keuchend genickt. "Und nicht einmal Sie haben es bemerkt!"
Verzweifelt biss Malfoy sich auf die Unterlippe, offenbar um Emotionen im Griff zu behalten.
"Wirklich beeindruckend," meinte Dumbledore friedlich. Die alten Augen ließen das verängstigte Kind nicht aus dem Blick. Nicht etwa, weil er sich so sehr fürchtete, wohl mehr um Draco beizustehen.
"Sie werden gleich da sein- einige Wachen von ihnen haben sie aufgehalten... Ich bin vorgegangen.
I-Ich habe eine Aufgabe zu erledigen."
Das junge bleiche Gesicht verzog sich schmerzhaft, als er an die schwere Last dachte, die ihm aufgebürgt wurde.
"Nun, dann sollten sie anfangen, mein Junge." Albus Dumbledore musterte den Blondschopf in dem pechschwarzen Anzug besorgt.
Stille war zwischen den beiden eingetreten. Draco Malfoy tat nichts, als seinen Schulleiter starr anzusehen, welcher unerwarteterweise ein sanftes Lächeln zeigte.
"Draco," durchbrach er das Schweigen. Der Ton des alten Zauberers, war so liebevoll gewesen, wie es schon lange keiner mehr zu ihm gewesen war.
"Draco, Sie sind kein Mörder."
"Woher wollen Sie das wissen?", gab Malfoy augenblicklich zurück. Seinen Arm spannte sich nur noch mehr an, doch änderte es kaum etwas daran, dass er zittern musste.
Kurz danach war ihm ein leises Wimmern entwischt, welches er nicht zurückhalten konnte.
Das Blut schoss ihm beschämt in die Wangen. Draco hatte stark sein wollen. Es quälte ihn, sich darum zu bemühen.
"Sie wissen doch gar nicht, wozu ich fähig bin oder was ich getan habe!"
Ein wenig hatte sich die Stimme des blonden Jungen wieder gefangen.
"Oh doch, das weiß ich."
Wohl wissend sah Albus Dumbledore ihm entgegen.
"Beinahe hätte es Katie Bell und Ronald Weasley erwischt, bei dem Versuch mich zu töten," stellte der Zauberer fest.
Ein leichter Windstoß wehte den dünnen weißen Bart ein wenig zur Seite.
Draco hatte augenblicklich die Gesichter beider seiner Mitschüler vor sich und die erste Träne kullerte ihm hinunter. Das hatte er nie gewollt. Malfoy hatte eigentlich niemanden ermorden wollen.
Er schluckte, weil er schmerzlich bemerken musste, wie schwach er doch war. Und er hasste es schwach zu sein.
"Verzeihen sie mir, Draco, aber das waren klägliche Versuche. Waren sie wirklich mit ganzem Herzen dabei?"
"Das war ich!", meinte Malfoy bestimmt. Der Arm zuckte weiter nach vorne, doch die Beine näherten sich dem alten Zauberer kein bisschen.
Von weit her war ein erstickter Schrei zu hören. Schockiert über den Schmerz, den man bis zu den beiden vernehmen konnte, war Draco erstarrt und die Augen hatten sich ängstlich vergrößert.
"Es ist Ihnen also gelungen Todesser in meine Schule hineinzubringen, eigentlich hielt ich das immer für unmöglich, also wie haben Sie das angestellt, Draco?"
Dumbledores Augen hatten sich zusammengekniffen, als ob er dann die Worte besser hören konnte.
Aber von Draco war kein Mucks gekommen.
"Vielleicht sollten Sie die Aufgabe allein erledigen," schlug der Zauberer vor, "Sie haben mich bereits entwaffnet. Eigentlich brauchen Sie doch auch keine Hilfe. Ich kann mich inmoment nicht wehren."
Dumbledore wurde weiterhin nur von Draco angestarrt. Er wirkte etwas hilflos, obwohl er es war, der einen Zauberstab hielt und alles damit anstellen konnte.
"Ich verstehe," nickte der weise Zauberer. Der Blick, der dem verängstigten Draco zugeworfen wurde, war vollkommen freundlich.
"Sie haben Angst, etwas zu tun, bevor sie bei Ihnen sind."
"Ich habe keine Angst!", knurrte Malfoy, aber seine Füße blieben wie festgewurzelt auf dem Boden stehen und er machte keine Anstalten, den Mann anzugreifen.
Er sah aus als würde er gleich schreiend losweinen, oder sich übergeben.
"Sie sind derjenige, der Angst haben sollte!"
Und dann war Draco Malfoy aus dem Schlaf hochgeschreckt, panisch nach Luft schnappend, in Schweiß gebadet.
Das weißblonde Haar war völlig zerzaust, die Augen feucht.
Atemlos schaute Malfoy sich um.
Er war offenbar auf dem Sofa des Gemeinschaftssaales eingeschlafen.
Einige Lichter waren noch an, nur noch drei andere Slytherins befanden sich mit ihm in dem Raum.
Das Feuer im Kamin loderte nur noch schwach, weshalb Draco rasch nach seinem Zauberstab auf dem Tischchen griff und einige Flammen losließ.
Als er den Kopf wieder drehte, um sich umzuschauen, entdeckte er ein braunes Augenpaar, das geradewegs auf ihn gerichtet war.
Das feine Gesicht von Elin Marchbanks strahlte Besorgnis aus.
Offenbar hatte die junge Hexe bemerkt, wie er panisch aus dem Schlaf geschreckt war.
Sie saß nur einige Meter von ihm entfernt, an einem der Schreibtische.
Vor ihr waren, wie üblich, viele verschiedene Bücher verteilt, mit denen sie fleißig zu arbeiten schien.
Draco versuchte zwanghaft den Atem zu beruhigen, damit er nicht ganz so verschreckt von dem Traum wirkte, denn Elin hatte sich von ihrem Platz erhoben um in seine Richtung zu laufen.
Nun begann das Herz des Slytherins noch schneller zu schlagen.
"Ich habe gar nicht gewusst, dass du dort auf dem Sofa liegst," stellte die klare Stimme fest.
Dem blonden Jungen wurde ein sanftes Lächeln zugeworfen, was ihn kurz nach Luft aufschnappen ließ.
"Ich habe auch nicht gemerkt, dass ich eingeschlafen bin," murmelte Draco vor sich hin.
Dann stand er auf und blickte prüfend auf die Bücher, die auf dem Tisch, welcher zwischen den Sofas stand, lagen. Verwundert bemerkte Malfoy, dass es wohl seine eigenen Bücher waren und nahm sie an sich.
"Du bist völlig verschwitzt, Draco," bemerkte Elin aufmerksam.
Sie hatte die Schweißflecken unter dem weißen Hemd bemerkt.
Malfoy rückte verlegen an seiner grün-grauen Krawatte herum, als ob sie ihm die Luft abschnüren würde und räusperte sich.
"Du hast schlecht geträumt, nicht wahr? Wovon handelte dein Traum?"
Argwöhnisch wurde Marchbanks von Malfoy gemustert.
Er war sich nicht ganz sicher, wie er auf diese Frage ausweichen konnte.
"Du bist mir aus dem Weg gegangen, Draco. Es ist eine Woche her, seit ich für dich gelogen habe und von dir kam nichts!"
Malfoy war zusammengezuckt, als Elins Stimme ruckartig lauter geworden war und ihr Blick ihm vorwurfsvoll entgegenstarrte.
"Ent-Entschuldige," haderte Draco mit sich. Eine Slytherin lief zwischen den beiden hindurch und rempelte dabei unsanft Elin an, die kurz stolperte.
Malfoy hatte augenblicklich die Arme an ihre Schultern gelegt, um sie festzuhalten, worauf sie einen nervösen Lacher von sich gab.
Auch Draco nahm, verwirrt über die eigene Reaktion, seine Arme wieder von ihr. Ihm war das Blut in die Wangen geschossen und er musste schlucken.
"Ich-Ich hätte mich echt schon längst bei dir bedanken sollen."
Elin zuckte mit den Schultern und hatte einen Seufzer losgelassen.
"Manchmal erwartet man einfach zu viel."
Nachdenklich senkte sie den Kopf. Die Augen fielen auf einen weißen Stoff an Dracos linken Arm, der unter dem Hemd hervorlugte.
"Was ist das?"
Neugierig deutete ihre Hand auf den linken Unterarm.
"Was wohl," brummte Malfoy.
Sein Ton war etwas unfreundlich geworden, aber die Hexe ließ sich nicht davon beeindrucken.
"Dein-Dein Mal. Dein Dunkles Mal."
Es war nicht viel mehr als ein zartes Hauchen von der Zaubererin gewesen.
Draco sah sich verstohlen um.
Nun waren sie nur noch zu zweit.
Ein Teil des Saales war bereits erdunkelt. Die Lichter leuchteten nur noch in ihrer Nähe.
"Ja," sagte er verhalten zurück.
"Kann ich es sehen?"
Der Kopf des Blonde war zurückgezuckt. Draco machte ein paar Schritte weg von ihr. Er wollte sich von ihr entfernen und lief deshalb um das Sofa herum, Richtung Fenster. Schon wieder hatte sich alles in ihm zusammengezogen, diesmal aber nicht, weil er selbst an Gräueltaten denken musste, nein, er wurde von jemandem aufgefordert ihm das zu zeigen, was bewies, dass er tatsächlich ein Todesser gewesen war.
"Vergiss es," erwiderte Elin kurz darauf. Verlegen, weil sie ihn offenbar in Unbehagen versetzt hatte, ging die Slytherin zurück zu dem Schreibtisch.
Stumm begannen die gebräunten Hände das Pergament zusammen zu rollen, die Bücher zu zuschlagen und das Tintenfass zu schließen.
"Schon gut."
Elins Kopf war hochgeschnellt.
Eifrig kam sie herbeigelaufen und schaute sanft zu ihm hinauf.
In ihren Augen herrschte nur Neugier, was Draco irgendwie Sicherheit gab. Die Angst, man könne ihn wegen des Mals erneut bloßstellen, war urplötzlich verschwunden.
Die rechte Hand zitterte ein wenig, als er das weiße Hemd hochkrempelte und einen Verband entblößte, welcher das Mal offensichtlich verdecken sollte.
Zaghaft sah Marchbanks noch einmal zu dem Slytherin hinauf.
Seim Gesicht war völlig ernst geworden, die Augen starr.
Also begann Elin nun selbst den Verband von seinem bleichen Arm zu lösen. Geduldig ließ Malfoy die junge Hexe Schicht für Schicht abrollen.
Dann legte die Sechstklässlerin das Stück beiseite und betrachtete interessiert das Dunkle Mal, welches nun zum Vorschein gekommen war.
Aus einem Totenschädel ringelte sich, wie in einer acht, gefährlich eine lange Schlange, die zwei spitze Giftzähne zeigte. Das Mal zeigte einige Schattierungen, doch schien es langsam zu verblassen. Es wirkte beinahe wie mit Bleistift gezeichnet, so weit war es bereits verschwunden zu sein.
Elin zeigte keine Scheu, umschloss vorsichtig mit ihrer Hand den Unterarm von Draco und strich dann mit dem Daumen sanft darüber, als ob sie erwarten würde etwas zu fühlen.
"Wie war das," fing Marchbanks an, "als er noch da war? Es hat gebrannt, richtig?"
Malfoy nickte zaghaft.
"Er rief uns damit. Die Schlange hat sich irgendwie bewegt, blieb aber trotzdem auf derselben Stelle. . . Und gepocht hat es, gebrannt, geschmerzt."
Nachdenklich hatten sich die grauen Augen auf den eigenen Unterarm gelegt. Als Elin ihre Hand wieder von ihm nahm, merkte er erst wie warm ihm an dieser Stelle doch gewesen war. Urplötzlich kribbelte es kalt auf seiner Haut.
"Mutter hofft es würde nach einiger Zeit komplett verschwinden, da er nun für immer weg ist, aber Lucius meinte, dass es wohl immer auf der Haut bleiben wird."
Das Mädchen mit den schwarzen schönen Locken sah entgeistert zu ihm. Welches Kind nannte den eigenen Vater beim Namen? Es wirkte entfremdet.
"Lucius?"
"Mein Vater."
Ihr Mund öffnete sich leicht.
"Ich weiß, wer dein Vater ist und wie er heißt aber-," doch Elin hatte bereits gestockt.
Draco hatte nicht weiter darauf reagiert.
"Du und Jones...ihr redet wieder miteinander?"
Elin war ihm irgendwie dankbar, dass er das Wort ergriffen hatte. Aber ihre Stirn runzelte sich verwirrt, als sie realisierte, was er da gesagt hatte.
"Woher wusstest du, dass wir Streit hatten?"
Malfoy presste die Lippen aufeinander. "Du hast mir erzählt, dass ich es niemandem sagen soll, was du getan hast, besonders nicht Matilda, weil ihr eben Streit hattet. Das war als wir von McGonagalls Büro zurück in den Gemeinschaftsraum gelaufen sind."
Sie nickte. "Stimmt."
"Nun ja, es ist nicht mehr dasselbe. Sie sagt kaum noch was zu mir. Oft sitzen wir bei meinem Bruder und seinen Freunden, dann ist Matilda eher mit denen beschäftigt."
Malfoy nickte. Seine Bücher presste er an sich, als beide aufstanden und zu der steinernen Treppe liefen, die hochführte in die verschiedenen Schlafzimmer.
"Eine Frage," meinte Draco abschließend und wartete bis Marchie genickt hatte.
Die junge Hexe warf ihm noch liebevolles Lächeln zu.
Die niedlichen Grübchen kamen zum Vorschein.
Ihr Kopf hatte sich zur Seite gebeugt.
"Dein Bruder... Was ist mit seinem besten Freund Anian Stebbins passiert?"
Ruckartig verschwand der freundliche Ausdruck und das Lächeln aus ihrem Gesicht.
Die Augen blinzelten flatternd und der Mund sog zitternd die Luft ein.
"Es ist mir nur neulich aufgefallen," fuhr Draco nun etwas vorsichtiger fort, da er ihre Reaktion gesehen hatte.
"Anian war sonst immer in den meisten Kursen, in denen ich auch war und hat mit deinem Bruder Klassenclown gespielt."
Elin Marchbanks holte tief Luft.
Sie hob den Kopf, als ob es das schwerste war, was sie jemals getan hätte.
"Ein ander Mal, Draco."
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