• One •

Tess

Es war Anfang Februar als meine Mum mich anrief. Ein stürmischer Samstag, der Wind zog an den Bäumen vor meinem Zimmer und der Himmel war in ein tiefes Grau gehüllt. Immer wieder fielen Regentropfen gegen mein Fenster und ließen mein Zimmer noch gemütlicher wirken.
Tee dampfte auf meinem Nachttisch, während meine Zimmergenossin Chloé und ich uns in mein Bett gekuschelt hatten und beide lasen.
Mein Handy klingelte am späten Nachmittag, es war nicht ungewöhnlich das Mum anrief. Sie erzählte von Phil und wie es momentan mit seinen Spielen lief. Doch ich merkte, dass sie eigentlich etwas anderes bereden wollte.
Ich drängte sie nicht und nach einer kurzen Pause begann sie von Bella zu erzählen, das weswegen sie sich eigentlich gemeldet hatte.
Ich wusste, dass sie und ihr Freund Schluss gemacht hatten, doch dass es ihr so schlecht ging, hatte ich nicht geahnt.
Mum meinte, sie hatte mich nicht beunruhigen wollen, vor allem da sie gedacht hatte es würde vorbeigehen.
Doch dem schien nicht so. Bella zog sich mehr und mehr zurück, traf keine Freunde und lachte nicht mehr.
Ich war weder Mum noch Dad böse, dass keiner etwas erzählt hatte. Sie wussten, dass ich in den letzten Monaten viele Prüfungen geschrieben hatte und ich mir sofort Sorgen um Bella gemacht hätte.
„Ich dachte nur, dass du es wissen solltest. Charlie hat Angst um sie, vielleicht kannst du sie mal anrufen?" Ich fragte mich, was bei der Trennung passiert war, dass es ihr so schlecht ging.
Bella und ich hatten immer eine sehr enge Bindung gehabt, doch seit ich in einem Internat in Kanada war, hatte unser Kontakt nachgelassen.
Ich wusste, dass ich mich trotzdem immer noch auf sie verlassen konnte, auch wenn wir uns Wochen lang nicht sprachen.
„Klar, Mum, mach ich." Warum hatte sie nicht angerufen, wenn es ihr schlecht ging?
Chloé legte ihr Buch weg und sah mich an, als ich aufgelegt hatte.
Kurz schwieg ich, dann erzählte ich ihr, was Mum gerade berichtet hatte. Bella hatte Albträume und kapselte ich ab. Es war nicht untypisch, dass sie wenig Kontakte hatte, aber so zurückgezogen hatte sie nie gelebt.
Meine Zimmergenossin und beste Freundin legte einen Arm um mich.
„Warum fährst du nicht hin?", man hörte immer noch einen leichten französischen Akzent, obwohl sie ein fast 10 Jahren in Kanada lebte. Ich sah sie an und schüttelte den Kopf.
„Ich kann doch nicht einfach mein Stipendium liegen lassen."
„Die meisten Prüfungen sind doch schon längst um und du bist so gut in der Schule, dass du sicherlich ein halbes Jahr eine andere Schule besuchen kannst." Sie schwieg kurz. „Es hörst sich nur so an als würde deine Schwester dich brauchen und du machst dir doch sowieso ab jetzt viel zu viel Gedanken." Sie lächelte ihr typisches Lächeln, das sie immer etwas frech aussehen ließ. Ich kuschelte mich an sie und überlegte.
Ich würde gerne mal wieder meine Familie sehen, vor allem Bella. Seit ich auf das Internat ging, hatten wir nur telefonierten uns an Weihnachten gesehen.
Chloé grinste „Keine Sorge, ich gebe dir alle wichtigen Unterlagen, damit du keinen Stoff verpasst." Ich pickte ihr in die Seite und sie kicherte. Ich war immer noch dankbar, dass wir durch Zufall auf die gleiche Schule und ins gleiche Zimmer gekommen waren.

Direkt am Montag sprach ich mit meiner Klassenleitung. Ich erklärte ihr, dass es meiner Schwester nicht gut ging und ich mir Sorgen machte. Ich erzählte auch, dass ich Angst hatte, das Stipendium zu verlieren, wenn ich ging. Ich hatte hart dafür gearbeitet, auf genau diese Schule gehen zu können und noch härter für ein Stipendium. Da ich wusste, dass Mum und Dad es sich hätten nicht leisten können, mich ohne finanzielle Hilfe auf die Golden Lake Academy, School of Informatics and Technics zu schicken.
Mrs. Kinne beruhigte mich und meinte, sie wäre schauen, was sie tun könne.
Es ging tatsächlich leichter als gedacht. Mit dem Versprechen, mich über Unterrichtsstoff zu informieren und nachzuholen. Mein Stipendium wurde so lange pausiert.

An meinem letzten Tag wurde ich doch etwas wehmütig. Ich liebte das Internat, das von außen so altehrwürdig schien, innen jedoch jede Menge Technik zurieten hatte.
Ich liebte mein kleines kuscheliges Zimmer und meine beste Freundin, mit der ich mir seit fünf Jahren nicht nur das Zimmer, sondern auch alle Probleme, Sorgen und Freuden teilte.
Die verregneten Nachmittage würde ich vermissen, in denen wir zusammen über Hausaufgaben brüteten und die sonnigen Wochenenden, die wir mit Lacrosse spielten oder mit schwimmen im See verbrachten.
„Wehe, du meldest dich nicht einmal die Woche bei mir." Chloé legte ein T-Shirt von mir zusammen und packte es in den Koffer auf meinem Bett.
„Klar melde ich mich und du kannst mich auch jederzeit anrufen." Sie nickte und ich sah in ihren Augen Tränen glitzern. Mir kroch ebenfalls ein Kloß in den Hals und ich drückte meine beste Freundin an mich.
Ich hatte mir vorgenommen, mit dem Auto zu fahren, einerseits weil ich es so direkt dabei hatte und in Forks dann nicht auf andere angewiesen war und zum anderen, weil ich gerne fuhr, vor allem durch Kanada. Ich mochte die Wälder und die oft fast leeren Straßen. Hier hatte ich fahren gelernt. Damals als ich noch in Florida bei meiner Mutter gelebt hatte, war ich zu jung gewesen, um selber am Steuer zu sitzen, aber die oft vollen Straßen und viel befahrenen Highways waren schon damals nichts für mich gewesen.
Ich fuhr freitags los, die Nacht würde ich auf jeden Fall irgendwo in einem Motel schlafen. Fast 20 Stunden würde ich fahren müssen, bei Bedarf konnte ich auch noch Samstagnacht ein Motel nehmen.

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