Kapitel 45 ✔️

PoV Luca

Ginas Laune war seit Rom ausgesprochen gut. Don Finucci und seine Familie waren mehr als beeindruckt gewesen, nachdem Gina ihre Lebensgeschichte erzählt hatte. Nur Romero war mir auf den Sack gegangen. Wie er meine Süße angeschmachtet hatte. Cazzo! Ich schüttelte mich angewidert. Zu gern hätte ich ihm dafür eine Kugel zwischen die Rippen gejagt.

„Na, denkst du schon wieder an einen gewissen Römer?". Meine Frau grinste spöttisch. „Keine Angst, der ist nicht mein Typ." Sie räkelte sich wie eine rollige Katze.

„Wäre ja noch schöner", knurrte ich. Den Mistkerl hatte ich echt gefressen. Zum Glück waren wir ihn los. Zwei zarte Hände legten sich an meine Wangen.

„Hör schon auf zu grummeln. Jetzt hast du mich doch für dich alleine. Ich weiß etwas Besseres, womit wir uns die Zeit vertreiben könnten." Ihre Lippen wanderten meinen Unterkiefer entlang. Ich genoss das leichte Kribbeln, das ihre Berührung auslöste. Zu meinem Erstaunen hatte sie es mir nicht übelgenommen, dass ich einen Bart wachsen ließ. Zwischendurch ein wenig trimmen reichte ihr.

„Dein neuer Look gefällt mir", schnurrte sie mir ins Ohr. Grinsend packte ich sie an den Hüften und zog sie auf mich. Viel hatten wir seit der Ankunft auf Sizilien nicht unternommen. Das Bett war zu bequem. Ich wollte jede Sekunde unserer Zweisamkeit ausnutzen. Zurück in Philadelphia holte uns der Alltag einer Mafiafamilie vermutlich innerhalb einer Stunde wieder ein. Gina hatte genug zu regeln wegen der neuen übergreifenden Organisation und Emiliano würde mich direkt mit Aufgaben bombardieren. Wenn wir könnten, würden wir auf der Insel bleiben. Doch es wartete nicht nur die Familie auf uns, sondern auch unsere Studienfächer. Wegen des unsteten Lebens, das wir führten, hatte Gina sich für den gleichen Weg entschieden. Ein Fernstudium. Ihre Wahl hatte mich dann doch aus der Fassung gebracht. Denn es war damals der Grund gewesen, weshalb ich mich von ihr fernhalten sollte. Nur ungern erinnerte ich mich an den Tag, an dem ich glaubte, sie nie zu einer gemeinsamen Zukunft zu gewinnen. Die Abweisung hatte verdammt weh getan. Ich schnaubte entrüstet.

„Wenn du weiter so rumgrummelst, gehe ich allein los. Shopping und so." Sie schaute mich prüfend an.

„Freiwillig zum Shopping? Hast du etwa einen Waffenladen in der Nähe entdeckt?" Ich zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Schön wär's." Sie streckte mir die Zunge raus. „Wollte Mitbringsel für Giulia und Jeanne kaufen." Mittlerweile hatte sie sich auf mir aufgerichtet und ich betrachtete ihren Körper. Ihre kleinen festen Brüste, ihren flachen Bauch, in dem hoffentlich bald unser erstes Kind heranwuchs. Alles meins.

„Shopping muss noch etwas warten." Ich zog sie wieder zu mir und küsste sie verlangend. Von dieser Frau die Hände zu lassen klappte nicht.

Einige Stunden später hatten wir dann doch unser bequemes Bett verlassen, uns ausnahmsweise mal mit einer kurzen Dusche zufriedengegeben und uns vom Anwesen geschlichen, um meiner Mutter zu entgehen. Händchenhaltend liefen wir durch die Stadt. Ich war froh, dass heute nur Shopping anstand, denn das brachte Gina genau wie ich bevorzugt schnell hinter sich. Etwas graute mir schon vor den nächsten Tagen. Zum Glück hatte ich äußerst bequeme Schuhe mitgenommen. Museen, uralte Bauwerke, Altstädte. Warum hatte Sizilien eine so alte und reiche Geschichte? Griechen, Römer, Byzantiner, Normannen. Alle hatten sich mal auf der Insel niedergelassen und ihr damit ihren Stempel aufgedrückt. Klar faszinierten mich alte Kulturen. Doch im Gegensatz zu meiner Frau saß ich lieber mit einem Bildband mit kurzen Erklärungen und dazu einem Glas Rotwein auf dem Sofa. Das Leben war anstrengend genug. Da brauchte ich es nicht, im Urlaub gefühlte zwanzigtausend Kilometer mit Sightseeing zu verbringen. Apropos meine Frau. Sie verschwand in diesem Augenblick in einem kleinen Souvenirgeschäft. Diese Läden waren meist bis unters Dach vollgestopft mit irgendwelchem Krimskrams, auf den viele Frauen leider flogen. Da ich wenig Verlangen hegte, Gina zu folgen, beobachtete ich vor dem Geschäft die Menschen. Im Gegensatz zu Philadelphia ging es hier weitaus gemütlicher zu. Die Leute kannten einander, nahmen sich gern Zeit für ein Schwätzchen. Ich verspürte wenig Lust, nach dem Urlaub zurück in die Staaten zu fliegen. Ein kleines Weingut oder einen Hain mit Olivenbäumen hier auf Sizilien klang weitaus verlockender. Wenn nur die Cosa Nostra nicht wäre. Ich würde weiterhin für Ginas Familie arbeiten müssen, während sie hingegen auf die reinen Frauentätigkeiten reduziert werden würde. Hier waren sie noch etwas altmodischer als in den Vereinigten Staaten. Dass sie sich nicht mehr in Gefahr begeben konnte, wäre ein Plus. Doch sie würde mich und die Situation schon nach kurzer Zeit hassen. Im Gegensatz zu Giulia war sie mit Gewalt aufgewachsen, brauchte den Nervenkitzel und die Gefahr, die zu Missionen gehörten.

Egal wofür wir uns entschieden, einer von uns würde immer mit der Situation unzufrieden sein. Was weiterhin mein größter Wunsch war, stand im krassen Gegensatz zu Ginas Interessen. Ich schüttelte resignierend den Kopf. Ohne Vorwarnung hakte sich jemand bei mir unter und ich zuckte zusammen.

„Träumst du schon wieder?", begrüßte mich die unwiderstehliche Stimme meiner Frau. „Das solltest du sein lassen, wenn du mich beschützen willst." Der spöttische Unterton, der bei ihrer nebenbei gesagten Bemerkung mitschwang, schmerzte mich. Doch hatte sie Recht. Ich durfte meinen Emotionen keinen freien Lauf lassen, mich ihnen nicht hingeben. Wir hielten uns in einer Mafiahochburg auf. Selbst die freundliche Großmutter an der Straßenecke, die sich mit Hilfe eines Gehstocks fortbewegte, konnte zu der einen oder anderen Mafiafamilie gehören.

„Gar nichts gekauft?", kommentierte ich ihre leeren Hände, um von meiner aufgewühlten Stimmung abzulenken.

„War mir zu kitschig." Sie zuckte nur mit den Schultern. „Dafür gebe ich nicht so viel Geld aus." Sprach die Frau, die über einhundert Gebäude in den Staaten verfügte und eine Waffe für jede Gelegenheit besaß. Ihr neuestes Lagerhaus in Philadelphia war das reinste Waffenarsenal, von dem La Famiglia ebenfalls profitierte. Für unseren Urlaub hatte ich mir dort eine Qsz-92G geklaut. Ich gab zu, dass chinesische Waffen gar nicht mal so minderwertig waren, wie ich zuvor angenommen hatte. Und auf irgendeine Art musste ich Gina vor meiner Mutter schützen. Ach ja, Mamma ....

„Soll meine Mutter etwas für die zwei aussuchen?", bot ich an, wohlwissend, dass ihr das Spaß bereiten würde.

„Lass gut sein. Das kann Onkel Sergio erledigen, wenn er demnächst für einige Monate nach Sizilien kommt." Gina wandte sich zum Gehen, doch ich hielt sie an der Schulter zurück.

„Weißt du etwas, von dem ich noch nichts gehört habe?" Meine Neugierde war geweckt. Emiliano hatte Lucy zwar erst vor einer Woche kennengelernt, doch sein Interesse an ihr war überdeutlich gewesen. Gina holte ihr Smartphone heraus und zeigte mir ein Foto. Eine zarte Frauenhand, die von einem aufwendigen Verlobungsring geziert wurde. Ich schnappte nach Luft. Zugegeben, ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn es bei mir und Gina so schnell gegangen wäre, aber ihr Cousin stellte damit einen Familienrekord auf. Innerhalb einer Woche seine Angebetete zu überzeugen, hatte bisher kein Pensatori geschafft.

„Kommst du?" Die Augen meiner Frau blitzten vergnügt. Dar war jetzt das zweite Mal, dass ich komplett weggetreten war. Aber nach der Neuigkeit auch kein Wunder.

Wir waren erst ein paar Schritte gegangen, als ich von jemandem, der aus einer Seitenstraße kam, umgerannt wurde. Er und ich stürzten zu Boden. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Gina ihre Beretta Pico zog und sich zur Gasse wandte. Mein Blick wanderte zu meinem Leidensgenossen auf dem Bürgersteig, der angestrengt nach Luft schnappte. Es war ein etwa sechzehnjähriger Junge. Aus einer Platzwunde auf seiner Stirn lief Blut. Dazu hatte er eine aufgeplatzte Lippe. Die Folgen einer Schlägerei. Schritte hallten auf dem Kopfsteinpflaster. Schnell näherten sie sich. Der Junge riss panisch seine Augen auf. Instinktiv zog ich ebenfalls meine Pistole und stellte mich zu meiner Frau. Hinter uns hielt mit quietschenden Reifen ein Wagen, doch ich ignorierte es. Autotüren wurden zugeschmissen, wüstes Italienisch ertönte. Fast gleichzeitig mit Schüssen, die von den Verfolgern aus der Gasse kamen. Gina hechtete hinter eine Mülltonne in Deckung. Ich packte den Verletzten am Kragen und zog ihn mit mir. Weg von der Seitenstraße. Im Schutz eines parkenden Autos hockte ich mich hin, der Junge kauerte zitternd wie Espenlaub neben mir. Die Verfolger und die später dazugekommenen Sizilianer feuerten unentwegt aufeinander.

„Was wollen die von dir?", fragte ich den vor Panik stocksteifen Burschen. Gleichzeitig behielt ich die Situation weiter vorne im Auge.

„Ich weiß es nicht. Ich bin nur zu Besuch hier", erwiderte er in brüchigem Italienisch mit einem meiner Meinung nach deutschem Akzent. Er wich meinem Blick aus, fixierte etwas hinter mir. Er log. Vermutlich, weil ich nicht zu seiner Familie gehörte. Warum sollte er einem Fremden trauen? Mir war von klein an eingetrichtert worden, dass niemand außerhalb der Mafiafamilie etwas erfahren durfte. Erneut schlugen Autotüren zu, kündeten von der Ankunft weiterer Mafiosi. Diese nahmen diejenigen unter Beschuss, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem Jungen gehörten. Auch für Gina wurde die Situation brenzlig, als einer der Schweine sich ihrem Versteck näherte. Mein Magen krampfte sich zusammen. Nie wieder wollte ich zulassen, dass sie verletzt wurde. Kurzerhand richtete ich mich auf und schoss. Der Angreifer sackte zu Boden. Gina nutzte den Moment aus und sprang auf. In einer fließenden Bewegung hechtete sie zur Seite, feuerte dabei vier Kugeln auf die Gegner und rollte sich auf dem Boden ab, wobei sie gleichzeitig hinter einem anderen geparkten Wagen in Deckung sprang. Ich gab ihr dabei Rückendeckung.

Nach einigen Minuten verstummten die Waffen. Zusammen mit der Familie des Jungen hatten wir die Angreifer besiegt. Zwei lagen tot am Boden, wobei einer auf meine Rechnung ging. Drei weitere Bastarde waren verletzt und der Rest entkommen. Der Junge stand etwas zittrig auf und lief zu seinen Leuten, die jetzt, wo sich die Lage entspannte, Gina und mich misstrauisch betrachteten. Obwohl wir ihnen geholfen hatten, blieben sie nervös. Verdenken konnte ich es ihnen nicht. Gina klopfte sich den Dreck von der Kleidung, steckte ihre Beretta weg und kam grinsend zu mir.

„Endlich mal etwas Abwechslung." Sie brachte ihre zerzausten Haare in Ordnung, flocht ihren Zopf neu.

„Adrenalinjunkie", knurrte ich ihr zu. Besorgt glitt mein Blick über ihren Körper. Dann atmete ich auf. Sie war unverletzt. Erst jetzt bemerkte ich meine verschwitzten Hände. Rasch zog ich meine Frau an meine Brust. Nicht auszudenken, wenn ihr etwas passiert wäre. Sie schmiegte sich bei mir an, dann lachte sie leise.

„Danke übrigens. Das wäre eben fast in die Hose gegangen." Ich brummte als Antwort in ihre Haare. Nur langsam beruhigte sich mein rasender Puls.

Weitere Fahrzeuge hielten in unserer Nähe. Ein elegant gekleideter Mittsechziger stieß aus. Obwohl er vermutlich nur ein Meter fünfundsechzig groß war, strahlte er Macht aus. Der Don einer fremden Familie. Der in diesem Augenblick auf uns zukam, begleitet von seinen treuen Gefolgsleuten. Noch hielten sie ihre Waffen mit den Mündungen nach unten gerichtet, doch eine falsche Bewegung und die Sache sähe anders aus.

„Bitte erweisen Sie mir die Ehre und begleiten mich zu meinem Anwesen." Einladend wies er auf sein Fahrzeug. Na super, schon wieder wurden wir von uns unbekannten Mafiosi eingeladen. Das wurde langsam zur Gewohnheit. Skeptisch sah ich zu Gina, deren Magen prompt laut knurrte. Der Mann vor uns schmunzelte.

„Federico, sag deiner Mutter, dass wir Gäste zum Essen mitbringen."

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