Kapitel 28 ✔️

Pov Lucius

Das lief jetzt gar nicht wie geplant. Dieser kleine Scheißer Juanes hatte mich mit seinen Leuten überrumpelt. Nur weil ich unbedingt eine Sache allein klären wollte. Mein Bruder hockte zuhause, da ein Treffen mit einem Verbündeten anstand, und hatte nicht den blassesten Schimmer, dass ich Hilfe benötigte. Statt gemütlich auf meinem Sofa einen Bourbon zu trinken, saß ich in einer zugigen Lagerhalle gefesselt auf einem Stuhl und hatte zu allem Überfluss Kopfschmerzen von dem Schlag, mit dem die Arschlöcher mich knockout geschlagen hatten. Ein kalter Windhauch streifte meinen Nacken und ich zuckte zusammen. Wie ich Zugluft hasste! Bekamen die Latinos gar nichts auf die Reihe? Nicht einmal ihre Hallen waren vernünftig gebaut. Ich drehte den Kopf und wurde mit einem Ziehen im Nacken belohnt. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

Die bekloppten Latinos hatte ich seit einer gefühlten Stunde nicht mehr gesehen. Ich wusste, dass wenigstens zwei von Juanes' Leuten noch da waren, denn ich hatte sie reden gehört. Aber selbst die waren nun still. Mir war langweilig. Stillsitzen und abwarten waren nicht meine bevorzugten Tätigkeiten. Viel lieber würde ich nun diesem schmierigen Latino sein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Leise vor mich hin fluchend starrte ich auf den grauen, mit Flecken übersäten Betonboden. Von Sauberkeit hatten die auch noch nie gehört.

„Hey Schönheit. Wo kommst du denn her?", flötete einer der Wachhunde. Die Schoßhunde hatten Damenbesuch bekommen. So etwas würde ich meinen Männern während der Arbeitszeit niemals erlauben.

„Wüsste nicht was dich das angeht, checca." Ich lachte leise in mich hinein. Da war also eine Italienerin aufgetaucht, die mal eben einen Latino als Tunte bezeichnete. Das Mädel mochte ich jetzt schon. Ich bedauerte es, dass ich weder ihre Stimme erkannte, noch sie sehen konnte.

„Wie kannst du es wagen! Puta!" Ein lauter Knall, wie von einem Stuhl, der auf den kahlen Boden fiel, Gerangel und ein erstickter Schrei, dann war alles still. Scheiße. Das hatte sie bestimmt nicht gewonnen. Missmutig starrte ich auf den Boden vor mir, als die Tür krachend gegen die Wand flog.

„Ciao bambino. Willst du hier raus?" Verdutzt sah ich hoch und bemerkte eine etwa zwanzigjährige schlanke Italienerin, die grinsend auf mich zu schlenderte. Ihre grünen Katzenaugen funkelten mich belustigt an. Sie blieb vor mir stehen und musterte mich ungeniert. Ihre Dreistigkeit gefiel mir. Kein verweichlichtes kleines Mädchen, sondern eine Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand.

„Hat es dir die Sprache verschlagen oder bist du noch nicht damit, fertig mich abzuchecken?"

„Beides", krächzte ich und setzte mein charmantestes Lächeln auf. Hoffentlich sah ich dabei nicht wieder aus wie ein Gorilla auf LSD. Laut meinem Bruder mein üblicher Gesichtsausdruck, wenn ich eine attraktive Frau anlächelte und der Grund, weswegen ich noch keine Ehefrau hatte. Der Kleine hatte doch keine Ahnung. Ich schnaubte verächtlich bei dem Gedanken daran. Bisher war es kein Mädchen wert, meine Partnerin zu sein.

„Soll ich dir nun helfen oder nicht?", fragte mich die schwarzhaarige Schönheit. Mein Blick glitt abermals über ihr Gesicht und ich kam zu dem Schluss, dass die Haare gefärbt waren, denn ihre Augenbrauen waren zwei Nuancen heller. Nichtsdestotrotz eine Naturschönheit.

„Wäre nett, wenn du gerade nichts Besseres zu tun hast." Ich gab mir Mühe, nicht zu begierig zu klingen. Sie sollte nicht denken, dass ich auf ihre Hilfe angewiesen war.

„Was Besseres hätte ich schon zu tun, aber ich will heute mal nicht so sein." Sie band mich los und wir liefen zusammen zu der Tür, durch die sie hereingekommen war. Vor dieser lagen die Leichen von Juanes Schoßhündchen. Blut färbte den Beton rot.

„Du hast beiden die Kehle durchgeschnitten?" Das zeugte von ausgezeichneten Kampfkünsten. Das Mädel gefiel mir gleich noch besser.

„Klar, für solchen Abschaum verschwende ich keine Munition." Sie bückte sich und hob die Schusswaffen der Typen auf. Ich nutzte die Zeit, um ihr auf den Arsch zu schauen. Kurz stellte ich mir vor, wie sie unter mir liegend meinen Namen stöhnte.

„Denk nicht mal dran." Sie warf mir mit einem warnenden Blick zu, als sie mir beide Waffen reichte, und ich hob beschwichtigend die Hände.

„Woher willst du wissen, woran ich gedacht habe?" Ich zog spöttisch eine Augenbraue hoch. 

„Erstens, du bist ein Mann. Zweitens, noch dazu ein Italiener. Drittens ein Mafiaboss. Und viertens habe ich deinen Blick bemerkt." Sie schmunzelte kurz. „Lass uns jetzt mal auf die Lauer legen. Juanes müsste bald wiederkommen."

Mir schwirrte der Kopf. Woher wusste sie, dass ich ein Mafiaboss war und warum war sie hinter Juanes her? Bevor ich sie fragen konnte, war sie auch schon verschwunden. Ich schaute mich suchend um, doch sie war nirgends zu entdecken. Verdammt war die Kleine gut. Ich suchte mir ebenfalls ein günstiges Versteck. Zehn Minuten später vernahm ich sich nähernde Geräusche.

„Verdammt, Antonio und José sind tot", rief einer, die Stimme zitterte leicht.

„Boss, Genovese ist weg. Seine Leute haben ihn befreit", sagte ein anderer, kühler, erfahrener.

„Das waren nicht seine Leute", knurrte Juanes wie ein tollwütiger Köter. „Die sind nicht gut genug, um so dicht an einen von euch heranzukommen. Das war jemand anderes." Seine Stimme war schneidend kalt, klang aber nicht überrascht. Von meinem Platz aus konnte ich nichts erkennen. Daher überlegte ich, ob ich mich etwas ranschleichen sollte, als ich ein surrendes Geräusch vernahm, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Ganz so, als ob ein schwerer Mehlsack zu Boden fiel.

„Scheiße, die sind noch hier", quietschte einer los wie ein kleines, erschrecktes Ferkel.

„Reg dich ab Jack. Das ist nur eine." Diese Selbstsicherheit in Juanes Stimme widerte mich an. Zu gern würde ich ihm gerade die Fresse polieren.

„Angela Hudson, komm aus deinem Versteck raus, oder soll ich die Hütte erst abfackeln?" Statt einer Antwort hörte ich ein zweites Surren und wieder ein dumpfes Geräusch. „Lass das, Angela. Wir können über alles reden. Ich weiß, dass du die Hermandad Contra la Mafia bei Cleveland abgeschlachtet hast." Die Kleine hatte die Hermandad gekillt? Jetzt gefiel sie mir noch besser, wenn das überhaupt möglich war.

„Wenn du das schon weißt, Cucaracha, dann sollte dir klar sein, dass ich dich und deine Leute ohne Probleme ausschalten kann." Juanes und seine Lakaien fingen an, in die Richtung zu ballern, aus der ihre Stimme gekommen war. Ich verließ meine Deckung und schoss auf die Latinos. Einige sackten zu Boden, ob von mir oder dem Mädel getroffen, war egal. Hauptsache die Arschlöcher waren tot.

Ein dumpfer Schlag in der linken Schulter brachte mich zum Taumeln. Schmerz breitete sich dort wellenförmig aus, strahlte in alle Richtungen, und ich spürte, wie das Blut an meinem Arm nach unten lief. Doch ich zielte weiter auf die Feinde, drückte ab und sah zu, wie sie stürzten. Dann wurde ich selbst von einer Kugel zu Fall gebracht, die sich in meinen Oberschenkel bohrte. Die Magazine meiner Waffen waren leer und Juanes lief mit einem schmierigen Grinsen auf seiner widerlichen Visage auf mich zu. Doch irgendwie würde ich schon mit ihm fertig werden.

„Ihr habt mich sehr wütend gemacht und du wirst jetzt dafür büßen." Der Latino baute sich breitbeinig vor mir auf und funkelte mich sauer an. Das Mädel und ich hatten seine Leute getötet. Er war tatsächlich der Einzige, der noch lebte oder zumindest stand. Abschätzend sah er auf mich hinab.

„Scheint so, als ob Angela dir nicht mehr helfen kann. Schade, die Kleine hat mir wirklich gefallen. sie hätte sich gut in meinem Bett gemacht." Der Widerling leckte sich über seine Lippen.

Er richtete die Pistole auf mich. Ich schickte resignierend ein kurzes Stoßgebet gen Himmel. Hoffentlich schaffte mein kleiner Bruder es, die Familiengeschäfte ohne mich weiterzuführen. Ein lauter Knall zerriss die Stille und ich sah, wie ihm die Waffe entglitt. Stöhnend drückte er seine Hand auf die Wunde.

„Hör auf zu Heulen und sei ein Mann!" Die Italienerin lief auf uns zu und richtete ihre Waffe auf Juanes. Dann lächelte sie versonnen, wobei das Lächeln nicht ihre Augen erreichte. Denn dort wütete ein dunkelgrüner Sturm. Sie presste den harten metallischen Lauf ihrer Pistole an den Kopf des Latinos. Kalt sprach sie die Worte, die nur bedingt zu mir durchdrangen.

„Heute Nacht rechnet die Familie Pensatori ab." Dann drückte sie ab. Mit einem dumpfen Geräusch landete sein Körper auf dem Boden.

„Na bambino. Du brauchst wirklich einen Babysitter." Verwirrt sah ich die Schönheit vor mir an. Pensatori hatte sie gesagt. Die Pensatori aus Philadelphia? Sie betrachtete lächelnd meinen ratlosen Gesichtsausdruck.

„Tja, Frauen mit sizilianischen Wurzeln sind gefährlicher als Schießeisen." Sie zwinkerte mir vergnügt zu.

„Du magst also Filmzitate und wandelst sie gern ab." Mann, war das ein schlauer Kommentar von mir. Nicht. Ich schlug gedanklich mit dem Kopf gegen die Wand. Damit hatte es sich endgültig erledigt, bei ihr einen guten Eindruck zu hinterlassen. Sie zuckte nur mit den Schultern, dann betrachtete sie stirnrunzelnd meine Verletzungen.

„Ich fahre dich mal nachhause, bevor es doch noch jemand schafft, dich umzulegen." Sie klopfte mir auf die gesunde Schulter und wies Richtung Ausgang.

„Wer glaubt, er könne mich töten, der soll es ruhig versuchen. Man weiß, wo ich zu finden bin. Und wenn jemand Frieden will, bin ich jederzeit bereit, zuzuhören."

„Der gute alte Capone. Ich bin beeindruckt." Sie half mir hoch und ich humpelte halb auf sie gestützt an den Leichen vorbei.

„Wie gut, dass ich hier nicht aufzuräumen brauche", murmelte ich. „Aber sag mal, weshalb hattest du eine Rechnung mit denen offen?"

„Sie haben Informationen an die Hermandad geliefert." Ihr Ton klang überaus gelangweilt.

„Und das stört dich aus welchem Grund?", hakte ich begierig nach. Ich brannte darauf, mehr über sie zu erfahren.

„Weil die Hermandad mich gegen meine eigene Familie eingesetzt hat und ich gerade am Aufräumen bin." Sie zuckte nonchalant mit den Schultern, als wenn alles kaum eine Bedeutung für sie hatte.

„Also bist du tatsächlich für die Sache in Cleveland verantwortlich." Ich hatte die Nachrichten darüber gebannt verfolgt. Es passierte nicht jeden Tag, dass eine Gruppe Mafiajäger gegrillt wurde.

„Du bist ganz schön neugierig." Sie seufzte. Dann half sie mir auf den Beifahrersitz ihres Wagens, bevor sie sich hinters Steuer setzte.

„Ich möchte nur gern wissen, wem ich einen Gefallen schulde." Ich gab mir Mühe, nicht verzweifelt zu klingen. Mein Charme, der schon manche Frau in mein Bett gelockt hatte, schlug bei ihr nicht an.

„So wie ich dich einschätze, werden es im Laufe der Zeit sicher noch mehr Gefallen, die du mir schulden wirst."

„Was soll das denn heißen?" Jetzt war ich schon etwas beleidigt. So redete sonst nie jemand mit mir, auch keine italienische Naturschönheit.

„Das soll heißen, dass du nicht allein auf deinen fetten Arsch aufpassen kannst. Hast du heute eindrucksvoll bewiesen. Erst hast du dich von den Stümpern überrumpeln lassen und eben noch zwei Kugeln kassiert." 

Ich schnaubte verächtlich. Warte, hatte sie meinen Arsch als fett bezeichnet? Gerade als ich etwas erwidern wollte, bogen wir in die Einfahrt meines Anwesens ein. Die Wachen starrten verwirrt auf die Frau neben mir, dann ließen sie uns passieren. Direkt vor der Villa hielt sie an und half mir aus dem Wagen.

„Ich sag ja, dass du ein Fettarsch bist", murrte sie, als ich mich aus Rache absichtlich mehr auf ihr abstützte. Mit ihrer Hilfe trat ich ein und humpelte ins Wohnzimmer, wo mein Bruder mit einem unserer Verbündeten saß.

„Scheiße, was ist denn mit dir passiert? Ich rufe sofort unseren Arzt." Schon stürmte Stefano aus dem Raum. Der Besucher begrüßte mich kurz, dann fiel sein Blick auf die Italienerin neben mir. Er stand auf und trat vor sie.

„Hallo mein Engel der Nacht. Ich habe dich vermisst." Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem hübschen Gesicht.

„Engel? Das ist ein absoluter Teufel", knurrte ich ungehalten darüber, dass sie nur ihn beachtete. „Keine Manieren, rotzfrech und..."

„Und absolut hinreißend, wolltest du doch sagen, oder?" Sie grinste mich frech an. Dann umarmte sie meinen Gast. Ich unterdrückte den Drang, sie an meine Seite zu reißen. „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Massimo. Aber verpfeif mich dieses Mal nicht wieder an meine Familie. Ich nähere mich zwar dem Ende meiner Reise, aber die Jagd ist noch nicht vorbei."

„Du solltest dir von deiner Familie und von uns helfen lassen. Apropos Familie, dein Freund Luca ist ja ein ganz Süßer." Ein anzügliches Grinsen erschien auf Luccheses Lippen.

„Hast du ihn etwa angebaggert? Ich glaube nicht, dass du bei ihm Chancen hast." Das Teufelchen grinste frech. Warte. Sie hatte einen Freund? Cazzo!

„Das glaube ich dir aufs Wort. Ach übrigens, ich bin Jeanne losgeworden. Ich hab sie deinem Cousin mitgegeben, damit sie ein Auge auf deinen heißen Indianer hat." Ihr Lächeln wurde noch breiter und sie nickte zufrieden.

„Ich fahre dann mal lieber los." Sie drehte sich zu mir. „Bevor der Süße hinter mir hier doch meine Familie informiert." Da drückte Lucchese ihr auch schon ein Tuch ins Gesicht und sie brach in seinen Armen zusammen.

„Musste das in meinem Haus sein?", fragte ich ihn im genervten Tonfall, obwohl ich nichts dagegen einzuwenden hatte, diese Schönheit länger in meiner Obhut zu wissen. Doch die Vertrautheit der beiden und die Information, dass sie einen Freund hatte, hatte mir die Laune mehr verhagelt als die zwei Kugeln im Körper.

„Ja, denn sonst wäre sie wieder abgehauen. Außerdem ist es eine gute Gelegenheit für euch, den Kontakt zu den Pensatori auszubauen." Ich nickte nur. Die Unterstützung ihrer Familie wäre für uns wirklich nützlich. In dem Moment kam mein Bruder auch endlich mit unserem Arzt zurück.

„Muss ich dir schon wieder Kugeln rausoperieren? Du siehst bald aus wie ein Schweizer Käse", murrte dieser kopfschüttelnd. „Und was ist mit der Kleinen los?"

„Die ist nur betäubt, damit ihre Familie genug Zeit hat herzukommen und sie nicht vorher flüchtet."

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