Ronny kam näher auf mich zu und dass er noch zwei Schränke mit im Gepäck hatte, ließ meine Angst auch nicht gerade milder werden. 
Vor allem weil ich ihm vor einigen Tagen noch eine heftige Ansage gemacht hatte, und er mich deswegen jetzt wohl zur Rede stellen wollte. 
Du hast dich verdammt nochmal ihm wiedersetzt, du Vollidiot!

,,Na.'', begrüßte mich Ronny, als er direkt vor mir stand und mir rutschte mein Herz in die Hose. 

Auch wenn Ronny so gesehen ein totaler Lauch war und ich ihn locker mit einem einzigen Schlag zu Boden kriegen würde, würde ich ihm trotz alldem nie im Leben eine reinhauen, weil dieser Kerl Kontakte zu allen möglichen Mafias hatte, die ich mir nur erdenken konnte und er würde sicherlich keine einzige Sekunde zögern, um bei diesen sofort einen Anruf zu tätigen und ihnen den Auftrag  zugeben, mich so schnellst wie möglich umzubringen.

Jenes würde er erst recht tun, wenn ich ihm das mit Lukas erzählen würde, weil ich ihn damit in seinen Augen schon längst verraten hatte und es würde dann auch keine paar Tage dauern, ehe ebenfalls Lukas weg vom Fenster wäre, weil er dadurch, dass er mit mir rumgehangen hatte, eh schon viel zu viel wissen würde. 

Zwar hatten Lukas und ich rein gar nicht über die Gang gesprochen, und Lukas würde es wahrscheinlich auch nicht sonderlich groß interessieren, was wir außerhalb des Jugendzentrums noch so für asoziale Scheiße trieben, aber das wäre Ronny in diesem Moment sowieso scheiß egal. Er musste schließlich seinen Arsch retten und wenn die einzige Lösung war, uns umzubringen, dann tat er das auch. 
Und das wollte ich Lukas nun wirklich nicht antun, denn er war viel zu lieb, um in so eine Scheiße mit eingebunden zu werden. 

,,Hey...'', begrüßte ich ihn fast schon schüchtern und scharrte Steine auf dem Boden zusammen, nur um ihm nicht in die Augen zublicken. 

,,Wo warst'n gestern?'', fragte er mich und spuckte seinen Kaugummi direkt vor meinen Füßen aus, weshalb ich einige Schritte nach hinten ging, damit er mir nicht noch die Schuhe vollrotzte. 
,,Nicht da.'', antwortete ich knapp, weil mir auf die schnelle keine passende Ausrede einfiel. 

Selbst wenn ich sagen würde, dass ich mich mit Alex oder Marcel getroffen hätte, wäre ihm das nicht als Ausrede genug, denn laut ihm hatte ich eh nur eine ganze Woche im gesamten Jahr Zeit, um mich mit meinen besten Freunden zutreffen, weil die Gang schließlich immer noch vor alles ging. 

,,Hab' ich gemerkt, du Spast.'', erwiderte er und in diesem Moment ertönte das Klingeln der Schule. Auch das noch. 
Da wollte ich schon einmal freiwillig zur Schule gehen und dann kam ich auch noch zu spät. Und rein ließen die mich bestimmt auch nicht mehr, wenn das hier so weiterging. 

Eigentlich hätte ich heute ruhig Zuhause bleiben können, weil meine Mama darauf bestanden hatte, dass ich mich lieber noch einen Tag ausruhen sollte, bevor ich mir noch mehr wegholen würde. 
Doch ich wollte das nicht, weil mir Zuhause eh langweilig geworden wäre und ich auch keinen Bock darauf hatte, mir deswegen Ronnys Gemecker anzuhören. 

Denn dieser Kerl bestand auch noch darauf, dass wir, egal was wir hatten, uns gefälligst bei ihm zu melden hatten und dann etwas mit der Gang unternahmen, weil man das in seinen Augen schließlich so machte. 

Und darauf hatte ich nämlich jetzt auch nicht so wirklich Bock gehabt und da gab ich mir dann lieber nur das, als wenn ich noch viel mehr Ärger und sonst was für eine Strafe bekam. 

,,Schön.'', antwortete ich nur knapp und schob meine Brille nach oben. 
,,Wie bitte?'', fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen nach. 
,,Es ist schön für dich, dass du gemerkt hast, dass ich gestern nicht da war.'', wiederholte ich es noch einmal etwas deutlicher und er lachte kurz auf, was mich wiederum verwirrte. 
Was wollte Ronny mir denn damit jetzt deuten? 

Danach kam erstmal nichts von seiner Seite aus und wir standen eine Zeit lang nur schweigend voreinander, was wir auf Dauer echt zu lächerlich wurde und ich einfach an dem Lauch und den zwei Schränken vorbeiging, weil wahrscheinlich eh nichts mehr von diesen kommen würde. 

Doch natürlich kam ich nicht weit, denn ich wurde kurz darauf an meinem Rucksack gepackt und zurück zu Ronny gezogen, ohne dass ich irgendeine Chance dazu hatte, mich zuwehren. 
War doch sowieso klar gewesen, dass ich bei diesen zwei Schränken an Ronnys Seite nicht so einfach die Fliege machen konnte. Idiot! 

Völlig genervt drehte ich mich zu Ronny, welcher schelmisch grinste und welchem ich am liebsten jetzt sofort die Zähne herausschlagen hätte, wenn nicht noch diese zwei Bodybuilder hier wären. 

Ich fragte mich auch, wieso diese eigentlich überhaupt hier waren, denn wenn  es nur deswegen war, weil er etwas mit mir klären wollte, dann war es schon ziemlich lächerlich, dass er das nicht mit mir alleine unter vier Augen machen konnte. 

Aber so war der feine Herr Gauger nun mal - große Klappe, aber nicht dahinter, außer vielleicht höchstens zwei Schränke. 

,,Warum haust du denn ab, Tim?'', fragte er mich ahnungslos und einer der Schränke nahm mir meinen Rucksack ab. 
,,Weil ich zum Unterricht will, vielleicht?!'', antwortete ich und wieder lachte er. 
,,Willst du 'n scheiß Streber werden, oder was?'', fragte er nun schon mit einem schärfen Unterton, bei welchem mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief. 
,,Ich will nur was lernen.'', verteidigte ich mich und verzog einmal schmerzverzerrt das Gesicht, weil der andere Schrank mich nun in den Schwitzkasten genommen hatte und nicht gerade sanft zudrückte. 

,,Du willst also lernen, soso.'', wiederholte Ronny meine Worte, grinste erneut schelmisch und öffnete sofort meinen Rucksack, als ihm dieser übergeben wurde. 

Ich erwiderte darauf nichts, weil ich Angst davor hatte, dass mir dieser Typ noch die komplette Luft abdrückte, sobald ich irgendwas zu Ronny sagte, was ihm nicht passte. 

Ronny kramte interessiert in meinem Rucksack rum und schmiss achtlos meine Schulbücher, welche ich heute Morgen in den tiefsten Tiefen meines Schrankes wiedergefunden hatte, einfach völlig rücksichtslos auf den Boden.
Sie verfehlten nur knapp den Schlamm, welcher sich Dank des Regens gebildet hatte, aber dennoch traf er ihn so gut, sodass sie etwas von dem matschigen Schlamm ab bekamen und somit doch verdreckten. 

Auch wenn ich noch nie ein großer Freund der Schule gewesen war und auch keine großartigen Schulsachen hatte, außer einen Stift, Blöcke und Schulbücher, welche ich zum Anfang des Schuljahres gekriegt aber fast nie mit hatte, fand ich es trotzdem frech, wie Ronny einfach so meine privaten Sachen in den Dreck warf und es ihm vollkommen egal war, was für Konsequenzen das für mich mit sich zog.
So viel zum Thema, die Gang ist eine Familie. Sowas macht man in einer Familie ganz bestimmt nicht. 

,,Oh 'ne volle Packung Kippen. Danke, Tim.'' Er zog spitzbübisch die Augenbrauen hoch, steckte meine Packung in seine Jackentasche und zündete sich in aller Seelenruhe auch noch mit meinem Feuerzeug, eine Zigarette an. 

Ich funkelte ihn bloß wütend an und sah völlig wehrlos dabei zu, wie er in meinem Rucksack umherwühlte. 

,,Oh, was ist das denn Schönes? Tim, das wäre doch gar nicht nötig gewesen.'' Meine Augen weiteten sich und ich wollte auf gar keinen Fall, dass er diese Teile in seine dreckigen Griffel bekam.
Ich hatte gutes Geld für die Teile hingeworfen und ich wollte dieses nicht an Ronny verlieren, denn dann hätte ich das Geld genauso gut auch verbrennen können. 

,,Lass' das los!'', bekam ich gerade so heraus und Ronny sah mich gespielt ahnungslos an. 
,,Wie bitte? Ich dachte, das wäre ein Geschenk für mich.'', sagte er verwundert und hielt die Tüte mit den Magic Mushrooms in die Luft. 
,,Das ist 'n scheiß Dreck für dich!'', sagte ich wütend, weil er langsam echt zu weit ging. 

Vielleicht war es krank, dass ich mir wegen Drogen solche Sorgen machte, aber ich hatte viel Geld für die Teile hergeblättert und außerdem hatte ich Marcel versprochen, dass wir die Dinger zusammen ausprobieren würden, weil er sie schließlich auch noch nicht probiert hatte und ich mein Versprechen an ihn nur ungerne wegen so etwas brechen wollte. 

,,Ach komm', hab' dich mal nicht so. Du weißt doch, teilen macht doch bekanntlicherweise Spaß.'', sagte er grinsend und holte einen der Pilze aus der Tüte, um diesen nachdenklich in seinen Händen hin und her zudrehen. Mit dir macht teilen aber überhaupt keinen Spaß, du Hurensohn. 

,,Weißt du überhaupt, was für eine starke Wirkung diese Teile haben?'', fragte ich ihn, weil Ronny noch nicht einmal LSD zu sich genommen hatte und die Pilze noch ein kleines Stückchen härter waren. 

,,Ja klar, sonst wüsste ich doch nicht, wie viel Kohle du dafür bezahlt hast.'', sagte er gewiss und lächelte mich vielsagend an. Um die Kohle ging es ihm also, soso. 

Diesem Dreckskerl war der Effekt der Drogen doch sowas von egal, denn solange er Spaß daran haben konnte, mir dabei zu zusehen, wie ich rein theoretisch gesehen Geld aus dem Fenster warf, war ihm doch alles Recht. 

Ronny brach ein Stück von dem Pilz ab und führte dieses langsam zu seinem Mund. 
Er achtete stets darauf, dass ich hinsah, weil er ganz genau wusste, wie sehr er mich damit an die Weißglut trieb, dass er gerade meine Drogen und somit auch mein Geld fraß. 
So ein schmieriger ekeliger Mistkerl! 

Als er fast dabei war, ein Stück von der teuren Droge abzubeißen, trat ich diesem Schrank, welcher mich immer noch im Schwitzkasten hielt, gegen das Schienbein, sodass er den Griff um mich etwas lockerte, und ich mich zügig aus seinem lästigen Schwitzkasten befreien konnte. 

Sofort sammelte ich meine Schulbücher auf, entriss Ronny meinen Rucksack, schlug ihm den Pilz aus der Hand, welchen ich noch rechtzeitig fing und schnappte mir noch in Windeseile die restlichen Magic Mushrooms, ehe ich wie ein Marathonläufer los sprintete und darauf hoffte, dass die drei mich bloß nicht verfolgen würden. 

Als ich schon ein kleines Stück gelaufen war, drehte ich mich einmal kurz um, und wie zu erwarten, rannten sie mir tatsächlich doch hinterher und ich legte noch einen Zahn zu, um sie irgendwie von mir abwimmeln zu können. 

Ich bog in die nächste Ecke und rannte sofort in den nächstgelegenen Laden und als sie doch tatsächlich an diesem vorbei rannten, atmete ich erleichtert aus und lehnte mich japsend gegen das Regal, um mich zu beruhigen. 
Das war einfach zu heftig. 

,,Was ist denn bitte in dich gefahren, Alter?''