When I'm ready to fall, you're the one always holding me up - with love


Nur mit großer Mühe schlang ich das Abendbrot herunter, welches ich mit meiner Mutter zusammen liebevoll zubereitet hatte. 
Mir war nämlich immer noch extrem schlecht und es war ein Wunder, dass Lukas' Stulle noch in meinem Magen geblieben war und sich ordentlich verdaut hatte. 
Aber wer weiß, vielleicht würde es sich schon bald wieder blicken lassen, wenn ich noch mehr in meinen Magen stopfte. 

Zwar mochte ich das Essen meiner Mutter, denn schlecht war es definitiv nicht und mein Essensverhalten hatte sich in letzter Zeit auch recht ins Positive verändert, nur hatte ich mir Dank dieser Nacht irgendwas weg geholt, was mir jetzt besonders doll auf den Magen schlug und davon sollte nun wirklich niemand etwas mitbekommen. 

Meine Mutter machte sich schon genug Sorgen um mich und so wie ich sie kannte, wusste ich, dass sie sich auch noch grundlos Vorwürfe wegen heute Nacht machte und da sollte sie sich nicht unnötig noch mehr machen, nur weil ich wegen meiner eigenen Dummheit draußen geschlafen hatte und deswegen nun wahrscheinlich krank war. 
Es war meine alleinige Schuld und meine Mutter brauchte sich dafür echt keine Schuld geben, denn schließlich bin ich abgehauen, ohne dass sie mir dies überhaupt befohlen hat. Sie hatte nur gesagt, ich sollte auf mein Zimmer gehen und wenn ich mit meinem Zimmer eine eiskalte Brücke definierte, dann war das ganz allein' mein Problem. 

,,Ist alles OK mit dir, Tim?'', riss mich die Stimme meines Stiefvaters aus meinen Gedanken und ich schaute von meinem Essen auf, um in sein besorgtes Gesicht zublicken. 
,,Hm?'', machte ich nur und sah ihn unsicher an. Hoffentlich merkte er nicht noch was, denn das wäre das Letzte, was ich wollte. 
,,Ob alles OK mit dir ist, habe ich gefragt.'', wiederholte er es noch einmal und ich nickte zügig, ehe ich meinen Blick von ihm abwendete und direkt wieder in meinem Essen umherstocherte. 

,,Aber du siehst schon ganz schön blass aus, wenn ich das mal so anmerken darf.'', sagte mein Stiefvater noch und betrachtete mich skeptisch von der Seite. 
Ich zuckte nur ahnungslos mit den Schultern und schaufelte mir sofort eine Ladung nach der anderen in den Mund, damit er mich ja nicht noch auf mein Essverhalten ansprach, denn darauf hatte ich ebenfalls null Bock. 

Mein Stiefvater war in dieser Hinsicht nämlich genauso schlimm wie meine Mutter, denn die beide machten sich oft die extremsten Sorgen um mich. 
Ob diese nun berechtigt waren oder nicht, ließ jetzt einfach mal außen vor, denn manchmal machten sie sich schon bei der kleinsten Kleinigkeit Sorgen um mich und würden wahrscheinlich ganz Deutschland absperren lassen, wenn sie nicht schon von vorherein wissen würden, dass ich gerne mal erst mitten in der Nacht nach Hause kam. 

Ich wusste ja, dass das Alles nur lieb gemeint war und ich es auch zu schätzen wissen müsste, dass sich Leute so Sorgen um mich mich machten und doch nochmal lieber nachharkten, wenn sie merkten, dass es mir nicht gut ging und ich wusste auch, dass sowas nicht jeder hatte und ich mich eigentlich deswegen so glücklich schätzen müsste, dass ich sowas hatte. Aber manchmal nervte es mich einfach nur, dass die zwei mich öfters so behandelten, als wäre ich noch ein Kleinkind, welches gerade erst das Laufen gelernt hatte und nun jeder Zeit abhauen konnte, wenn es denn nur wollte. 

Bei meiner Mutter konnte ich es durchaus nachvollziehen, denn aufgrund meines leiblichen Vaters und auch ein wenig wegen meiner eigenen Beteiligung, musste ich mal für über ein halbes Jahr in eine Pflegefamilie gesteckt werden. 
Das war natürlich für meine Mama die Hölle, denn sie wollte eigentlich nie, dass ich je in so eine Lage geraten würde und schlussendlich war es dann doch passiert. 

Natürlich hatte ich wie erwähnt auch meinen Teil dazu beigetragen und mein Vater trug nicht die alleinige Schuld daran, obwohl vor allem er schon der Hauptgrund dafür war, wieso ich für eine Zeit lang meiner Familie entzogen wurde. Aber nur wollten meine Mutter und ich nicht, dass so etwas nochmal passierte und deshalb machte sie sich öfters mehr Sorgen als nötig um mich, damit unsere Familie bloß nicht noch einmal in so eine Lage geriet.
Vor allem auch, weil uns das Jugendamt noch Jahre später immer noch ganz schön auf dem Schirm hatte, obwohl weder ich noch meine Mutter Kontakt zu meinem Erzeuger hatten.  

Aber trotz alldem würden diese Hurensöhne von Jugendamt nicht noch eine Minute länger zweifeln, wenn ich mal wieder so richtig etwas verbrochen hatte und die dann auch noch davon Wind bekamen, um mich wieder in eine beschissene Pflegefamilie oder gar in ein Heim zustecken, was meine Mutter natürlich jeden verdammten Tag in ihrem Hinterkopf behielt, sobald es um mich ging, denn nochmal verlieren wollte sie mich definitiv nicht. 

Ich fragte mich oft, wieso das eigentlich überhaupt noch so war, denn mittlerweile war meine Mutter schon lange mit meinem Stiefvater liiert, die beiden hatten sogar schon drei gemeinsame Kinder zusammen, zu meinem Vater hatten wir schon seit Jahren keinen Kontakt mehr und wussten noch nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte und im Allgemeinen lief bei uns Zuhause, bis auf ein paar kleine Ausnahmen, alles super und es gab kaum bis gar keine Beschwerden. 

Aber gut, wer wusste schon, was die überhaupt noch über uns dachten, denn schon lange machten sie keine ihrer spontanen Besuche mehr oder sprachen mit meiner Mutter oder mir über die Verhältnis Zuhause, weshalb die doch gar nicht mehr einschätzen konnten, inwiefern sich unsere Familie entwickelt hatte. 

Wahrscheinlich stand bei denen in der Akte noch, dass wir gerade frisch in diese eklige kleine Wohnung in dem schrecklichsten Viertel unserer Stadt eingezogen waren, dass sich meine Mutter gerade frisch von meinem Vater geschieden hatte und ich gerade einmal erst 12 Jahre alt war. 
Falls das da wirklich noch stehen sollte, was ich sehr zu glauben schien, dann würde ich mir mal wirklich Gedanken darüber machen, ob man dies nicht ändern wollen würde oder die Akte einfach in den Papierkorb pfeffern sollte. 

Seufzend steckte ich mir ein allerletztes Mal die Gabel in den Mund und sah dann hinunter zu meinem Teller, welcher nun komplett leer war. 
Völlig erschrocken starrte ich auf die nun weiße Fläche, welche vor einigen Minuten noch voller Kartoffeln, Soße, Gemüse und einem großen Stück Fleisch bestückt und jetzt komplett leer war. Ich hatte doch nicht ernsthaft alles aufgegessen, oder? 
War ich denn wirklich so vertieft in meine Gedanken gewesen, sodass ich rein gar nicht bekommen hatte, dass ich am essen bin? Tatsache. 

,,Möchtest du noch was, Timi?'', riss mich meine Mutter plötzlich aus meinen Gedanken und ich schaute auf, um in ihr fragendes Gesicht zublicken. 
Sie hielt meinen leeren Teller schon in ihren Händen und ich wollte gerade auf ihre Frage antworten, doch da spürte ich, wie mir ein zweites Mal an diesem Tag etwas hoch kam und unbedingt herauswollte. Scheiße. 

Ich konnte auf jeden Fall jetzt kein ,,Nein'' von mir geben und einfach so schnell in mein Zimmer rennen und in den Mülleimer kotzen konnte ich auch nicht, denn sobald ich nur ansatzweise den Mund aufmachen würde, würde ich mich direkt auf dem Tisch übergeben und dann war das auch mit dem ,,Guten Appetit''. 

Also sprang ich einfach, ohne eine Antwort von mir zugeben, auf, rannte aus der Küche, stieß die Badezimmertür auf und hing ein zweites Mal an diesem Tag wölbend über der Kloschüssel, um mich zu übergeben. 

Dieses Gericht war eindeutig zu viel für meinen Körper gewesen und es war auch der klare Beweis dafür, dass ich mir etwas weg geholt hatte. 
Und das alles nur, weil ich mal eine einzige Nacht draußen im Regen und in der Kälte gepennt hatte. So ein Mist aber auch! 

,,Tim?'', hörte ich die fragende und zugleich auch verwirrte Stimme meiner Mutter und sofort war sie auch schon im Bad aufgetaucht, weil ich dieses Szenario schließlich nicht leise von statten bringen konnte. 

,,Tim! Was ist denn jetzt auf einmal?!'', fragte sie besorgt und kramte in den Schränken rum, ehe sie mir mit einem nassen Lappen den Mund saubermachte, als ich fertig war.

,,Keine Ahnung.'', gab ich nur von mir und spülte mein Erbrochenes hinunter. 

Danach lehnte ich mich erschöpft gegen die Heizung und seufzte einmal laut auf. 

,,Timi, komm' hoch! Sitz doch nicht auf dem kalten Fliesenboden, denn dann holst du dir noch viel mehr weg. Du bist schließlich nicht warm genug angezogen.'' Meine Mutter zog mich nach oben und setzte mich auf die runtergeklappte Klobrille. 

,,Wir haben doch 'ne Fußbodenheizung.'', seufzte ich, doch grinste meine Mutter schief an, welche mir nur skeptisch und besorgt zugleich musterte und wohl ihre mütterliche, ärztliche Diagnose aufstellte. 

Gott hoffte ich, dass sie keinen Wind davon bekommen würde, was ich heute Nacht getrieben hatte und wieso ausgerechnet das der Grund dafür war, weshalb ich gekotzt hatte und mal wieder, in so kurzer Zeit, krank war. 

,,Bist du krank oder bekam dir nur das Essen nicht?'', fragte sie und legte ihre flache Hand auf meine Stirn. 

Meine Mama nahm diese keine paar Sekunden später wieder weg und sah mich fragend an, doch ich zuckte nur gespielt ahnungslos mit den Schultern, so als wüsste ich nicht, woher meine plötzliche Erkrankung kommen könnte. 
,,Keine Ahnung, denke nicht.'', gab ich schlussendlich von mir. 

,,Du siehst und fühlst dich aber ziemlich krank an. Bist du dir wirklich sicher, dass du nichts hast oder dass du dir das von irgendjemanden weg geholt hast?'', fragte sie weiterhin skeptisch nach und wollte mir keinen Glauben schenken. 
Mütter halt - die Besorgnis und Skepsis in Person, wenn es um die Gesundheit ihrer Kinder ging. 

,,Ja, ich bin mir sicher. Ich hab' vorhin nur schon etwas gegessen und das war halt einfach zu viel, denke ich.'', redete ich mich weiterhin heraus und log damit noch nicht einmal. Ich hatte vorhin wirklich etwas gegessen und wie viel das nun wirklich war, spielte ja keine Rolle.
,,Okay...'', erwiderte meine Mama nur, doch ich hörte immer noch einen Hauch von Skepsis in ihrer Stimme.
Blöde Gedankengänge, wegen euch musste ich kotzen. Könnt' ihr euch nicht einfach mal abstellen, wenn ich euch das befehle?  

,,Wo warst du eigentlich heute Nacht?'', fragte sie irgendwann, als wir eine Zeit lang miteinander geschweigen hatten. 

,,Bei Alex.'', log ich und begann damit, nervös mit meinen Händen zuspielen. Ich konnte und wollte ihr einfach nicht die Wahrheit darüber sagen, wo ich diese Nacht tatsächlich gesteckt hatte. 

Sie machte sich schon genug Sorgen um mich, da sollte nicht grundlos noch viel mehr dazu kommen, denn das hatte meine Mutter einfach nicht verdient. 

,,Und da bist du krank geworden?'' Meine Mutter wollte mir keinen richtigen Glauben schenken und betrachtete mich weiterhin skeptisch, was mir auf Dauer extrem unangenehm wurde und ich deswegen den Blick von ihr abwendete, um auf meine Hände zustarren. 

Ich wusste, dass sie mir damit keinen Vorwurf machen wollte und das auch gar nicht ihre Absicht war, dass es so klingen sollte. Sie wollte einfach nur, dass ich ehrlich zu ihr war, weil meine Mama ganz genau erkannte, wenn ich nicht die Wahrheit sagte. 
Da reichte schon eine falsche Bewegung und sie erkannte sofort, dass ich gerade nichts aussprach, was tatsächlich ehrlich war. 

,,Ja. Ich bin ja auch in ganz dünnen Sachen und im Regen Fahrrad gefahren und Alex hatte ja auch noch eine kleine Magendarm-Grippe und ich war wahrscheinlich auch noch etwas angeschlagen und muss mich dann wohl anscheinend bei ihr angesteckt haben.'', versuchte ich ihr so gut wie möglich zu erklären und kam mir dabei wie der letzte Vollidiot vor, der ich eh schon längst war. 

Ich bin so hohl, als ob sie nicht merken würde, dass ich gerade log! Selbst eine Person die mich überhaupt nicht kannte, würde sofort merken, dass ich gerade nicht die Wahrheit sagte. Noch auffälliger konnte doch kein Mensch sein! 

Meine Mutter seufzte einmal laut auf, kniete sich plötzlich vor mich und sah mich eindringlich, aber dennoch liebevoll an. Ich blickte ebenfalls zu ihr und sah unsicher in ihre braunen Augen, welche ich von ihr geerbt hatte. 

,,Timi, sei bitte ehrlich zu mir. Ich weiß, dass du nicht bei Alex warst, weil ich mit ihr telefoniert habe und sie mir gesagt hat, dass du nicht bei ihr bist und sie ebenso nicht wüsste, wo du stecken könntest.'', sagte sie langsam und dieses Mal seufzte ich. Toll, dass Alex mich verraten hatte, brachte mich auch nicht gerade weiter. 

Zwar konnte sie nicht dafür, denn hätte sie Bescheid darüber gewusst, was heute Nacht passiert war, dann hätte sie sicherlich ohne jegliche Widersprüche für mich gelogen, damit ich jetzt nicht in so einer scheiß Klemme steckte. 

Doch jetzt war es eh viel zu spät, denn ich war schon viel zu hoch auf meinen Berg voller Lügen gestiegen und jetzt kam ich dort erst recht nicht mehr so leicht herunter, außer ich sprang und das würde natürlich so gesehen kein gutes Ende nehmen. 

Ich musste meiner Mutter einfach die Wahrheit sagen - was anderes blieb mir nicht übrig und vielleicht war es auch das Beste, anstatt immer weiter und weiter zu lügen, denn das brachte uns schließlich auch keinen Schritt weiter. 

,,Ich ähm...also ich...'', stotterte ich leise und unsicher zugleich vor mich hin und meine Mutter strich mir mit ihren Daumen langsam über meine Knie. 
,,Hab' keine Angst, Timi. Ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen. Selbst wenn du in einem Bordell warst, wäre es mir egal.'' 
,,Wirklich?'', harkte ich unsicher nach und sie nickte grinsend. 
,,Wirklich.'' 

,,Also ich...ähm...habe halt...draußen...also, draußen...'' 
,,Geschlafen?'', unterbrach sie mein Gestotter und ich nickte, ehe ich betrübt auf meine Hände starrte.
Ich hörte sie hörbar die Luft auspusten und dann umfasste meine Mama mit ihren Fingern mein Kinn und zwang mit somit damit, ihr in die Augen schauen zu müssen. 

,,Wieso denn das? Tim, ich habe dich nicht herausgeschmissen und es war auch nicht meine Absicht gewesen, dass du gehst.'' Sie sah mich fragend an, doch ich zuckte nur mit den Schultern. 

,,Ich weiß doch auch nicht. Ich habe mich einfach nur so unfassbar schlecht gefühlt, weil du wegen mir geweint hast und...ach, es wurde mir wieder alles viel zu viel und ich habe mich so nutzlos gefühlt. So, als wäre ich das ganze Problem, was ich wahrscheinlich sowieso eh bin.'', redete ich dann einfach drauf los und meine Mutter war wohl so überfordert mit diesen Worten, weshalb sie mich erst einmal fassungslos anstarrte und die eben gesagten Worte erst einmal richtig verarbeiten musste. 

,,Mama, manchmal denke ich auch, dass es das Beste wäre, wenn ich gar nicht mehr da wäre. Dann hättet ihr keine großartigen Probleme mehr und du könntest endlich in Ruhe leben, ohne ständig Gefahr zu laufen, dass dein Sohn irgendwas dummes macht, weil er gefühlt immer noch fünf Jahre alt ist.'', fügte ich irgendwann noch leise hinzu, als wir wieder eine Zeit lang miteinander geschwiegen hatten und meine Mutter in dieser Zeit noch nichts weiter gesagt hatte, außer mich immer noch mit großen Augen anzustarren. 

,,Laber' doch keinen Mist, Tim.'', fand meine Mama dann endlich ihre Stimme wieder und sah mich nun eher fassungslos an, weil ich solche Wörter über mich verlor'. War doch nur die Wahrheit. 
,,Aber es ist doch so!'', meinte ich nur. 
,,Wer redet dir denn bitte so einen Quatsch ein?'', fragte mich meine Mutter und funkelte mich empört an. 
,,Ich.'' 
,,Dann bist du aber ganz schön doof, wenn du tatsächlich so über dich denkst.'', unterstellte sie mir. 
,,Wieso?'', fragte ich verwirrt, weil ich in meinen Augen die Wahrheit von mir gab. 
Ich war doch wirklich eine so schreckliche Persönlichkeit und meine Mama wäre einige gewaltige Lasten los, wenn ich nicht mehr in ihrem Leben existieren würde, das war Fakt. 

,,Weil du das alles gar nicht bist, Timi. Du bist so ein toller und liebenswerter Mensch und du weißt gar nicht, wie stolz und froh ich darüber bin, dass ich dich als meinen Sohn betiteln darf.'' Sie lächelte mich an und strich mir ein paar verirrte Haare aus dem Gesicht. 

,,Das ist zwar süß, aber trotzdem ändern das nichts daran, dass ich ein totales Problemkind bin. Kein Elternteil auf dieser Welt hat sicherlich so viele Probleme mit seinem Kind, wie du mit mir.'', widersprach ich ihr weiterhin und sie schüttelte verständnislos mit dem Kopf. 

,,Was interessieren mich denn andere Eltern und deren Kinder?'', fragte sie und ich zuckte als Antwort nur mit den Schultern. 
,,Siehst du, du weißt es selber noch nicht einmal und der Grund dazu ist auch ganz  einfach - es geht uns einfach nichts an, was für Probleme Eltern mit ihren Sprösslingen haben.'', erklärte sie und strich mir wieder mit ihren Daumen über die Knie. 

,,Tim, du bist vielleicht nicht so pflegeleicht wie andere Kinder, aber das hat auch seine Gründe und diese sind überhaupt nicht schlimm, weil es dafür immer irgendeine Lösung geben wird.'', fing sie langsam an und ließ mir keine weitere Zeit, um etwas zu erwidern, sondern fuhr direkt fort. 

,,Weißt du, es gibt Eltern, dessen Kinder ihr ganzes Leben lang so perfekt waren, aber sobald sie ausgezogen sind, gerieten sie meistens auf die schiefe Bahn, obwohl es früher Zuhause keinerlei Probleme oder Ärger mit diesen gegeben hatte. Und Tim, ja, dass du halt hier und da deine Macken und Probleme, aber wer hat das denn bitte nicht?! Der eine hat halt mehr und der andere eher weniger. Und wenn du eben einer von der Sorte bist, der eben mehr hat, dann ist das doch überhaupt nicht schlimm, denn Probleme oder Macken machen dich nicht zu einem schlechteren Menschen. Kein Mensch ist perfekt und vielleicht sind diese Konflikte auch das, was uns beide immer wieder aufs Neuste so zusammenschweißt.'' Meine Mutter zog mich nach diesen Worten direkt liebevoll in ihre Arme und ich starrte nur völlig perplex unsere Handtücher an. 

Ein zweites Mal an diesem Tag, verstand ich die Welt nicht mehr und ich wusste gar nicht so recht, was ich denken oder gar fühlen sollte. 
Ihre Worte ergaben in meinem Kopf keinen Sinn, aber irgendwie schon und das verwirrte mich noch viel mehr. 
Ich hatte absolut keine Ahnung, was sie mir da gerade mit ihren Worten mitteilen wollte und irgendwo in der hintersten Ecke meines Kopfes, verstand es eine einzige Gehirnzelle schon, was meine Mama mir damit näherbringen wollte. 

Doch aus lauter Verzweiflung, weil ich einfach nicht mehr klar über meine Gedanken denken konnte, weinte ich meiner Mutter die Schulter voll und krallte mich wie ein Ertrinkender an ihr fest. 

Ich wusste auch nicht so recht, wieso ich in letzter Zeit so emotional war und wieso ich mir über so viele Sachen, die sonst so belanglos für mich waren und mich nicht sonderlich interessierten, so oft intensive Gedanken machte, denn normalerweise nahm ich vieles total gleichgültig hin und die meisten Sachen gingen mir einfach so am Arsch vorbei. 

Selbst die Sache mit Frau Lautermann, hätte mich niemals so sehr mitgenommen, wenn ich davor nicht schon zwei Wochen Hausarrest gehabt hätte, in denen meine Mutter so enttäuscht von mir gewesen war, so wie ich es schon lange nicht mehr erlebt hatte. 
Wäre dies nämlich nicht der Fall gewesen, dann hätte ich es wahrscheinlich einfach so hingenommen und hätte meine Mutter im Flur einfach nur zur Seite gestoßen, weil ich mir ihre Predigt über die Gang, ganz bestimmt nicht anhören wollte. Dabei war mir das hier doch viel lieber. 

,,Oh Timi, was ist denn jetzt los? Hab' ich was falsches gesagt?'', fragte mich meine Mutter nun besorgt und löste mich von sich, um mir die Tränen aus meinem verheultem Gesicht zustreichen. 

,,Nein...ach, ich weiß doch auch nicht. Zurzeit nimmt einfach nur gefühlt alles mit. Ich glaube, selbst wenn du mir 'ne neue Zahnbürste geben würdest, würde ich anfangen zuheulen, obwohl es dazu noch nicht einmal einen wirklichen Grund gibt, denn nur mein Mund hat eine emotionale Bindung zu dieser.'', antwortete ich, doch musste wegen meinen letzten Worten etwas auflachen. 

Diese Vorstellung war aber auch wirklich verdammt merkwürdig. Aber es sollte tatsächlich Leute da draußen geben, die wegen so etwas belanglosem anfangen würden zuheulen. 

,,Ach Timi...'' 
,,Das klingt zwar bescheuert, aber es fühlt sich wirklich so an.'', sagte ich, strich mir meine letzten Tränen aus dem Gesicht und grinste meine Mutter, mit einem tatsächlich ehrlichen Lächeln, an. 

,,Dann müsstest du eigentlich schon wieder anfangen zu weinen, da ich deine Bürste tatsächlich vor einigen Tagen gewechselt habe.'', erwiderte sie grinsend und sah mich entschuldigt an.
Ich lachte kurz auf und fuhr mir meine verirrten Haare aus dem Gesicht. 

,,Aber Tim, jetzt mal ehrlich. Falls du irgendwelche Probleme oder Sorgen haben solltest, dann kannst du immer zu mir oder auch zu Frank kommen. Oder du redest mit Alex und Marcel darüber, falls dir das mit uns zu unangenehm ist, denn die beiden sind schließlich auch immer für dich da.'', befahl sie mir, strich mir über die Schultern und ich nickte verständnisvoll. 

,,Aber bitte, rede wirklich mit jemanden darüber, wenn dich etwas bedrückt, denn nur so können wir dir helfen und auch verstehen, wenn du mal wieder anders als gewohnt drauf bist. Denn wenn du nur schweigst, dann kann ich dir leider auch nicht bei deinen Problemen helfen, denn alles bekomme ich als Mutter auch nicht mit.'' Sie sah mich bittend an und wieder nickte ich. 

,,Ich werde das machen, das verspreche ich dir.'', versicherte ich es meiner Mutter nun auch mit Worten und sie lächelte mich an.
,,Das ist schön.''
Ich erhob mich nach diesen Worten von der Klobrille und umarmte meine Mutter nun richtig.
Sie schien zunächst zwar etwas überrascht zu sein, denn sie zuckte zunächst erschrocken zusammen, doch legte dann schlussendlich doch ihre Arme um mich und zog mich dichter an sich heran. 

,,Danke, für alles.'', bedankte ich mich lächelnd bei ihr, als wir uns voneinander gelöst hatten und uns einander in die Augen sahen. 

,,Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin, egal welche Scheiße du verbrochen hast. Ich würde dich nie wegen irgendwas verurteilen, mein Schatz. Tim, ich hab' dich schließlich nicht 9 Monate in meinem Bauch getragen, um dich daraufhin zu hassen, sondern um dich weiterhin zu lieben und zu beschützen - und das mehr als mich selbst.'', sagte sie sanft und musterte mich von oben bis unten, ehe sie mich mit einem so stolzen Lächeln ansah, welches ich schon lange nicht mehr bei mir gesehen hatte. 

,,Mama, hör' auf so süß zu mir zu sein - sonst weine ich gleich wieder.'', sagte ich lachend.
,,Ist doch nur die Wahrheit.'', verteidigte sie sich und schob ihre Brille nach oben. 

,,Aber ich lasse es lieber, denn ich möchte dich nicht schon wieder sehen, mein Spatz.'' Sie tätschelte meine Wange und ich grinste noch breiter. 

,, Ähm...Mama?'', fragte ich sie dann noch, bevor sie das Bad verließ und sie sah mich fragend an. 
,,Was ist denn?'' 
,,Warum bist du eigentlich nicht bei der Arbeit? Du hast doch diese Woche Spätschicht, oder?'', harkte ich dann nach, weil es mich schon die ganze Zeit wunderte, wieso sie noch hier und nicht bei der Arbeit war. 

Sie seufzte und sah mich dann entschuldigt an. 
,,Ich habe mich krank gemeldet. Ich habe gesagt, dass Randi krank ist und sonst niemand auf sie aufpassen kann, weil weder Frank noch du da sind und die anderen ja schließlich noch viel zu jung sind, um sie solange alleine zu lassen.'', erklärte sie mir und ich sah sie erschrocken an. 

,,Du hast wegen mir...'' 
,,Ja, habe ich. Aber es ist nicht schlimm, Timi. Mach' dir darum keine Gedanken. Ich wollte einfach nur da sein, wenn du wieder nach Hause kommst und ich hätte mich wahrscheinlich eh nicht bei der Arbeit konzentrieren können.'', beruhigte sie mich und lächelte mich an. 
,,Ich schulde dir was.'' 

,,Du schuldest mir nichts, deine Liebe reicht mir schon.'' Meine Mama fuhr mir durch die Haare, doch ich wollte mich damit nicht geschlagen geben. 
,,Ich male dir ein Bild.''
,,Timi, du brauchst dich dafür nicht entschuldigen.'', stritt sie es ab, doch ich schüttelte stur mit dem Kopf. 
,,Ich mache es aber trotzdem, ich habe dir schließlich nichts zum Frauentag geschenkt.'', zuckte ich lachend mit den Schultern und sie verdrehte grinsend die Augen.

Danach verließen wir nach gefühlten Ewigkeiten endlich das Bad und ich war glücklich darüber, dass ich so ehrlich zu meiner Mutter gewesen bin und nun alles mögliche, was mich jetzt so beschäftigt hatte, geklärt war und ich mich wieder ordentlich mit ihr vertragen hatte. 

Ich fühlte mich jetzt auch viel freier und manchmal tat es doch gut, wenn man von Anfang an ehrlich war und sich nicht noch viel mehr in seine Lügen hinein riet.    

Man bekam doch oft genug mit, das Leute ihre Freunde verloren, weil diese größtenteils nur gelogen hatten und man irgendwann überhaupt nicht mehr wusste, ob diese Person nun die Wahrheit von sich gab oder dies nur gelogen und erdacht war. 

Und so wollte ich definitiv nicht enden und vor allem nicht bei meiner Mutter, denn das wäre wohl das Letzte was ich wollte, denn wenn die eigene Mutter einem nicht mehr vertraute, dann konnte man das bei jedem anderen wohl auch vergessen. 

Manche Lügen waren ja OK, vor allem, wenn es nur ganz kleine Notlügen waren, bei denen niemand keinerlei Schäden davon trug, aber wenn man sein ganzes Leben lang nur in einer Scheinwelt lebte, die hauptsächlich nur auf irgendwelchen Lügen basierte, dann war das überhaupt nicht OK und akzeptabel. 

Ne, so ein Mensch wollte ich definitiv nicht werden, denn dafür stand einfach viel zu viel auf dem Spiel und ich wollte wegen so einem Grund keine für mich so wichtigen Menschen verlieren, denn dann konnte ich mich am Besten gleich selbst erstechen. 

Ich wünschte meiner Mutter schon mal eine Gute Nacht und ging dann die Treppen hoch, in mein Zimmer und legte mich direkt ins Bett. 

Ich seufzte und kramte mein Handy aus der Hosentasche, um festzustellen, dass mir außer meine zwei besten Freunde, niemand weiter geschrieben hatte. 
Kein Einziger aus der Gang hatte mir geschrieben und sich gefragt, wo ich denn heute war und wieso ich nicht gekommen bin. Tolle Freunde, wirklich. 

Ich schüttelte mit dem Kopf und antwortete Alex und Marcel noch schnell, ehe ich das Handy zur Seite packte, mich bis auf die Boxershorts auszog und dann versuchte, mich mit einer Runde Counter-Strike abzureagieren.


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