Sexismus, Fußbälle und die beste Freundin fürs Leben
Flashback
,,Ich wähle...Tim.'', wurde ich von Ronny, der Älteste aus meiner Mannschaft, weil er schon in die Vorschule ging, in sein Team gewählt.
Trotz dass der Altersunterschied zwischen uns Kinder etwas größer war, spielten unsere Gruppen dennoch oft mit den Jungs aus der Vorschule und soweit war auch alles OK, außer wenn wir Fußball spielten, denn da war Ronny ein richtiger Blödmann und es machte manchmal überhaupt gar keinen Spaß, mit ihm zu spielen.
Ronny durfte so gut wie immer entscheiden, wer außer ihn noch wählte und nie durfte ein Junge aus meiner Gruppe wählen. Dann durften seine Jungs noch faulen bis zum geht nichts mehr und die Jungs aus meiner Gruppe wurden des öfteren einfach mal ausgelacht oder angepöbelt, wenn wir zum Beispiel keinen Ball hielten oder ein Schuss daneben ging.
Und das fand ich total blöd, denn wir spielten es ja schließlich nur zum Spaß und da war es doch egal, wenn ein Treffer mal daneben ging oder man eben nicht so gut fangen konnte.
Aber na ja, wenigstens durften wir mit ihnen zusammen Fußball spielen und mussten uns nicht ständig um den Ball streiten, denn das wäre noch viel beschissener, weil wir diesen Ball dann wahrscheinlich niemals kriegen würde - zu mal dieser Fußball der Beste im gesamten Kindergarten war, mit welchem man auch anständig spielen konnte.
,,Darf ich auch mitspielen?'', hörte ich eine piepsige Stimme fragen und ich drehte mich um, um in das lächelnde Gesicht eines Mädchens zublicken, welches uns mit ihren eisblauen Augen bettelnd ansah.
Dieses Mädchen trug ein rotes mit weißen Punkten übersätes Kleid, ihre platinblonden Haare waren zu zwei geflochtenen Zöpfen gebunden und sie trug ein Paar weiße, leicht verdreckte Chucks, welche natürlich super dafür geeignet waren, damit sie mit uns Fußball spielen konnte.
Sie musste aber anscheinend wohl neu an unserem Kindergarten sein, denn ich hatte sie noch nie zuvor hier gesehen und ich kann mich auch gar nicht daran erinnern, dieses Mädchen je bei den anderen Mädels spielen gesehen zu haben - beziehungsweise, ich hatte sie noch nie zuvor irgendwo hier auf dem Gelände gesehen.
,,Du willst mitspielen? Du bist doch 'n Mädchen!'', fragte Ronny und dieses Mädchen zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
,,Na und?'', machte sie nur und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Du kannst doch gar kein Fußball spielen!'', argumentierte ein anderer Junge aus Ronnys Gruppe und sie riss erschrocken die Augen ganz weit auf.
,,Wie bitte? Wieso soll ich als Mädchen kein Fußball spielen können? Das hat doch nichts damit zutun! Solange ich zwei gesunde Füße habe, geht das doch voll klar!'' Sie sah verwirrt und empört zugleich zwischen uns her und Ronny trat näher auf sie zu.
,,Hör' zu, kleine Maus. Du bist ein Mädchen und Mädchen spielen bekanntlicherweise kein Fußball. Ihr spielt mit Barbies, aber doch nicht mit Bällen - die sind schon extra für Jungs gemacht worden.'', erklärte Ronny ihr nun etwas deutlicher und ihr fiel erschrocken die Kinnlade runter.
,,Das stimmt nicht! Jeder kann Fußball und Barbie spielen! Das spielt doch gar keine Rolle, ob man ein Junge oder ein Mädchen ist!'', wurde dieses Mädchen nun etwas lauter, stampfte mit dem Fuß wütend auf den Boden und Ronny hob entschuldigt die Hände in die Luft.
,,Oh, die Kleine hat Krallen, die sie auch jederzeit ausfahren kann. Nehmt euch in Acht, gleich sticht sie uns noch den Ball mit den Dingern kaputt. Sicherlich hat sie damit auch schon ihren Barbies die Haare abgeschnitten.'', er lachte und alle außer ich stimmten mit ein.
Ich musste ihr tatsächlich Recht geben, denn es hing doch nicht vom Geschlecht ab, mit was man spielen durfte und mit was nicht. Es stand ja schließlich nirgendswo gesetzlich geschrieben, das Mädchen kein Fußball spielen durften oder, das Jungs nicht mit Barbies spielen durften. Jeder durfte doch schließlich mit das Spielen, worauf er Lust hatte - solang man daran Spaß hatte, war das doch völlig legitim und ich sah da auch nichts verwerfliches dran, wenn ein Junge es eher bevorzugte mit Barbies, anstatt Fußball zu spielen.
,,Nenn' mich nicht Kleine!'', drohte dieses Mädchen ihm und wieder hatte Ronny nur ein Lachen für sie übrig.
,,Was sonst, Süße? Kratzt du mir dann mit deinen Krallen die Augen aus, oder was?'', er grinste schelmisch und sie wurde immer wütender, desto mehr Worte Ronny von sich gab.
,,An deiner Stelle würde ich lieber aufpassen!'' Sie formte die Augen zu Schlitzen und Ronny lachte, ehe er noch einige Schritte mehr auf sie zumachte.
,,Hör' mal, diese Diskussion ist wirklich lächerlich. Niemand hier will, dass du mitspielst und das musst du eben akzeptieren, so ist das im Leben nun mal. Wirklich, niemand hier mag dich und hässlich bist du dazu auch noch. Hast du dich mal angesehen oder sind deine ganzen Spiegel Zuhause schon kaputt gegangen, weil sie deine Hässlichkeit nicht mehr länger ertragen konnten?! Also, gehst du jetzt von alleine oder muss ich dich erst mit deinen zwei ekeligen Zöpfen Richtung Sonne schleudern?'', beleidigte Ronny sie und zog ihr tatsächlich nachdem letzten Satz an den Zöpfen und dieses Mädchen verzog einmal schmerzverzerrt das Gesicht.
Das Mädchen sah uns alle fassungslos und empört zugleich an und als sich unsere Blicke kurz trafen, stiegen ihr Tränen in die Augen und sie rannte einfach weg, weil sie höchstwahrscheinlich ausgerechnet vor Ronny keine Schwäche zeigen wollte, damit dieser nicht noch einen Grund mehr hatte, um irgendeinen dämlichen, sexistischen Satz zu äußern.
Alle lachten sie aus, äfften sie nach, doch nur ich blieb weiterhin stumm, weil ich es einfach nicht verstand.
Sie hatte doch nur ganz nett und höflich gefragt, ob sie mitspielen durfte und nur weil sie ein Mädchen war, durfte sie das etwa nicht?! Das war doch totaler Blödsinn und das Ronny sie dann auch noch so beleidigen musste, war auch nicht gerade besonders freundlich von ihm gewesen. Aber was erwartete man bei ihm noch?
,,Das ist nicht fair!'', sagte ich dann irgendwann und alle verstummten, sobald sie meine Stimme wahrnahmen.
,,Wie bitte?'', fragte Ronny und stellte sich direkt vor mich und baute sich vor mir auf, weshalb ich aufgrund dessen schwer schlucken musste und eigentlich doch nichts mehr darauf erwidern wollte, weil er mir zugegebenermaßen schon etwas Angst machte.
Doch ich fing mich schlussendlich doch noch schnell wieder, denn ich wollte nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein so nettes Mädchen einfach so von einem Blödmann wie Ronny grundlos verletzt und ausgeschlossen wurde.
,,Das ist nicht fair, was du da mit dem Mädchen gemacht hast.'', wiederholte ich es nochmal und Ronny lachte kurz auf.
,,Wieso das denn bitte?'', fragte er nach und sah mich erwartungsvoll an, weil Ronny jetzt wahrscheinlich den besten Grund von mir erwartete, welcher wiederlegte, dass er mit seiner Aktion im Unrecht lag.
,,Nur weil sie ein Mädchen ist, heißt das doch noch lange nicht, dass sie kein Fußball spielen darf, das ist doch totaler Blödsinn.'', verteidigte ich dieses Mädel und erneut hatte Ronny auch nur für mich, nur ein Lachen übrig.
,,Du hältst zu ihr? Zu einem verdammten Mädchen?'', fragte Ronny daraufhin unglaubwürdig nach und ich nickte, ohne großartig zu zögern.
,,Dann kannst du auch ruhig von hier verschwinden, denn mitspielen darfst du hier auch nicht mehr, wenn du ein Mädchen viel mehr unterstützt, als deine Jungs.'' Ronny deutete in genau die Richtung, in die dieses Mädchen geflüchtet war und ich verdrehte die Augen, weil der Grund wieso ich nicht mehr mitspielen durfte, genauso dämlich war.
,,Gut, dann gehe ich halt, mir doch egal. Lieber kämpfe ich für Gerechtigkeit, anstatt dabei zu zusehen, wie jemand grundlos geärgert, verletzt und zu Unrecht behandelt wird.'', sagte ich noch, ehe ich mich von der Gruppe entfernte und damit anfing, dieses Mädchen zu suchen.
Ich hörte vom Weitem zwar noch, das Lachen der ganzen Jungs, welche sich jetzt wahrscheinlich allesamt darüber lustig machten, dass ich zu einem Mädchen hielt, aber das war mir sowas von egal, weil ich sie einfach nur noch finden wollte.
Tatsächlich sah ich ihre blonden Haare irgendwann etwas weiter entfernt von mir und ich rannte sofort auf sie zu, als ich sie erblickte.
Dieses Mädchen saß auf einer Bank, hatte die Hände in ihrem Gesicht vergraben und desto näher ich ihr kam, desto lauter hörte ich ihr leises Weinen.
Mein Herz brach in tausend Teile, weil ich es einfach nur schrecklich fand, dass Ronny sie wegen so etwas belanglosem zum Weinen gebracht hatte. Dabei war sie doch total freundlich gewesen und hätte sicherlich niemandem etwas getan.
Ich setzte mich zögerlich neben sie und wusste nicht so recht, was ich jetzt sagen oder gar tun sollte.
Sollte ich mich vielleicht bei ihr entschuldigen? Aber warum sollte ich das tun?
Ich hatte doch so gesehen nichts weiter gemacht, außer dass ich zunächst nur stumm daneben gestanden und sie nicht schon viel früher, als sie auch noch vor Ort war, verteidigt hatte.
Sollte ich vielleicht ganz normal mit ihr reden?
Aber das war doch genauso bescheuert, denn sie weinte doch gerade vor mir und da konnte ich jawohl schlecht so tun, als würde sie das gerade nicht machen.
Doch sie nahm mir die Entscheidung ab, in dem sie ihre Hände langsam von ihrem Gesicht löste und sich in meine Richtung drehte. Sie musterte mich wütend und wischte sich die Tränen aus dem verheulten Gesicht.
,,Was willst du denn hier? Hat dich dieser Vollidiot geschickt, damit ihr mich noch mehr beleidigen könnt'?'', fragte sie wütend und ich biss mir auf die Unterlippe.
Ja, was wollte ich denn eigentlich hier? Hätte ich sie vielleicht doch in Ruhe lassen sollen? Aber, hätte ich mich dann nicht genauso scheiße verhalten wie Ronny, weil ich ihm somit indirekt zustimmte, das Mädchen wirklich kein Fußball spielen durften? Ja, das hätte ich und das wollte ich auf gar keinen Fall, weil ich diese Meinung in keinster Weise unterstützte.
,,Jungs sind doch doof.'', sagte dieses Mädchen plötzlich ganz eingeschnappt, wollte gerade aufstehen, doch ich hielt sie fest.
Verwirrt sah sie mich an und ich sah mich stattdessen unsicher in der Gegend um, weil ich nicht so recht wusste, was ich zur ihr sagen sollte.
Hätte ich vielleicht doch bei den Jungs bleiben und mit ihnen in aller Seelenruhe Fußball spielen sollen, während wir ein Mädchen grundlos zum Weinen gebracht hatten? Nein!
,,Ich...ähm...ich habe dich...ähm...v-verteidigt.'', stotterte ich zögerlich und nun wurde ihre Miene ganz verwundert.
,,Wirklich?'', fragte sie unglaubwürdig und ich nickte.
,,Aw...'', machte sie nur, ehe mir dieses Mädchen um den Hals fiel und ich mal wieder nicht so recht wusste, was ich jetzt machen sollte. Das kam plötzlich.
,,Okay, es gibt doch noch einen Jungen, außer meinen Papa, welchen ich nicht so doof finde.'', nuschelte sie in mein Shirt, löste sich von mir und lächelte mich an. Ich lächelte nur unsicher zurück und schob meine Brille wieder an Ort und Stelle.
,,Du bist nett.'', sagte sie und rückte näher an mich heran.
,,Danke, du auch.'', antwortete ich grinsend.
,,Wie heißt du?'', fragte sie mich und ich sah in ihre blauen Augen, welche förmlich strahlten.
,,Tim, du?'', drehte ich den Spieß dann einmal um, um ihr auch endlich mal eine Frage zustellen.
,,Alexandra. Aber wenn du magst, kannst du mich auch ruhig Alex nennen - wie du halt möchtest.'', stellte sie sich grinsend vor und reichte mir ihre Hand, welche ich sofort schüttelte.
,,Macht es dir etwas aus, wenn ich dich Timi nenne?'', fragte Alex daraufhin und legte den Kopf schief.
Timi? So nannte mich höchstens nur meine Mutter und mein Großvater.
,,Wieso willst du mich denn Timi nennen?'', fragte ich etwas verwirrt nach und sie lachte.
,,Weil ich Spitznamen halt gerne mag und das total süß klingt.'', gab sie kichernd zu und ich zuckte mit den Schultern.
,,Wenn du das möchtest, dann gerne.''
,,Wollen wir vielleicht zusammen Fußball spielen? Also, nur wir alleine?'', fragte mich Alex irgendwann, als wir eine Zeit lang miteinander geschwiegen hatten.
,,Und wie wollen wir das nur zu zweit machen?'', fragte ich im Gegenzug und Alex dachte nach.
,,Wir können ja Einmal Berühren spielen. Kennst du das?'', schlug sie vor und sah mich fragend an.
Ich schüttelte mit dem Kopf und Alex lächelte mich an.
,,Also, wir suchen uns erst einmal eine Wand und dort müssen wir den Ball gegen schießen. Aber, der Ball darf die Wand immer nur ein einziges Mal berühren, sobald man geschossen hat und man selbst darf diesen auch nicht mehr berühren, ehe der andere den Ball gegen die Wand geschossen hat und es wieder von vorne losgeht.'', erklärte sie mir und ich nickte verständnisvoll, um ihr zu signalisieren, dass ich das Spiel nun verstanden hatte.
,,Aber was ist, wenn ich oder du die Wand oder den Ball zweimal berühren?'', harkte ich trotzdem nochmal nach, weil es dafür ja schließlich auch eine Erklärung geben musste.
,,Dann können wir uns ja ein paar Bestrafungen ausdenken. Das macht das Spiel sogar noch viel spannender und lustiger.'', schlug sie grinsend vor und wieder nickte ich.
,,Das klingt nach einer guten Idee.'', stimmte ich ihr lächelnd zu und sie grinste noch breiter, soweit das überhaupt noch möglich war.
Danach sprang Alex von der Bank, nahm meine Hand und zog mich in das Gebäude, wo wir uns einen Ball ausliehen, welche zwar nicht mehr ganz so neu war, aber für unser Spiel save noch reichen würde.
Wir suchten uns eine freie Wand, wo wir völlig ungestört waren und spielten glücklich zusammen Einmal Berühren, bis wir von unseren Müttern abgeholt wurden und ich meiner Mama freudig davon erzählte, wie ich Alex kennengelernt und eine neue Freundin dazu gewonnen hatte. Das war echt einer der besten Tage meines Lebens.
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