Niederlagen, Unbehagen machen Schwache stark
,,So, hier einmal den Kopf durch, bitte....'', befahl mir Lukas lächelnd und zog mir das T-Shirt über, welches er mir extra herausgesucht hatte. Er musterte mich, drückte mir einen Kuss auf die Lippen und halbherzig erwiderte ich sein strahlendes Lächeln.
Nachdem wir uns noch eine Zeit lang heulend in den Armen gelegen hatten, hatte Lukas irgendwann versucht, mich dazu zu überreden, mit ihm zusammen in die Badewanne zu steigen und eine Kleinigkeit zu essen.
Wirklich begeistert bin ich von dieser Idee nicht gewesen. Ich hatte einfach nicht die Kraft, um mich zu bewegen und konnte von Glück reden, wenn ich es in den letzten Wochen überhaupt mal geschafft hatte, die Seite des Bettes zu wechseln.
Da ich mich aber nicht noch mehr in ein schlechtes Licht rücken wollte und es meiner Hygiene alles andere als gut ging, konnte ich mich dazu aufraffen, mit ihm zusamen ins Bad zu gehen und mich mit letzter Kraft in die Wanne zu setzen.
Das hatte dann auch schon genug Energie gekostet, denn ich hatte reglos in dieser gesessen, auf das lauwarme Wasser gestarrt und ab und an eine Träne in dieses tropfen sehen. Lukas hatte gegenüber von mir gesessen und mir die Beine gestreichelt.
Es brach mir das Herz, dass er mich so sehen musste. Dass ich ihm zeigen musste, wie schlecht es mir eigentlich ging und ihm das Gefühl gab, dass er nichts dagegen tun konnte, außer still dabei zu zusehen zu müssen, wie ich immer mehr kaputt ging.
Ich hatte nichts getan, denn ich hatte keine Motivation dazu gefunden. Lukas musste mich waschen, abtrocknen und eincremen. Als wäre ich ein alter Mann, der sich nicht mehr bewegen konnte und auf diese Art von Hilfe angewiesen ist.
Dabei bin ich gerademal 18 Jahre alt und konnte das auch alleine. Aber trotzdem musste mein Freund zu mir kommen und sich um mich kümmern. Ich hatte mich in Grund und Boden geschämt, aber nicht die Kraft gefunden, ihm zusagen, dass er aufhören soll.
Am liebsten wäre ich ins dieser Wanne liegengeblieben, bis meine Haut ganz verschrumpelt und ich mich irgendwann hoffentlich, wie eine Wasserbombe, im Wasser aufgelöst hätte. Immerhin wäre das Problem damit erledigt gewesen...
Ich fragte mich schon die ganze Zeit, was er eigentlich hier wollte und was sein Ziel ist. Normalerweise müsste ihn der Anblick schon längst abgeschreckt haben und er hätte den nächsten Bus nach Hause nehmen müssen.
Lukas ist wahrscheinlich eh nur gekommen, weil er mit mir Schluss machen wollte. Er wollte nicht noch einen einzigen Tag mit mir verbringen und wirklich verübeln konnte ich ihm das nicht.
Jeder, der mit mir Zeit verbringen musste, hatte so viel Mitleid verdient. Ich bin ein schreckliche Persönlichkeit. Ich verursachte Chaos, wo eigentlich keines nötig ist und bereitete Probleme, wo keine waren.
Fast jeder, der länger als fünf Minuten mit mir zutun hatte, hatte diese Erkenntnis gewonnen und so ging es auch Lukas. Die zwei Wochen hatten unsere Beziehung ordentlich auf die Probe gestellt und Lukas hatte realisiert, dass das Alles keine Zukunft hatte.
Er hatte etwas viel besseres verdient. Einen Freund, der ihm nicht so viele Sorgen bereitete und der sich wenigstens die Zeit nehmen würde, irgendeine Art von Reaktion von sich zu geben, damit das Stresslevel gesenkt ist.
Er könnte mir jederzeit sagen, dass er das hier nicht mehr wollte, ich würde es ihm nicht übel nehmen. Eine Beziehung hatte nicht so zu funktionieren, wie es gerade bei uns der Fall ist. Lukas sollte verschwinden und mich mit meinen Problemen alleine lassen, wie es alle vor ihm getan hatten.
Jedoch wollte er mir das in diesem Zustand nicht antun und entwickelte jetzt schon eine Co-Abhängigkeit, die ihn noch jahrelang verfolgen würde, wenn er nicht bald die Reißleine zog und klar stellte, was Sache ist.
Er hatte sich nicht um mich zu kümmern, denn die Päckchen, die ich trug, sind meine. Lukas sollte sich nicht in mein Chaos stürzen, denn ich allein' bin Schuld an allem, was in meinem Leben passiert ist.
Hätte ich einmal die richtige Entscheidung getroffen, würde es mir nicht so gehen. Hätte ich niemals mit dem Schwänzen angefangen und wäre regelmäßiger zur Schule gegangen, hätte ich schon längst einen Job. Alles meine Schuld!
,,Möchtest du jetzt einen Schluck? Ist auch nicht mehr so heiß.'' Seine fragende Stimme holte mich zurück in die Realität. Ich zuckte etwas zusammen, sah vom Teppich auf und blickte in sein leicht besorgtes Gesicht.
Zwischen seinen langen Fingern hielt er eine dampfende Tasse Pfirsich-Tee, von dem ich vorhin einen Schluck genommen hatte. Doch sofort hatte ich die Tasse wieder abgesetzt, weil ich gemerkt hatte, dass mir beim nächsten Tropfen alles wieder hochkommen würde.
Mein Magen hatte in den letzten zwei Wochen nicht viel verarbeitet bekommen. Ich hatte versucht, hier und da etwas zu mir zu nehmen, damit vor allem meine Mama nicht in noch mehr Sorgen geriet, aber gewöhnt war er schon lange nichts mehr.
Damit Lukas sich nicht noch mehr Sorgen machte, hatte ich so getan, als wäre mir der Tee viel zu heiß gewesen. Natürlich war ihm die starke Gewichtsabnahme nicht entgangen, jedoch wollte ich ihm nicht zeigen, wie schlecht es mir wirklich ging.
Essen und Ernährung sind schon immer Themen gewesen, über die ich nicht gerne sprach. Auch in guten Zeiten stellte ich diese Sachen eher weiter hinten an und brauchte nicht viel, weil die Stimmen auch dort schon lange die Oberhand gewonnen hatten.
Damit Lukas keinen Verdacht auf meinen Gedankengang schöpfte, schüttelte ich als Antwort mit dem Kopf, denn zu mehr war ich gerade nicht in der Lage. Ich wollte auch keinen Ton von mir geben, denn es kostete mir zu viel Energie, die ich nicht hatte.
,,Ist okay.'', lächelte Lukas versöhnlich und stellte die Tasse zurück auf den Tisch. Er musterte mich einmal von oben bis unten und schlang dann seine Arme vorsichtig um mich, um mich näher zu sich zu ziehen.
Zögerlich und stark verunsichert, als könnte ich etwas zerbrechen, legte ich die Arme ebenfalls um ihn. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Brust, lauschte dem viel zu schnellen Herzschlag und krallte mich an ihm fest.
Stumm begann ich in sein Shirt zu weinen, was mittlerweile getrocknet war. Ich konnte nicht mehr nachzählen, wie viele Tränen ich die letzten Stunden auf dieses vergossen hatte, denn es waren eindeutig zu viele.
Eigentlich wollte ich nicht, dass Lukas irgendwas von der jetzigen Situation mitbekommt und trotzdem hatte ich ihn zu mir getrieben. Er sollte mich so nicht erleben. Ich hatte ihm schon zu viele schlechten Seiten von mir offenbart.
Lukas versicherte mir zwar immer wieder, immer für mich da zu sein und mich zu unterstützen, wo es nur geht - Aber was ist, wenn es eines Tages nicht mehr so ist? Wenn ihm das Alles zu viel werden würde und er Angst davor haben müsste, etwas falsch zu machen?
Jeder, der mich näher kennen lernte, sah mich als eine Gefahr an. Wie eine tickende Zeitbombe, die bei einem falschen Satz, Blick oder Wort hochgehen und jemanden in Einzelteile zerreißen konnte.
Zuerst sagten sie alle, dass es kein Problem für sie darstellen würde, dass wir es gemeinsam schaffen und sie mich niemals fallen lassen würde. Aber viel zu oft hatte ich erlebt, dass diese Worte nicht mehr als leere Versprechungen waren.
Kaum fiel ich in mein tiefes Loch, war von diesen Worten nichts mehr übrig. Sie wurden gekonnt ignoriert und angebliche Freunde und Partner taten so, als hätten sie mein Gesicht noch nie in ihrem Leben gesehen.
Erst, wenn es mir wieder besser ging, wurde der Kontakt gesucht. Mir wurde Honig ums Maul geschmiert und wenn ich etwas von der Zeit erzählen wollte, wurde sofort das Thema gewechselt.
Die Leute hatten ihren berechtigen Grund dazu und das wurde mir immer bewusster. Ich bin ein Mensch, mit dem man nichts zutun haben wollte, dem man lieber aus dem Weg ging, anstatt sich mit ihm anzufreunden.
Ich brachte nur Unheil mit mir und die Leute sollten sofort ihre Beine in die Hand nehmen, wenn ich ihnen entgegenkam und einige Worte wechseln wollte. Sie sollten schnell verschwinden, bevor ich sie sympathisch finden und sie eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen würden.
Ich wollte das niemandem antun und vor allem nicht Lukas, der das Alles nicht verdient hatte. Dieser Junge lebte auf der Sonnenseite und hatte das wohl schönste Leben, was man sich überhaupt vorstellen konnte.
Da wollte ich seine harmonische Blumenwiese mit dem Regenbogen am Ende nicht in einen Tornado verwandeln, der alles an sich reißen und zum Einsturz bringen würde. Lukas hatte dieses Drama und alles, was ich mit mir brachte, nicht verdient.
Ich hatte es langsam satt, ständig das Opfer sein zu müssen, mit dem man Mitleid haben musste. Ich hatte keine Lust mehr darauf, dass Menschen nur irgendeinen psychisch kranken Jungen in mir sahen, der ohne die Hilfe anderer nichts auf die Reihe kriegen würde.
Ich wollte nicht zeigen, wie schwach ich bin. Ich wollte zeigen, dass ich kämpfen und die Steine aus dem Weg räumen konnte. Dass mich aufrappeln konnte und so viel mehr als diese ganzen negativen Sachen bin.
Doch das Alles brachte nichts, wenn ich mich selbst immer wieder vom Gegenteil überzeugte. Ich versuchte mich oft so stark zu geben und so, als könnte mir nichts und niemand mehr etwas ausmachen, weil ich aus den Erfahrungen und Fehlern gelernt hatte.
Aber selbst der größte Lehrfilm brachte dir nichts, wenn deine Mauer so instabil ist, dass selbst der kleinste Windzug alles mit einem Mal zum Einsturz bringen konnte. Wie ein Kartenhaus, was bei einem falschen Griff direkt kaputt ging...
Der Kampf mit mir selbst machte mich fertig. Aber ich wollte keine weitere Person dort hineinziehen, die es nicht verdient hatte, mit so viel Negativität belastet zu werden. Am Besten lässt man mich für immer allein'...
,,Wollen wir uns wieder ins Bett legen?'' Lukas streichelte mir durchs nasse Haare, hauchte mir einen federleichten Kuss auf dieses und ein angenehmes Kribbeln fuhr über meine Kopfhaut. Es fühlte sich toll an, endlich mal wieder etwas zu spüren.
Auch wenn es nur ein winziger Hauch ist, fühlte es sich wie der Himmel auf Erden an und eventuell ist es nicht ganz so doof, dass Lukas gerade da ist und mir wenigstens einen kleinen Halt in dieser Hoffnungslosigkeit gibt.
Ich löste mich etwas von ihm und sah ihm zögerlich für einige Sekunden in die Augen, die so viel Schmerz und Trauer zeigten, wie ich es bei noch keinem Menschen gesehen hatten. Sofort brach es mir das Herz und am liebsten, wollte ich ihn rausschmeißen.
Ich hatte ihn nicht verdient. Er hatte es nicht verdient, dass ich solche Gefühle in ihm auslöste, denn, verdammt, so hatte eine gesunde Beziehung nicht zu funktionieren. Ich wollte ihn von mir wegdrücken und ihm sagen, dass er gehen sollte, weil ich ihm nur noch weh tat.
Aber ich fand nicht die Kraft dazu, diese Worte über die Lippen zu bringen. Es machte mich verrückt, denn ich wollte nicht, dass er mich in diesem Zustand sah, aber genau so würde ich kaputtgehen, wenn er jetzt nicht da wäre.
Lukas löste eine Stimmung in mir aus, die ich nicht in Worte fassen konnte. Seitdem ich ihn bei mir hatte, fühlte ich mich etwas lebendiger und versuchte mich auf die Dinge einzulassen, die er mir vorschlug.
Ich wurde nicht ausfällig, sondern verstand seine Worte und genau so ist es umgekehrt. Wenn ich etwas nicht wollte, zeigte Lukas Verständnis dafür, lächelte mich an und sagte, dass es für ihn okay wäre.
Als hätte ich meine innere Mitte gefunden, die nicht tief in mir drin ist, sondern direkt vor meiner Nase steht. Ich nickte nur stumm und löste einer meiner Hände, die sich bis eben noch in seinem Shirt festgekrallt hatten, um zitternd nach seiner Hand zu greifen.
Ich streifte leicht seine Finger und eine Träne rollte mir über die Wange. Es fühlte sich wie ein minimaler Stromschlag an, der durch meinen Körper fuhr und unsicher darüber, was ich tun sollte, drückte ich meine Hand gegen seine.
Lukas lächelte, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und verschränkte schlussendlich unsere Finger miteinander. Er drückte fest meine Hand und streichelte mir zärtlich mit dem Daumen über den Handrücken.
Langsam und vorsichtig zugleich, als würden wir uns auf einem Minenfeld bewegen, gingen wir Richtung Bett. Aber sofort machte sich ein flaues Gefühl in meiner Magengegend breit, als ich dieses sah.
Normalerweise ist dieser Ort das Wunderschönste auf der Welt für mich und etwas, worauf ich mich jeden Abend freute. Aber gerade wollte ich die Augen davor verschließen und mich neben dieses fallen lassen.
Viel zu lange hatte mich dieses eingesperrt und von allem abgehalten, was ich unbedingt tun wollte. Ich hatte Versprechungen gemacht, die ich nicht einhalten konnte, weil mich dieses festgekettet hatte.
Das erste Mal seit zwei Wochen konnte ich mich aus den Ketten lösen und fühlte mich frei. Ich konnte endlich durchatmen, mich frei bewegen und hatte etwas Kraft getankt, die ich nicht verlieren wollte.
Ich hatte Angst mich wieder in dieses fallen zu lassen und mich erneut in die Fängen meiner Dämonen zu begeben und das Gefühl von Ohnmacht zu verspüren, aus dem ich nicht mehr herauskam.
,,Nein!'', etwas lauter zog ich Lukas, der sich gerade ins Bett legen wollte, von diesem weg. Irritiert sah er zu mir und nahm mich sofort zurück in den Arm, als ich stark zu zittern begann und mich verzweifelt an ihm festkrallte.
,,Was ist denn, mein Baby?'', flüsterte mir Lukas fragend ins Ohr und streichelte mir beruhigend über den Rücken. Ich presste mich näher an ihn heran und sah mit leicht verschwommener Sicht zu ihm nach oben.
,,Da ist nichts Schönes. Ich will nicht zurück ins Bett, da sind sie - die Dämonen.'', erwiderte ich leise und sah verängstigend zum Bett, so als könnten sie mich gehört haben und würden mich wegschnappen.
,,Wollen wir uns dann auf den Sessel setzen, oder wo fühlst du dich wohl?'' Lukas löste mich etwas aus dem schützenden Griff und streichelte mir über die leicht glühende Wange, an der einige Tränen getrocknet waren.
,,Sessel ist okay.'', antwortete ich immer noch leise und warf nochmal einen unsicheren Blick zu meinem Bett. Lukas griff nach meiner Hand und zog mich zum Sessel, der mich zum Glück noch nie gefangen gehalten hatte.
Lukas ließ sich auf diesem nieder und klopfte einladend auf seinen Schoß. Ich lächelte schüchtern und ließ mich sofort auf diesem nieder. Ich legte meine Beine über die Armlehne, während Lukas mich näher zu sich zog.
Wie ein Baby lag ich in seinen Armen, gut behütet und sicher vor allem. Er streichelte mir zärtlich über den flachen Bauch, küsste meine Arme und warf mir immer wieder ein Lächeln zu, was dem eines Engels glich.
Ich versuchte dieses zu erwidern, doch verlor währenddessen eine Träne nach der Anderen. Immer wieder strich er mir dieses aus dem Gesicht, versuchte mich zu beruhigen und versicherte, dass er da und alles OK wäre.
Ich wünschte, ich könnte ihm diese Worte glauben, denn nichts ist OK und das Lukas auch beim nächsten Mal da wäre, wagte ich zu bezweifeln. Ein einziges Mal reichte schon aus, denn länger wollte man dieses Spektakel nicht mitmachen.
Schwere Zeiten gehörten zu einer Beziehung und man sollte seinen Partner unterstützen, aber dazu zählte nicht sowas. Niemand da draußen hatte sich mit meinen Dämonen zu befassen, außer ich selber.
Ich brauchte keine Hilfe, denn ich musste lernen, alleine damit klar zu kommen. Ich hatte diese Schlacht schon oft genug geführt und wenn ich sie irgendwann endgültig verlieren sollte, hatte ich sie immerhin alleine verloren.
Lukas sollte nicht hier sein. Er sollte bei sich Zuhause sein, sich mit Freunden treffen und sich nicht mit meinen Problemen befassen. Ich würde irgendwann schon klar kommen, ich war das gewohnt.
,,Was ist denn passiert?'', stellte Lukas unsicher die Frage, die ihm schon lange auf der Zunge brannte, nachdem wir für eine sehr lange Zeit miteinander geschwiegen hatten.
Zögerlich und mit großen Augen sah zu ihm. In sein besorgtes Gesicht und spürte seine Hand, die mir zärtlich einige Tränen aus dem Gesicht strich. Ich zuckte ratlos mit den Schultern, denn ich hatte selbst keine Antwort für meinen Zustand.
Ich fühlte mich wie taub. Als hätte mir jemand die Zunge abgeschnitten und als könnte ich keinen Ton von mir geben. Ich sah mich verzweifelt in meinem Zimmer um, doch fand nicht die passenden Worte für seine Frage.
Das Gespräch und der Streit mit meiner Mama hatten das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich hatte gehofft, dass ich schnell wieder aus dieser Situation herauskommen und so ein Gespräch nicht stattfinden würde.
Aber die Stimmen in meinem Kopf wurden immer lauter und bevor ich mich retten konnte, hatten mich die Dämonen an den Beinen gepackt und zurück in das dunkle, schwarze Loch gezogen.
Das Loch, vor dem ich schon mein Leben lang Angst hatte. Was mir so vertraut, aber doch so fremd ist. Diese Dunkelheit, die mich immer wieder in die Knie zwängte und mir zeigte, dass das Leben doch nicht so toll, wie es gerade den Anschein machte.
Mir ging es gut, bis vor zwei Wochen. Ich hatte mich Stück für Stück aus dem Loch gekämpft, doch nicht weit genug, um diesem für immer zu entkommen. Ich war mir so sicher, dass mir nichts passieren könnte.
Doch noch immer stand ich wackelnd am Rand, während ich geglaubt hatte, es endlich geschafft zu haben. Aber eine falsche Bewegung und und sofort wurde ich gepackt und zurück in dieses gezogen.
Eigentlich hätte ich es kommen sehen müssen, denn viel zu lange ist es ruhig gewesen. Mein Leben lief viel zu perfekt, als das so etwas hätte nicht passieren können. Irgendwann kam immer der Tag, an dem mir in die Fresse gehauen und ich zurück in die Realität geholt wurde.
Meine Dämonen hatten nur den perfekten Augenblick abgewartet, um an der Tür zu klopfen, mir den Sack über den Kopf zu ziehen und mir zu zeigen, dass das, was ich gerade durchlebte, nicht mein wahres Ich ist.
In Wahrheit bin ich nur ein erbärmlicher Lappen, der nichts geschissen kriegt. Der sich ohne Mama schon längst den goldenen Schuss gegeben und unter irgendeiner Brücke bei den Pennern geschlafen hätte.
Mein Vater hatte schon lange diese Aussagen getroffen und es ist eine Tatsache, dass diese Aussagen mit zunehmendem Alter immer mehr Unterstützung kriegten und es nicht mehr lange dauern würde, bis auch Mama das realisieren würde. Ich bin ein Nichts.
,,Timi Schatz, rede bitte mit mir. Was ist los bei dir? Warum meldest du dich seit zwei Wochen nicht?'' Lukas wurde etwas aufdringlicher und legte seine Hände um mein Gesicht, um dieses zu sich zu drehen, damit ich ihm in die Augen schauen musste.
,,Ich kann das nicht, Lukas. Ich halte das nicht mehr aus!'', erwiderte ich leise, obwohl ich am liebsten schreien wollte. ,,Ich schaff' das nicht...'', wisperte ich schluchzend und vergrub die Hände im Gesicht.
Lukas zog mich in seine Arme, streichelte mir beruhigend über den Rücken, durch die Haare und ließ sich das T-Shirt von mir vollheulen. Ich krallte mich an ihm fest und hatte Angst, genau jetzt fallen gelassen zu werden.
,,Lukas, es ist alles wieder da. Meine Depressionen, meine Schulschwänzerei, meine Dämonen - einfach alles! Ich bin am Arsch und mir geht es gar nicht gut. Ich will, dass es aufhört.'', schluchzte ich verzweifelt in sein Ohr.
Er legte die Arme fester um mich und es machte mich fertig, mich so vor ihm zeigen zu müssen. Ich wollte nicht hilflos sein, doch ich konnte nicht anders. Viel zu lange hatte ich mich versteckt und ihm etwas vorgemacht.
Mein schlechtes Gewissen holte mich immer mehr ein und am liebsten wollte ich mich für immer in Luft auflösen. Ich enttäuschte alle Menschen in meiner Umgebung und gab ihnen immer mehr Gründe dafür, mich irgendwann zu hassen und zu verlassen.
Ich hatte es verdient alleine gelassen zu werden, denn ich allein' war Schuld an allem, was in meinem Leben passiert ist. Ich hatte mich in so viele beschissene Situationen gebracht und niemand anderes.
Jeder sollte mich heulend in der Ecke liegen lassen und damit aufhören, sich um mich zu kümmern, denn ich bin schon lange kein kleines Kind mehr, dem geholfen werden musste und welches Schreien dufte, wenn es etwas brauchte.
Ich sollte langsam lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und mit diesen ganzen Problemen alleine fertig zu werden, denn wenn ich das nicht hin bekam, hatte ich schon längst verloren.
,,Seitdem Gespräch mit meinem Klassenlehrer geht alles den Bach herunter. Ich dachte, dass mein Leben jetzt endlich perfekt werden würde. Ich hab' eine wirklich tolle Beziehung, ein noch viel besseres Verhältnis zu meiner Mama und auch in der Schule ist es besser gelaufen denn je.'', schnaubte ich auf.
,,Aber kaum läuft es super, wird mir direkt wieder vor Augen geführt, dass ich meine Ziele nicht erreichen werde und sofort legt sich ein Schalter in meinem Kopf um. Auf einmal ist alles wieder scheiße, egal was ich mache. Ich hab' keine Motivation für die Schule, krieg' den Arsch nicht hoch und pöbel' jeden an, der nur Gutes von mir möchte.''
,,Als du weggefahren bist, haben Mama und ich uns gestritten. Ich wollte es dir nicht sagen, damit du dir keine Vorwürfe machst, aber ich habe Chemie geschwänzt, um bei dir zu sein. Ich konnte einfach nicht anders und habe dich gebraucht. Mama hat es mir auch erlaubt, ist von der Idee aber nicht sonderlich begeistert gewesen. Als du weg warst, hatte sie mich nochmal darauf angesprochen und mir gesagt, dass nur eine Ausnahme gewesen ist, die nicht nochmal vorkommen darf. '', weinend krallte ich mich an ihm fest und Lukas strich mir beruhigend über den Rücken.
,,Das hat mir nicht gefallen und es ist eskaliert. Ich bin direkt wieder ausfallender geworden und habe ihr gesagt, dass sie mich damals hätte abtreiben sollen, damit sie dieses Problem nicht hätte. Aber wie soll ich mich auch fühlen, wenn ich solche Dinge gegen den Kopf geworfen bekomme? Als wäre mir das Alles vor allem nach diesem Gespräch nicht bewusst gewesen und als hätte ich nicht aus meinen Fehlern gelernt. Ich weiß, dass das nicht richtig von mir gewesen ist, aber in diesem Moment ging es nicht anders, ich hätte in der Stunde nichts hinbekommen. Vor allem sie weiß, wie es mir nach diesen Gesprächen geht und da hätte ich etwas mehr Verständnis erwartet.''
,,Das hat mich alles sehr runtergezogen, denn wenn selbst meine eigene Mutter nicht daran glaubt, dass ich das hinkriegen werde - Wofür soll ich das dann machen? Es bringt doch sowieso nichts, weil ich den Scheiß eh nicht hinkriegen werde. Ich bin jetzt schon wieder zwei Wochen nicht da gewesen und habe so vieles verpasst. Ich hab' eh schon genug nachzuholen und jetzt mache ich mir den Stapel noch größer. Ich brauche auch gar nicht mehr hingehen, das wäre wahrscheinlich das Beste, weil es eh keinen Sinn hat...''
,,Ich schaffe den Schulabschluss sowieso nicht. Selbst wenn ich hingehen und mich bemühen würde, würde sich das Alles nicht lohnen. Am Ende stehe ich wieder mit leeren Händen da und merke mal wieder, wie dumm ich eigentlich bin. Egal, was ich anrühren und machen würde, es würde nicht erreichen. Ich werde alles verkacken und einen Fehler nachdem Anderen machen. Im Bett liegen zu bleiben ist das Beste, was ich tun kann.'', zuckte ich gleichgültig mit den Schultern.
Lukas ließ die Worte sacken und seufzte einmal leise, während er mir weiterhin beruhigend über den Rücken streichelte. Ich krallte mich immer mehr an ihm fest und hatte keine Ahnung, wieso das Alles mit einem Mal aus mir herausgeplatzt ist.
Ich hatte nicht vorgehabt, irgendwas davon zu erwähnen. Ich wollte es so lange stillschweigen, bis Lukas gehen und sagen würde, dass ich mich melden sollte, wenn es mir wieder besser gehen würde.
Lukas sollte sich nicht schon wieder mit meinen Problemen beschäftigen und alles bis ins kleinste Detail analysieren, um irgendwas Gutes daraus zu drehen. Er hatte seine eigenen Probleme und da wollte ich ihm nicht im Weg stehen.
Aber eine von den vernünftigen Stimmen hatte mir zugerufen, dass ich mich ihm anvertrauen und die Probleme, die mich in den letzten Wochen belastet hatten, herauslassen sollte. Es brachte nichts, es tot zu schweigen, denn sie kamen immer wieder.
Wir hatten uns schon oft genug über das Thema Schule unterhalten. Er hatte mir Tipps gegeben und versucht, mir diese etwas schmackhafter zu machen. Ich konnte mit ihm darüber reden und er würde mir helfen.
Lukas ist da und das machte ihn so besonders. Alle hatten mich ignoriert, während er trotzdem nach mir sah, sich mit meinen Problemen auseinandersetzte und versuchte, mir irgendeinen Rat zu geben. Er stieß hier und da an seine Grenzen, aber er hatte mich noch nicht aufgegeben.
,,Timi Schatz, deine Mama meinte das sicherlich nicht so, wie du das gerade denkst. Da hast du was missverstanden.'', war das Erste, was Lukas auf das Ganze erwiderte, nachdem wir uns für eine lange Zeit gegenseitig angeschwiegen hatten.
,,Wie soll sie es denn sonst gemeint haben? Warum musste sie mich nochmal darauf hinweisen, dass ich nicht wieder damit anfangen soll? Das zeigt doch, dass sie kein Vertrauen in mich und schon damit gerechnet hat, dass ich es bei der nächsten Gelegenheit wieder tun werde.'', antwortete ich zickig und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Natürlich ist das nicht richtig von deiner Mama gewesen. Aber Timi, du musst auch verstehen, vorher diese Gewissensbisse eigentlich kommen. Du hast in der Vergangenheit nicht selten mal gelogen, wenn es um deine Fehlstunden ging. Da hast du oft gehauptet, in der Schule gewesen zu sein, obwohl das Sekretariat angerufen hat und sie es schon längst Bescheid wusste.''
,,Es ist richtig, dass es nicht sonderlich förderlich von ihr gewesen ist, dir so etwas an den Kopf zu werfen. Sie hätte das anders ausdrücken und es vielleicht nochmal wann anders ansprechen können. Du bist ja schon am Boden gewesen und da hätte sie nicht unbedingt nochmal nach treten müssen.''
,,Aber du musst auch deine Mama verstehen, die dir nicht das Gefühl geben wollte, dass es OK ist. Du hattest deinen berechtigten Grund und natürlich ist es nicht schön, nach so einem Gespräch noch im Unterricht zu sitzen. Dass du dich nicht hättest konzentrieren können, ist auch deiner Mama klar.''
,,Aber Timi, anstatt direkt wieder auszurasten und ihr auch nochmal irgendwas vor die Füße zu werfen, hättest du ihr auch sagen können, wie du dich fühlst und warum es in diesem Moment das Richtige für dich gewesen ist. Ihr könnt' doch sonst auch über alles reden und deine Mama ist die Letzte, die das nicht verstehen würde.'' Lukas sah mich etwas ernster an und küsste meine Handrücken.
,,Das stimmt alles schon. Aber es liegt nicht nur daran, dass es mir die letzten Wochen so dreckig ging. Da überwiegt noch ein ganz anderer Faktor, den ich gerne aus diesem verdammten Kopf verbannen würde.'', erwiderte ich unter Tränen.
,,Was ist das denn?'' Lukas zog mich wieder fester in seine Arme und fuhr mir einige verirrte Strähne aus dem verheulten Gesicht. Dieses begann angenehm zusammen und sofort fühlte ich mich wieder schlechter, weil wir so viel bessere Dinge tun könnten, als über meine Probleme zu reden.
Ich hatte ihn in den letzten zwei Wochen wirklich vermisst und hätte ihn oft gerne bei mir gehabt. Aber dabei hatte ich mir unser Wiedersehen so viel anders vorgestellt, mit viel mehr Freude, Lachern und alle Sorgen um uns herum vergessend. Aber natürlich musste ich alles, wie so oft, zerstören...
,,Ich glaube, dass ich das nicht schaffen werde. Nicht, weil ich fehle oder so, sondern allgemein. Ich bin diesem ganzen Druck doch nicht gewachsen und habe jetzt schon Angst vor allem, was in dieser Zeit passieren wird. Ich möchte den Abschluss unbedingt, aber ich weiß, dass ich das nicht schaffen werde, weil ich das nicht kann.'', schüttete ich ihm weinend mein Herz aus.
,,Die Stimmen in meinem Kopf werden immer lauter, aber sie haben auch Recht. Es hat all die Jahre schon nicht funktioniert, dann wird es jetzt erst recht nicht klappen. Ich hätte mir keine falschen Hoffnungen machen sollen, denn es liegt auf der Hand, dass ich der Einzige sein werde, der nicht an der Abschlussfeier teilnimmt, weil er keinen Schulabschluss bekommt.''
,,Ich werde das niemals schaffen. Ich werde für immer bei Mama leben und wenn die keine Lust mehr auf mich hat, dann werde ich auf der Straße enden, das ist mein Schicksal. Ich schaffe das nicht, weil es einfach zu viel für mich ist, was da von mir verlangt wird. Ich brauche da gar nichts anfangen, das wird eh eine Katastrophe. Ich muss mich ja nicht lächerlich machen.''
,,Timi, hör' auf sowas ständig zu sagen. Du weißt, dass es nicht so ist.'', widersprach Lukas mir direkt und zog mich mehr auf seinen Schoß. Er streichelte mir über die Arme und lächelte mich aufmunternd an.
,,Ach, lass' das. Du musst mir nicht wieder irgendwas einreden. Ich schaff' das nicht, weil ich es nicht kann. Wenn ich in der Schule sitze, werde ich alles falsch machen, was nur falsch zu machen geht.'', schüttelte ich mit dem Kopf.
,,Ich will es auch gar nicht mehr versuchen. Am Ende enttäusche ich sowieso alle, weil ich es nicht geschafft habe. Ich sollte mir und anderen da keine Hoffnungen machen.'', machte ich eine abfällige Handbewegung.
,,Timi Schatz, du redest so viel Bullshit. Entschuldigung, aber wenn du schon von vornherein sagst, dass du das nicht kannst und schaffst, dann wird das auch wirklich nichts.'', wurde Lukas etwas forscher.
,,Ja, das sage ich doch die ganze Zeit schon. Ich kann das nicht und schaffen werde ich das auch nicht. Da gibt es auch gar nichts zu diskutieren, das ist ein Fakt.'', erwiderte ich schnippisch und Lukas verdrehte die Augen.
,,Du redest dir die ganze Zeit Scheiße ein, das ist ein Fakt.'', antwortete Lukas zickig. Ich sah ihn etwas irritiert an, da ich die Wortwahl nicht von ihm gewohnt war und Angst hatte, ihn jetzt endgültig vergrault zu haben.
Aber womit hatte ich auch gerechnet? Es lag auf der Hand, dass Lukas dieses Spiel nicht mehr lange mitmachen würde und nur noch auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um mich endgültig fallen lassen zu können.
Es würde nicht mehr lange dauern und auch Lukas würde genau das erkennen, was mein Erzeuger schon vor Jahren gepredigt hatte. Ich bin ein absoluter Nichtsnutz und hatte nichts auf dieser Welt verloren.
Wenn ich ihm jemals wieder begegnen sollte, würde er mich einfach nur auslachen und Mama fragen, ob sie die Warnung nicht gehört hatte. Ich hatte diese Fürsorge nicht verdient, ich hatte Lukas nicht verdient, ich hatte nichts und niemanden verdient.
,,Timi Schatz, du siehst das Alles viel zu negativ. Du redest andauernd nur davon, was schief gehen könnte. Du denkst an die schlechten Noten, die du bekommen kannst, deine Fehlstunden und den ganzen Ärger den du, warum auch immer, mit Lehrern kriegst. Aber niemals denkst du auch nur für einen kleinen Teil daran, was gut laufen könnte.''
,,Mein Kleiner, wenn du schon von Anfang an sagst, dass du das nicht schaffst, dann wird das auch nichts. Wie sollst du dich denn dazu aufraffen können, etwas für die Schule zu machen, wenn du schon am Beginn sagst, dass du es nicht packst? Denkst du, dass dein Kopf da dann noch Lust drauf hat? Es ist doch kein Wunder, dass es dir scheiße geht, wenn du dich mit so vielen negativen Gedanken füttern lässt.''
,,Ich weiß, dass man den Kopf nicht einfach abschalten kann und es oft schwer fällt, sich auch mal was Gutes einzureden. Mir geht es genau so, das ist auch nicht immer leicht. Vor jeder Arbeit mache ich mir auch Gedanken darüber, was schief laufen kann und stelle mir vor, wie ich einen Blackout kriege. Du bist damit definitiv nicht alleine.''
,,Aber es ist wichtig, sich von diesen Sachen nicht einschüchtern zu lassen. Das ist natürlich immer leichter gesagt, als getan. Aber Timi, du musst lernen, damit umzugehen und zu versuchen, dass Negative in etwas Positives umzuwandeln. Dein Kopf möchte dir nur einen dummen Streich spielen und es ist an der Zeit, endlich mal zurückzuschlagen und ihm zu zeigen, wer hier der Boss ist.'', lächelte Lukas aufmunternd.
,,Das wird natürlich nicht von heute auf morgen passieren, das ist mir klar. Aber wenn du solche Gedanken hast, kannst du dich jederzeit bei mir melden. Ich weiß, dass du nicht möchtest, dass ich mir Sorgen um dich mache, aber die mache ich mir erst recht, wenn du mir nicht mal eine kleine Antwort gibst.''
,,Wir wissen beide, dass der Weg zum Schulabschluss kein leichter sein wird und hier und da wirst du immer mal auf die Fresse fallen, das lässt sich nicht vermeiden. Aber du musst wissen, dass du dich immer wieder aufrappeln kannst und das schaffen wirst. Du hast schon so viele Kämpfe gemeistert. Es wird jetzt nur nichts, wenn du es schon in den Sand setzt, bevor es überhaupt angefangen hat.''
,,Das stimmt auch alles, Lukas und ich weiß das auch zu schätzen. Aber wie soll ich das schaffen, wenn die anderen Jahre auch nicht geklappt hat? Das funktioniert nicht. Ich will nicht schon wieder alle enttäuschen, dann lasse ich es am Besten gleich...'', blieb ich weiter pessimistisch und bekam wieder Tränen in den Augen. Alles Scheiße!
,,Weil du es nie wirklich versucht hast, mein Schatz. Du hast immer vorher aufgegeben, weil das leichter ist, als zu kämpfen. Ist doch klar, dass das dann nicht funktioniert hat. Wenn du nicht vom Ziel losrennst, kannst du auch nicht erwarten, dass du Erster sein wirst.'', erwiderte Lukas und strich mir die Tränen aus dem Gesicht.
,,Du enttäuschst jetzt nur alle, wenn du diese Chance nicht wahrnimmst. Aber wenn du zeigst, dass du dich anstrengen kannst und um diesen Schulabschluss kämpfst, werden alle stolz auf dich sein. Du wirst dir wirklich noch in den Hintern beißen, wenn du es nicht wenigstens probierst.'' Lukas nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich.
,,Ich hab' dir gesagt, dass es mir egal ist, welchen Weg du gehen wirst - Ich werde immer hinter dir stehen. Aber wir wissen beide, dass du diese Schulabschluss gerne möchtest. Aber Timi Schatz, der kommt nicht, wenn du schon von Anfang an sagst, dass das nichts wird. Du musst schon etwas dafür tun und dich auch trauen, ein Risiko einzugehen.''
,,Ich verstehe, dass du diese Enttäuschung nicht erleben möchtest, wenn es nicht klappen sollte. Aber du kannst ja nicht wissen, ob das etwas wird, wenn du es nicht versucht hast. Jetzt hast du noch die Chance, aber in 10 Jahren kann es schon zu spät sein und dann wirst du dich hassen und ich fragen, warum du es nicht einfach gewagt hast.''
,,Ich weiß, dass das Alles hier viel leichter gesagt ist. Aber du bist damit nicht alleine, wirklich nicht. Ich biete dir immer wieder gerne meine Hilfe an und wenn du mir wirklich so egal wärst, wie du immer sagst, dann wäre ich jetzt nicht hier, würde mich um dich kümmern und so einen langen Monolog halten. Ich könnte jetzt auch Zuhause sitzen und Counterstrike spielen. Aber weißt du, warum ich nicht vor dem Pc sitze? Weil du mir wichtig bist und ich will, dass es dir gut geht. Ansonsten hätte ich es weiterhin über das Handy probieren, oder direkt gehen können, als ich gemerkt habe, was hier los ist. Du bist stark, auch wenn du das gerade nicht siehst.''
Lukas zog mich in seine Arme, schlang diese fest um mich und mal wieder wusste ich nicht, was ich auf seine Worte erwidern sollte. Ich legte die Arme ebenfalls um ihn, drückte mich näher an ihn heran und begann zu weinen.
Aber nicht, weil mich alles komplett fertigmachte und ich nicht wusste, wohin mit mit meinen Gefühlen, sondern weil mich seine Worte so unfassbar berührten und ich nicht wusste, womit ich ihm jemals danken sollte.
Dieser Junge fand einfach immer die richtigen Worte, um mich wieder nach oben zu bringen. Es konnte mir noch so scheiße gehen und hoffnungslos erscheinen, aber trotzdem brachte er mich dazu, ein Lächeln auf den Lippen zu tragen und aus jeder beschissenen Situation das Beste zu sehen.
Das erste Mal seit zwei Wochen legte sich ein ehrliches, vom Herzen kommendes Lächeln auf meine Lippen, was sich total ungewohnt, aber doch so richtig anfühlte. Ich musste lachen und ein Meer aus Glücksgefühlen setzte sich in mir frei.
Auf einmal ergab alles wieder einen Sinn. All diese negativen Gedanken, die mich die letzten Wochen begleitet hatten, drängten sich mit einem Mal in den Hintergrund und die Stimmen in meinem Kopf hielten endlich ihre Klappe.
Es ist genau das, was ich gebracht hatte. Einen Arschtritt und jemand, der mich wieder zurück auf den Boden der Tatsachen brachte. Der mir zeigte, wer ich wirklich bin, was ich kann und, dass ich so viel mehr als das bin, was mir diese dämlichen Dämonen einreden wollten.
,,Danke.'', lächelte ich über beide Enden, löste mich etwas von ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
,,Danke für alles und dass du mich immer noch nicht aufgegeben hast. Ich weiß, dass ich oft sehr anstregend sein kann.'', seufzte leise ich und Lukas lächelte.
,,Nicht dafür, mein Kleiner. Ich bin immer für dich da und du musst diesen Kampf nicht mehr alleine austragen.'' Lukas drückte fest meine Hände und nahm mich zurück in den Arm.
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