Mut, welcher schnell wieder verschwindet


,,Oh mein Gott, das sieht ja mal mega gut aus. Du wirst von Mal zu Mal immer besser, Tim.'', lobte mich Jonas lächelnd und klopfte mir auf die Schulter. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln zurück und betrachtete ebenfalls grinsend mein neu erschaffenes Werk. 

Ich war wirklich ziemlich stolz auf mich und auf das, was ich dort eben frisch an den Waggon gesprayt hatte.
Ich hoffte so sehr darauf, dass dieser noch für einige Wochen stehen würde, damit ich mein wohl bestes Werk noch für einige Wochen bestauen und eventuell auch noch Marcel live zeigen konnte, weil dieser schließlich auch ein Faible für sowas hatte. 

,,Ich bin richtig neidisch, man. Ich habe heute nur richtige kacke gesprayt.'' Jonas schmollte, deutete auf seinen gesprayten Waggon, welcher einfach unfassbar gut aussah und ich lachte kurz auf.

,,Laber' keinen Mist, so gut wie du werde ich eh nie.'', widersprach ich ihm und richtete grinsend meinen Blick auf den Boden, während ich einige Steine zusammenscharrte.
,,Das würde ich so nicht sagen. Du musst einfach nur weiter fleißig üben und dann klappt das schon von ganz alleine. Ist ja schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen.'', sagte er lächelnd, klopfte mir auf die Schulter und kramte dann in seiner Jackentasche rum.
Kurz darauf hielt mir Jonas eine Kippe unter die Nase, welche ich natürlich sofort dankend entgegen nahm. 

Ich lehnte mich an einen noch nicht beschmierten Waggon und sah dem Rest dabei zu, wie sie fleißig und mit großer Leidenschaft ebenfalls ein paar Waggons ansprayten, welche irgendwann bald auf einem Schrottplatz landen würden, was für uns manchmal ziemlich schade war, weil eindeutig zu wenige unsere Werke sahen. 

Die Einzigen, die gerade außerhalb von mir und Jonas nicht sprayten, waren Nicky und Andre, weil diese, diese Woche Wache schieben mussten, damit wir jemanden hatten, der uns rechtzeitig Bescheid sagte, wenn die Polizei in Anmarsch war, damit wir noch zügig unsere Sachen packen und von der Polizei wegrennen konnten, um nicht erwischt zu werden. 

Als ich mir nochmal jeden Einzelnen ansah und sah, mit wie viel Spaß und Freude, sie die Waggons vollsprayten, zuckten meine Mundwinkel nach oben und ich blies den Rauch meiner Zigarette aus, ehe ich meinen Blick wieder auf den Boden richtete und ein paar Steine zusammenscharrte. 

Jetzt wo ich nicht mehr mit dem Sprayen beschäftigt war, hingen meine Gedanken wieder bei Frau Lautermann und der Sache, die ich heute an den Tag gelegt hatte.
Ich wollte das doch eigentlich gar nicht, denn sie hätte mir sicherlich keinen Ärger gegeben, weil ich so gesehen nichts gemacht hatte, außer vielleicht ein paar Mal, wenn auch größtenteils gespielt, aufgelacht habe.
Aber natürlich musste ich kleiner Lauch mal wieder auf den größten Macker machen, nur damit mich meine Gang feierte und ich keine Beleidigungen ab bekam, was für ein Feigling ich doch sei, weil ich mir von irgendeiner Tusse etwas vorschreiben ließ. Vor allem war das dann noch eine Frau und das gefiel vor allem Ronny gar nicht, wenn eine Frau das Sagen hatte, weil er immer noch im Mittelalter lebte. Dabei meinte sie es doch nur gut zu mir.  

Ich war auch schon die ganze Zeit am überlegen, wie ich das meiner Mutter erklären sollte, aber ich fand einfach keinen passenden Grund dafür, der dafür sprach, dass ich Frau Lautermann so dumm anmachen durfte. 

Außerdem hatte meine Mutter nie eine positive Meinung zu all diesen Leuten hier gehabt und das wusste ich ganz genau, weil sie es mir oft genug an den Kopf knallte.
Sie hasste jeden einzelnen hier abgöttisch, weil sie laut meiner Mama alle einen sehr schlechten Einfluss auf mich hatten und ich hatte es noch nie geschafft, ihre Meinung diesbezüglich zu verändern. Und nach dieser Aktion konnte ich mir das erst recht abschminken. 

,,Hey, ist was?'', fragte Jonas und sah mich besorgt an. Ich schaute nur verwirrt zu ihm und er legte den Kopf schief. 
,,Ach, ne...also doch...ne.'', nuschelte ich leise und er lachte kurz auf. 
,,Was denn jetzt?'', fragte er lachend. 
,,Ich weiß auch nicht. Also...ob was ist halt.'', sagte ich unsicher und zog an meiner Zigarette, um mich zu beruhigen. 

,,Wieso? Hast du wieder Stress Zuhause, oder was ist passiert?'', ich hörte einen gewaltigen Hauch von Besorgnis in seiner Stimme und sein Blick, glich seiner Tonlage. 
Ich seufzte nur einmal kurz auf und schaute in den klaren dunklen Nachthimmel. 

,,Ne, da ist eigentlich soweit alles zurzeit in Ordnung. Nur hat Nicky heute wieder diesen einen Jungen, der doch immer im Jugendzentrum an diesem einen Tisch sitzt, so krass beleidigt, sodass dieser wieder hinausgestürmt ist und deshalb sogar glaube ich, auch geweint hat. Also, das sah halt zu mindestens so aus.'', erklärte ich und nun sah mich Jonas mit einen Hauch von Verwirrung an. 

,,,Und das beschäftigt dich jetzt so, oder wie muss ich das verstehen?'', harkte er verwirrt nach und drückte seine Kippe auf dem Boden aus. 

,,Ne, das isses nicht Aber Frau Lautermann hat halt davon Wind bekommen und...ach, eigentlich habe  ich ja nichts gemacht und hätte auch keinen Ärger bekommen, und sie hat mir ja auch nur einen gut gemeinten Ratschlag gegeben, aber ich musste sie daraufhin natürlich beleidigen.'', fasste ich grob zusammen und schüttelte über mich selbst mit dem Kopf. Das war aber auch echt zum Haare raufen.  

,,Ähm...ja...ok?!'', stammelte Jonas und sah mich irritiert an. 

,,Du musst das nicht verstehen, ist schon in Ordnung.'', erwiderte ich nur und machte eine abwertende Handbewegung. 
,,Doch ich verstehe dich schon. Aber warum beschäftigt dich das denn jetzt so sehr? Ich mein, es ist ja nicht so, als hättest du ihr zum ersten Mal etwas an den Kopf geworfen.'' Jonas sah mich fragend an und ich zuckte mit den Schultern, weil ich selbst nicht so recht wusste, was genau ich eigentlich wollte. 

,,Ach, ich habe doch auch keine Ahnung, wieso ich mir darüber so Gedanken mache, weil es mir ja sonst auch egal ist. Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass sie meine Mutter anrufen möchte oder es bereits schon getan hat. Es ist zwar kein großes Ding, aber ich hatte doch jetzt schon zwei Wochen Hausarrest gehabt und wenn sie erfährt, dass ich mich an meinem ersten freien Tag schon wieder wie der letzte Vollidiot benommen habe, dann kann ich erst wieder das Haus verlassen, wenn ich 'ne abgeschlossene Ausbildung und 'nen festen Arbeitsplatz habe.'', erklärte ich Jonas meine Bedenken etwas deutlicher und er nickte nun verständnisvoll. 
,,Ach so, jetzt verstehe ich.'', fügte er noch seiner Gestik hinzu. 

,,Na ja, du kannst dich ja immer noch bei Frau Lautermann entschuldigen, die hat doch eh schon Schlimmeres erlebt. Ich mein, vielleicht findet das deine Mutter nicht so cool, aber was erschreckt die denn noch? Du hast schon viel schlimmere Dinge fabriziert und wenn sie dir deswegen Hausarrest gibt, dann frage ich mich ja, wieso sie dir damals keinen gegeben hat, als sie die ganzen Drogen unter deinem Bett gefunden hat.'', versuchte mich Jonas zu beruhigen, doch ich seufzte nur, weil es die Situation nun wirklich nicht besser machte.
Zwar waren seine Worte lieb gemeint und ich wusste es auch zu schätzen, dass er mir irgendwie helfen wollte, aber es änderte nun mal nichts an meinen Worten, welche ich Frau Lautermann einfach so an den Kopf geworfen hatte. 

,,Das wird schon, Tim.'' Er legte seine Hand auf meine Schulter und strich kurz über diese. 
,,Ich hoffe es doch.'', sagte ich nachdenklich und Jonas lächelte mich aufmunternd an, weshalb meine Mundwinkel ebenfalls nach oben zuckten. 
,,Siehst du, du lächelst doch schon wieder, da kann es doch nur besser werden.'', er lachte und ich stimmte mit ein. 

Ich mochte Jonas echt am meisten von allen hier, weil er wenigstens Empathie besaß, welche ich ziemlich oft brauchte. 
Fast niemand hier verstand mich so gut wie er und wenn ich mal ein Problem hatte, konnte ich gerne zu ihm kommen, das machte ihm überhaupt nichts aus. 
Er lachte mich auch nicht wegen meinen Problemen aus, beschuldigte mich deswegen nicht als Pussy, sondern versuchte mir, so gut wie er es eben konnte, Ratschläge zugeben oder mich mit irgendwas aufzumuntern, damit ich mal auf andere Gedanken kam, weil ich mich in sowas gerne mal schnell verrannte und oft zur Übertreibung neigte. 

Mit den anderen hier, konnte ich nicht so einfach über meine Probleme reden, denn entweder interessierte es sie nicht oder sie fingen damit an, mir irgendwelche Beleidigungen an den Kopf zuwerfen, die in dem jeweiligen Moment überhaupt keinerlei Sinn machten. 

Jonas war echt anders als wir alle hier, weshalb er auch oft deswegen aufgezogen wurde, dass er einen Schulabschluss hatte und sogar bald eine Ausbildung beginnen würde.
Aber er steckte das ziemlich gut weg, während ich schon längst meinen Ausbildungsplatz gekündigt hätte, nur um wieder ordentlich von meiner Gang akzeptiert zu werden und mir nicht andauernd irgendwelche Beleidigungen anhören zu müssen.  
Ach, Jonas war schon so eine Art Vorbild für mich, was die Gang anging, wenn ich das mal so zugeben durfte. 

Jonas ließ sich von Ronny meistens so gut wie nichts vorschreiben, sondern machte eher sein eigenes Ding. 
Jonas würde ich es sogar zutrauen, dass er einfach so, ohne mit der Wimper zuzucken, die Gang verlassen würde, obwohl er die Konsequenzen ganz genau kannte. 
Ach, ich würde schon so einiges tun, um sein Selbstbewusstsein zu haben und mich nicht andauernd deswegen so unter Druck setzen zulassen. 

,,Schaut euch das mal an, Max die weinerliche Pussy, muss jetzt schon nach Hause.'', hallte Ronny Stimme plötzlich zu mir durch und ich drehte meinen Kopf in die Richtung, in der ich seine Stimme vernahm.
Einige waren noch am sprayen, außer Max und Ronny.

Letzterer stand mit einem Schmollmund lachend vor Max, wessen Blick immer angepisster wurde, desto länger er Ronny und seinen Schmollmund anstarrte.
Ich fragte mich, was jetzt schon wieder los war, weshalb man Max schon wieder so aufziehen musste. 

Max war der Jüngste unserer ganzen Truppe und wurde deshalb gerne mal aufgezogen.
Zwar nahm er das meistens einfach so hin, weil das meiste eh nicht Ernst gemeint war, doch manchmal konnte man auch das Fass zum Überlaufen bringen, was Ronny nun wie so oft, mal wieder geschafft hatte.
Max hatte nämlich nun auch noch seine Hände zu Fäusten geballt und das bedeutete meistens nie etwas Gutes. 

,,Was ist denn los?'', fragte Jonas, machte eine Handbewegung, die zeigen sollte, dass ich ihm folgen sollte, und wir gingen auf die beiden zu. 

,,Er muss nach Hause.'', erklärte Ronny und deutete auf Max, wessen Blick immer wütender wurde.
Keine Ahnung, wie lange sie schon diese Diskussion führten, aber Max' Blick zu urteilen, würde diese kein positives Ende nehmen.

,,Ja und?'', fragte Jonas irritiert und stellte sich schützend vor Max, auch wenn dieser die Diskussion auch gut alleine bewältigen könnte.
Doch bevor es noch mehr eskalierte und wir eventuell noch einen oder zwei Krankenwagen rufen und dann noch erklären mussten, wieso wir überhaupt hier und noch draußen waren, war es doch besser, wenn sich jemand einschaltete. 

,,Ja man, hast du mal gesehen, wie spät es erst ist?!'' Ronny sah uns alle fragend an und wartete wohl darauf, dass sich jemand auf seine Seite stellte und ihm Recht gab.  

,,Ich muss zur Schule, man! Meine Eltern bringen mich um, wenn ich wieder so spät komme!'', zischte Max wütend und sah Ronny mit einem sehr hasserfüllten Blick an, welchen ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.
,,Mimimimi. Du bist 'ne richtige Heulsuse, weißt du das? Also, mich juckt es nicht, was meine Eltern sagen.'' Ronny verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit einem so arroganten Blick an, sodass ich ihm seine Augen am liebsten ausgestochen hätte. 

,,Du wohnst auch in einer verkackten Wohngruppe und die wissen eh, dass sie dich nicht bändigen können und probieren es dementsprechend auch nicht mehr.'', erwiderte Max genervt und warf Ronny einen angewiderten Blick zu.
Angesprochener sah ihn nur völlig entgeistert an und ich begann zulächeln.
Da hatte es dieser kleine Mann doch tatsächlich geschafft, diese olle Zecke zu entlarven und sprachlos zumachen. 

Es war tatsächlich so, dass Ronny sich immer wie der Allergrößte hinstellte, doch im Endeffekt der war, der es uns allen am Einfachsten hatte.
Er wohnte nämlich nicht mehr bei seinen Eltern, welche ihm dies und jenes vorschrieben und er da nicht so einfach gegen halten konnte, sondern unser toller Ronny, lebte in einer stinknormalen Wohngruppe, wo die Betreuer ihn schon längst aufgegeben hatten und er tun und lassen konnte, was er wollte und deswegen auch keine Angst davor haben musste, großartigen Ärger von irgendjemanden zu kassieren.   

Deshalb fand ich es immer so unfassbar lächerlich, wie er uns als die größten Pussy darstellte, wenn wir mal auf unserer Eltern hörten oder etwas nicht mitmachen wollten, weil wir eben keinen Ärger kriegen wollte und er tun und lassen konnte, was er wollte und es die Betreuer noch nicht einmal juckte und sie es meistens einfach so hinnahmen, wenn Ronny mal wieder etwas verbockt hatte. 

,,Komm' Ronny, lass' ihn einfach gehen. Er muss doch jetzt nicht unbedingt Ärger bekommen.'', mischte ich mich dann tatsächlich mit ein und stellte mich ebenfalls neben Max. 

,,Er ist aber eine Pussy!'', erwiderte er nur und ich verdrehte die Augen. Konnte dieser Kerl auch mal was anderes, als Leute als Pussy zu bezeichnen? Richtige Argumente finden und sachliche Diskussionen führen, waren wohl nicht so seine Stärken. 

,,Ja, dann ist er halt eine, meine Güte. Lass' ihn doch einfach nach Hause gehen, schließlich ist es eh schon spät. Und außerdem, es kommt jawohl nicht täglich vor, dass er so früh geht.'', überredete ich ihn weiter und Ronny seufzte. Ich hatte doch schließlich mit meinen Aussagen Recht und bezeichnete ihn immerhin nicht als Pussy. 

,,Dann soll er halt gehen, mir egal.'', gab er sich dann doch genervt geschlagen und verdrehte die Augen. 
Ich stöhnte kurz ebenfalls genervt auf, weil mir sein Benehmen schon weider richtig auf den Sack ging. 
War doch nichts dabei, wenn er einmal früher ging, denn schließlich hatten wir keinen Banküberfall geplant, bei dem Max eine wichtige Rolle spielte. 

Na ja, aber wenn es nicht nach Ronnys Nase ging, dann konnte er zu einer richtigen Zicke werden und dieses Verhalten fuckte uns manchmal so sehr ab, sodass wir uns schon oft, einfach so aufgelöst hatten, nur weil er mal wieder voll die Szene schieben musste und niemand danach noch Bock dazu hatte, irgendwas zu unternehmen. 

Es ging hauptsächlich eh alles nur nach ihm und falls mal jemand einen anderen Vorschlag machte, den alle außer er feierten, dann war er direkt eingeschnappt. 
Klar, zwar war er der Anführer und bestimmte hauptsächlich, wie es lang ging, doch irgendwo waren wir doch alle ein Team und formten die Gang irgendwie, weshalb es doch nicht schlimm war, auch mal auf wen anders zuhören, weil es ja schließlich nichts an seiner Position änderte. 

,,Dann geh' schnell nach Hause, damit du keinen Ärger bekommst. Wir sehen uns dann morgen wieder.'' Jonas schob Max etwas nach vorne, welcher mich und Jonas dankbar an sah, ehe er sich von uns allen verabschiedete, sich auf sein BMX schwang und losfuhr. 

,,Und du? Musst du wieder so eine Zicke sein?'', wandte sich Jonas dann direkt an Ronny, welcher nur mit überkreuzten Armen vor der Brust, genervt in der Gegend umher sah. 
Doch als er Jonas' Stimme hörte, richtete er seinen Blick auf diesen und sah ihn mit einer noch viel genervteren Miene an. 

,,Halt die Fresse, man! Spiel' dich hier doch nicht wieder so auf!'', schrie Ronny nur und Jonas hob entschuldigt die Hände. 
,,Oh sorry, dass ich nicht auf dich gehört habe, Mama.'' Er verdrehte die Augen und Ronny seufzte nur genervt auf. 

,,Trotzdem war das aber nicht fair, was du da mit Max gemacht hast.'', sagte Jonas nun etwas ruhiger und lächelte leicht, damit die Situation nicht noch mehr ausartete, denn wenn die beiden sich deswegen noch in die Haare kriegen würden, wäre das auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. 

,,Boah jaja, aber...'' Ronny wollte gerade etwas erwidern, doch da kamen Nicky und Andre panisch auf uns zu gerannt und fuchtelten wild mit den Händen rum. 

,,Wir müssen hier schnell weg!'', flüsterte Nicky und sah uns angespannt an. 
,,Wieso?'', fragte ich und er drückte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. 
,,Sh...nicht so laut, man!'', zischte er und drehte sich um. 

Wir alle verstanden im ersten Moment überhaupt nicht, was die zwei jetzt von uns wollten, aber als wir jedoch Taschenlampen aufleuchten sahen und hörten, wie sich Schritte uns näherten, wussten wir alle sofort, was los war und ich schnappte mir sofort meinen Rucksack. 

Wenn ich schon wegen der Sache mit Frau Lautermann Ärger bekommen sollte, wollte ich nun auch nicht noch unbedingt Stress mit der Polizei kriegen, weil dann hieß es dementsprechend für mich, dass noch viel mehr Stress mit meiner Mutter hätte und die Nachbarschaft würde wieder lauthals darüber reden, dass der eine Sohn der Familie Wolbers mal wieder mit dem Streifenwagen nach Hause gebracht wurde und das wollte ich meiner Mutter nun wirklich nicht antun. 

,,Los, Leute! Jetzt steht nicht so blöd rum, sondern rennt um euer Leben! Wenn die uns erwischen, dann wisst ihr, was das bedeutet!'', rief ich allen zu und sprang dann auch schon über ein paar nicht mehr befahrene Gleisen, welche in die Nähe eines Walds führten, zu welchem wir so gut wie immer rannten, wenn die Polizei im Anmarsch war. 

Die Bullen kamen meistens nie auf die Idee, diesem Pfad zufolgen, weshalb wir dort immer ein kleines Stück durch den Wald rannten, ehe wir am Ende einer Straße ankamen und uns dann voneinander trennten und nach Hause gingen, außer uns fiel spontan noch ein, dass wir dies und jenes noch machen könnten. 

Doch daran war jetzt erst einmal nicht zu denken, denn jetzt rannte ich um mein Leben und zu unserem Glück, fing es auch gerade an, aus Eimern zuschütten, was uns das Laufen nicht gerade angenehmer machte und nun erst recht niemand mehr Bock darauf hatte, auch noch vor den scheiß Cops wegzurennen. 
Doch jetzt einfach so zu stoppen, kam definitiv nicht in Frage und ich rannte immer weiter und weiter.
Ich schaute nur einmal kurz nach hinten, um zugucken, wie weit die anderen von mir entfernt waren und obwohl wir alle das Vorzeigebild für eine ausgeprägte Raucherlunge waren, waren wir trotz alldem ziemlich gut im Laufen, was vielleicht auch ein wenig daran lag, dass wir nicht gerade selten vor der Polizei oder vor anderen Leuten wegrennen mussten. 

Als ich endlich durch war, blieb ich japsend stehen und wartete auf meine Freunde, welche keine fünf Minuten später, ebenfalls aus der Puste, bei mir eintrafen. 

,,Alter, war das knapp.'', bekam Andre gerade so heraus und wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht.
,,Keine paar Minuten später und die hätten uns noch gekriegt.'', fügte Conan noch hinzu und alle stimmten ihm zu.  

,,Wir haben es ja noch ein Glück rechtzeitig geschafft.'', sagte ich erleichtert und zündete mir eine Kippe an. 

,,Das war auch nur so knapp, weil du noch so'ne dumme Frage stellen musstest.'', beschwerte sich Ronny direkt bei mir und ich zog die Augenbrauen nach oben. 
,,Ich bin Schuld?'', fragte ich unglaubwürdig und starrte ihn entgeistert an. 
Ich konnte es irgendwie nicht fassen, war er mir da gerade unterstellen wollte. 
Wegen mir hätten die uns fast gekriegt? Es war ja nicht so, als ob er diese Frage nicht auch immer und immer wieder stellte...

,,Ja, ganz allein' wegen dir. Du hättest das alles auf deine Kappe nehmen müssen, wenn wir gekriegt worden wären.'' Er zeigte auf mich und ich lachte kurz auf, weil ich seine Unterstellung mir gegenüber einfach nur lächerlich fand. 

,,Hm, na klar. Es ist ja nicht so, als würdest du diese Frage nie stellen, wenn die Bullen im Anmarsch sind.'', antwortete ich sarkastisch und alle sahen mich warnend an. 
Auch wenn mich Ronny jeden Moment aus der Gang kicken könnte und mir dann das Leben zur Hölle machen würde, war es mir gerade komischerweise total egal, weil ich es einfach nur noch hasste, wie er sich über alles und jeden beschwerte und noch nicht einmal selbst vollkommen fehlerfrei war und unsere Fehler oftmals selber machte. Aber da war es natürlich nicht so schlimm, denn es war ja immerhin Ronny - pf. 

,,Aber doch nicht so oft wie du!''
,,Nein, natürlich nicht!'' Ich zog kopfschüttelnd an meiner Zigarette und pustete den Rauch direkt in sein Gesicht, um diese kleine Zecke noch ein wenig mehr zu provozieren. 

,,Widersetzt du dich mir etwa gerade?'', fragte er und ich hörte einen Hauch von Wut in seiner Stimme. 
,,Vielleicht.'', erwiderte ich grinsend und drückte meine Kippe auf dem nassen Boden aus. 
,,Wolbers, du weißt, was das heißt!'', drohte er mir und ich nickte verstehend. 

,,Ich weiß. Aber ich weiß auch, dass du es nicht tun wirst, weil du ohne mich total aufgeschmissen wärst.'', war das letzte, was ich noch sagte, ehe ich mich von allen verabschiedete und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, einfach so, eigentlich viel zu früh, nach Hause ging. 

Ich drehte mich lediglich nur noch einmal kurz um, um allen zu zuwinken, aber vor allem, um in das entgeisterte Gesicht von Ronny zublicken, welcher wohl einfach nicht akzeptieren wollte, dass jemand ihm die Meinung gegeigt und damit sogar Recht hatte. 

Er war tatsächlich sehr aufgeschmissen ohne mich, denn durch seine Wohngruppe brauchte er immer eine Quittung von den Sachen, die er sich gekauft hatte, weshalb ich ihm seine Drogen finanzieren musste und wenn das nicht mehr war, dann wäre Ronny nicht mehr der Renner auf dem Pausenhof, weil erstens niemand mehr etwas von ihm kaufen würde und zweitens, weil er nur Dank den Drogen an so großer Beliebtheit gewonnen hatte. 

Natürlich gab es noch viele andere Dinge, bei denen ich für ihn nützlich war, weshalb er mich wahrscheinlich nicht so schnell aus der Gang schmeißen würde, ehe er jemand anderes gefunden hatte, aber diese Sachen schienen unendlich, weshalb ich sie nicht unbedingt alle aufzählen wollte, weil dies einfach viel zu lange dauern würde. 

Ich ging einfach weiter nach Hause, rauchte unterwegs noch ein paar Kippen, ehe ich klitschnass an unserem Haus ankam und den Haustürschlüssel aus meinem Rucksack kramte. 

Als ich diesen hatte, schloss ich direkt die Tür auf und betrat, immer noch mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, den Flur, wo ich meine durchnässten Chucks direkt in die nächstbeste Ecke kickte und mir meine Jacke auszog. 

Doch meine eben erst gut gewonnene Laune und mein Mut, sollten schnell wieder verschwinden, weil mit einem mal meine Mutter die Treppe runterkam und mich mit einem nicht gerade liebevollen Blick musterte. 

Ich schluckte schwer, mein Herz setzte kurz aus, um daraufhin wie wild zurasen und ich legte mir in meinem Kopf schon die richtigen Worte zu recht, womit ich mich aus dieser ganzen Sache hoffentlich herausreden konnte. 

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