Rauchend stand ich auf Lukas' Schulgelände und wartete darauf, dass endlich das Klingeln ertönen und er herauskommen würde. Es waren nämlich noch gute fünf Minuten und desto mehr Sekunden vergingen, desto ungeduldiger und aufgeregter wurde ich. Ich trat nur noch von einer Stelle auf die andere und zündete mir die nächste Kippe an.
Ich wusste auch nicht, woher diese Aufregung kam, denn es war nur Lukas und nicht irgendein Typ, der mir gleich die Fresse polieren wollte. Außer Ronny hatte auch noch hier, auf diesem Gymnasium, irgendwelche asozialen Kontakte, denn dann sollte ich genau jetzt auf jeden Fall Angst kriegen.
Aber das hatte er so oder so nicht, denn der Kerl konnte noch nicht einmal Gymnasium richtig schreiben - geschweige denn, es würde sich sicherlich nie ein Gymnasiast mit ihm anfreunden wollen, denn ihren Anstand wollten sie glaube ich nicht unbedingt an so jemanden wie Ronny verlieren.
Aber Lukas war nun wirklich kein Typ, vor dem ich Angst haben musste, denn er war wahrscheinlich eh viel zu lieb, um jemanden einfach so etwas anzutun und außerdem würde er wahrscheinlich nur in den äußersten Notfällen Gewalt anwenden, denn freiwillig und ohne jeglichen Grund würde Lukas das ganz sicher nicht tun.
Wahrscheinlich lag meine Aufregung einfach nur an dem Fakt, dass wir uns gerade mal so wirklich einen Tag kannten und ich nicht so recht wusste, über was ich mit ihm reden durfte und was bei ihm das totale Tabuthema war.
Ich wollte ja schließlich nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen und man sollte auch erst einmal langsam anfangen, denn meinen gesamten Lebenslauf wollte Lukas ganz bestimmt nicht wissen, denn so interessant war dieser nun auch wieder nicht.
Ach, ich sollte mir einfach nicht so viele Gedanken darüber machen und es einfach ganz spontan auf mich zu kommen lassen. Es wird sich schon irgendwie eine Konversation ergeben und es gibt ja auch einige Anhaltspunkte, über die wir uns sicherlich gut und intensiv miteinander unterhalten können.
Ich drückte meine Zigarette auf dem Boden aus und kaum hatte ich das getan, ertönte auch schon das Klingeln der Schule und nach und nach verließen immer mehr Schüler zügig das Schulgebäude, um endlich nach Hause gehen zu können.
Ich hielt nur gespannt Ausschau nach Lukas und ich sah ihn keine paar Sekunden später, nachdem das langersehnte Klingeln durch die komplette Schule gehallt war, einen für sein Alter zu großgewachsenen Jungen und ein blondhaariges Mädchen aus der Schule laufen. Lukas entdeckte mich natürlich sofort, verabschiedete sich daraufhin schnell von Maira und kam dann, wie immer mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, auf mich zu.
,,Hey...'', begrüßte ich ihn grinsend und wusste nicht so recht, wie genau ich ihn jetzt begrüßen sollte. Reichte das schon, oder sollte ich noch irgendwas machen? Und wenn ja, was genau sollte ich machen? Ghettofaust? Umarmung? Hände schütteln vielleicht?
Total überfordert mit der Situation, machte ich erst eine Ghettofaust, welche schnell zu einer ausgestreckten Hand wurde und schlussendlich nahm mir Lukas lachend die Entscheidung ab, und zog mich in seine Arme.
Sein Duft vernebelte direkt mein Hirn und mir wurde augenblicklich ganz heiß an jeder erdenklichen Körperstelle.
,,Hey...'', kitzelte seine Stimme mein Ohr und er löste sich von mir, um mich daraufhin anzulächeln.
Völlig vernebelt von seiner plötzlichen Berührung, stand ich erst einmal für einige Sekunden völlig perplex in der Gegend rum und war für eine kurze Zeit auf einer ganz anderen Welt. Was war das denn bitte?
,,Und? Wie war die Schule so?'', fragte ich irgendwann, als ich mich wieder einigermaßen wie auf diesem Planeten fühlte und wir etwas unschlüssig auf dem Schulhof herumstanden.
,,Ach, so wie immer halt. Es ist nichts Besonderes passiert.'', sagte Lukas grinsend und zuckte mit den Schultern.
,,Tja, so ist das halt nun mal mit der Schule.''
,,Aber ich habe meine Mathehausaufgaben wiederbekommen, welche wir zusammen gemacht haben.'', sagte Lukas plötzlich und kramte in seiner Mappe rum.
,,So schnell?'', fragte ich erstaunt, weil sich meine Leher für sowas gerne mal etwas länger Zeit ließen, ehe sie die Sachen kontrollierten und wieder zurückgaben.
,,Ja, hat meine Lehrerin direkt in der Stunde gemacht und sieh, was ich Dank dir bekommen habe.'' Lukas hielt mir das Blatt unter die Nase, auf der eine fette Eins mit einem lächelnden Smiley zusehen war. Wow, ich hatte ihm doch alles richtig erklärt und die korrekten Rechenwege genommen.
,,Das ist doch toll, freut mich.'', lobte ich ihn grinsend und Lukas steckte das Blatt wieder zurück in seine Tasche.
,,Danke.'', bedankte sich Lukas strahlend bei mir.
,,Du sollst dich deswegen doch nicht ständig bedanken, habe ich gesagt!'', tadelte ich ihn an und er kassierte dafür einen leichten Boxer auf den Arm.
,,Danke, Danke, Danke.'', trällerte er lachend und ich schüttelte grinsend mit dem Kopf.
,,Doof bist du manchmal schon.''
,,Ich habe ja auch nie behauptet, dass ich ein Genie bin.'', konterte Lukas und ich lächelte ihn an.
Ach, Lukas war wirklich so ein toller Junge und ich mochte es, dass er immer so glücklich drauf war und einen mit seiner guten Laune ebenfalls zum Lachen oder zum Lächeln bringen konnte.
Wenn Lukas jetzt jemand aus meiner Gang wäre, dann hätte Ronny ihn schon längst vor allen zur Sau gemacht, weil er eine Eins geschrieben hat und es somit, zu mindestens in Ronnys Augen, ein Outing als Streber war. Bei dem durfte man auch echt nicht einmal etwas richtig in seinem Leben machen, ohne dass es direkt falsch war. Bastard.
,,Und was fangen wir jetzt so mit dem Tag an?'', fragte Lukas und sah mich erwartungsvoll an.
,,Ähm...keine Ahnung. Was möchtest du denn machen?'', fragte ich unsicher nach, weil ich mir darüber echt überhaupt keinerlei Gedanken gemacht hatte, was ich denn mit Lukas machen könnte.
Ich kannte ihn ja schließlich nur, wenn er im Jugendzentrum saß, doch da konnte zu mindestens ich erst einmal nicht mehr hin und ich wollte meiner Gang zurzeit auch ungerne über den Weg laufen, und versuchte deswegen, ihnen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Ronny hatte sicherlich schon allen erzählt was abgegangen war und wahrscheinlich war er gerade genau jetzt dabei, allen eine Gehirnwäsche zu unterziehen, damit sie ja anfingen, mich zu ärgern und mich zu hassen, weil ich mich verdammt nochmal über den Big Boss Ronny gestellt habe.
,,Hm, gute Frage. Wir können ja in dieses große Einkaufszentrum gehen, wenn du magst?'', schlug Lukas vor und ich nickte direkt zustimmend.
,,Klar, das ist 'ne gute Idee.'', bejahte ich seinen Vorschlag grinsend und wir machten uns auf den Weg zum besagten Einkaufszentrum.
,,Hast du überhaupt Geld dabei?'', fragte ich irgendwann auf halbem Wege.
,,Ein bisschen, aber großartig kaufen kann ich mir davon eh nichts.'', antwortete Lukas lachend.
,,Mit fast gar keinem Geld in ein Einkaufszentrum zugehen, ist ja auch schon mal was.'', sagte ich ebenfalls lachend und er zuckte mit den Schultern.
,,Ich gucke mir gerne Dinge an, die ich mir nicht kaufen kann.'', erwiderte er total ernst, doch lachte kurz darauf wieder.
,,Ist das irgendein Fetisch?'', fragte ich nun mit total ernster Miene, doch konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
,,Du bist doof.'' Lukas schubste mich immer noch lachend von sich weg und ich zuckte mit den Schultern.
,,Ey, viele Leute haben irgendwelche komischen Fetische. Füße, Blut, Rollos oder...''
,,Oh Gott, bitte rede nicht weiter. Ich will das alles gar nicht hören.'', unterbrach mich Lukas und hielt sich die Ohren zu.
Ich nahm nur seine Hände von seinen Ohren weg und lächelte ihn an.
,,Ach Lukas, du hast bestimmt auch so deine Fetische.'', sagte ich grinsend und Lukas riss nun ganz weit die Augen auf.
,,Tim!'', rief er empört und ich lachte.
,,Was denn? Kann doch sein!'', verteidigte ich mich.
,,Aber doch nicht sowas!''
,,Stehst du denn auf sowas?'', drehte Lukas den Spieß einmal um und nun weiteten sich meine Augen.
,,Was denkst du von mir?!''
,,Kann doch sein!'', äffte Lukas mich nach und wir sahen uns kurz gegenseitig vollkommen verwirrt an, ehe wir daraufhin in schallendes Gelächter ausbrachen, welches die ganze Gasse erfüllte.
,,Also wirklich, was führen wir für ein Gespräch?'', fragte ich und bekam mich kaum noch ein vor Lachen. Das war aber auch wirklich ein ziemlich absurdes Gespräch für zwei Meschen, welche sie gerade einmal fast zwei Tage kannten.
,,Du hast doch angefangen!'', unterstellte mir Lukas und wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht.
,,Hätte doch sein können!'', argumentierte ich.
,,Hätte, hätte, Fahrradkette!''
Wir blieben kurz stehen, weil Lukas sich mit den Händen etwas Luft zu wedelte, damit nicht noch mehr Tränen aus ihm herauskamen.
,,Du musst doch jetzt nicht wegen deinem Fetisch weinen, Luki.'', sagte ich lachend und tätschelte seine Wange. Er verdrehte nur die Augen, doch seine Mundwinkel zuckten kurz darauf wieder ganz weit nach oben.
,,Sorry, aber diese Konversation eben war echt zu viel für mich. Diese Vorstellung, das Menschen solche Fetische haben...ne.'' Lukas schüttelte verständnislos mit dem Kopf und sah mich dann an.
,,Jedem das Seine.'', zuckte ich mit den Schultern.
,,Ja schon, aber ich möchte nicht unbedingt jemanden im Bett haben, der zum Vampir mutiert und an mein kostbares Blut kommen möchte.'', sagte er und fuhr sich unsicher durch die Haare.
,,Der Fetisch ist bestimmt nur durch Twilight entstanden.'', behauptete ich lachend.
,,Du musst es ja wissen.'', erwiderte Lukas grinsend, ehe wir weiter in Richtung des Einkaufszentrums gingen.
,,Also, wo gehen wir als Erstes rein?'', fragte Lukas dann nachdenklich, als wir in Mitten des riesigen Gebäudes standen und uns die verschiedensten Läden ansahen.
,,Denk' daran, du hast kaum Geld dabei.'', erinnerte ich ihn nochmal und in meinem Augenwinkel sah ich, wie sich Lukas' Miene augenblicklich erhellte.
Etwas verwirrt musterte ich ihn dann auch, als er sich direkt vor mich stellte, seine Hände auf meine Schulter legte und diese plötzlich ganz warm wurden und fast schon angenehm heiß brannten. Seine Hände waren einfach nur verdammt warm, keine Sorge.
,,Wir gehen in einen total noblen Laden und tun so, als wären wir reich.'', schlug Lukas vor und ich legte den Kopf schief.
,,Hast du mich mal angesehen? Ich und reich, das kauft mir doch kein Mensch ab.'', sagte ich sofort und deutete hinunter zu meinen verdreckten und kaputten Chucks, von welchen ich mir dringend mal ein neues Paar kaufen sollte.
,,Wir tun ja auch nur so, als ob. Komm' mit, das wird ganz lustig, vertrau mir.'', sagte Lukas grinsend, griff nach meiner Hand und zog mich zu irgendeinen Laden, welcher schon anhand des Schaufensters einen ganz noblen Eindruck machte und ich mir die Preise darin gar nicht erst erdenken wollte.
Auch wenn Lukas mir seinen Vorschlag gerade erst erklärt hatten, war ich trotzdem immer noch ziemlich verwirrt, weil ich nicht so recht wusste, was genau Lukas jetzt in diesem Laden wollte.
''Wir tun so, als wären wir reich.'', was zur Hölle sollte das bedeuten und wie sollten zwei pubertierende Teenager, welche total durchschnittliche Kleidung anhatten, so tun, als wären sie reich?!
Das irritierte mich alles verdammt sehr und ich hoffte, dass mich Lukas schon bald mal ordentlich darüber aufklären würde, was genau er damit meinte und was genau er in diesem schicken Laden mit mir vorhatte.
Aber was mich gerade noch viel mehr verwirrte, als Lukas, war die merkwürdige Reaktion meines Körpers, nur weil er meine Hand hielt. Sie kribbelte und begann zu schwitzen, und ich wusste überhaupt nicht wieso.
Lukas war schließlich ein Junge und selbst wenn Marcel mich so berührte, spürte ich nichts dergleichen. Ich spürte bei Marcel absolut gar nichts. Also warum ausgerechnet bei Lukas schon? Marcel war schließlich mein bester Freund und Lukas nicht. Was wollte mir mein Körper damit deuten?
Noch ehe ich intensiver über die plötzliche Reaktion meines Körpers nachdenken konnte, standen wir auch schon direkt vor dem Laden und Lukas zog mich lächelnd in diesen hinein, während er immer noch meine bereits schon völlig durchgeschwitzte und verrückt kribbelnde Hand hielt.
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