7« Tears
Das dunkle Hemd und die schwarze Hose schnitten sich perfekt um seinen Körper und mir fiel erst bei diesem Blick auf, wie attraktiv dieser Mann geboren war.
Eng lag das Hemd um seinen breiten Oberkörper und ließ nur auf ein Sixpack schließen. Ob er wohl Sport machte? Welcher gefiel ihm am meisten?
Bei diesen Fragen begann mein Herz in die Höhe zu schlagen. Viel zu schnell.
Ich biss mir auf die Zunge. Diese Gedanken waren absurd, denn wie konnte er es überhaupt wagen mich anzusehen? Lachte er innerlich wieder über mich?
Fand er amüsant und lächerlich was er sah?
Meine hässlichen Augen.
Mein widerwärtiges Ich.
Bedrückt wandte ich mich von seinen grünen Augen ab und verhinderte damit, dass sie mich gefangen nahmen. Sie waren faszinierend und auf eine ganz verkorkste Art bedrohlich anziehend. Ich hatte einen Drang sie ansehen zu müssen und gleichzeitig schämte ich mich für mich selbst. Er lachte doch nur über mich.
Verletzt hob ich meinen Blick wieder und sah ihn verstohlen an. Er schien unsicher. Als habe er Angst herzukommen. Das glich seiner Fassade perfekt. Nur so tun und mich im nächsten Moment fertig machen.
Auch seine nervös spielenden Finger waren eine Lüge.
Oder doch nicht?
Meine naive Person wollte das Gute in ihm sehen, es spüren, es freilassen. Ich wollte in seiner Nähe sein, ihn kennenlernen, eine Erklärung finden, warum mich seine Person doch so magisch anzog.
Als er sich auch nach Minuten nicht zu lösen wagte, machte ich einen reulichen Schritt. Ich lieferte mich der Situation aus und trotzdem schien es mir vernünftig. Wir sollten uns nicht hassen - obwohl, das tat ich schon längst.
Womöglich.
Mein Lächeln warf ihn nun rücklings aus der Bahn und er brauchte lange, ehe er sich in Bewegung setzte und sich mir näherte.
Ich war unsicher das Richtige getan zu haben, aber hier, in diesem Lokal, konnte er mir sowieso nichts antun und notfalls waren Brian und Matt in der Nähe und konnten ihn zurückhalten. An diesem Abend schien mir sein Auftreten bedrohlich, aber dennoch unantastbar. Er konnte mir nichts und mein naives Ich bezweifelte, dass er mir wehtun würde.
Eine Locke fiel ihm ins Gesicht, als er sich der Theke näherte und auf einen der Barhocker vor meiner Nase Platz nahm.
Er stützte seinen Kopf mit der Hand ab und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an.
Seine Augen strahlten Amüsieren aus und ich begann frech zu grinsen, als ich an meine Cocktail-Aktion dachte. Er hatte es nicht anders verdient und niemand würde meine Spezialitäten genießen dürfen, wenn er gleichzeitig auch ein arrogantes Arschloch war.
Unsere Unterhaltung am Morgen hatte mir wirklich den Glauben an Akzeptanz und einen gesunden Menschenverstand geraubt und es war ziemlich absurd, dass ich ihm
jetzt mein Lächeln schenkte.
Es mussten Hormone, die mich verrückt spielen ließen,
oder die reine Müdigkeit sein.
Als es sich nicht zu rühren begann und seinen Kopf bloß schief legte, um mich von unten heran anzusehen, wagte ich es mich zu bücken, an der Theke abzustützen, und mein Gesicht Zentimeter vor seinem schweben zu lassen.
Seine dunkelgrünen Augen blitzten gefährlich auf, doch ich erkannte den Sprenkel von Belustigung und ließ mich nicht verunsichern.
Meine Frechheit ließ mich kichern und da man ihm anscheinend die Zunge und den Alkohol geklaut hatte, begann ich zu reden.
»Möchtest du jetzt schmollen?«, fragte ich ihn und würgte endlich dieses »Sie« ab. Ich hatte sowieso keinen Respekt für diesen arroganten Gaul übrig.
»Nein.«
»Möchtest du dich beklagen?«, fragte ich weiter und konnte mich meinem Lächeln einfach nicht abringen. Meine Lippen zuckten immer wieder nach oben, wenn ich eigentlich kalt gucken wollte.
Das war doch wirklich nicht mehr normal. Für wie bescheuert er mich halten musste.
»Nein.« Er begann ausdruckslos mit dem Kopf zu schütteln. Wie immer schien er desinteressiert, sein Gesicht würgte mich ab. Doch seine Augen logen nicht. Sie sprachen mit mir und sie verlangten nach meiner Stimme. Ich war mir sicher und würde ich ihn danach fragen, würde er es bloß stotternd belügen können.
Irgendwas lag gerade jetzt zwischen uns, was nicht dem Hass entsprach.
»Willst du mich wieder beleidigen? Oder vielleicht herum heucheln und mit deiner Unschuld prangen? Soll ich wieder auf die Knie fallen?«
Meine Augenbraue hob sich und aus meiner Stimme sprach wieder ein Funken von Verachtung. Ich wollte ihn mit meinem Schmerz konfrontieren. Gerade jetzt wollte ich ihm geben was seine gierigen Augen verlangten, aber nicht verdient hatten. Er sollte hören, wie es mir ging und was er mir da angehängt hatte. Er sollte meine Widerwärtigkeit spüren und ich wusste, er spürte sie als ich fortfuhr.
»Willst du dich wieder in deinem Ansehen baden, mir verdeutlichen wie wenig ich wert bin und mit meiner Hässlichkeit deinen roten Teppich kehren?«
Ich sah, wie er schluckte, auch wenn er seine Nervosität nun überspielen wollte. Ich griff ihn an, es ging ihm nahe, was ich sagte und ein Stück weit beruhigte mich das.
»Nein.« Wieder ein Nein.
»Aber lass mich raten, entschuldigen willst du dich auch nicht.« Die wollte ich auch nicht.
»Ich könnte vieles wollen. Aber ich bezweifle, dass mein Wille irgendetwas wieder richten würde.
Wenn ich mich entschuldigen würde, würden Sie mir nicht glauben und würde ich meine Worte zurückziehen wollen, würden Sie mir ebenfalls nicht glauben. Es wäre egal wie ich die Situation zu richten versuchen würde, es wäre immer falsch«, erklärte er sich und hob seinen Kopf wieder an um besser reden zu können.
Eine Weile war ich sprachlos, dann aber traf mich wieder die Empörung. Dieser Kerl dachte doch wirklich, dass man uns Frauen verallgemeinern konnte. Als würden wir alle gleich ticken und dasselbe antworten. Woher wollte er das wissen? Er hatte keinen Sinn, keinen Schimmer über dieses Leben und meine Art und Weise.
Es war ein tüchtiger Fehler glauben zu kennen.
»Und weißt du, warum es falsch wäre?« Mein Unterton hatte eine wütende Schärfe. Ich war sauer. Mal wieder.
»Nein, dieses Wesen kann man nicht verstehen und ich bezweifle, dass es überhaupt etwas zu verstehen gibt. Ihr sucht nur nach Streit, damit wir Männer dem nach gehen und euch mit Blumen zu vergöttern beginnen.«
Das war das Lächerlichste, was ich je gehört hatte. Blumen? Was glaubte er, wer er war?
»Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe«, stellte ich klar und richtete mich wieder auf.
»Das einzig falsche an deiner Entschuldigung, wäre der Ernst!«, klärte ich auf.
»Denn egal was du sagen würdest, du würdest es nicht ernst meinen. Es wäre daher gesagt und tief in dir, wärst du immer noch zu feige für Einsicht. Es ist lächerlich zu glauben, wir Frauen seien alle gleich und würden nach Blumen streben. Ich will keine Blumen und auf Knien Gnade gefleht bekommen - das wäre im Übrigen dermaßen peinlich.
Alles, was ich verlangen würde, wäre Ehrlichkeit und dabei meine ich nicht die Entschuldigung, sondern das Danach. Ich würde nie hören wollen, wie leid es dir oder sonst wem tut. Ich würde nur verlangen, dass man mir beweist kein Gegenstand zu sein.
Es ist verachtend, was du über Frauen zu wissen glaubst und ich kann dir immer wieder sagen, du täuscht dich gewaltig in deinen hässlichen Ansichten.«
Ich war froh nicht länger mit ihm diskutieren zu müssen, denn er schien keine Widerworte zu finden. Erleichtert griff ich nach meinem - seinem - Drink und schlürfte von seinem Strohhalm.
Er schien sein Glas wiederzuerkennen, denn kurz huschte Empörung über sein Gesicht.
Ich trank demonstrativ noch einen Schluck.
»Bitte sag, dass das nicht mein Cocktail ist.« Jammerte er etwa und grinste dabei?
Die Stimmung schwankte sofort.
»Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich ihn leere. Er hat dir bestimmt sowieso nicht geschmeckt. Ist es nicht widerlich, aus wessen Händen er entstanden ist?«, fragte ich provokant und sah ihn fragend an.
»Ja, es ist sogar sehr widerlich. Ich bin eigentlich nur hier, um die Bedienung mit Besteck abzuwerfen und dann wollte ich wieder gehen.« Ich mochte seinen Sarkasmus augenblicklich, denn so hatte er gesprochen. Er meinte nicht ernst, was er sagte.
»Dann hier, wag es!«, forderte ich und reichte ihm eine Gabel.
»Wirf mich ab! So, als sei ich kein Lebewesen, so, als wäre ich nur die Tellerwäscherin von der Straße, so, als sei ich nur der Abschaum, den du in mir siehst.«
Es war nicht beabsichtigt, dass meine Augen zu brennen begannen und meine Lippe zitterte, aber ich spielte ihm hier all meinen Schmerz vor und es tat weh, so über sich selbst zu reden.
Ich wollte nicht schwächeln, aber jeden Tag zu hören - wie schwach und dumm und nutzlos man war - war verdammt kräfteraubend.
Beinahe fassungslos hob er den Blick von der Gabel in meiner zitternden Hand und sah mir in die Augen. Das hier war kein Scherz und ich klang nicht sarkastisch.
Ich wollte ihm etwas sagen, beweisen. Ich, die arme Bettlerin, hatte etwas zu sagen. Und er schien endlich zu verstehen, was ich hier zu sagen wagte.
Er schien endlich selbst zu hören, was er gesagt hatte und wie grausam solche Worte waren.
Einer Frau, die ihn bat mit Besteck zu werfen, war er anscheinend noch nicht begegnet. Er sah, was Worte alles anrichten konnten.
Und es schien ihm nicht zu gefallen.
Als er es nicht tat, nahm ich seine Hand und ließ sie die Gabel umfassen. Erstarrt sah er sie an und dann zu mir.
»Worauf wartest du? Habe ich es nicht verdient? Würdest du diese Spitzen nicht gerne mein Kleid löchern lassen und mich damit ruinieren? Wäre es keine Freude mich leiden zu sehen, mich auf Knien zu sehen, mir Schmerzen zuzufügen? Würdest du über meine Tränen nicht lachen? Würden sie dir nicht schmeicheln?
Erfreut es dich nicht zu hören, dass ich danach Stunden zu weinen hätte und auf dem Weg nach Hause zusammenbreche, weil du mir wieder ein Puzzlestück meiner Hoffnung und Kraft genommen hast? Belachst du nicht, wie schwach und hässlich und unverdient ich mich danach fühle und wie ich mich in den Schlaf weine?
Findest du nicht gut, dass ich mich einen weiteren Tag dafür schäme am Leben zu sein und einen weiteren Tag über meinen Tod nachdenke? Dass ich mich schäme meiner Schwester ein so schlechtes Vorbild zu sein? Dass ich mich schäme, das Lieblingskleid meiner Mutter zu beschmutzen und das ich mich schäme, alle zu enttäuschen?«
Meine Stimme bebte und die Tränen liefen so unkontrolliert meine Wange hinab, dass ich schleierhaft sah, wie seine Hand - die, die Gabel umklammerte - bei jeder weiteren Frage heftiger zu zittern begann.
Weiß stachen seine Knöchel hervor und mit Wucht schmiss er die Gabel irgendwann zu Boden.
Klirrend schlug sie auf den Fliesen auf und fesselnd wandten sich seine Augen an mich, als ich zusammenzuckte und vor seinem Gesicht zurückschreckte. Nun hatte ich doch wieder Angst und als er das zu bemerken schien - meine Angst - schreckte er selbst einen Schritt zurück und starrte mich schwer atmend an.
»Wovor schreckst du zurück?«, fragte ich unter all meinen Tränen, denn ich musste es wissen.
Er sollte mich verletzen - es machte ihm doch einen solchen Spaß.
»Warum kneifst du? Warum bewirfst du mich nicht, wenn ich doch so armselig für dich bin? Zeig mir doch, wie hässlich ich bin und wie dumm du mich findest!«
Meine Stimme klang flehend, sie schrie meine Tränen davon und brach am Ende, um haltlos zu schluchzen.
Sein Blick brannte auf mir, als ich die Augen vom Boden hob und ihn müde ansah. Wieder war alles meiner Fassade abgerissen und bei ihm sah es nicht anders aus.
Er war noch einen Schritt zurückgewichen, seine Haut war blass und seine Augen konnten sich vor lauter Emotionen nicht mehr retten.
Seine Hand zitterte und sein Körper war angespannt.
»Warum verletzt du mich nicht?«, fragte ich kraftlos und fiel vor Schwindel auf die Knie. So, wie er es wollte. Er ließ mich achtlos fallen, denn was war ich schon wert? Nichts.
»Weil ich es längst getan habe.«
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