39« Davis
»Sie haben nach mir gerufen, Sir?«
Mit einem leisen Klicken fiel die Bürotür hinter Ms Keiler ins Schloss. Ich betrachtete sie einen Moment und nickte schließlich, ehe ich sie zu mir bat.
Langsam und nervös ließ sich die junge Frau in einen Sessel vor meinem Schreibtisch fallen und spielte mit ihren Fingern, als ich sie schief betrachtete.
Um meine Lippen zuckte es, denn diese Angewohnheit kannte ich nicht nur von mir selbst, sondern auch von Tears, die ihre Nervosität in Kombination mit Lippenkauen auslebte. Es war lustig zu sehen, wie gleich wir Menschen doch waren.
In den letzten Tagen waren mir eine Menge Gemeinsamkeiten zwischen Tears und mir aufgefallen doch je verschiedener wir waren, desto angezogener war ich von ihr, weil ich all meine Abneigungen überdachte und mich neben ihr neu entdeckte.
Ich räusperte mich, weil meine Gedanken von Thema ablenkten und Tears auf der Arbeit nun wirklich nichts zu suchen hatte. Zumindest nicht in meinem Kopf.
Ich dachte in letzter Zeit durchgehend an sie, aber in der Firma musste ich wirklich Fassung bewahren.
Die Leute hier durften mich nicht so glücklich erleben, denn das ruinierte meinen gefassten Ruf.
Auf der Arbeit war ich Davis Harson und niemand anderes.
»Wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann bitte entschuldigen Sie, das war nicht meine Absicht. Ist es wegen-?«, stotterte Miss Keiler los und hielt sofort inne, als ich meine Hand hob und abermals den Kopf schüttelte.
Nein, es ist nicht wegen Ihrer flirtenden Blicke.
»Grundsätzlich haben Sie nichts falsch gemacht.«
Sie atmete sichtlich erleichtert aus und sah dann auf, um mir fragend zu begegnen.
Ja, was ist es denn dann?
»Grundsätzlich ist es auch nicht wegen Ihrer – wie soll ich es nennen? – Blicke oder Ihrer Tuscheleien hinter meinem Rücken.«
Ms Keiler lief schamrot an, ihre Wangen verfärbten ihr komplettes Gesicht und sie senkte verlegen den Kopf. Ich überdachte meine Meinung. Konnte ich so jemandem wirklich vertrauen und vor allem etwas anvertrauen?
Ich lehnte mich ratlos zurück und betrachtete meine Angestellte, ehe ich seufzte und somit wieder an Aufmerksamkeit erlangte.
Ich kreuzte meine Finger über den Akten auf meinem Schreibtisch und schloss für einige Sekunden die Augen, ehe ich ihr mit Blickkontakt und der Wahrheit begegnete.
Wehe sie enttäuschen mich.
Ich verteilte grundsätzlich nur eine einzige Chance und diese sollte sie nicht patzen.
»Ich bin ehrlich mit Ihnen, Miss Keiler. Ich habe in Erwägung gezogen Ihnen zu kündigen.«
Ich sah wie sich ihre Augen merklich weiteten und sie vor Schock die Luft anhielt.
Ja, ich meine das ernst.
»Ihre Arbeitsweise war in den letzten Monaten einfach mangelnd und Sie glauben nicht, wie viel ich doch von meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mitbekomme. Ich sehe, wer vernünftig arbeitet und wer es einfach nicht verdient hat. Meine Geschäfte tragen ein Gewicht dessen Schwere sie sich vielleicht gar nicht bewusst sind. So scheint es mir zumindest. Sie vergessen bei wem und für wen sie arbeiten und das hat mich stutzig gemacht, denn ich investiere grundsätzlich nicht in Menschen, die es nicht verdient haben. Vielleicht haben Sie es nicht verdient. Ich bin mir mehr als unsicher.«
Ich hielt einen Moment inne und lehnte mich schließlich wieder zurück, ehe ich fortfuhr.
»Ich fördere meine besten Mitarbeiter. Es mag arrogant klingen, aber sie arbeiten an der Spitze und wenn sie entsprechende Leistung bringen, dann begrüße ich das mit einer großzügigen Belohnung.
Mit voller Ehrlichkeit: Ich brauche Sie nicht. Es gibt Hunderte, die sich um einen Job hier reißen und ich bin mir sicher ganz schnell einen Ersatz für Sie zu finden.«
Nun war sie blass geworden. Ihre Haut wurde mit jedem Wort fahler und auch wenn es mir leidtat so wollte ich ihr an diesem Glückstag – an dem ich ihr aus reiner Güte doch tatsächlich eine zweite Chance geben wollte – klarmachen, dass ich sie in Zukunft auf jeden Fehler kontrollieren würde und sie sich wirklich anstrengen musste, um sich fernerhin hier zu arbeiten.
Heute vergab ich zum ersten Mal in meinem Leben nur eine Verwarnung und das sollte wirklich etwas heißen.
»Ich möchte Ihnen die Angst nehmen. Ich werde Ihnen heute nicht kündigen. Heute ist ein guter Tag und ich sage Ihnen, er rettet Ihnen diesen Job, wenn Sie ihn weiterhin haben wollen.«
Sie nickte aufgeregt und bekam langsam wieder Farbe im Gesicht. Freuen Sie sich nicht zu früh.
»Ich verteile üblicherweise keine Verwarnungen, daher sollten sie meine gelbe Karte als Chance sehen, sich zu verbessern. Ich werde sie im Auge behalten und Ihre Kollegen über Ihre Hilfsbereitschaft abfragen. Strengen Sie sich an, engagieren Sie sich und ich vergesse meine Kündigung. Verstanden?«
Ich hob eine Augenbraue und wollte ihre Antwort laut hören.
Sie sollte sprechen, nicht nicken.
»Ja, Sir, ich habe sie verstanden.«
»Gut.« Meine bissige Stimme verflog.
»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Samstag.«
Ich wandte mich wieder meinen Papieren zu und wartete auf das Klickgeräusch der Tür.
»Gleichfalls«, flüsterte die Brünette und ich sah aus dem Augenwinkel wie ihre weiße Bluse sich auf den Weg nach draußen machte.
Kaum fiel die Tür hinter ihr zu, klingelte das Telefon und ich war erfreut die Stimme zu hören, die ich schon die ganze Woche hatte hören wollen.
»Harson?«
»Guten Tag, Sir, hier spricht Officer Piet Waynes von der örtlichen Polizei in Seattle. Meine Kollegen teilten mir mit, dass sie über die Ermittlungen gegen einen gewissen Dr. Wilson informiert werden wollten.«
»Ja, das möchte ich. Haben Sie ihn verhaftet?«
»Nein, er ist auf freiem Fuß, er konnte flüchten, aber meine Männer sind dabei ihn zu suchen und festzunehmen.«
»Hören Sie, Officer. Ich zweifle nicht an Ihrer Autorität und auch nicht an Ihrem Können. Ich gestehe nur ehrlich, dass mich seine Freiheit beunruhigt und ich ihn schnellstmöglich unter Polizeigewahrsam wissen möchte.
Sie haben sicherlich eine ganze Akte voll mit Strafverstößen, die ihn hinter Gitter bringen sollten und ich wäre äußerst erleichtert, wenn das alsbald der Fall wäre.«
»Ich garantierte Ihnen, Mister Harson, wir sind ihm dicht auf der Spur und ich werde sie über jeden Hinweis informieren, den wir bekommen werden.«
»Ich danke Ihnen, aber ich kann leider nicht länger warten. Es geht um eine Schmerzensgrenze, die ich nicht länger halten kann.
Ich würde Sie bitten, Officer, in dieser Angelegenheit mit meinen Sicherheitsleuten zusammenzuarbeiten, die die besten Möglichkeiten haben Wilson zu entlarven. Alles, was ich brauche, ist ihr bisheriger Stand der Ermittlungen.«
»Ich kann Sie verstehen, Mr Harson, aber bitte verstehen auch Sie, dass es mir nicht erlaubt ist polizeiliche Dokumente an dritte Hand weiterzureichen. Ich kann ihre Sorgen nachvollziehen, aber-.«
Ich unterbrach ihn mit angespannter Stimme. Er sah den sachlichen Ernst nicht und genau das kotzte mich an. Wir sprachen hier nicht von mir und meinen Sorgen, wir sprachen hier von ihrer Angst.
»Sie verstehen es nicht, Officer.
Es geht hierbei nicht um meine eigenen Sorgen, es geht um die Angst einer Angehörigen, die sich unter den Drohungen dieses Mannes nicht mehr aus der Wohnung traut. Ich werde nicht länger zulassen können, dass dieser angebliche Doktor auf freiem Fuß laufen kann und darum bitte ich um ihre Unterstützung.
Ihre Dokumente werden selbstverständlich gut aufbewahrt und es reichen einfache Kopien für die Zusammenarbeit. Ich handle im Allgemeinwohl und Sie sollten das auch tun. Also, haben wir einen Deal?«
»Ich werde Ihnen die Informationen zukommen lassen.«
Na geht doch. Warum nicht gleich so?
***
Der Glückstag, der Miss Keiler heute vor einer Kündigung bewahrt hatte, war Tears Geburtstag.
Den ganzen Tag über war ich schon bei bester Laune, weil ich einige kleine Überraschungen für das Geburtstagskind geplant hatte und mich freute sie gleich wiederzusehen.
Mir war klar, dass Tears bestimmt nicht in Hochstimmung war, ihren Geburtstag zu feiern, aber ihr war nicht klar, dass ich überhaupt davon wusste und egal wie gelaunt sie auch war, meine Geschenke bekam sie trotzdem.
Als Jane mich über Tears Geburtstag informierte, waren mir gleich ein paar Ideen gekommen, die ich gestern spontan versucht hatte umzusetzen und überraschenderweise hatten meine Pläne gut geklappt. Für heute Abend war alles geplant und ich hoffe sehnlichst, dass Tears sich für diesen Abend fallen ließ.
Ihr war es in den letzten Tagen gut gegangen, ich hatte sie seltener weinen gehört und sie war stetig gelöster, dass ich wirklich hoffte, sie eines Tages wieder vollkommen unbeschwert durch die Wohnung laufen zu sehen.
Im Moment war sie in einer Phase, die sie manchmal spontan zurück in ihre Trauer warf, ebenso schnell aber auch wieder dort hinausholte. Es war ein ständiger Wechsel zwischen Ruhe und einer Flut aus Tränen, aber ich sah ein Ende in diesem Wasserfall. Irgendwann würde es ihr besser gehen – sie hatte Zeit. Irgendwann musste noch lange nicht heute sein, aber vielleicht puzzelte sich das Irgendwann für heute zusammen.
Ich war hoffnungsvoll, als ich die Firma verließ und anders als sonst um die Ecke abbog, um tiefer in den Kern Queen Annes zu kommen.
Es war bereits früher Abend und ich war deutlich später als sonst, was mich selbst natürlich verdächtigte, aber bevor ich nach Hause fahren konnte, musste ich erst die Bestellungen abholen, die ich auf schnellstmögliche Art hatte versucht zu erlangen.
Mein erster Stopp war bei einem Fotogeschäft, in dem ich Bilder zur Entwicklung in Auftrag gegeben hatte. Es handelte sich dabei um Aufnahmen, die ich während des Helikopterfluges und unserem Ausflug zum Space Needle von Tears und Jane gemacht hatte und um Bilder, die in England und ihrer Zeit bei mir entstanden waren.
Ich hatte vor ihr dazu ein paar Bilderrahmen zu schenken, um die Aufnahmen in bester Erinnerung zu halten.
Ein weiteres Geschenk konnte ich in derselben Straße abholen und nur für zwei weitere Geschenke hatte ich umzukehren und das Auto zu holen.
Es war kurz nach acht als ich die Haustür aufschloss und im Flur das Licht anknipste, um meine Schuhe auszuziehen. Ich schmunzelte, als ich meine Lackschuhe neben Tears abgelaufene Converse stellte und mir das Jackett von den Schultern streifte. Mein Anzug nervte mich heute schon den ganzen Tag und ohne Umschweife zog ich mir auch mein Hemd aus, ehe ich die Einkaufstüten zur Hand nahm und um die Ecke ins offene Wohnzimmer trat.
Eine graue Kugel lag zusammengerollt auf dem Sofa und ich hörte ein leises Schnarchen, als ich näher trat. Eingerollt in eine Strickdecke, die mir meine Mutter zum Einzug geschenkt hatte, lag Tears auf dem Sofa. Ihre Arme hatte sie eng an sich gedrückt und auch ihre Beine waren angezogen, dass ich glaubte ihr sei kalt, was bei den Temperaturen im Apartment beinahe unmöglich war.
Ich stellte das Thermostat trotzdem ein wenig höher und schlich mich leise nach oben, um mich umzuziehen, ehe ich sie wohl oder übel zu wecken hatte.
Sie konnte immerhin nicht ihren kompletten Geburtstag verpassen, unter welchen Umständen auch immer.
Glücklicherweise hatte man mir die Pakete in Geschenkpapier verpackt und so musste ich mich nicht damit quälen, in meiner Wohnung nach Schleifen und Klebeband zu suchen. Brian gab sich jährlich mit einer Tüte zufrieden, in die ich sein Geschenk packte. Sehr kreativ – ich weiß – aber Geschenke machen oder sie einpacken lag mir einfach nicht.
Es knisterte, als ich die Treppe hinunterlief, und ich war froh, dass Tears fest genug eingeschlafen war, dass sie mich nicht näher kommen hörte. So blieben mir einige Minuten Brian und Leah anzuschreiben und die Geschenke auf dem Wohnzimmertisch direkt vor Tears Nase abzulegen, ehe ich mich auf die Sofakante neben das schlafende Bündel setzte und mich näher an ihr Ohr beugte.
Ich hatte sie heute Morgen bereits ziemlich früh allein gelassen.
Ich hatte unglücklicherweise nicht die Chance gehabt mit ihr zu frühstücken, weil ich in der Frühe ein Meeting gehabt hatte. Umso glücklicher war ich jetzt, endlich wieder bei ihr zu sein. Ich hatte sie den Tag über vermisst und weil sie keine Medien besaß war es mir auch nicht möglich gewesen, sie zu kontaktieren, um in der Mittagspause zu telefonieren.
Eine Hölle.
Aber die Umstände waren bereit sich zu ändern.
»Happy Birthday to you, happy Birthday to you, happy Birthday, liebe Tears, happy Birthday to you.«
Wir hatten schon auf gemeinsamen Autofahrten herausgefunden, dass das Singen unser beider Schwäche war, aber über mein geflüstertes Geburtstagslied konnten weder sie noch ich meckern. Ich hatte mein Bestes gegeben, um wenigstens heute nicht nach einem sterbenden Gockel zu klingen.
Tears schien mein Lied zu gefallen, sie lächelte, ohne dabei die Augen zu öffnen und begann erst zu blinzeln, als ich das Lied ein zweites Mal anstimmte.
»Woher weißt du von meinem Geburtstag?«, murmelte sie nach Ende des zweiten Liedes und stützte sich auf. Mein Körper neben ihrem verdreckte die Reihe an Geschenken, die ich ihr besorgt hatte.
»Ein Vögelchen hat mir gezwitschert und auch wenn du bestimmt nie auf die Idee gekommen wärst mir dein Geburtsdatum zu nennen, so bin ich froh, dass jemand anderes es getan hat.«
Ihre verschlafen friedliche Miene verfiel einem leicht wehmütigen Blick.
»Ich ... ich war einfach nicht in Stimmung dir davon zu erzählen. An meinen Geburtstagen herrschte früher immer Trubel. Die ganze Familie ist gekommen, es gab eine riesige Torte mit Kerzen, die man auszublasen hatte, und um Mitternacht war es Tradition auf der Veranda einen Berg voll Donuts zu essen. Früher habe ich meine Geburtstage geliebt, aber die letzten Jahre gab es stetig einfach keine Zeit mehr, um sie zu feiern.«
Ich merkte wie ihre Stimmung kippte, ihr Lächeln war erzwungen, aber das galt es zu ändern.
Der Gedanke klang mir selbst fremd und war in ihrer Lage vielleicht unmöglich, aber womöglich war es Zeit sich einer neuen Familie anzunehmen. Und damit meinte ich nicht heiraten und Kinder bekommen, sondern die Familie im Kreise der Freundschaft. Wir kannten uns alle noch nicht lange, Leah hatte ich im B-N zum ersten Mal gesehen und Tears kannte Jason noch keine Ewigkeit, aber Brian und Matt waren eine gute Verbindung zwischen den Fronten und wir vertrugen uns alle, dass ich sicher war, dass wir gut miteinander auskommen würden in Zukunft.
Wir waren unsere eigene Familie und somit war Tears noch lange nicht allein. Das würde sie nie sein.
»Dieses Jahr haben wir eine Menge Zeit, meine Liebe, und glaube mir, du wirst den heutigen Abend noch lange in Erinnerung behalten. Bist du bereit?«
Sie zögerte, doch als sich ihr Blick hob und wir einander ansahen, schien sie sich sicher mit ihrer Antwort zu sein.
»Wenn du da bist, dann ja.«
Ich grinste und drückte ihre Hand und als ich kurz davor war sie zu küssen, klingelte es an der Tür.
Ich sprang erfreut auf. Tears zog die Augenbrauen zusammen.
»Schließe die Augen, Tears! Entspann dich – nicht schummeln! – und lass dich fallen. Es wird dir gefallen.«
Sie lächelte aufgeregt und tat wie ihr befohlen.
Ich lief langsam zur Tür und öffnete diese, um Matt, Brian, Leah, Jason und tatsächlich auch Peter in die Wohnung zu lassen.
Dass ich diesen getroffen hatte, war ein riesiger Zufall gewesen. Ich war nach der Arbeit im BN gewesen um Brian und Leah über meine Geburtstagspläne zu informieren. Der blonde Junge hatte mit seiner Freundin neben uns gesessen und anscheinend mitbekommen über wen wir sprachen, seine erste Frage - ohne sich vorzustellen oder zu grüßen - war mitten ins Gespräch geplatzt: »Geht es ihr gut?«
Ich hatte keine Ahnung wer er war und wovon er sprach und auch Leah war ratlos verstummt, aber Brian murmelte irgendwann ein »Es könnte besser sein« und schien den Fremden Mann zu kennen.
Er stellte sich als Peter vor und erzählte uns, woher er das Mädchen kannte, über das wir sprachen. Er war ihr Grundschulfreund Peter und als Brian nun auch ein Licht aufging, schien der Fremde die Wahrheit zu sagen.
Ich war hellhörig, als er mir mein Misstrauen ausredete und wirklich interessiert, als er mir von der Tears erzählte, die er von früher kannte.
Wir hatten uns stundenlang unterhalten und ich konnte sehen, dass Peter es nicht leicht gehabt hatte, nachdem er mit seinen Eltern umgezogen war. Der Kontakt zwischen Tears und ihm war zerbröckelt, aber ihre Freundschaft sollte darunter nicht gelitten haben.
Ich lud Peter letztendlich ein. Er hatte mir mit seinen Geschichten sehr geholfen und seine Erzählungen glichen sich mit denen ab, die Jane mir in einen Anhang zu ihrem Brief getan hatte.
Ich hatte keine Ahnung wie Tears gleich reagieren würde, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass sie erfreut war einen alten Bekannten bei sich zu haben. Peter und sie schienen – auch laut Brian – damals wirklich beste Freunde gewesen zu sein und doch war ihre Freundschaft anders, als normale Freundschaften es eben waren.
Ich konnte und wollte es nicht erklären, denn ich war einfach erfreut über den Zufall – oder das Schicksal – und das Peter heute hier aufgetaucht war.
Brian und Peter hatten sich gelb-rot gestreifte Papierhüte auf den Kopf gesetzt, während Leah eine riesige Geburtstagstorte in der Hand hielt und es sich – Traditionsgemäß wie Peter meinte – nicht hatte nehmen lassen Schokostreusel über die Sahne zu streuen und genau zweiundzwanzig Kerzen in die Torte zu stecken.
Die Torte sah nicht mehr aus wie eine Torte, sondern ein Meer aus Lichtern, dessen Oberfläche schmolz, aber wenn es das war, was Tears kannte, dann sollte sie eben eine solche Torte bekommen.
Ich deutete den Fünfen leise zu sein und führte sie langsam um die Ecke ins Wohnzimmer. Tears saß noch immer mit geschlossenen Augen auf dem Sofa und mir fiel erst jetzt auf, dass sie sich wieder in ihren hübschen Diddl-Maus Pyjama geworfen hatte. Ich schmunzelte über ihren Anblick und ignorierte, dass ihr der Aufzug womöglich peinlich war.
Da musste sie jetzt durch, denn die anderen hatten sowieso bemerkt was sie trug und begannen schließlich so laut zu singen, dass keine Zeit für ein Zurück gab.
Zum dritten Mal an diesem Tag sang ich das Geburtstagslied für dieselbe Person, die vor Neugierde zu platzen schien und ihre Augen öffnete, als wir »Liebe Tears« sangen.
Gerührt drehte sie sich in unsere Richtung und staunte eine Weile über die leuchtende Torte, die Leah ihr hinhielt, um alle Kerzen auszupusten.
Es roch widerlich nach Feuer, aber Tears hatte nach dem fünften Luftzug endlich alle Kerzen aus und freute sich riesig. Die Torte war also ein voller Erfolg.
Als der Qualm sich klärte, wandte sie ihren Blick von Leah ab und sah zum ersten Mal richtig in die Runde.
»Ich danke euch, Leute.«
Weiter kam sie nicht, denn sie hatte Peter endlich bemerkt und ehe dieser selbst reagieren konnte, sprang Tears schon über die Sofalehne direkt in seine Arme.
»Peter!« Sie kreischte erfreut auf und begann zeitgleich zu weinen.
Er taumelte einige Schritte nach hinten, lachte und zog sie dann enger.
Sie kannten sich also wirklich. Ich war erleichtert. Peters Auftreten war tatsächlich eine schöne Überraschung. Ich freute mich unglaublich für Tears.
»Wer, wie, was, wo? Wie habt ihr euch getroffen? Wie kommst du hier her?«
Sie klang aufgelöst und zu Freudentränen gerührt.
Er lachte rau auf.
»Alles zu seiner Zeit, Hanni.«
Sie schlug ihm auf die Schulter.
»Du sollst mich nicht so nennen.«
Er lachte wieder.
»Ich erkläre es dir später. Es war in jedem Fall Schicksal.« Er lächelte in die Runde und ließ Tears zuletzt wieder auf die Beine.
»Aber jetzt wirst du erstmal gefeiert. Alles Gute, Hanni.«
»Danke, Pizza.«
»Dürfen wir dir jetzt auch alles Gute wünschen?«, fragte Leah amüsiert, während Brian sich die Frage selbst beantwortete und Tears kurzum einmal durch die Luft wirbelte.
Der Pyjama.
Ich begann zu lachen.
Nach Brian meldete sich Matt, dann Leah und Jason und zuletzt beglückwünschte ich Tears.
Anders als die anderen ließ ich sie allerdings nicht los und drehte mich mit einem Arm um ihre Hüfte zu den anderen um.
»Kuchen oder Geschenke?«, fragte ich sie über ihre Schulter und schlang meine Arme von hinten um sie. Ihr Körper war mollig warm und ihr Schlafanzug roch nach Kindheit, Schlaf und Zuckerwatte. Ich liebte wir Tears roch. Sie duftete ganz eigen.
»Weder noch«, murmelte sie und tauschte einen Blick mit Peter, der zu wissen schien was nun kam.
Sein Blick suchte nach einer Uhr und er grinste, als er die Ziffern der Küchenuhr las.
»Da hast du aber Glück gehabt«, murmelte er und führte eine stumme Diskussion mit Tears.
Ich verstand kein Wort.
»Könnt ihr zwei Telefone uns mal aufklären? Ich bin zum Feiern hier!«, schmollte Brian und langte damit an Aufmerksamkeit.
»Es ist Tradition sich um Punkt neun Uhr unter freiem Himmel etwas zu wünschen«, klärte Peter uns auf und bekam ein bekräftigendes Nicken von Tears.
Darum hatte er also auf die Uhr gesehen.
Es war kurz vor neun.
»Wieso neun Uhr?«, fragte ich Tears und folgte ihr als letzter nach draußen.
»Weil ich um Punkt neun Uhr geboren bin. Theoretisch also bin ich erst in vier Minuten zweiundzwanzig Jahre alt.«
Sie lächelte gesonnen und stellte sich zwischen Jason und Leah ans Geländer meiner Dachterrasse.
Die Luft war feucht und am Himmel glänzten keine Sterne, als ich aufsah, aber es regnete nicht.
Ich hatte noch bei keinem Geburtstag einen so geplanten Ablauf gehabt, aber die Geburtstagstraditionen gefielen mir außerordentlich gut und darum störte es mich nicht, neben meinen Freunden zu stehen und mir, auf die Sekunde genau um neun, etwas zu wünschen.
Ich wünsche dir Sonnenschein, Tears.
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