37« Davis Brief
Lieber Davis,
um ehrlich zu sein, konnte ich zu Beginn überhaupt nichts mit dir anfangen.
Ich kannte dich aus dem Fernsehen und aus Zeitschriften und wusste, dass um deine Persönlichkeit ein riesiges Drama gemacht wurde.
Die Frauenherzen fallen dir zu, wie die Sorgen meine Schwester.
Ich fand dich schon immer hübsch, aber du warst genau wie alle anderen auch. Arrogant, stinkreich, ein Frauenheld und selbstverliebt. Du hast meiner Schwester eine Wunde ins Herz geschnitten, die dafür gesorgt hat, dass ich still und heimlich an deinen Tod gedacht habe.
Tut mir leid.
Ich weiß gar nicht, ob du dich je in die Lage von Tears versetzt hast, aber unabhängig von ihrer Vergangenheit, möchte ich dir mal erzählen, wie schrecklich für sie der erste Abend eurer Begegnung war.
Sie kam heulend nach Hause. Ihre Hände waren blutig und die Kündigung in ihrer Hand hatte sich rot verfärbt. Sie stank widerlich nach Wein. Ihr Kleid war ein Desaster.
Im Treppenhaus hörte man ihr Weinen hallen und als ich ihr die Tür öffnete, dachte ich zunächst, sie sei die Falsche.
Weißt du, Tears hat eine Menge erlebt, aber ihre Persönlichkeit trotzdem immer bei sich selbst gehalten, als ich sie so sah, wusste ich, dass ein weiterer Teil von ihr verloren gegangen war. Diese Welt war ein Ort, der sie kaputt machte. Dabei verdiente sie solche Schmerzen nicht.
Sie zitterte am Körper, als ich sie in unsere Wohnung aufs Sofa zog und sie umarmte. Ich habe jeden verflucht, der sie zum Weinen gebracht hat.
Da waren ihr Chef, der sie geschlagen, der sie beleidigt und der sie hinausgeworfen hatte. Insgeheim war es vielleicht richtig so, dieses Schwein hat sie schon immer schlecht behandelt, aber das Geld brauchten wir trotzdem.
Da waren du und all deine Anhängsel von Millionären, die auf sie einschlugen und sie beleidigten, obwohl das Missgeschick nicht einmal ihr blühte.
Da waren die widerlichen Gäste, die ihr hinterhergerufen hatten, mit hämischen Gesichtern, weil man ihr gekündigt hatte.
Und zuletzt war da dieser widerliche Typ, der sie vor deiner Anwesenheit angefasst hatte. Dieses Schwein, dieses perverse, eklige Schwein.
Tears hat einiges überstanden, aber das sie für die Fehler anderer und sexuelle Belästigung beschuldigt wird, ist sogar für euch Reiche unmöglich.
Ich hasse euch alle noch immer für das, was ihr ihr angetan habt.
Ich hasse jeden, der auf dieser Welt schuld dafür ist, dass Tears auch nur einmal absichtlich unglücklich war.
Nimm es also nicht zu persönlich, vor allem nicht, weil ich von Zeit zu Zeit doch begonnen habe dich wirklich zu mögen.
Du bist gar nicht so perfekt, wie die Presse dich immer gibt.
Du bist ein Mensch und mir gefällt besonders, dass du genau wie eine behandelt werden willst.
Mir ist aufgefallen, dass Tears deinetwegen zwar eine weitere Wunde trug, genau diese allerdings nicht mit deinem Tod zu heilen beginnen würde, sondern nur mit deiner Anwesenheit selbst.
Du bist fähig sie zu verletzen, mitten ins Herz, mitten in den Tod, aber gleichzeitig bist du fähig, sie zu heilen. Du machst sie wieder komplett, vollständig und wenn ich sie ansehe, dann machst du sie mittlerweile auch sehr glücklich.
Davis, ich weiß nicht, warum du gegangen bist, warum du ab und an so kalt zu ihr bist und warum du dich ihr näherst und dich dann wieder zurückziehst. Du bist ein unerklärlicher Mann, aber ich hoffe, du bist nicht auf den Mund gefallen, damit du es Tears irgendwann erklären kannst.
Ich sehe in deinen Augen, dass du sie liebst. Du beginnst dich in sie zu verlieben. In ihrer Nähe bist du anders, du wechselst deinen Körper und wirst zu jemandem, der sich zu ändern versucht. Du
bist süß, wenn du rot wirst und nach genauem hinsehen, passiert das sogar ziemlich häufig.
Ich mag es, wenn du dich verletzlich und emotional zeigst und glaube mir, Tears mag das auch.
Sie mag jeden Menschen, der sich ihr menschlich zeigt. Sie mag jeden Menschen, der freundlich ist und sie mag jeden Menschen, der Fehler macht und sich den Arsch aufreißt, um sie wieder gutzumachen.
Tears verzeiht schnell, aber unterschätze sie nicht, denn sie vergisst nichts.
Ich hoffe so sehr, dass du zu ihr zurückfindest. Ihr beide seit – trotz allem – wie für einander geschaffen. Vielleicht seid ihr beide noch zu blind und zu feige, um es selbst zu erkennen, aber ich weiß genau, dass ihr zusammengehört.
Du bist ein Arschloch, ein Blödmann und ein dummer Junge, der übersieht, was für eine perfekte Frau er vor sich stehen hat. Du bist feige, Davis und vor allem – und das macht alles wett – bist du ängstlich. Du hast Angst vor der Liebe.
Irgendwie finde ich, dass dieser Fakt dir wie ins Gesicht geschrieben steht. Frauen haben keine Chance bei dir, weil du Angst vor ihnen hast. Das hattest du immer.
Und das hast du noch immer.
Tears macht dir Angst. Sie macht dir Angst, weil sie anders ist, weil sie dir den Mund verbietet, weil sie laut ist von innen und außen, weil sie faszinierend ist und weil sie kaputt ist. Zerbrochen, wie eine Vase aus Porzellan.
Du bist unzufrieden mit ihr, weil sie nicht glücklich ist, weil sie weint, weil sie trotzdem jeden Morgen aufsteht und weil sie zu stark ist. Genau deshalb bist du bei ihr. Sie reist dich in einen Bann, macht dich neugierig, weil eure Welten und eure Charaktere einfach zu verschieden sind, um sich auf normale Weise zu treffen.
Deswegen war euer erstes Zusammentreffen ein Desaster.
Ihr kommt nicht von derselben Welt, aber ihr spürt trotzdem, dass der jeweils andere zu euch gehört. Ihr wollt, dass der jeweils andere zu euch gehört.
Ich wünschte, ihr würdet das auch einsehen und endlich zugeben.
Ihr mögt einander, was daran, ist so unglaublich schwer zu verstehen?
Wenn ich Tears in deiner Nähe ansehe, dann sieht sie anders aus, als wenn du fort bist.
Ihr Gesicht hat andere Farben, ihre Augen schimmern anders und es ist vor allem das Glück und die Hoffnung, die sie umgibt, wenn du da bist. Du schenkst ihr Hoffnung, Davis, und wenn du mein Wissen hättest, dann wüsstest du, wie wertvoll und besonders das ist.
Mit dem Tod unserer Eltern, hat Tears eine Menge an Selbstvertrauen verloren, weil sie plötzlich ganz allein gegen die Welt kämpfen musste. Sie war siebzehn, als Dad uns verließ und plötzlich hatte sie mich allein an der Backe und Rechnungen und Schulden und kein Geld und kein Auto und niemanden, bei dem sie sich ausruhen konnte.
Der Tod von Dad hat sie endgültig kaputt gemacht und ich weiß, dass ich der einzige Grund war damals, der sie hat wieder zusammenreißen lassen. Jetzt werde ich ebenfalls gehen. Ich bin krank und spüre selbst, dass ich nicht länger bleiben kann. Diese Welt braucht mich nicht länger und ich komme damit besser klar, als meine Schwester es tut.
Sie hat viel mehr verloren als ich.
Ich kenne meine Eltern nicht einmal richtig. Ich erinnere mich nur blass an meine Mutter und Dad ist ebenfalls ein ferner Verwandter. Tears war von Beginn an meine Mutter. Sie war ein Teenager und meine Ersatzmutter, das hat ihr eine Menge Verantwortung und Druck aufgebürdet. Sie zwang sich dazu, nie wieder schwach zu sein, nie wieder die Kontrolle zu verlieren. Sie war strickt und erwachsen.
Sie hatte nie Freunde und ich weiß, dass Leute wie Brian und Matt sie immer für stumm glaubten. Das lag daran, dass wenn sie überhaupt mal in der Schule war, nie ein Wort sprach. Sie konnte nicht, denn in ihrem Kopf summten viel mehr Dinge, als das sie sich hätte konzentrieren können.
In jedem Streit, Kampf und Auseinandersetzung, sah sie Blut und ich weiß, dass sie kein Blut erträgt. Mit Blut verbindet sie den Tod und der Tod macht sie kaputt.
Es mag kompliziert klingen, ist aber eigentlich ganz leicht.
Tears kann kein Blut sehen, sie kann nicht länger sehen, wie Menschen sterben und sie erträgt keine einzige Träne, die nicht ihre eigene ist.
Sie mag kaputt klingen und wie jemand, der hoffnungslos verloren ist, aber das stimmt nicht.
Wenn sie bei dir ist, dann schwebt sie über dem Abgrund in den sie weiß, dass sie fallen wird, wenn ich sterbe.
Und ich werde sterben, deswegen hoffe ich so sehr, dass du bei ihr sein wirst.
Ich mache mir Sorgen um sie, denn ich kann nicht einschätzen, welche Dummheiten sie begeht, wenn ich nicht mehr bin.
Bereits nach Dads Tod hat sie sich selbst weggeworfen, nicht mehr gegessen und sich selbst beleidigt, sie hat sich fertig gemacht und das macht sie immer noch.
Sie glaubt, ich schlafe, aber wenn sie abends im Bad verschwindet und ihr Spiegelbild verhöhnt, dann bin ich wach. Sie beleidigt sich selbst, macht sich Vorwürfe, weil ich krank bin und nicht sie und auch wenn ich sicher bin, dass sie es noch nie getan hat, so kommt sich der Rasierklinge mit jedem Wort immer ein Stückchen näher.
Ich bitte dich, egal was du auch von ihr hältst, was sie dir bedeutet und was du auch tust, bitte, bitte hilf ihr aus diesem Loch. Lass sie nicht allein ...
Tears ist kein perfektes Mädchen.
Vielleicht aber, so glaube ich, ist sie perfekt für dich.
Sie wollte immer studieren, ihren Schulabschluss machen und ihr größter Wunsch ist es später anderen in Not zu helfen.
Vielleicht gefällt es ihr nicht, dass ich dir das alles erzähle, aber ich glaube du bist eine Quelle, die auch Informationen braucht, um zu helfen.
Ich erwarte nichts von dir, das tut niemand. Womöglich erhältst du diesen Brief nie. Ich hoffe, dass du ihn irgendwann liest. Selbst wenn es längst zu spät ist, Hauptsache du weist, dass ich dich lieb habe und das Tears dich liebt. Sie tut es, glaube mir.
So, wie sie sich fallen lässt in deiner Nähe, sehe ich, dass du ihr unbewusst einen großen Teil ihrer Lasten nimmst. Du machst gar nichts Besonderes, du handelst bloß mit einem Herzen, dass um Verzeihung und Aufmerksamkeit bittet und das gefällt ihr.
Ich weiß nicht, wie viel Blödsinn ich hier gerade schreibe. Ich bin nur ein fünfzehnjähriges Mädchen, das Krebs hat, bald sterben wird und hofft, dass der super Millionär zur Vernunft kommt.
Meinen Segen habt ihr beide in jedem Fall. Tears kann eine kleine Romantikerin sein, dabei ist sie manchmal wirklich eine unglaublich nervige Realistin.
Ich würde mir wünschen, sie könnte ihn Zukunft ein bisschen mehr träumen. Denn im Leben ist es wichtig zu träumen, zu spinnen und alles im Chaos enden zu lassen. Wie langweilig, wenn es anders wäre.
Wenn ihr zwei jemals heiraten werdet, meinen Segen habt ihr.
Ich und auch Daniel sind fest davon überzeugt, dass ihr zwei füreinander geschaffen wurdet.
Es klingt wie ein ziemlich schlechtes Klischee, aber, mit Verlaub, wir alle lieben sie doch.
Bitte pass gut auf meine Schwester auf, Davis. Komm zu ihr zurück, lass sie nicht allein und liebe sie. Ich bitte dich, wenn du sie liebst, dann zeige es ihr. Tears braucht die Nähe und Berührungen eines Menschen und sie braucht jemanden, der sie hält, wenn sie weint.
Sie ist nicht gut mit Worten.
Sie misstraut den Menschen, aber ich verspreche dir, wenn sie dich annimmt, dann lohnt sich jede Sekunde mit ihr.
Sie ist toll.
Ich liebe sie, von ganzem Herzen und ich hoffe, dass du das auch tust.
Du musst es dir nur eingestehen.
Eingestehen und sehen, dass sie dich nicht von sich stößt.
Ihr liebt euch beide oder seit auf dem besten Weg dorthin.
Lasst euch nicht zu lange Zeit, denn Tage ergeben irgendwann Jahre und Sekunden schon bald Stunden. Wer weiß wie lange ihr noch lebt, deshalb wünsche ich mir, dass ihr gemeinsam die Zeit aufholt.
Lass sie leben.
Lebt. Gemeinsam.
Liebt. Einander.
Werdet glücklich, meine Lieben.
Ich bin gleich da vorne.
Deine/ eure Jane
PS: Wehe du tust ihr je wieder weh und lässt sie allein!
PPS: Meine Drohungen sterben nicht!
PPPS: Ich liebe euch alle!
PPPPS: Tears hat am 18. Oktober Geburtstag.
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